Verdienstausfall eines Selbständigen

  • Puh, Du hast mich mit dieser Falschmeldung in Angst und Schrecken versetzt.


    :troest:

    Ich dachte fast, mein Gericht wäre vom rechten Weg abgekommen.


    Darüber läßt sich diskutieren. :)

    Die von Dir verlinkte Entscheidung ist eine des LSG Berlin-Brandenburg, nicht des LAG.


    :daumenrau Ich korrigiere das mal im Ausgangsbeitrag...

    Soweit der Selbstständige hinsichtlich der Arbeit im Zeitfenster der Heranziehung frei disponieren, sie also auch zu einer späteren Zeit erledigen und damit eine Einkommenseinbuße hätte verhindern können, erhält er keinen Verdienstausfall. Klassiker: Nicht selbst operativ mitarbeitender Inhaber eines Gewerbes, Steuerberater, etc. der seinen "Bürokram" auch vor oder nach der Heranziehung erledigen kann.
    Anders z.B. der Dozent, der für eine zeitlich fremdbestimmte Veranstaltung gebucht ist, die er dann nicht wahrnehmen kann.


    Das Problem an dieser Argumentation ist doch, daß die Einkommenseinbuße beim Selbständigen schwerlich quantifizierbar ist. Bei der Vermögenseinbuße geht es nicht nur um das "Abarbeiten" bestehender Aufträge, sondern auch um die Akquisition neuer. Genauso wenig gibt es im Rahmen der Entschädigung eine Pflicht des Selbständigen, seine Arbeit nachzuholen. Das wird aber bei dieser Betrachtungsweise immer vorausgesetzt, ohne daß sich im Gesetz dafür ein Anhaltspunkt für diese Sanktion ergibt, zumal das m. E. auch über den Sinn & Zweck der Entschädigung hinausgeht. Die Vermögenseinbuße betrifft auch das Versäumnis neuer Aufträge, da der Selbständige in dieser Zeit nicht seiner eigentlichen Tätigkeit nachgehen kann. Wirtschaftlich betrachtet ist das ein Nachteil. Lediglich dann, wenn erkennbar kein Nachteil entstanden sein kann (z. B. findet Heranziehung während seines Urlaubs statt), wird man auch beim Selbständigen keine Vermögenseinbuße unterstellen können.

    Oftmals wird schon übersehen, daß es nicht um einen Ersatz des Verdienstausfalls geht (es sich also gerade nicht um einen vollständigen Schadensersatzanspruch handelt), sondern es eine pauschalierte, in der Höhe sowieso schon auf 21 € die Stunde geminderte Entschädigung wegen terminsbedingter Versäumnis der Arbeitszeit ist. Der BGH (Beschl. v. 02.12.2008 - VI ZB 63/07 -) hat im Rahmen seiner Entscheidung zur Entschädigung des Verdienstausfalls eines Geschäftsführers einer GmbH (die er - wie man seinen Ausführungen entnehmen kann - auch auf eine natürliche Person angewendet wissen will) das folgende ausgeführt, was man m. E. damit in bezug auf die GmbH 1:1 auch auf den Selbständigen übertragen kann (Fettdruck durch mich):

    "Demgemäß kann aus den von der überwiegenden Rechtsprechung zutreffend angeführten Gründen einer Partei, die als natürliche Person selbst einen Gerichtstermin wahrnimmt, oder als juristische Person sich in einem solchen Termin durch einen Geschäftsführer oder andere Mitarbeiter vertreten lässt, eine Entschädigung wegen der Zeitversäumnis bzw. des Verdienstausfalls durch die Teilnahme an einem solchen Termin zugebilligt werden. Der Prozessgegner soll im Umfange seines Obsiegens von den Nachteilen freigestellt werden, die ihm aufgrund seiner Teilnahme am Rechtsstreit entstanden sind. Dies gilt auch für den terminsbedingten Zeitaufwand, der einem Geschäftsführer durch seine Teilnahme an einem Gerichtstermin entsteht. (...) Fällt die Arbeitskraft des Geschäftsführers für seine eigentliche unternehmerische Aufgabe zeitweise aus, weil er für die vertretene Gesellschaft an Gerichtsterminen teilnehmen muss, stellt sich dies vielmehr bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise für die Gesellschaft als Nachteil dar, für den sie nach Maßgabe des § 22 JVEG - wie eine natürliche Person, die als Partei persönlich am Termin teilnehmen muss - eine Entschädigung verlangen kann.


    Da § 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO für einen Anspruch auf Entschädigung nur auf die entstandene Zeitversäumnis abstellt, ist für einen Anspruch auf Entschädigung nicht erforderlich, dass ein konkreter Verdienstausfall nachgewiesen ist. Es reicht - mit der überwiegenden Rechtsprechung - vielmehr aus, wenn die Zeitversäumnis einen messbaren Nachteil für die Partei mit sich bringt, was bei wirtschaftlicher Betrachtung für die Teilnahme eines Geschäftsführers an einem Gerichtstermin regelmäßig anzunehmen ist. Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass es einem Wirtschaftsunternehmen schwerlich möglich sein wird, die durch Abwesenheit des Geschäftsführers entstehenden konkreten finanziellen Nachteile im Einzelnen zu quantifizieren. Für die Zwecke des Kostenfestsetzungsverfahren reicht es daher im Regelfall aus, sich - wie in § 22 JVEG vorgesehen - am regelmäßigen Bruttoverdienst zu orientieren (vgl. KG, aaO; OLG Karlsruhe, aaO; OLG Stuttgart, aaO; OLG Rostock, aaO; OLG Brandenburg, aaO; OLG Düsseldorf aaO; OLG Köln, aaO)."


    M. E. kommt es nach dieser Rechtsprechung eben nicht darauf an, daß der Selbständige Arbeitszeit "nachholen" kann oder die Versäumnis "vermeidbar" gewesen sei. Das Gesetz stellt - wie der BGH ausdrücklich unter Hinweis auf die überwiegende Rechtsprechung hinweist - nur auf die entstandene Zeitversäumnis der Arbeitszeit an, was bei wirtschaftlicher Betrachtung regelmäßig anzunehmen ist, eben gerade deshalb, weil die konkreten finanziellen Nachteile nicht quantifiziert werden können.

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  • M. E. kommt es nach dieser Rechtsprechung eben nicht darauf an, daß der Selbständige Arbeitszeit "nachholen" kann oder die Versäumnis "vermeidbar" gewesen sei. Das Gesetz stellt - wie der BGH ausdrücklich unter Hinweis auf die überwiegende Rechtsprechung hinweist - nur auf die entstandene Zeitversäumnis der Arbeitszeit an, was bei wirtschaftlicher Betrachtung regelmäßig anzunehmen ist, eben gerade deshalb, weil die konkreten finanziellen Nachteile nicht quantifiziert werden können.


    Ganz genau so wird das im hiesigen Beritt auch gesehen und gehandhabt. Ich sehe das ganz einfach so, dass die Spezialgerichtsbarkeit gegenüber der ordentlichen so manches Mal anderer bis gegenteiliger Auffassung ist. Das muss man dann eben so akzeptieren, selbst aber noch lange nicht anwenden, vor allem, wenn die eigenen Gerichte nicht konform gehen.

  • Hallo, ich schließe mich hier mal an:

    Kläger ist ein eingetragener Kaufmann, unter seiner Firma mit Sitz im Gerichtsbezirk verklagt er den Beklagten auf Zahlung. Es ergeht Urteil, laut dem er den Großteil der Verfahrenskosten zu tragen hat. Der Klägervertreter meldet daher neben den RA-Kosten auch Parteikosten an, was hier sonst selten der Fall ist, um die Kosten des Klägers möglichst hoch zu rechnen.

    Es werden Fahrtkosten für die Anreise vom privaten Wohnsitz des Klägers geltend gemacht, der nicht mit dem Sitz in der Klage übereinstimmt und auch viel weiter entfernt ist, geltend gemacht. Das einzige, was ich dazu gefunden habe, ist eine Entscheidung vom LG Leipzig, Beschluss vom 19. Dezember 2014 – 7 T 867/14 –, juris; die ist aber nicht sonderlich ergiebig. (Die Entscheidungsbesprechung von Hansens im RVGreport 2015, 346, liegt mir leider nicht vor). Es fanden zwei Termine statt, die Kosten werden für beide Termine geltend gemacht. Nur für den ersten Termin war das persönliche Erscheinen angeordnet; die Anreise von einem anderen als in der Ladung angegebenen Ort wurde auch nicht angezeigt.

    Außerdem wird Verdienstausfall geltend gemacht mit den Höchstbetrag von 21,00 € (soweit okay, da Selbstständig), aber insgesamt 5 Stunden wegen der langen Anreise, obwohl die Termine eher nicht länger als 1 Stunde dauerten.

    Der Beklagtenvertreter hat keine Einwände erhoben. Festsetzen wie beantragt? Eigentlich schneidet er sich ja ins eigene Fleisch, weil je höher seine außergerichtlichen Kosten sind, desto höher wird auch der Betrag, den er dem Beklagten erstatten muss :gruebel:

  • Ob persönliches Erscheinen angeordnet war, ist egal. Die Kosten der Partei die durch die Teilnahme am Termin entstanden sind, sind immer notwendig. Das wurde glaube ich vom BGH mal so entschieden.

    4 Stunden Anreise (auch mit Zeitpuffer für ebentuelle Verzögerungen) erscheint mir doch sehr lang.
    Wie lang die Termin gedauert haben, sollte sich eigentlich aus den Protokollen ergeben. Die ungefähre Fahrzeit kannst du mit einem Routenplaner ermitteln.

    "Auf hoher See und vor Gericht UND IN DER KLAUSUR ist man in Gottes Hand."
    Zitat Josef Dörndorfer

  • Vielen Dank für die Antwort, aber leider sind meine Fragen damit nicht beantwortet.

    Es geht hier hauptsächlich um
    1) Anreise von einem anderen als in der Ladung angegebenen Ort und
    2) die damit verbundene längere Anreisezeit.

    Zu 1): Der Kläger ist Selbstständiger. Seine selbstständige Tätigkeit führt er an einem Ort innerhalb des Gerichtsbezirks aus. Dass seine private Wohnanschrift vom Geschäftssitz abweicht ist überhaupt erst seit dem KFA bekannt. Und wenn man in die von mir zitierte Entscheidung des LG Leipzig guckt, kann es in diesem speziellen Fall schon von Relevanz sein, ob das persönliche Erscheinen angeordnet war oder nicht.

    Sollte ich mich im ersten Post zu unklar ausgedrückt haben, tut es mir leid. Ich hoffe immer noch, Eure Meinungen zu hören.

  • Im Zöller ist in der Kommentierung zu § 91 ZPO, Rn. 13 ist unter dem Punkt "Reisekosten" m.E. ganz gut dargestellt, wann die Reisekosten einer Partei erstattungsfähig sind. Dass das LG Leipzig wohl davon ausgeht, dass die Kosten nur erstattungsfähig seine, wenn das persönliche Erscheinen angeordnet war, kann ich nicht nachvollziehen.

    Meiner Meinung nach kommt es somit gar nicht darauf an, ob das persönliche Erscheinen angeordnet war.

    Ich würde mir aber glaubhaft machen lassen, dass die Anreise tatsächlich von dem weiter entfernten Wohnort erfolgt ist. Außerdem würde ich mir erklären lassen, warum das so gemacht wurde. Erst dann kann man beurteilen, ob die Reisekosten in voller Höhe notwenidg waren.

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    Zitat Josef Dörndorfer

  • Das LG Leipzig hat es m. E. schon ausreichend begründet - jedenfalls für den Fall der persönlichen Ladung. Diese Rechtsprechung gleicht insoweit der h. M. zu § 5 Abs. 5 JVEG. Die Verletzung der Anzeigepflicht ist dort unschädlich, soweit das Gericht so oder so den Zeugen angehört und daher von der Ladung auch von dem weiter entfernten Ort aus nicht abgesehen hätte.

    Auch soweit kein persönliches Erscheinen angeordnet wurde, hat die Partei ja grds. ein Recht darauf, an "ihrem" Termin im Rechtsstreit teilzunehmen (so daß es auf die persönliche Ladung nach h. M. nicht ankommt). Lediglich dort, wo die Anreise rechtsmißbräuchlich erscheint, also z. B. in Bagatellfällen, in Fällen, bei denen die Reisekosten wirtschaftlichen Unsinn darstellen, bei denen

    von vornherein erkennbar ist, dass eine gütliche Einigung ausscheidet oder die Partei zur Klärung des Sachverhalts aus persönlicher Kenntnis nichts beitragen kann (vgl. z. B. BGH, NJW-RR 2008, 654 - Rn. 12 ff.; OLG München, NJW-RR 2003, 1584) scheidet eine Erstattung aus.

    Soweit die Anreise vom Ort der Privatwohnung aus nicht so oder so stattgefunden hätte (weil er z. B. an diesem Tag so oder so in seinem prozeßortsansässigen Büro gesessen hätte) und unter Berücksichtigung der o. g. Ausnahmefälle, wäre gegen die Erstattung wohl nichts einzuwenden.

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  • Guten Morgen,

    gilt das, was in diesem Thread zum Verdienstausfall des Geschäftsführers/Selbstständigen bei Wahrnehmung eines Gerichtstermins gesagte auch für die (erste) Informationsreise zum Rechtsanwalt?

  • Warum sollte es denn nicht möglich gewesen sein einen Termin außerhalb der eigenen Arbeitszeiten mit dem RA zu vereinbaren?

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