Verjährung der Zinsen während Wohlverhaltensphase

  • Hallo alle zusammen,

    nachdem ich nun schon seit 2 Stunden die gesamte Rechtssprechung durchgesucht habe und nicht fündig geworden bin und mir auch Insolvenzverwalter und Insolvenzgerichte nicht weiterhelfen konnten, nun die Frage ans Forum:

    Während der Wohlverhaltensphase ist die Verjährung von zur Tabelle festgestellten Forderungen gegen den in Verbraucherinsolvenz befindlichen Schuldner gehemmt. Allerdings kann man ja fast nie die Zinsen, also wiederkehrenden Leistungen, anmelden.

    Wenn nun im 5. Jahr der Wohlverhaltensphase wegen Unredlichkeit des Schuldners die RSB versagt wird, sind dann die Zinsen gegen den Schuldner generell verjährt?

    Und wenn ja, was kann man dagegen tun?

    Ich freu mich schon auf Eure Antworten.

  • Mit der Frage habe ich mich noch nicht beschäftigt. Aber ohne jetzt Kommentare wälzen zu wollen die Antwort nach Gefühl, das sollte so nicht sein.
    Da im Insolvenzverfarhen regelmässig nur die Zinsen bis Eröffnung in der Tabelle berücksichtigt werden könnte man als Gläubiger auf die Idee kommen, das Gericht aufzufordern wegen der nachrangigen Forderungen zur Anmeldung aufzufordern. Dann wären auch die weiteren Zinsen tituliert.
    Andererseits könnte man auch sagen, während des gesamten Verfahrens ist die Verjährung gehemmt nach § 204 I Nr. 10 BGB. Ansonsten stehen dem Gläubiger keine Möglichkeiten zu, seinen weiteren Anspruch auf Zinsen zu sichern oder durchzusetzen. Ich denke, die Frist nach § 204 II BGB soll bei natürlichen Personen erst mit der Entscheidung über die Restschuldbefreiung beginnen.
    Sollte der Gläubiger bereits über einen Titel verfügen, dann ist die Geschichte ja problemlos.

  • Ja, nach Gefühl seh ich das ganz genau so.

    Aber wenn der Schuldner dann den 197 II BGB heranzieht, Zinsen nach 3 Jahren-auch bei titulierten Forderungen- dann wüßte ich nicht, wie ich dem begegnen könnte.
    Denn fakt ist ja, dass die nicht zum Verfahren angemeldet sind und die Verjährung nicht wegen 204 I Nr. 10 BGB gehemmt ist. Außer man würde die Formulierung "die Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren" so weit auslegen, dass auch Zinsansprüche, die nicht angemeldet sind, aber der Hauptforderung folgen, welche angemeldet ist, als angemeldet gelten.

    Gibts dazu vielleicht Rechtssprechung? Ich hab nichts gefunden und wäre echt dankbar dafür.

  • Sorry, mit Rechtsprechung dazu kann ich nicht dienen.
    Da hier eine Regelungslücke herrscht ist wohl eine Analogie gefragt. Und § 204 mit der Folge / Wirkung der Hemmung der Verjährung schliesst diese Lücke wohl so, wie der Gesetzgeber es gerne gehabt hätte. Natürlich wäre es nett eine Obergerichtliche Rechtsprechung hier zu erhalten. Aber wird ein Gläubiger bei einem schon insolventen Schuldner auch nach versagter RSB den Aufwand noch betreiben wollen?

  • Kessy sagte:" Denn fakt ist ja, dass die nicht zum Verfahren angemeldet sind und die Verjährung nicht wegen 204 I Nr. 10 BGB gehemmt ist. Außer man würde die Formulierung "die Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren" so weit auslegen, dass auch Zinsansprüche, die nicht angemeldet sind, aber der Hauptforderung folgen, welche angemeldet ist, als angemeldet gelten."

    So weit würde ich nicht gehen, auch wenn ich mich mit diesem Thema noch nie beschäftigt habe. Wenn Zinsansprüche, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind, nicht zur Tabelle angemeldet werden (können), dann unterliegen sie m.M.n. der normalen Verjährungsfrist nach § 196 BGB. Das bestimmt ja auch § 197 Abs. 2 für die regelmäßig wiederkehrenden künftig fällig werdenen Leistungen, die tatsächlich angemeldet werden (konnten, weil zur Anmeldung nach § 39 InsO aufgefordert wurde) und wenn dafür sogar ein Titel vorliegt.
    Nur die Anmeldung und Feststellung im Insoverfahren soll Unterbrechung und längere Verjährung (wie ein rechtskräftiges Urteil) schaffen. Oder verstehe ich da etwas falsch? :confused:

  • Überleg mal die Konsequenz:

    Bei erteilter RSB ist egal ob Zinsen angemledet oder nicht.

    Wie ist das bei versagter RSB?
    Wegen Hauptforderung und Zinsen und Kosten etc. bis Eröffnung wegen Anmeldung zur Tabelle kein Problem. Um jetzt die Zinsen ab Eröffnung zu berücksichtigen, diese sind nachrangige Forderungen, könnte/müsste das Insolvenzgericht zur Anmeldung nachrangiger Forderungen auffordern, der Verwalter müsste Tabelle und nachrangige Tabelle führen und prüfen, dafür wohl auch noch einen Zuschlag erhalten, wegen was? Weil eine Regelungslücke existiert? Ist der Aufwand dafür gerechtfertigt?
    Da sage ich Nein.

    Die Lücke lässt sich durch Analogie schliessen. Hat es ein unredlicher Schuldner (muss so sein sonst keine Versagung RSB) verdient sich einen Teil seiner Verpflichtungen (laufende Zinsen) durch Berufung auf eine Verjährung, die der Gläubiger nicht untrebrechen oder hemmen konnte ohne die Mitarbeit des Insolvenzgerichts, zu entziehen?

    Auf der anderen Seite, werden die Gläubiger denn auf diese oder andere Zinsen irgendwelche Zahlungen sehen? Geschweige denn auf ihre Hauptforderung?

  • Zitat von Harry


    Sollte der Gläubiger bereits über einen Titel verfügen, dann ist die Geschichte ja problemlos.



    Trifft eventuell leider auch nicht zu. Zinsen, die lediglich mit einem Prozentsatz tituliert sind (z.B. 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank) verjähren möglicherweise nicht in der 30jährigen Verjährungsfrist des § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB sondern in der Frist des § 197 Abs. II BGB (regelmäßige Verjährungsfrist), da es sich hierbei um künftig fällig werdende Leistungen handelt.

    Dies führt dazu, dass nach Ablauf der Wohlverhaltensphase die 3jährige Verjährungsfrist (d.h. maximale Dauer bis zur Verjährung 4 Jahre) in Gang gesetzt wird.

    Ich kann leider die Verjährungsvorschrift des § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB auf Zinsen systematisch nicht unterbringen.

    Sorry!

  • Also entweder eine Lücke in der Gesetzesystematik oder Absicht des Gesetzgebers. Dazu müsste man mal die Motive bei der Schuldrechtsreform nachlesen.

    Wenn Lücke dann Analogie, wenn Absicht, o.k. dann sind die Zinsen verjährt und auch bei versagter RSB weg.

  • Ich kann die Verjährungsfrist für Zinsen als wiederkehrende Leistungen leider nur bestätigen - 3 Jahre! darüber herrscht in der Rechtsprechung auch Einigkeit. Macht ja auch Sinn, da die Schuldrechtsreform dem Gläubiger den Kontakt zum Schuldner erleichtern soll, aber ebend den Kontakt auch herstellen soll. Das ein Gläubiger nach 10 Jahren steil aus der Sonne kommt und dann einen Zinsberg größer als die Hauptforderung präsentiert, hat der Gesetzgeber nicht mehr gewollt.

    Aber eine Analogie im Inso-Verfahren, nach der die Zinsen nicht verjähren während die Wohlverhaltensphase läuft, kann ich nicht sehen. Insbesondere, weil man als Gläubiger die eigenen Interessen zugunsten der Gesamtgläubigerschaft zurückstellen soll.

    Außerdem glaube ich nicht, dass man bei einer Zivilrechtsklage gegen den Schuldner, dem die RSB versagt wurde, auf eine Regelung des BGB mit einer Ananlogie zur InsO durchkommt. Insbesondere, weil da ja der Schuldner die Höhe der gegen Ihn anhängigen Forderungen nicht mehr prüfen kann. Er hat keine Möglichkeit beispielsweise im 5. Jahr der Wohlverhaltensphase die bestehenden Zinsen ausgerechnet zu bekommen. Nicht vom Gläubiger und nicht vom Verwalter. Hat er da nicht ein Rechtsschutzinteresse? Und geht das denn verloren, wenn er "unredlich" ist? Was ist z.B. wenn die Zumutbarkeitsregelungen bei ALG-Beziehern verschärft werden, und der Sch. nicht 600 km weit weg arbeiten will? Wenn ich mich mal in den Sch reinversetze - was ich nicht gerne tue, bin lieber auf der anderen Seite:) - könnte ich das schon zu seinen Gunsten werten. Und würde an seiner Stelle wohl abwägen, weiter Sch zu haben...

  • Also ich bleibe dabei.

    Im übrigen ist die Analogie nicht in der Inso, sondern im BGB zu suchen. Es geht um die Verjährungsvorschriften.
    OK, wenn der Gesetzgeber die Verjährung so wollte, ich kann es mir gerade aber nicht vorstellen. Wenn einem Schuldner die Restschuldbefreiung versagt wird, dann hat er sich unredlich verhalten. Aber trotzdem soll er sich auf Verjährung berufen können, wenn der Gläubiger in diesem Zeitraum keine Chance hatte seinen Anspruch auf wiederkehrende Leistungen vor der Verjährung zu retten?

    Stört das irgendwie nur mich allein?

    Nun letztlich wird das ein Problem der Prozessgerichte sein.
    Oder auch gar kein Problem, wenn ein Gläubiger nun mal kein Gerichtsverfahren darüber anstrengt.

  • Zitat von Harry

    Stört das irgendwie nur mich allein?



    Ich würde Dir ja gerne beistehen, aber ich kann nicht. Mir fällt nix ein. :nixweiss: Ich könnte mir beides vorstellen. Zinsen werden dem Grunde nach ja geschuldet, weil der Schuldner im Verzug ist. Während eines Insoverfahrens ist der Schuldner ja nicht direkt im Verzug. Er ist nicht mehr in der Lage, (einzelne) Gläubiger zu befriedigen. Er könnte rechtlich ja nicht mal - selbst wenn er wollte- die Zinsen zahlen. Also warum sollen sie dann nicht auch verjähren ? Aber hast schon Recht in einem Punkt: Wen interessiert das ? Ein Gläubiger wird dem Schuldner nicht auch noch gutes Geld zur Rechtsverfolgung hinterherwerfen. Also warum sollte er auf die Zinsen klagen, wenn er noch erhält...

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    " Die Titanic wurde von Profis erbaut... Die Arche Noah aber von 'nem Amateur. Verstehen Sie, was ich meine?" (Bernd Stromberg)

  • Klar trennen die Verjährungsvorschriften zwischen dem Anspruch und den Zinsen. Für mich ist es ein Fall von "nicht bis zum Ende gedacht". Denn wenn ein Gläubiger die Zinsen verjähren lässt, weil er den Anspruch nicht verfolgt, dann ist mir das recht. Wenn er seinen Anspruch verliert, weil er durch das Gesetz keine Chance hat ihn zu verfolgen, auch wenn er wollte, dann stimmt was nicht.

    Ich habe gerade erst wieder eine Akte auf dem Tisch, Schuldner in der WVP und nimmt trotz Frist keine Verbindung mit Gericht oder TH auf, keine Nachweise über Einkommen. Jetzt zieht sich das Verfahren noch hin, Versagung RSB ist abzusehen. Und dann sollen die Zinsen verjährt sein.

    Nun, das Problem wird meistens theoretischer Natur sein, denn dem Schuldner müsste ja im 4. oder 5. Jahr der WVP die RSB versagt werden. Ich hoffe doch mal, das die meisten in dieser Phase doch das Verfahren dann noch durchstehen können.

  • Wenn man also von einer Verjährung der nicht angemeldeten Zinsen ausgeht, gilt das dann auch für die angemeldeten Forderungen aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen? Nach Ablauf der WVP und Erteilung der RSB kann der Gläubiger also wegen der Hauptforderung vollstrecken und wegen der seit Insolvenzeröffnung angelaufenen Zinsen nicht?

  • Kenne dazu 2 Fundstellen:
    1) Bähr in InVO 1998 S. 208
    2) Henckel in Jaeger, Komm. zur InsO § 39 RZ 4
    beide mit Vorschlägen w.z.B.

      • Verwalter auffordern, auf Einrede der Verjährung zu verzichten,
      • Anmeldung in Rangklasse 38 oder trotz fehlender Aufforderung in § 39
      • Einreichung Feststellungsklage
      • § 203 BGB (a.F.) analog
  • Danke sehr für die Kommentatoren.

    Hilft denn der Einredeverzicht weiter? Dazu müsste der Gläubiger die Zinsen ja vom IV fordern, kann er nicht, er hätte zur Tabelle anzumelden. § 39 Forderungen kann der Gl nur anmelden, wenn das Gericht dazu auffordert.
    Mann, es bleibt ein Schlamassel. Hoffen wir doch mal auf eine klärende Rechtsprechung.

  • Im Rahmen der Vertragsfreiheit sehe ich gem. § 202 BGB hier kein Problem. Ich verzichte doch auf die Geltendmachung der Einrede der Verjährung, weil ich gfls. einen Rechtsstreit mit ungewissem Ausgang vermeiden möchte.

  • ... und dann eine Haftungsklage des Schuldners, weil ich als IV auf die Verjährungseinrede verzichtet habe?? Also ich weiss nicht, welcher Rechtsstreit mir da lieber ist.

  • Zitat von chick

    ... und dann eine Haftungsklage des Schuldners, weil ich als IV auf die Verjährungseinrede verzichtet habe?? Also ich weiss nicht, welcher Rechtsstreit mir da lieber ist.



    Würde sagen: eher laut gebrüllt..;)

    Wo soll "beim Schuldner" denn ein Schaden entstanden sein? Oder denkst Du an die vielen Fälle, wo die Quote bei über 100 % liegt? Und bei natürlichen Personen gibts ohnehin die Restschuldbefreiung.

    Einen Schaden können doch eigentlich nur die anderen Gläubiger haben, deren Quote vermindert würde, also die anderen Gläubiger in der Rangklasse § 39. Und deren Forderungen dürften überwiegend verjährt sein, wenn sie sich im Gegensatz zu dem Gläubiger, gegenüber dem ich auf die Einrede verzichtet habe, nicht drum gekümmert haben.

    Andererseits, wo soll den mein schuldhaftes Verhalten liegen, wenn ich als "vernünftiger Insolvenzverwalter-Kaufmann" zur Vermeidung eines Rechtsstreites mit ungewissem Ausgang auf die Geltendmachung der Einrede der Verjährung verzichte?

  • Also meine Überlegung bezog sich tatsächlich nur auf natürliche Personen und war folgende:

    Wenn alles regulär läuft und der Schuldner Restschuldbefreiung erlangt, sind davon auch die während des Verfahrens laufenden Zinsen erfasst, weil die laut Gesetz eine (nachrangige) Insolvenzforderung darstellen, §§ 39 I Nr. 1, 301 I InsO.

    Das etwaige Rechtsschutzbedürfnis eines Gläubigers für die Verjährungsunterbrechung bei den Zinsen gründet daher allein auf der Möglichkeit, dass die Restschuldbefreiung versagt wird und er dann seine verjährten Zinsen ggf. nicht mehr geltend machen kann.

    Wenn nun aber die Restschuldbefreiung versagt wird und der vom IV mit Verjährungseinredeverzicht beglückte Gläubiger mit seinen Zinsen beim Schuldner ankommt, wird der sich fragen, wie denn der Verwalter dazu kam, den Einredeverzicht zu erklären.

    Verklagt mich der Schuldner daraufhin auf Schadensersatz in der Höhe, in der ihm wegen mir die Verjährungseinrede abgeschnitten ist, und kassiere ich dann auf hoher See ein Urteil, dann darf ich in mein eigenes Täschchen greifen.

    Verklagt mich als IV dagegen der Gläubiger, um die Verjährung seiner Zinsen zu unterbrechen, und versinken in der hohen See tatsächlich die §§ 87, 174 III InsO, dann lasse ich mein Täschchen erst mal zu und greife ins Töpfchen wegen der Prozesskosten, die dann Mindestgebühr sein dürften.

    Solange ich also noch keine überzeugende Entscheidung - vorzugsweise BGH - sehe, auf die ich mich für einen Verjährungseinredeverzicht stützen kann, ziehe ich die Töpfchen-Lösung vor.

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