(Un)zulässigkeit des "Nachweisverzichts" im Hinblick auf § 1193 II S.2 BGB n.F.?

  • Problem:

    Mit dem neuen § 1193 II S.2 BGB will der Gesetzgeber offenbar erreichen, dass aus der Grundschuld erst nach Kündigung vorgegangen werden kann.

    Nach § 726 I ZPO muss deshalb dem Klauselerteiler (in der Regel dem Notar) die Kündigung und der Ablauf der Kündigungsfrist vor der Klauselerteilung nachgewiesen werden.

    Bislang war es üblich, dass (falls die Vollstreckbarkeit des Titels von einem Tatsachennachweis i.S.v.§ 726 I ZPO abhängig war) ein so gen. "Nachweisverzicht" in der notariellen Urkunde erklärt und der Gl. von dieser Nachweispflicht befreit wurde, so dass der Notar unmittelbar im Anschluss an die Beurkundung die Klausel erteilen konnte.

    Würde man diese Praxis bezüglich des nunmehr erforderlichen Kündigungsnachweises beibehalten, würde dies die mit § 1193 II S.2 BGB verfolgte gesetzgeberische Absicht konterkarieren.

    Oder sehe ich da Gespenster?

  • Im Ergebnis bleibt es doch dabei, daß auch bei einer sofortigen Klauselerteilung wegen des Nachweisverzichts erst nach Kündigung und Fristablauf vollstreckt werden darf. Ich für meinen Teil kann daher nicht erkennen, daß dieses Verfahren die gesetzgeberischen Absichten unterläuft.

  • Im Ergebnis bleibt es doch dabei, daß auch bei einer sofortigen Klauselerteilung wegen des Nachweisverzichts erst nach Kündigung und Fristablauf vollstreckt werden darf.


    Wer soll prüfen, ob die Voraussetzungen zur Vollstreckung tatsächlich vorliegen?
    Der Vollstreckungsrechtspfleger?
    Wenn ich eine ordnungsgemäß erteilte Klausel habe, bin ich doch gezwungen zu vollstrecken.
    Eine ordnungsgemäß erteilte Klausel liegt aber nur dann vor, wenn dem Notar als Klauselorgan der Ablauf der Kündigungsfrist nachgewiesen wurde, weil er erst dann die Klausel erteilen dürfte.
    Wenn der zukünftige Eigentümer eben auf diesen Nachweis verzichtet und die Klausel am Tag der Beurkundung erteilt wird, ist der vom Gesetzgeber gewollte Schutz der Eigentümer nicht mehr gegeben.
    Insofern sehe ich da durchaus ein Untergraben der eigentlichen Absichten.

  • Wenn der zukünftige Eigentümer eben auf diesen Nachweis verzichtet und die Klausel am Tag der Beurkundung erteilt wird, ist der vom Gesetzgeber gewollte Schutz der Eigentümer nicht mehr gegeben.



    Dann bedarf der Schuldner des Schutzes aber nicht, weil er selbst darauf verzichtet hat.

  • Wer soll prüfen, ob die Voraussetzungen zur Vollstreckung tatsächlich vorliegen?
    Der Vollstreckungsrechtspfleger?



    Nein, der Schuldner. Schließlich hat er auf darauf verzichtet, daß der Gläubiger den Eintritt des Umstandes, von der die Vollstreckung abhängt, im Klauselerteilungsverfahren nachweist.

    Zitat


    Wenn ich eine ordnungsgemäß erteilte Klausel habe, bin ich doch gezwungen zu vollstrecken.



    Selbstverständlich. Und der Schuldner kann die Vollstreckung angreifen, wenn er die Voraussetzungen hierfür nicht als gegeben ansieht.

    Zitat


    Eine ordnungsgemäß erteilte Klausel liegt aber nur dann vor, wenn dem Notar als Klauselorgan der Ablauf der Kündigungsfrist nachgewiesen wurde, weil er erst dann die Klausel erteilen dürfte.
    Wenn der zukünftige Eigentümer eben auf diesen Nachweis verzichtet und die Klausel am Tag der Beurkundung erteilt wird, ist der vom Gesetzgeber gewollte Schutz der Eigentümer nicht mehr gegeben.
    Insofern sehe ich da durchaus ein Untergraben der eigentlichen Absichten.



    Diese Ansicht verwundert mich insofern, als es sich bei diesem Nachweisverzicht verbunden mit vorzeitiger Klauselerteilung bislang um ein gängiges Verfahren handelte.
    Man darf hier nicht übersehen, daß derjenige, gegen den sich die Vollstreckung hypothetisch einmal richten wird, zwar auf einen Schutz verzichtet, er aber durch diesen Verzicht nicht rechtlos gestellt wird.

  • Wenn der zukünftige Eigentümer eben auf diesen Nachweis verzichtet und die Klausel am Tag der Beurkundung erteilt wird, ist der vom Gesetzgeber gewollte Schutz der Eigentümer nicht mehr gegeben.



    Dann bedarf der Schuldner des Schutzes aber nicht, weil er selbst darauf verzichtet hat.


    Das stimmt wohl leider, aber letztlich ist dann wohl auch nichts erreicht und demnach wäre jörg zuzustimmen.


  • Diese Ansicht verwundert mich insofern, als es sich bei diesem Nachweisverzicht verbunden mit vorzeitiger Klauselerteilung bislang um ein gängiges Verfahren handelte.


    Also ich hab nach wie vor genügend Urkunden in denen der Verzicht nicht enthalten ist.

    Zitat


    Man darf hier nicht übersehen, daß derjenige, gegen den sich die Vollstreckung hypothetisch einmal richten wird, zwar auf einen Schutz verzichtet, er aber durch diesen Verzicht nicht rechtlos gestellt wird


    Ich sag ja auch gar nicht, dass vollstreckungsrechtlich Konsequenzen zu erwarten sind, sondern nur, dass der Sinn und Zweck der Vorschrift, nämlich keine "Sofortvollstreckung", nicht erfüllt wird.
    Sicher hat der Schuldner die Möglichkeit der Klage, aber davon wird kaum einer Gebrauch machen.


  • Ich sag ja auch gar nicht, dass vollstreckungsrechtlich Konsequenzen zu erwarten sind, sondern nur, dass der Sinn und Zweck der Vorschrift, nämlich keine "Sofortvollstreckung", nicht erfüllt wird.
    Sicher hat der Schuldner die Möglichkeit der Klage, aber davon wird kaum einer Gebrauch machen.



    Es läuft doch nicht jeder, der einen vollstreckbar ausgefertigten Titel besitzt, sogleich los und vollstreckt auch, und das schon gar nicht, wenn ihm bekannt ist, daß er die Vollstreckungsvoraussetzungen zum Teil noch schaffen muß.

  • Wenn der zukünftige Eigentümer eben auf diesen Nachweis verzichtet und die Klausel am Tag der Beurkundung erteilt wird, ist der vom Gesetzgeber gewollte Schutz der Eigentümer nicht mehr gegeben.



    Dann bedarf der Schuldner des Schutzes aber nicht, weil er selbst darauf verzichtet hat.



    Die Frage ist doch, ob der Schuldner im Hinblick auf § 1193 II S.2 BGB überhaupt noch verzichten kann.

    Selbst wenn der Schuldner es will, kann er doch auch keine sofort fälligen Grundschulden mehr bestellen.


  • Dann bedarf der Schuldner des Schutzes aber nicht, weil er selbst darauf verzichtet hat.



    Die Frage ist doch, ob der Schuldner im Hinblick auf § 1193 II S.2 BGB überhaupt noch verzichten kann.

    Selbst wenn der Schuldner es will, kann er doch auch keine sofort fälligen Grundschulden mehr bestellen.



    Die Frage sehe ich so nicht.
    Ergebnis des Ganzen ist ja gerade nicht das Bestehen einer unzulässigen sofort fälligen Grundschuld, sondern lediglich eine Erleichterung des Klauselverfahrens.

  • In den derzeit verwendeten Vordrucken lautet der entsprechende Verzicht doch zumeist:
    "Die Gläubigerin ist berechtigt, auf ihren einseitigen Antrag und ohne den Nachweis der die Fälligkeit der Grundschuld nebst Zinsen und sonstiger Nebenleistung oder ihrer schuldrechtlichen Ansprüche bedingenden Tatsachen sich eine vollstreckbare Ausfertigung dieser Urkunde sowohl wegen des ganzen Kapitals als auch wegen eines Teiles desselben oder wegen einzelner Zinsraten auf Kosten des Sicherungsgebers erteilen zu lassen."

    Bei dieser sehr allgemein gehaltenen Formulierung würde natürlich unweigerlich auch der Verzicht auf den Nachweis des Ablaufes der Kündigungsfrist bei Klauselerteilung fallen.
    Einen generellen - und damit unzlässigen - Verzicht auf die Einhaltung der Kündigungsfrist an sich könnte man hierin durchaus erkennen und damit wieder bei der Frage, ob eine solche Formulierung zulässig ist, was ich verneinen würde, weil sie zum einen entgegen dem Gesetzeswortlaut handelt und zum anderen auch gegen den Sinn und Zweck der Vorschrift.

    Darüber hinaus halte ich den Verzicht auf den Nachweis des Ablaufs der Kündigungsfrist nach wie vor für mehr als bedenklich, wenn man sich allein den Sinn und Zweck der Klauselerteilung ansieht.
    Dem Gläubiger wird schließlich die Vollstreckbarkeit des Titels bescheinigt und somit die Möglichkeit geschaffen ohne Weiteres zu vollstrecken (ob er davon Gebrauch macht sei mal dahingestellt).
    Die Vollstreckbarkeit des Titels - wenn sie am Tag der Beurkundung erteilt wird - kann aber zum Zeitpunkt der Klauselerteilung noch gar nicht vorliegen, da der Eintritt der Bedingung nicht nachgewiesen war.

  • Die Bundesnotarkammer hat ja in ihrem Schreiben vom 29.08.08 eine m.E. vernünftige Lösung angeboten. Erteilung einer Ausfertigung, die der Gläubiger nach Kündigung mit der Klausel versehen lassen kann.
    Wobei man dort wohl den Nachweisverzicht nach wie vor für zulässig hält, wenn ich es richtig verstehe.

  • Zu der eingangs aufgeworfenen Frage liegt jetzt eine Entscheidung vor:

    LG Essen v. 5.11.10 = Rpfleger 2011, S. 288:

    Die Vollstreckungsklausel zu einer notariellen Grundschuldbestellungsurkunde kann sofort erteilt werden, wenn der die Grundschuld bestellende Eigentümer und Schuldner auf den Nachweis der Fälligkeit ausdrücklich verzichtet.

    Das LG Essen steht damit allerdings im Widerspruch zu der Kommentierung im MünchKomm/Eichkmann § 1193 Rn.8.

    Außerdem hat sich das LG Essen nicht mit der Frage beschäftigt, ob der Eigent./Schuldner im Hinblick auf die (materiellrechtl.) Regelung des § 1193 II S.2 BGB auf den (verfahrtensrechtl.) Schutz des Fälligkeitsnachweises vor Klauselerteilung überhaupt wirksam verzichten kann.

  • In der neuesten Kommentierung von Stöber in der 20. Aufl. § 15 Rn.15.1 vertritt auch Stöber (neben MüKo/Eickmann) die Auffassung, dass ein Nachweisverzicht für die die Fälligkeit begründenden Tatsachen gemäß § 1193 Abs.2 S.2 BGB unwirksam sei.

    ( Kai: vielen Dank f.d. Hilfe beim Aufspüren dieses Threads!)

    Verzeihung:
    die Kommentarstelle lautet richtig: § 15 Rn. 15.1

    Einmal editiert, zuletzt von 1556 (24. Oktober 2012 um 13:08)

  • Es gbt aber auch andere Möglichkeiten, die Frist abzukürzen bzw. sinnvoll zu nutzen: Kürzlich hatte ich einen Antrag der GS Gläubigerin III/1 - ausdrücklich nur aus persönlicher Forderung. Auf meine tel. Rückfrage. ob da nicht ein Schreibversehen vorliegt, erhielt ich zur Antwort: Nein, denn die Kündungsfrist der GS ist noch nicht abgelaufen...

    Teilt man die Ansícht von Stöber pp, müsste ja dann bezüglich der dingl. Forderung eine neue Klausel erteilt und zugestellt werden. Ich habe den neuen Stöber nicht, daher kenne ich seine Argumente nicht. Aber der Nachweisverzicht ist doch nichts Ungewöhnliches, warum soll er nur bezogen auf die Grundschuldfälligkeit unwirksam sein ?

    Zu Zeiten meiner Ausbildung vor Urzeiten, wurden Grundschulden selten mit sofortiger Fäligkeit bestellt. In den Fällen musste der Gläubiger mit dem Versteigerungsantrag den Zugang des Kündigungsschreibens nachweisen, der Antrag war erst nach Fristablauf zulässig. Wenn der Gesetzgeber das so gewollt hätte, hätte er es ja so regeln können.

  • Wenn ich mich der 20. Auflage von Stöber anschließe und den Nachweisverzicht für unzulässig ansehe, muss ich m. E. entgegen der LG-Essen Entscheidung 7 T 596/10 den Inhalt und den Zeitpunkt der Klausel prüfen. Eine sofort erteilte Klausel wäre demnach unwirksam; vielmehr darf die Klausel erst nach Ablauf der Kündigungsfrist von 6 Monaten erteilt werden und muss inhaltlich auf die wirksame Kündigung hinweisen oder die Offenkundigkeit bescheinigen, § 15 Rz. 15.3 Stöber 20. Aufl. Oder seht ihr das nach der neuen Kommentierung anders?

  • @ jutta:

    Das sehe ich genauso!

    Es gibt neben dem LG Essen ( das sich mit dem eigentlichen Problem gar nicht auseinandersetzt) noch eine zweite Entscheidung mit zustimmender m. E. allerdings wenig überzeugender Anmerk. v. Schulz nämlich LG Lübeck Rpfleger 2009, 451.

    Ich vestehe allerdings gar nicht, was der Quatsch mit dem Nachweisverzicht soll:

    ohne Kündigung darf die Gläubigerin ohnehin nicht vollstrecken; wozu braucht sie dann unmittelbar nach Beurkundung der Unterwerfung bereits eine vollstr. Ausfertigung?

    Droht bei einer Klauselerteilung erst im Verwertungsfall wirklich eine wesentliche zeitliche Verzögerung (wie Schulz in seiner Anmerkung meint) ? Die Gläubigerin muss vor Vollstreckungsbeginn ohnehin materiell kündigen, am besten durch GV-Zustellung. Dessen Zustell-Urkunde dient gegenüber dem Notar als Nachweis der Fälligkeit bei der Klauselerteilung. Also: wo ist das Problem?
    Die Bundesnotarkammer sieht das in ihrem Schreiben vom 26.8.2008 offenbar ähnlich.

  • Eine andere Frage ist aber, ob das Versteigerungsgericht prüfen darf, ob der Notar eine wirksame Klausel erteilt hat oder ob nicht nur der Schuldner sich gegen die vor Fälligkeit erteilte Klausel nach § 732 ZPO wehren könnte.
    So z.B. BGH Beschluss vom 12.01.2012 VII ZB 71/09. Ähnliche Entscheidungen gibt es m.E. mehrere, die besagen, das Vollstreckungsgericht darf an der Klausel nicht "rummäkeln".

    Der BGH sagt in dem genannten Beschluss , dass der Schuldner keine Erinnerung nach § 766 ZPO gegen einen PfÜB mit der Begründung einlegen kann, dass die Klausel zu Unrecht/vom unzuständigen Organ erteilt wurde. Das ist für mich vergleichbar und bedeutet doch im Umkehrschluss, wenn es keinen Vollstreckungsmangel darstellt, darf ich es auch nicht prüfen.

    Übrigens: Die Banken wollen sofort eine Vollstreckbare, weil die Vollstreckung aus der Grundschuld das letzte Mittel ist, zuerst werden doch andere Vollstreckungsmaßnahmen versucht.

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