unwirksame Ausschlagung: Nachlassgläubiger rühren sich nicht

  • Der testamentarisch eingesetzte Sohn des Erblasser hat bei mir weit verspätet ausgeschlagen. Er hat auch nicht die Annahme angefochten. Ich habe ihn bei Aufnahme der Ausschlagung ausdrücklich darüber belehrt, dass die Ausschlagung wohl unwirksam sein wird, trotzdem hat er auf Aufnahme bestanden und die Nachlassgläubiger in der Folge auf die Ausschlagung verwiesen. Sämtliche bekannten gesetzlichen Erben haben ebenfalls ausgeschlagen, obwohl ich sie ebenfalls darüber belehrt habe, dass sie meiner Meinung nach wohl eh nicht berufen sind, da die Ausschlagung des Sohnes unwirksam sein dürfte.
    Kurz darauf hab ich einen Antrag eines der Gläubiger auf Einrichtung einer Nachlasspflegschaft bekommen, habe diese aber darauf verwiesen, dass kein Grund hierfür gesehen wird, da die Ausschlagung unwirksam ist und sie selber als Gläubiger einen Erbschein beantragen können. Erbschein wurde nicht beantragt. Daraufhin hat dann das Finanzamt einen formell und inhaltlich unzureichenden Erbscheinsantrag gestellt, denn nach Hinweis auf Form und Inhalt aber zurückgenommen und sich seitdem nicht mehr gerührt. In dem Antrag des FA kam aber zum Vorschein, dass der testamentarische Erbe nach dem Tode des Erblasser aufgrund einer Vollmacht des Erblassers mit Befreiung von 181 BGB noch ein Grundstück des Erblassers auf sich selber übertragen hat.
    Die Gläubiger rühren sich derzeit nicht mehr, ich sehe aber nicht ein, dass der so einfach mit dieser Sache davon kommt. Kann ich als Nachlassgericht hier irgendwas veranlassen, oder liegt es einzig in der Hand der Gläubiger?

  • Nach Sachlage dürfte der über den Tod des Erblassers hinaus Bevollmächtigte den Nachlassgrundbesitz unentgeltlich an sich selbst überlassen und aufgelassen haben. Das ändert aber selbstverständlich nichts daran, dass der Grundbesitz im Zeitpunkt des Erbfalls zum Nachlass gehörte. Damit haben wir die Situation, dass der Bevollmächtigte Alleinerbe war, weil er die Erbausschlagung verspätet erklärt hat, was dazu führt, dass Alleinerbe und handelnder Bevollmächtigter identisch waren. Für diesen Fall ist es äußerst strittig, ob die Vollmacht für die Zeit nach dem Ableben des Erblassers weiter gilt oder ob sie aufgrund der Personalunion von Alleinerbe und Bevollmächtigtem mit dem Erbfall erlischt (vgl. LG Bremen Rpfleger 1993, 235 m.w.N.). Die Beantwortung dieser Streitfrage kann aber im vorliegenden Fall dahinstehen, weil kein Vollmachtshandeln zugunsten eines Dritten in Frage steht, sondern vom Bevollmächtigten eine Auflassung an sich selbst erklärt wurde. Dies ist ein rechtliches Ding der Unmöglichkeit, weil der Erwerber aufgrund seiner Alleinerbenstellung bereits mit dem Erbfall Alleineigentümer des betreffenden Grundbesitzes war und man kein Grundstück, das einem bereits als Alleineigentümer gehört, an sich selbst zu Alleineigentum auflassen kann. Damit ist die vorliegende Auflassung unwirksam.

    Diese Rechtslage ändert zwar nichts daran, dass der Sohn im Ergebnis (wenn auch aufgrund unrichtiger Eintragungsgrundlage [Auflassung] und ohne Vorlage des erforderlichen Erbnachweises i.S. des § 35 GBO) zu Recht als Alleineigentümer des Grundbesitzes im Grundbuch eingetragen ist, weil diese Eintragung im Hinblick auf die Eigentümerstellung der materiellen Rechtslage entspricht. Sie führt aber dazu, dass der in mancherlei Hinsicht rechtlich zweifelhafte Versuch des Sohnes, das Grundstück dem Nachlass durch "Übereignung" zu entziehen, missglückt ist und dass das Grundstück daher nach wie vor (wenn auch bisher "unerkannt") dem Zugriff der Nachlassgläubiger ausgesetzt ist.

    Also:

    Beantragung eines Erbscheins aufgrund eines Titelgläubigers (§ 792 ZPO), Antrag durch diesen auf Eintragung der Erbfolge (§ 14 GBO) unter gleichzeitiger Berichtigung der bisherigen Eintragungsgrundlage (§§ 14, 22 GBO) Zug um Zug mit Eintragung der gleichzeitig zu beantragenden Zwangshypothek(en).

    Damit hat der Erbe ausgespielt.

    Beim Finanzamt würde ich die entsprechende Verfahrensweise anregen.

  • Ich bin bei der Suche nach einer Lösung eines Problemfalls bei mir über diesen Beitrag gestolpert. Ich habe auch eine unwirksame Erbausschlagung, da die Kindesmutter für die Erbausschlagung für ihr Kind nach dem Kindesvater keine Genehmigung beantragt hat und somit auch nicht eingereicht hat, obwohl sie bei der Beurkundung erklärt hat, dass sie diese am gleichen Tage beantragen will. Ein Gläubiger beantragt auch Nachlasspflegschaft. Kann ich dem Gläubiger schon mitteilen, dass Ausschlagung unwirksam ist, wenn hierüber erst im Erbscheinsverfahren entschieden wird? Aber für eine Nachlasspflegschaft ist auch kein Grund, da der Erbe ja eigentlich bekannt ist.

  • Ist das Kind tatsächlich der alleinige Erbe? Ist die Mutter, die ausgeschlagen hat, evtl. 1 Tag danach, also kurz bevor sie für das Kind ausschlagen wollte verstorben, so daß die Frist gehemmt ist? Gibt es evtl. doch noch ein privatschriftliches Testament? Fragen über Fragen.

    Ich würde daher keine Aussage über die Wirksamkeit einer Ausschlagung bzw. Erbfolge machen, sondern stets nur Fakten nennen. Also A hat am (Einganag bei AG) mit notariell begl. Erklärung ausgeschlagen usw.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

  • Ich würde im Sinne des Kindes die Sorgeberechtigte nochmals "antreiben". Vielleicht fällt Euch ja noch was ein, wie ihr die Sache retten könnt.

    Gläubigern teile ich grundsätzlich nur den Sachverhalt mit und keine rechtliche Wertung.

  • Aber wenn der Kollege club-fan doch einen Antrag auf Einrichtung einer Nachlasspflegschaft auf dem Tisch hat, fällt es ihm wohl mental schwer, bei augenscheinlicher Unwirksamkeit einer Ausschlagungserklärung eine solche einzurichten...

    the bishop :kardinal:

    NOBODY expects the spanish inquisition !

  • Meines Erachtens ist die Frage, ob die Ausschlagung wirksam ist, im Rahmen der beantragten Anordnung einer Nachlasspflegschaft zu prüfen. Ergibt diese Prüfung, dass die Ausschlagung unwirksam ist, ist die Anordnung einer Nachlasspflegschaft abzulehnen, und zwar auch im Fall des § 1961 BGB, weil der Erbe nicht unbekannt ist und auch nicht ungewiss ist, ob er die Erbschaft (durch Fristablauf) angenommen hat (vgl. den Wortlaut des § 1961 BGB: "in den Fällen des § 1960 Abs.1").

    Die Mutter des Kindes ist somit auf die Herbeiführung der Haftungsbeschränkung zugunsten des Kindes verwiesen.

  • @juris2112 und the bishop:

    :( :oops:Tja, da habe ich im Eifer überlesen, daß es ja einen Antrag (!!!) auf NL-Pflegschaft gibt. Selbstverständlich muß über diesen entschieden werden und zu dem Zweck auch eine Prüfung (und Entscheidung) erfolgen, ob die Ausschlagung wirksam war, oder nicht. In diesem Zusammenhang kann und muß dann natürlich dem Gläubiger/Antragsteller als Begründung für die Ablehnung seines Antrags mitgeteilt werden, wie das Gericht die Ausschlagung bewertet.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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  • Ich versuche gerne, die Minderjährigen soweit wie möglich in solchen Sachen zu schützen.

    Ich würde also nochmal einen Versuch unternehmen, die Mutter zu einem Antrag auf Genehmigung zu bewegen und Ausschlagung/Fristablauf - soweit vertretbar - "wohlwollend" prüfen.

    Sodann könnte die NL-Pflegschaft eingerichtet werden.

    Falls die Mutter nichts tut, muss das Kind als Erbe angesehen werden.


    Die Mutter des Kindes ist somit auf die Herbeiführung der Haftungsbeschränkung zugunsten des Kindes verwiesen.



    Rechtlich ja; aber wenn sie es noch nicht einmal schafft, die famger. Gen. zu beantragen ...

  • Wir haben es ja schon einmal an anderer Stelle festgestellt:

    Die Dummheit eines oder beider Elternteile ist kein Anfechtungsgrund im Hinblick auf die erfolgte Versäumung der Ausschlagungsfrist.

  • Habe gerade diesen Beitrag entdeckt und möchte gern ein Stimmungsbild hinsichtlich der Mitteilung an die Nachlassgläubiger einholen.

    Die Wirksamkeit der Ausschlagungen wird ja im Ausschlagungsverfahren nicht geprüft. Nun ist es hier aber so üblich, dass die Ausschlagenden auf (vermutliche) Mängel ihrer Erklärungen hingewiesen werden. In einem solchen Fall ist die Ausschlagung unwirksam und da er mit unserem Hinweisschreiben auch über die Frist belehrt wurde, kann ihn eine viel später erfolgte, formwirksame Ausschlagung nicht retten.

    Ist es also üblich dem Nachlassgläubiger die Fakten (Eingang, mögliche Fehler, Hinweisschreiben, erneute Ausschlagung) mitzuteilen, oder nur den Hinweis "alle Erben haben ausgeschlagen"?
    Wenn man ihm die Fakten so präsentiert, kann sich der Nachlassgläubiger ja zusammenreimen, wie der Hase läuft. Andererseits finde ich es komisch ihm nur die Ausschlagung aller Erben mitzuteilen, wenn das Nachlassgericht den Ausschlagenden auf offensichtliche Fehler hinwies.

  • Ich persönlich teile es den Gläubigern nicht mit, sondern nur die Tatsache, dass ausgeschlagen wurde. Sie können ja Akteneinsicht nehmen.

    Esra 7, Vers 25
    Du aber, Esra, setze nach der Weisheit deines Gottes, die in deiner Hand ist, Richter und Rechtspfleger ein, die allem Volk jenseits des Euphrat Recht sprechen, nämlich allen, die das Gesetz deines Gottes kennen; und wer es nicht kennt, den sollt ihr es lehren.

  • Ich persönlich teile es den Gläubigern nicht mit, sondern nur die Tatsache, dass ausgeschlagen wurde. Sie können ja Akteneinsicht nehmen.

    Das ist dann wohl der Grund, warum immer mehr Gläubiger Kopien der Ausschlagungserklärungen verlangen:eek:

  • Ebenso.

    Man könnte aber den Hinweis geben, dass die Wirksamkeit der Ausschlagungen nur im Erbscheinsverfahren geprüft wird.

    Mache ich auch.

    Esra 7, Vers 25
    Du aber, Esra, setze nach der Weisheit deines Gottes, die in deiner Hand ist, Richter und Rechtspfleger ein, die allem Volk jenseits des Euphrat Recht sprechen, nämlich allen, die das Gesetz deines Gottes kennen; und wer es nicht kennt, den sollt ihr es lehren.

  • Ich persönlich teile es den Gläubigern nicht mit, sondern nur die Tatsache, dass ausgeschlagen wurde. Sie können ja Akteneinsicht nehmen.

    Das ist dann wohl der Grund, warum immer mehr Gläubiger Kopien der Ausschlagungserklärungen verlangen:eek:

    Aus der Kopie der EAS können Sie auch nicht sehen, ob es fristgerecht eingegangen ist.

    Ich schreibe ihnen, dass alle bekannten erbberechtigten Personen die Erbschaft ausgeschlagen haben. Die Prüfung der Wirksamkeit allerdings derzeit nicht erfolgt, da dies dem Erbscheinsverfahren vorbehalten ist. Ein Erbschein wurde weder beantragt noch erteilt.
    Eine Nachlasspflegschaft wurde nicht angeordnet, da kein sicherungsbedürftiger Nachlass bekannt wurde.
    ( ) Die Akte wurde hier bereits weggelegt.

    Wenn darüber hinaus Fragen sind, können Sie fragen oder Akteneinsicht nehmen.

    Esra 7, Vers 25
    Du aber, Esra, setze nach der Weisheit deines Gottes, die in deiner Hand ist, Richter und Rechtspfleger ein, die allem Volk jenseits des Euphrat Recht sprechen, nämlich allen, die das Gesetz deines Gottes kennen; und wer es nicht kennt, den sollt ihr es lehren.

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