Neues Verfahren in Familiensachen ab 01.09.2009: FamFG!

  • Weg frei für neues Verfahren in Familiensachen

    Das gerichtliche Verfahren in Familiensachen wird grundlegend reformiert. Heute hat das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) den Bundesrat passiert. Auf Vorschlag von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries hatte der Deutsche Bundestag das Gesetz im Juni 2008 beschlossen.
    Das gerichtliche Verfahren in Familiensachen wird erstmals in einer einzigen Verfahrensordnung zusammengefasst und vollständig neu geregelt. Mit dem neuen Recht werden die Möglichkeiten verbessert, familiäre Auseinandersetzungen vor Gericht so fair und schonend wie möglich auszutragen.
    Gerade in Kindschaftssachen - etwa bei Streitigkeiten über das Sorge- oder Umgangsrecht - werden Konflikte nicht selten im gerichtlichen Verfahren geklärt. Kinder sind häufig die Opfer familiärer Konfliktsituationen. Das Gesetz berücksichtigt in besonderem Maße die Belange der Kinder. Sie erhalten einen besseren Schutz und mehr Rechte im Verfahren.
    Die Reform des familiengerichtlichen Verfahrens enthält folgende Kernpunkte:

    • Das Gericht soll den Versuch einer einvernehmlichen Lösung des Konflikts unternehmen, wenn dies dem Kindeswohl nicht widerspricht. Einvernehmliche Lösungen der Eltern müssen vom Gericht gebilligt werden. Gelingt eine Einigung nicht, muss das Gericht über eine einstweilige Anordnung nachdenken. Über das Umgangsrecht soll das Gericht in der Regel schnell entscheiden, damit der Kontakt zwischen Kind und einem umgangsberechtigten Elternteil aufrechterhalten bleibt und die Beziehung keinen Schaden nimmt.
    • Die Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte des betroffenen Kindes werden verstärkt. In schwierigen Fällen wird das Kind künftig von einem Verfahrensbeistand unterstützt. Dessen Aufgabe ist es, im gerichtlichen Verfahren die Interessen des Kindes zu vertreten und das Kind über den Ablauf des Verfahrens und die Möglichkeiten der Einflussnahme zu informieren. Im Gegensatz zum bisherigen Verfahrenspfleger kann der Verfahrensbeistand auf Anordnung des Gerichts eine aktive Rolle in dem Konflikt übernehmen und zu einer einvernehmlichen Umgangsregelung - etwa durch Gespräche mit den Eltern - beitragen. Das über 14-jährige Kind kann sich künftig zur Durchsetzung eigener Rechte selbst vertreten.
    • Die Beteiligung von Pflegepersonen am Verfahren wird erweitert. Pflegepersonen - z. B. Pflegeeltern - können künftig in allen Verfahren, die das Kind betreffen, hinzugezogen werden, wenn das Kind seit längerer Zeit bei ihnen lebt. In solchen Fällen wissen Pflegeeltern häufig besser über das Kind Bescheid als die Eltern.
    • Die Vollstreckung von Sorge- und Umgangsentscheidungen werden effektiver. Bei Verstößen gegen Umgangsentscheidungen kann das Gericht Ordnungsmittel verhängen. Diese können - anders als Zwangsmittel - auch noch nach Ablauf der Verpflichtung wegen Zeitablaufs festgesetzt und vollstreckt werden.
      Beispiel: Entgegen vorheriger Vereinbarung lässt eine Mutter das Kind über Ostern nicht zum getrennt lebenden Vater gehen. Wegen der Feiertage verhängt das Gericht erst nach Ostern ein Ordnungsgeld von 200 Euro gegen die Frau. Diesen Betrag muss sie zahlen, obwohl das Kind Ostern nicht mehr beim Vater verbringen kann. Das wird die Mutter davon abhalten, sich nicht an solche Absprachen zu halten. Anders das bislang geltende Zwangsgeld: Dieses kann nur verhängt werden, solange sich die Verpflichtung auch tatsächlich durchsetzen lässt - also nur während der Ostertage, was in der Praxis schwierig sein dürfte.
    • Künftig wird es möglich sein, einen Umgangspfleger zu bestellen. Dieser soll bei schwierigen Konflikten über den Umgang sicherstellen, dass der Kontakt des Kindes zu dem Umgangsberechtigten nicht abbricht.
      Beispiel: Aufgrund des Konflikts in der akuten Trennungssituation sind die Eltern nicht in der Lage, die Übergabemodalitäten beim Umgang einzuhalten. Diese Situation kann dadurch entschärft werden, dass der Umgangspfleger Zeit und Ort der Übergabe des Kindes festlegt, dieses von dem betreuenden Elternteil abholt, dem umgangsberechtigten Elternteil übergibt und später zurückbringt.

    Neuerungen in anderen familiengerichtlichen Verfahren:

    • In Scheidungssachen muss der Antragsteller im Scheidungsantrag künftig angeben, ob die Ehegatten sich über die Regelung der elterlichen Sorge, des Umgangs und des Unterhalts verständigt haben. Das soll die Eltern dazu anhalten, vor Einleitung des Scheidungsverfahrens die künftigen Lebensumstände der Kinder zu klären.
    • In Unterhaltssachen wird die Klärung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse durch weitergehende Auskunftspflichten der Beteiligten verbessert.
    • Mit dem Großen Familiengericht soll die sachliche Zuständigkeit der Familiengerichte erweitert werden. Damit wird es den Gerichten ermöglicht, alle durch den sozialen Verband von Ehe und Familie sachlich verbundenen Rechtsstreitigkeiten in einer Zuständigkeit zu entscheiden. Das Vormundschaftsgericht wird aufgelöst. Seine Aufgaben werden vom Familiengericht und vom Betreuungsgericht übernommen. Das führt zu einer Straffung gerichtlicher Zuständigkeiten.

    Die Reform der freiwilligen Gerichtsbarkeit
    Der vorliegende Gesetzesentwurf enthält zugleich eine Reform des Verfahrens in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Das bisher geltende Verfahrensgesetz (FGG) für diese Verfahren (Betreuungs-, Unterbringungs-, Nachlass- und Registersachen) stammt aus dem Jahre 1898 und wurde vielfach geändert. Dieses Gesetz wird durch eine vollständige, moderne Verfahrensordnung mit verständlichen, überschaubaren und einheitlichen Strukturen für die verschiedenen Materien ersetzt.
    Die neue Verfahrensordnung definiert erstmals umfassend die Verfahrensrechte und die Mitwirkungspflichten der Beteiligten und sichert ihren Anspruch auf rechtliches Gehör.
    Das zersplitterte Rechtsmittelsystem der freiwilligen Gerichtsbarkeit wird neu strukturiert und effizienter gestaltet. Um zügig Rechtssicherheit zu erhalten, wird die Beschwerde gegen gerichtliche Entscheidungen künftig generell befristet. Die bisherige weitere Beschwerde zum Oberlandesgericht wird ersetzt durch die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof. Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn eine Entscheidung geboten ist, um das Recht zu vereinheitlichen oder fortzubilden. Abweichend davon ist die Rechtsbeschwerde in besonders grundrechtsrelevanten Betreuungssachen, in Unterbringungs- und in Freiheitsentziehungssachen an keine besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen geknüpft. Den Beteiligten wird damit in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit der unmittelbare Zugang zum Bundesgerichtshof eröffnet. Dieser kann dadurch viel stärker als bisher die Materien der freiwilligen Gerichtsbarkeit durch Leitentscheidungen prägen und fortentwickeln. Das bringt mehr Rechtssicherheit für jeden Einzelnen.
    Die Reform wird am 1. September 2009 in Kraft treten. Die Länder erhalten auf diese Weise ein Jahr Zeit, um die notwendige Neuorganisation der gerichtlichen Abläufe vorzunehmen.

  • Danke für die Info!

    Das wird ja dann in der Praxis doch so einiges Neues mit sich bringen. Man darf also gespannt sein...

    Ulf

    Alle Äußerungen hier sind als rein private Meinungsäußerung zu verstehen,
    sofern es bei den Beiträgen nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet wird.

  • Und mal wieder wird der Staat zur Amme (s. Signatur) in dem er sich (noch mehr) um Sachen kümmert, die ihn in dieser ausschweifenden Form nichts angehen. Und weil er diese sich selbst aufgehalste Arbeit nicht alleine erledigen kann, wird gleich eine neue Verfahrensperson geschaffen (die auch bezahlt werden will (wenn die Parteien mittellos sind, zahlt letztlich der Steuerzahler)), die der Anwaltsschwämme weitere Tätigkeitsfelder eröffnet und dem Gericht Arbeit abnimmt, die es nicht gehabt hätte, würde es sich auf seine ureigenen Aufgaben konzentrieren...

    Trotzdem danke für die Info Rainer.

    "Der Staat ist vom kühlen, aber zuverlässigen Wächter zur Amme geworden. Dafür erdrückt er die Gesellschaft mit seiner zärtlichen Zuwendung."

    Einmal editiert, zuletzt von Ernst P. (19. September 2008 um 13:44)


  • ...eine vollständige, moderne Verfahrensordnung mit verständlichen, überschaubaren und einheitlichen Strukturen ...



    Wer's glaubt! Ohne das Gesetz genauer zu kennen, wage ich zu behaupten, dass wir Parallelen zum "vereinfachten" (:teufel:) Unterhaltsverfahren oder ähnlichem ziehen werden können.

    Na, wenigstens wird's uns dann hier nicht langweilig bei heißen Diskussionen darüber, wie denn nun diese oder jene Vorschrift anzuwenden sei. :D

    Treffen Einfalt und Gründlichkeit zusammen, entsteht Verwaltung.


    (Oliver Hassenkamp)


  • Wenn ich das richtig verstehe, stehen erst die Kernpunkte und alles andere "wird" erst neu geregelt? Bis nächstes Jahr September? Mahlzeit!. Dann wird in der Praxis mit viel Glück am 31.8. was ankommen. Und neue Vordrucke und Textbausteine kriegen wir dann als Weihnachtsgeschenk :teufel:

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • Wenn ich das richtig verstehe, stehen erst die Kernpunkte und alles andere "wird" erst neu geregelt? Bis nächstes Jahr September? Mahlzeit!. Dann wird in der Praxis mit viel Glück am 31.8. was ankommen. Und neue Vordrucke und Textbausteine kriegen wir dann als Weihnachtsgeschenk :teufel:



    Wenn schon jemand Vorschläge für neue Vordrucke und Textbausteine hat, dann kann er sie ja an die entsprechenden Stellen melden.
    Schließlich steht es jedem Einzelnen frei, sich SELBST schon JETZT mit der anstehenden Reform zu beschäftigen.
    Wer sich aber erwartungsvoll zurücklehnt, in der Hoffnung am 01.09.2009 alles serviert zu bekommen, ist meines Erachtens selbst schuld...
    Nachher nach Sündenböcken zu suchen ist aber natürlich der einfachere Weg.:cool:

  • Wenn ich das richtig verstehe, stehen erst die Kernpunkte und alles andere "wird" erst neu geregelt? Bis nächstes Jahr September? Mahlzeit!. Dann wird in der Praxis mit viel Glück am 31.8. was ankommen. Und neue Vordrucke und Textbausteine kriegen wir dann als Weihnachtsgeschenk :teufel:



    Wenn schon jemand Vorschläge für neue Vordrucke und Textbausteine hat, dann kann er sie ja an die entsprechenden Stellen melden.
    Schließlich steht es jedem Einzelnen frei, sich SELBST schon JETZT mit der anstehenden Reform zu beschäftigen.
    Wer sich aber erwartungsvoll zurücklehnt, in der Hoffnung am 01.09.2009 alles serviert zu bekommen, ist meines Erachtens selbst schuld...
    Nachher nach Sündenböcken zu suchen ist aber natürlich der einfachere Weg.:cool:

    Es wird der Praxis wohl nichts anderes übrig bleiben, als selbst aktiv zu werden, wenn der Geschäftsbetrieb nicht zusammen brechen soll. Ob es aber die sinnvollste Vorgehensweise ist (wie ja schon oft genug erlebt) unzureichend durchdachte Gesetze auf Teufel komm raus zu einen (verfrühten?) Zeitpunkt durchzudrücken und in der Praxis zumindest Verwirrung, wenn nicht Schlimmeres in Kauf zu nemhen, sei mal dahingestellt. Und wenn dann jeder gewzungen ist, sein eigenes Süppchen zu kochen, nur damit der Laden weiter läuft ist das eine Verschwendung von Ressourcen, die nicht sein muss.
    Wir werden sehen, was die Zukunft im konkreten Fall bringt.

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • Vielen Dank.

    Tja , alles noch im Entwurfsstadium....
    Wir werden also noch abwarten müssen , ob der Regierungsentwurf ohne Abstriche auch Gesetz wurde.

    Wichtiger war ja jetzt auch das "Finanzmarkstabilisierungsgesetz".;)



  • Das Dokument kann man leider nicht ausdrucken. Hat jemand eine druckbare Version?


    Du musst doch nur das Passwort knacken, mit dem das PDF-Dokument geschützt wurde. Angeblich gibt es doch Leute im Forum, die sich mit sowas näher beschäftigen ... :D

    Ernsthaft:
    Evtl. gibt es die Möglichkeit, den Entwurf auch z.B. über die Seiten der Bundesregierung oder die des Bundestages abzurufen.

    Ulf

    Alle Äußerungen hier sind als rein private Meinungsäußerung zu verstehen,
    sofern es bei den Beiträgen nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet wird.

  • Wer einen juris-Zugang hat, kann - regelmäßig mit einem Werktag Verzögerung - eine druckbare Version des BGBl. aufrufen. In der juris-Suchzeile die Fundstelle angeben, z. B. im Falle des FGG-RG: "BGBl I 2008, 2586". Dann bei dem Titel der gesuchten Vorschrift auf den Link "Inhalt" klicken und dort im Kasten mit den Grunddaten auf den gelb unterlegten Link mit der Fundstelle im BGBl.

    Ohne juris geht es auch über die Seite http://www.gesetzesportal.de/, aber offenbar - ohne kostenpflichtige Registrierung - nur über die auf der Startseite angezeigten "aktuellen Verkündungen" oder "weitere aktuelle Verkündungen" und deshalb wohl nur jeweils kurze Zeit nach Erscheinen des Gesetzblattes. Das FGG-Reformgesetz ist dort bereits "verschwunden".

  • Ich greife mal auf, nachdem mir die Synopse als Beigabe zur Ergänzungslieferung zum Schönfelder ins Haus geflattert ist (ja, ich sortiere immer noch selbst) und ich mich in Vorbereitung einer Seminarteilnahme damit befasst habe:

    In meiner Ausgabe steht in § 71 II FamFG, dass die Rechtsbeschwerde innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe des angefochtenen Beschlusses zu begründen sei.


    Wenn ich mir jedoch die Fristen zu anderen Rechtsmitteln (Berufung / Revision) und deren Begründungsfristen ansehe, stellt sich die Frage, ob es sich um einen Schreibfehler, einen redaktionellen Fehler oder einen Fehler des Gesetzgebers handelt. Oder ganz anders: Ob das so gewollt war?

    M.E. wäre hier eine Frist von 2 Monaten ab Bekanntgabe des angefochtenen Beschlusses richtig und passender.

    Habt ihr gleichlautende Ausgaben oder irgendwo was anderes gelesen?

    Hier steht´s genauso (1 Monat ab Bekanntgabe.... :confused: )

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