Konkurrenz Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG und § 15 Abs.3 RVG

  • Als Ergänzung nun eine weitere Entscheidung eines OLG:

    Leitsatz

    Ist in einem gerichtlichen Verfahren sowohl die volle Verfahrensgebühr als auch die ermäßigte Verfahrensgebühr angefallen und war der Anwalt vorgerichtlich tätig, so ist erst die Anrechnung der Geschäftsgebühr vorzunehmen und dann nach § 15 III RVG gegebenfalls zu kürzen.

    OLG Karlsruhe, Beschl. v. 03.02.2011 - 5 WF 220/10
    (NJW-Spezial 2011, 285 = BeckRS 2011, 04248)

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  • Es handelt sich hier um eine Entscheidung in einem Verfahren nach § 11 RVG - in dem der Abrechnung zugrunde liegenden Rechtstreit selbst wurde ein Mehrvergleich geschlossen!
    Das besondere an der Entscheidung ist m.E., dass sie von dem früheren Anrechnungsverständnis des VIII. Zivilsenats des BGH ausgeht und sich mit § 15a Abs. 1 RVG und der Wahlfreiheit des RA nicht befasst. Mit § 15a Abs. 1 RVG sind rechnerisch in dem vorliegenden Fall jedoch zwei sich unterscheidende Ergebnisse möglich und zulässig. Die für den Mandanten hier zum tragen kommende teurere Version entspricht der "historischen" Abrechnungsfolge (erst volle GG dann anrechnungsgeminderte VG).

  • Mit § 15a Abs. 1 RVG sind rechnerisch in dem vorliegenden Fall jedoch zwei sich unterscheidende Ergebnisse möglich und zulässig.

    Beim besten Willen, das kann ich einfach nicht glauben. Es kann nur eine zulässig sein. :cool:

    Welche hab ich jetzt grad nicht auf dem Schirm, bin vom Thema etwas abgekommen. Ich weiß auch nicht, wie die Begründung hier jetzt aussehen soll. Ich persönlich halte nach wie vor "erst anrechnen, dann ausgleichen" für richtig.

    Ganz ehrlich, wie willst du das plausibel machen, dass zwei Möglichkeiten richtig sind?

  • Mit § 15a Abs. 1 RVG sind rechnerisch in dem vorliegenden Fall jedoch zwei sich unterscheidende Ergebnisse möglich und zulässig.


    Aus der Kommentierung zur Entscheidung in der NJW-Spezial:

    "Das OLG ist der Berechnung des Anwalts gefolgt. Es weist darauf hin, daß grundsätzlich beide Berechnungsmethoden in BEtracht kommen, da sich aus dem Gesetz nicht ergibt, ob zunächst nach § 15 III RVG zu kürzen oder anzurechnen ist. Das OLG ist der Auffassung, daß zunächst die Geschäftsgebühre auf die Verfahrensgebühr anzurechnen ist. Nach dem Wortlaut des Gesetzes wird die Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr angerechnet, so daß diese sich infolge der Anrechnung vermindert. Daher kann die Kürzung auch nur anhand der verminderten Verfahrensgebühr geprüft werden."

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  • § 15a Abs. 1 RVG ermöglicht es dem Anwalt die VG ungemindert von seinem Auftraggeber zu fordern. Tut er dies, dann fließt sie m.E. auch als solche in den Abgleich nach § 15 Abs. 3 RVG ein und dann wird es schwierig, zu identischen Ergebnissen zu kommen. Zu denken wäre auch an Mehrvergleichsfälle, in die verschiedene Gegenstände einbezogen werden, die teilweise mit Anrechnungen und dann auch noch mit GG'en mit unterschiedlich hohem Gebührensatz belegt sind. Im Zweifel ist es günstiger erst anzurechnen und dann nach § 15 Abs. 3 RVG abzugleichen.

    Die Frage ist halt, welches der anzuwendende Gebührensatz i.S.v. § 15 Abs. 3 RVG für die Verfahrensgebühren ist. Folgt man der hier maßgeblichen Klarstellungsansicht, dann wird man evtl. schauen, wie das zu Zeiten der BRAGO zu handhaben war;). Wurde da erst angerechnet und dann abgeglichen?


  • § 15a Abs. 1 RVG ermöglicht es dem Anwalt die VG ungemindert von seinem Auftraggeber zu fordern.

    Da war die Idee von der Entstehung der gekürzten VG ja gar nicht so sehr daneben. :D

    Ist das nicht alles ein Irrsinn? Erklär das mal einem Mandanten. Wenn das schon wir alles nicht mehr nachvollziehen können. :(

  • Mit § 15a Abs. 1 RVG sind rechnerisch in dem vorliegenden Fall jedoch zwei sich unterscheidende Ergebnisse möglich und zulässig.


    Aus der Kommentierung zur Entscheidung in der NJW-Spezial:

    "Das OLG ist der Berechnung des Anwalts gefolgt. Es weist darauf hin, daß grundsätzlich beide Berechnungsmethoden in BEtracht kommen, da sich aus dem Gesetz nicht ergibt, ob zunächst nach § 15 III RVG zu kürzen oder anzurechnen ist.

    Spätestens an dieser Stelle müssten sämtlichen Richtern die Ohren klingeln und es müsste klar sein, dass es nicht sein kann. Dass da wieder rumgepfuscht wurde nach Strich und Faden. Der clevere Anwalt kriegt ein paar Euro mehr, als der weniger bewanderte oder hängt es vom guten Willen des Anwalts ab, dass einer auf ein bissi Honorar verzichtet und der andere nicht?

    Leuts, wo sind wir hier eigentlich?

  • Mit § 15a Abs. 1 RVG sind rechnerisch in dem vorliegenden Fall jedoch zwei sich unterscheidende Ergebnisse möglich und zulässig.


    Aus der Kommentierung zur Entscheidung in der NJW-Spezial:

    "Das OLG ist der Berechnung des Anwalts gefolgt. Es weist darauf hin, daß grundsätzlich beide Berechnungsmethoden in BEtracht kommen, da sich aus dem Gesetz nicht ergibt, ob zunächst nach § 15 III RVG zu kürzen oder anzurechnen ist.

    Spätestens an dieser Stelle müssten sämtlichen Richtern die Ohren klingeln und es müsste klar sein, dass es nicht sein kann. Dass da wieder rumgepfuscht wurde nach Strich und Faden. Der clevere Anwalt kriegt ein paar Euro mehr, als der weniger bewanderte oder hängt es vom guten Willen des Anwalts ab, dass einer auf ein bissi Honorar verzichtet und der andere nicht?

    Leuts, wo sind wir hier eigentlich?


    Aber Jamie. Karlsruhe hat doch nicht gesagt, daß beide Möglichkeiten zu rechnen sind. Nach der Anm. des Kommentars habe es nur entschieden, daß aufgrund der fehlenden Bestimmungen im Gesetz (Anrechnung vor oder nach § 15 III) beide Wege grundsätzlich erst einmal ihre Berechtigung hätten. Daß der Gesetzgeber dies so wollte, sagt das Gericht nicht, sondern leitet seine Variante aus den folgenden Überlegungen ab:

    "Die Anrechnung der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG hat gemäß Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG  auf die wegen desselben Gegenstandes später anfallende Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG zu erfolgen vor der Ermittlung der Verfahrensgebühr gemäß § 15 Abs. 3 RVG und nicht auf diese (Leitsatz OLG Stuttgart, JurBüro 2009, 246).

    Das OLG Stuttgart hat hierzu ausgeführt:

    Ausgehend vom Wortlaut der Anrechnungsvorschrift gem. Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG  und der Rechtsprechung des BGH ist von Folgendem auszugehen: Die Anrechnungsvorschrift bezweckt unter einem aufwandsbezogenen Gesichtspunkt die Kürzung der Verfahrensgebühr, weil der Prozessbevollmächtigte auf Grund seiner vorprozessualen Befassung mit dem Streitstoff in der Regel nur einen geringeren Einarbeitungs- und Vorbereitungsaufwand hat. Dementsprechend besagt Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG, dass die Anrechnung vorzunehmen ist, wenn "wegen desselben Gegenstands" die vorgerichtliche Geschäftsgebühr und die gerichtliche Verfahrensgebühr entstanden sind. Hierfür spricht außerdem, dass der BGH (u. a. BGH NJW 2007, 3500; BGH NJW 2008, 1323 klargestellt hat, dass sich allein die wegen desselben Gegenstands später anfallende Verfahrensgebühr infolge der Anrechnung reduziert durch den anrechenbaren Teil der zuvor entstandenen Geschäftsgebühr, die ihrerseits von der Anrechnung unangetastet bleibt.

    Der Senat schließt sich dieser Bewertung an. Dagegen spricht im Ergebnis nicht die Überlegung des Amtsgerichts, dass die Anrechnung der Geschäftsgebühr nach der für den Kostenpflichtigen günstigsten Berechnungsmethode zu erfolgen hat. Das Gebührenrecht sucht einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen der Partei und des Rechtsanwalts. Einen Grundsatz, dass im Zweifel immer zu Gunsten der Partei zu entscheiden ist, gibt es hierbei nicht. Vorliegend ist eine pauschale Entscheidung zu Gunsten der Partei sachlich auch deswegen nicht überzeugend, weil der Grund der Anrechnungsvorschrift in Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG darin liegt, dass der vorgerichtliche Aufwand die Arbeit im späteren gerichtlichen Verfahren erleichtert. Diese Überlegung gilt jedoch nur für den Synergieeffekt, der aus der Einheitlichkeit des vorgerichtlichen und des gerichtlichen Streitgegenstands entsteht. Im Fall des Vergleichs nicht rechtshängiger Ansprüche besteht diese Einheitlichkeit des Streitgegenstands nicht. Es werden hier Streitgegenstände in die Arbeit des Rechtsanwalts einbezogen, die zuvor gerade nicht Gegenstand seiner außergerichtlichen Tätigkeit waren. Sollte der Rechtsanwalt auch für die mitverglichenen nicht rechtshängigen Streitgegenstände außergerichtlich tätig gewesen sein, würde bei der Abrechnung möglicherweise auch für diese Streitgegenstände eine Anrechnung von außergerichtlich angefallenen Geschäftsgebühren gemäß Nr. 2300 VV RVG auf die Verfahrensgebühren aus dem Mehrwert des Vergleichs in Betracht kommen. Dies wird vorliegend jedoch nicht geltend gemacht. Es würde auch an dem o. g. Grundsatz, wonach die Anrechnung der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG vor der Ermittlung der Verfahrensgebühr gemäß § 15 Abs. 3 RVG zu erfolgen hat, nichts ändern."

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  • Folgender Fall:

    Vorgerichtliches Geplänkel, Wert 5000 ==> 1,3 Gebühr

    Gerichtliches Verfahren, Wert 5000 ==> 1,3 Gebühr, dann folgt die Anrechnung, bleibt 0,65 Gebühr

    Nun folgt ein Mehrvergleich, überschießender Wert 15.000.

    Ich verstehe die vorstehenden Ausführungen so, dass bei dem Vergleich nach § 15 III RVG ganz normal zwischen der 1,3 und der 0,8-Gebühr verglichen wird und nicht zwischen der (nach Anrechnung noch bestehenden) 0,65 und der 0,8-Gebühr?

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Ich verstehe die vorstehenden Ausführungen so, dass bei dem Vergleich nach § 15 III RVG ganz normal zwischen der 1,3 und der 0,8-Gebühr verglichen wird und nicht zwischen der (nach Anrechnung noch bestehenden) 0,65 und der 0,8-Gebühr?


    :zustimm: :guckstduh OLG München

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