Konkurrenz Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG und § 15 Abs.3 RVG

  • Was würdet Ihr dem Anwalt an Verfahrensgebühr(en) bei der nachstehenden Fallgestalltung zubilligen und ggf. warum?

    1,6 VG nach Nr. 1008, 3100 VV RVG, Wert: 120.000 €
    Wegen desselben Gegenstandes ist eine 1,6 GG entstanden.

    Aufgrund eines Mehrvergleichs über nichtrechtshängige Ansprüche:
    1,1 VG nach Nr. 1008, 3101 VV RVG, Wert: 23.452 €
    Insoweit ist keine GG entstanden.

  • OLG Stuttgart v. 09.01.2009?

    1)
    SW: 120.000,-
    1,6 Nr. 2300 = 2.289,60 €
    1,6 Nr. 3100 = 2.289,60 - 0,75 Vorb. 3 Abs. 4 = 1.216,35 €

    2)
    SW: 23.452,00
    1,1 Nr. 3101 = 754,60 €

    Summe 1) + 2) = 1.970,95 €

    Überprüfung gem. § 15 Abs. 3:

    SW: 143.452,00
    1,6 Nr. 3100 = 2.536,00

    Ergebnis: der Anwalt erhält eine Verfahrensgebühr in Höhe von 1.970,95 €.

    M. E. ist die Anrechnung vor der Überprüfung nach § 15 Abs. 3 vorzunehmen (darum geht es hier doch, oder?).

  • Der RA bekommt 1970,95 EUR.

    0,85 VG aus 120.000.- EUR = 1216,35 + 1,1 aus 23.452.- = 754,60 EUR.

    Dabei nicht mehr als 1,6 aus 143452.- EUR = 2536.- EUR.
    Oder übersehe ich da was?

  • @ KoMa und cyberduke:
    Man könnte sich z.B. darüber unterhalten, ob im RVG die von Euch angewandte Reihenfolge erst Anrechnung und dann § 15 Abs. 3 RVG so festgelegt ist.
    Ferner könnte man sich wenn man erst anrechnet fragen, ob § 15 Abs. 3 RVG besagt jedoch nicht mehr als 1,6 Gebühren aus dem Gesamtgegenstandswert oder jedoch nicht mehr als 1,1 Gebühren aus dem Gegenstandswert (Vergleich von 0,85 Gebührnach Nr. 1008, 3100 VV RVG und der 1,1 Gebühr nach Nr. 1008, 3101 VV RVG).

  • Ich weiß nicht, wie die Kollegin das begründet hat. Ich richte mich eigentlich nach Bischof im RVG-Kom. Nr. 78 zu § 15 RVG und finde das auch richtig.

    Wenn die GG auf die VG angerechnet wird muss erst angerechnet werden. Alles andere würde die Gebührenhöhe verfälschen.

    Ich bin der Meinung, dass der § 15 III RVG hier schon sehr deutlich ist.

  • Ich weiß nicht, wie die Kollegin das begründet hat. Ich richte mich eigentlich nach Bischof im RVG-Kom. Nr. 78 zu § 15 RVG und finde das auch richtig.

    Wenn die GG auf die VG angerechnet wird muss erst angerechnet werden. Alles andere würde die Gebührenhöhe verfälschen.

    Ich bin der Meinung, dass der § 15 III RVG hier schon sehr deutlich ist.



    Bischof befaßt sich an dieser Stelle nicht mit der Anrechnung.
    Lässt Du nun die Anrechnung außen vor, dann soll der Anwalt für den hinzutretenden Teil lediglich 246,40 € Netto-VG mehr verdienen.

  • Aber der Weg ist dort beschrieben. In welcher Höhe die VG entsteht ( das Thema hattet ihr ja schon mehrmals) ist dabei unwichtig. Würde ich nicht sofort anrechnen, würde ich der Rechtssprechung zu diesem Thema widersprechen.

    Warum sollten wir uns mit Problemen beschäftigen, wo offensichtlich keine sind?

  • Little Steven, welche Anhaltspunkte führen zu Deiner Überlegung, daß die Anrechnung erst nach der Prüfung von § 15 Abs. 3 zu erfolgen hat? Der Gedankengang erschließt sich mir noch nicht.

    Das Beispiel von Bischof ist hier tatsächlich nicht einschlägig.

  • Ich habe die Entscheidung ausnahmsweise nicht gelesen und nur eigene Gedanken gemacht. Was nicht passt, ist eben das Ergebnis.

    Die anzurechnende Verfahrensgebühr ist eine reine Rechengröße, die nach Feststellung der entstandenen Verfahrensgebühr, abzuziehen ist, davon geht auch Gerold/Schmidt, VV 2300 Rdn. 44 in sämtlichen Bsp. aus.

    Gerade der § 15 Abs. 6 RVG widerspricht dem gefundenen Ergebnis. Vereinfacht gesagt, soll der RA der nur einzelne Sachen macht, nicht mehr bekommen als der, der alles macht.

    Nach #1 und 2 bekommt der RA außerg. + gerichtlich 4.260,- EUR.

    Sofern er alles von Anfang an vertreten hätte, bekommt er:

    1,6 GG aus 143.000,- EUR, gleich 2.536,- EUR
    1,6 VG ebenso 2.536,- EUR
    abzüglich
    0,75 aus 143.000,- EUR, gleich 1.188,75 EUR.

    Insgesamt somit nur 3.883,25 EUR.

    Der RA bekommt somit für seine umfassende außergerichtlich und gerichtl. Vertretung knapp 400,- EUR weniger als der, der nur über einen Teilbetrag einen Vergleich geschlossen hat, sonst aber außergerichtlich nichts.

    Das passt nicht zusammen.

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover



  • Wobder:
    Du hast den Fall ein wenig abgewandelt.
    Kleine Korrektur vorgerichtlich nur wegen 120.000 €
    daher u.A. ./. 0,75 aus 120.000 €

    @KoMa:
    Siehe hier: http://www.blog.beck.de/2009/01/28/anr…7-15-abs-3-rvg/

  • @wober: Danke für Deinen Beistand.
    Mag noch jemand den Handschuh in den Ring werfen oder überzeugt Dich/Euch tatsächlich die von KoMa in # 2 zitierte Auffassung des OLG Stuttgart (Beschluss vom 09.01.2009 in 8 W 527/08).

  • Ich halte es mit der Auffassung, dass das Vergütungsverzeichnis die Spezialisierung zum §-Bereich des RVG ist und damit vorgeht. Es ist also erst anzurechnen und dann nach § 15 III RVG zu prüfen.

    Die Berechnung von KoMa ist richtig, die Entscheidung des OLG Stuttgart nachvollziehbar.

  • Ich halte es mit der Auffassung, dass das Vergütungsverzeichnis die Spezialisierung zum §-Bereich des RVG ist und damit vorgeht. Es ist also erst anzurechnen und dann nach § 15 III RVG zu prüfen.

    Die Berechnung von KoMa ist richtig, die Entscheidung des OLG Stuttgart nachvollziehbar.



    @Jamie:
    Kann der vorgerichtlich befasste Anwalt über den nicht anzurechnenden Geschäftsgebührenanteil hinaus mehr verdienen, als wenn er nur mit der Vertretung im gerichtlichen Verfahren beauftragt wird?
    Wenn Dir das spanisch vorkommt, dann mach Dir bitte die Mühe und rechne die Vergütung des Anwaltes durch - zunächst ohne die Einbeziehung des nichtrechtshängigen Anspruchs und dann mit. Alsdann vergleiche jeweils in beiden Fällen die Gesamtvergütung des vorgerichtlich tätigen Anwaltes mit der des nur im Gerichtsverfahren tätigen Anwaltes. Bei der Berechnung kannst Du Dich auf die GG und VG beschränken, weil die übrigen Gebühren für beide Anwälte identisch sind.

  • Frage an die "Ordentlichen":
    Ist gegen die Entscheidung der Einzelrichterin des OLG Stuttgart noch ein Rechtsmittel zum BGH möglich?

  • Sorry, hat etwas länger gedauert mit dem Rechnen. Mein grippal angeschlagenes Hirn braucht momentan ein bisschen mehr Zeit beim Denken und entsprechend gaaaanz viel Schlaf. :(

    Mit den obigen Streitwerten ist das Ergebnis schon erstaunlich. Habt ihr das mit kleineren Streitwerten auch schon mal durchgerechnet? Kommt immer dasselbe hinten dabei raus? :gruebel:

    Wenn ich anrechne, bleibt nix zum Angleichen nach § 15 III RVG. Wenn es nichts zum anrechnen gibt, muss angeglichen werden..... Hab auch keinen Kommentar zu Hause (nur Hartmann).

  • Sorry, hat etwas länger gedauert mit dem Rechnen. Mein grippal angeschlagenes Hirn braucht momentan ein bisschen mehr Zeit beim Denken und entsprechend gaaaanz viel Schlaf. :(

    Mit den obigen Streitwerten ist das Ergebnis schon erstaunlich. Habt ihr das mit kleineren Streitwerten auch schon mal durchgerechnet? Kommt immer dasselbe hinten dabei raus? :gruebel:

    Wenn ich anrechne, bleibt nix zum Angleichen nach § 15 III RVG. Wenn es nichts zum anrechnen gibt, muss angeglichen werden..... Hab auch keinen Kommentar zu Hause (nur Hartmann).



    Erst einmal gute Besserung und dann Punktlandung in der Berechnung. In den einschlägigen Kommentaren habe ich dazu nichts gefunden. Auch bei veränderten Werten kommen nach der Methode des OLG Stuttgart mal mehr mal weniger abweichende Ergebnisse zu dem heraus, was ohne Anrechnung nach§ 15 Abs. 3 RVG anzugleichen wäre.

    Was aber schließt Du aus Deinem Ergebnis?

  • Dass das ganze eine offenbare Ungerechtigkeit ist (für den jeweils nicht vorgerichtlich tätigen Anwalt), dennoch - nach den Vorgaben des von uns so hoch geschätzten BGH (:confused:) - zunächst anzurechnen ist und dann anzugleichen.

    Der Wortlaut des Gesetzes und das "Machtwort" des BGH sind eindeutig. Fehler des Gesetzgebers, den dieser zu korrigieren hat. Eine Folge des schon zuvor falsch zusammengezimmerten RVG, die es auszumerzen gilt. Wann auch immer.

    Vielleicht sollte hier der Weg zum Verfassungsrichter gehen können. Der BGH würde die OLG-Stuttgart-Entscheidung vermutlich bestätigen.

    Erschreckend, welche Blüten diese Geschäftsgebühr am Ende treibt.

    Der vorgerichtlich befasste Rechtsanwalt muss sich ein Fehler im Gesetz bzw. die Folgen der nunmehr korrekten Anrechnungsweise nicht vorhalten lassen. Er hat Anspruch auf seine Geschäftsgebühr und seine Verfahrensgebühren unter Anrechnung. Der nur gerichtlich befasste Rechtsanwalt wird sich verfassungsrechtliche Gedanken zu machen haben.

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