Gegenständlich beschränkte Vor- und Nacherbfolge ?

  • Es liegt folgendes Testament vor :

    "In meinem Todesfall erbt meine Frau ..... unser Haus samt Inventar in B.

    Nach dem Tode der Frau soll die Tochter .... das Haus erhalten.

    Unser Auto erbt die Frau ...

    Meine Jagdwaffen und -ausrüstung erhalten die Söhne .

    Den Grundbesitz in C. soll der Sohn .1. erhalten.

    Den Grundbesitz in D. soll der Sohn .2. erhalten."

    Das Haus stellt den größten Wert dar.

    Wie sieht der Erbschein aus ?

  • Wie der Erbschein aussieht, hängt davon ab, wie man das Testament auslegt. Hierfür gibt es folgende Möglichkeiten:

    a) Die Ehefrau ist alleinige Vorerbin und die Tochter Nacherbin (mit Ersatznacherbfolge i.S. des § 2069 BGB). Die übrigen Anordnungen sind Vermächtnisse zugunsten der Söhne bzw. ein Vorausvermächtnis zugunsten der Vorerbin (PKW: § 2110 Abs.2 BGB), sofern die bedachte "Frau" mit der Ehefrau identisch ist (ansonsten auch insoweit ein "normales Vermächtnis für die Drittbedachte). Für diese Lösung könnte sprechen, dass das Haus den größten Vermögenswert darstellt und nur bei der Ehefrau die Bezeichnung "erbt" -im Gegensatz zu "erhalten" bei den übrigen Bedachten- gewählt wurde.

    b) Quotenerbfolge im Verhältnis der wertmäßigen Zuwendungen mit entsprechenden Teilungsanordnungen, wobei die Tochter auf das Ableben der Witwe aufschiebend befristete Vermächtnisnehmerin im Hinblick auf das Haus ist. Diese Lösung -die mir persönlich weniger gefällt- hätte zur Folge, dass der Nachlass, über den nicht verfügt wurde (insbesondere das Geldvermögen), nach den sich aus den Wertverhältnissen ergebenden Erbquoten aufzuteilen wäre.

    c) Gesetzliche Erbfolge, sodass alle Verfügungen nur Vermächtnisanordnungen darstellen. In diesem Fall wäre die Tochter Nachvermächtnisnehmerin auf das Ableben der Witwe im Hinblick auf das Haus. Die Nachlassgegenstände, über welche nicht verfügt wurde (wiederum das Geldvermögen) würde in diesem Fall nach den gesetzlichen Erbquoten aufgeteilt. Auch für diese Lösung kann ich mich nicht so recht erwärmen.

    Fazit:

    Zum Zwecke der Auslegung des Testaments ist vom NachlG von Amts wegen der Wille der Erblasserin zu ermitteln, über den der Sachverhalt keinen Aufschluss gibt. Eine endgültige Lösung kann daher hier nicht angeboten werden.

    Sofern die Ermittlungen nicht den erforderlichen Aufschluss geben, würde ich zu Lösung a) tendieren. Diese Nacherbenlösung hätte zur Folge, dass die Tochter nach § 2306 Abs.2, Abs.1 S.2 BGB vorgehen könnte und dass der Witwe der Weg nach § 2306 Abs.1 S.2 offen stünde. Die Söhne könnten demgegenüber nach § 2307 BGB vorgehen, was aber im Ergebnis davon abhängt, ob die ihnen gemachte Vermächtniszuwendung den Wert ihres Pflichtteilsanspruchs übersteigt oder nicht.

    Die Quotenerbfolgelösung nach lit. b) kann zur Folge haben, dass die Teilungsanordnungen nach § 2306 Abs.1 S.1 BGB unwirksam sind, soweit der einzelne Miterbe einen Erbteil erhält, der geringer ist als seine Pflichtteilsquote. Dies kann zu ernormen rechtlichen Schwierigkeiten führen, weil sich dann die Frage stellt, ob die Teilungsanordnung nur gegenüber dem betreffenden Miterben oder insgesamt unwirksam ist.

    Die aufgeworfene Frage nach einer "gegenständlich beschränkten" Nacherbfolge stellt sich bei Lösung a) aber in keinem Fall, weil sich die Nacherbfolge in jedem Fall auf den gesamten Nachlass erstreckt und die Nacherben durch die Erfüllung der angeordneten Vermächtnisse aufgrund der getroffenen Erblasseranordnungen im Rechtssinne nicht beeinträchtigt sind (bzw. sie verpflichtet sind, den Vermächtniserfüllungen zuzustimmen). Dass sich die Nacherbfolge aufgrund dieser Vermächtniserfüllungen im Ergebnis auf einen einzelnen Nachlassgegenstand beschränkt, ist ohne weiteres zulässig, weil keine Nacherbfolge für einen einzelnen Nachlassgegenstand angeordnet wurde. Es gilt also nichts anderes, als wenn eine Nacherbfolge mit der Maßgabe angeordnet wird, dass der gesamte Nachlass mit Ausnahme eines bestimmten Nachlassgegenstandes (meist Grundbesitz) dem Vorerben i.S. des § 2110 Abs.2 BGB als Vorausvermächtnis zugewendet ist.

  • Danke Juris für die bekannt umfassende Antwort.

    Ich habe den Erbschein schon in der Vergangenheit dahingehend erteilt, dass die Frau .... Alleinerbin ist und bezüglich des Hauses Vor- und Nacherbschaft eingetreten ist (somit gegenständlich beschränkte Vor- und Nacherbfolge)

    Ist dieser Erbschein als falsch einzuziehen ?

  • Das hängt davon ab, wie der Inhalt des Erbscheins formuliert ist.

    Exakt zutreffend wäre wohl:

    "Aufgrund der Anordnung von Vorausvermächtnissen i.S. des § 2110 Abs.2 BGB erstreckt sich die angeordnete Nacherbfolge lediglich auf den (Miteigentumshälfteanteil des Erblasssers an dem) im Grundbuch des AG ... für ... Blatt ... vorgetragenen Grundbesitz."

    Im vorliegenden Fall ist wohl wie folgt formuliert:

    "Im Hinblick auf den (Hälftemiteigentumsanteil des Erblassers an dem) im Grundbuch des AG ... für ... Blatt ... vorgetragenen Grundbesitz ist Nacherbfolge angeordnet." ...

    Ob diese Formulierung den Erbschein i.S. des § 2361 BGB unrichtig macht, hängt davon ab, ob man seinen rechtlich unscharf formulierten Inhalt in der Weise auslegen kann, dass er auch die (stillschweigende) Aussage enthält, wonach der gesamte übrige Nachlass der Vorerbin als Vorausvermächtnis zugewendet ist. Ich würde dies bejahen, weil es keinen Unterschied machen sollte, ob die Anordnung des Vorausvermächt-nisses im positiven oder im negativen Sinn formuliert wird, sodass der Erbschein jedenfalls das zutreffende rechtliche Ergebnis zum Ausdruck bringt. Gleichwohl sollte man solche gerade für den rechtlichen Laien zu Missverständnissen Anlass gebende Formulierungen vermeiden und sich streng an die vom Gesetz vorgegebene Terminologie halten.

  • Ich bin zwar derzeit im Grundbuchamt tätig, habe aber folgenden Sachverhalt, der hauptsächlich das Nachlassrecht betrifft.

    Mir liegt ein Grundbuchberichtigungsantrag vor, dem das Eröffnungsprotokoll sowie das öffentliche Ehegattentestament beigefügt ist.

    Im Testament setzen sich der Ehemann und die Ehefrau zu jeweiligen, alleinigen Erben ein. Schlusserbe soll X sein.

    Soweit so gut. Die Ehefrau beantragt daraufhin die Grundbuchberichtigung.

    Grundbesitz ist im hiesigen Grundbuchbezirk und in einem anderen Grundbuchbezirk vorhanden.

    Dann heißt es im letzten Absatz:

    Hinsichtlich des Grundbesitzes (eingetragen im an anderen Grundbuchbezirk) soll der überlebende Ehegatte lediglich Vorerbe sein. Nacherbe ist Z.

    Ist die Ehefrau überhaupt Alleinerbin? Wie würde das in einem Erbschein aussehen? Bzw. ist diese beschränkte Vor- und Nacherbschaft überhaupt zu lösen?

    Danke für die Hilfe.

  • Das ist möglich, sogenanntes dingliches Vorausvermächtnis für den alleinigen Vorerben. Siehe z.B. Anmerkung Palandt zu § 2150 BGB. Der alleinige Vorerbe erwirbt den Vermächtnisgegenstand ohne Weiteres. Das bedeutet, wenn dein "Grundbesitz" nicht unter die Nacherbfolge fällt, wird das Grundbuch ohne Nacherbfolge berichtigt.
    Auch im Erbschein würde das dingliche Vorausvermächtnis (alles außer Grundeigentum x)vermerkt, das ist m.W. die einzige Ausnahme im deutschen Erbrecht vom Grundsatz, dass Vermächtnisse nicht im Erbschein aufgeführt werden.

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