Urteilsanmerkungen/Kommentare

  • BGH, Beschluss vom 4. Mai 2017 - IX ZB 92/16


    InsO § 287a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
    Der Schuldner kann ohne Einhaltung einer Sperrfrist einen neuen Antrag auf Restschuldbefreiung stellen, wenn in einem vorausgegangenen Insolvenzverfahren die Kostenstundung wegen Verletzung von Mitwirkungspflichten aufgehoben und das Insolvenzverfahren sodann mangels Masse eingestellt worden ist.

    InsO §§ 4a, 4c
    Der Schuldner handelt nicht rechtsmissbräuchlich, wenn er nach Aufhebung der Kostenstundung und Einstellung des Insolvenzverfahrens mangels Masse ohne Einhaltung einer Sperrfrist erneut einen Antrag auf Kostenstundung für ein neues Insolvenzverfahren stellt, auch wenn die Aufhebung der Kostenstundung darauf beruht, dass er seine Mitwirkungspflichten verletzt hat.

    In Zeiten zurückgehender Verfahrenszahlen wird hier mal für eine Grundauslastung gesorgt. Auch schön, wenn man dann öfters alten Bekannten begegnet. Muss man sich nicht laufend auf neue Leute einstellen...:cool:

    Ich finde aber, das ist ein Paradefall dafür, dass wir eben Gesetzesanwender sind. Ich fand das nicht korrekt, dass da Gericht mit der Zurückweisung der Stundungsanträge getrickst haben. Man kann das ja zurecht für bekloppt halten, aber der Gesetzgeber hat das nun mal so entschieden. ist halt ne bloße "Nachlässigkeit" des Schuldners. Ich jedenfalls bin in den meisten Fällen dazu übergegangen, in solchen Fällen gar nicht mehr die Stundung aufzuheben. Denn was soll das noch?

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    " Die Titanic wurde von Profis erbaut... Die Arche Noah aber von 'nem Amateur. Verstehen Sie, was ich meine?" (Bernd Stromberg)

  • Ich jedenfalls bin in den meisten Fällen dazu übergegangen, in solchen Fällen gar nicht mehr die Stundung aufzuheben. Denn was soll das noch?

    Ich hebe weiterhin die Kostenstundung auf. Man weiß doch nicht, ob überhaupt ein neuer Antrag gestellt wird.

    Ich schätze mal, es überwiegen die Fälle, in denen ein neuer Antrag gestellt wird, oder? Erstmal wachen die Schuldner ja auf, kriegen wieder Panik vor Gläubigern, schwören Stein und Bein, dass sie es jetzt besser machen und starten noch mal durch....... Endlosschleife bei manchem vorprogrammiert.

  • Man könnte kurz vor Erteilung der RSB die Stundung aufheben, damit der TH keinen 298er Antrag stellen muss (aber kann). Dann könnten die Kosten gegen den nachlässigen Schuldner vollstreckt werden und unterliegen keiner RSB eines dann nicht zulässigen 2. Verfahrens während der Sperrzeit. Aber ich sehe eigentlich auch eher den Gesetzgeber in der Pflicht, wenigsten die gestundeten Verfahrenskosten früherer Verfahren in den § 302 Nr. 3 InsO mit aufzunehmen.

  • Ein recht bekannter ehemaliger Tennisspieler soll zahlungsunfähig sein, lt einem englischem Gericht. Allerdings gibt es die RSB in England schon recht bald und seine Frau schafft in deutschen Privatfernsehen auch noch Kohle ran.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Nach den Verlautbarungen in der Fachpresse scheint es ein Fremdantrag gewesen zu sein. Ist das für die RSB in England relevant?

    Nein. Aber so ein englisches Insolvenzverfahren kann auch so richtig eklig werden, wenn du denn noch Vermögen hast. Mit Insolvenzeröffnung geht nämlich Boris gesamtes Vermögen auf den Insolvenzverwalter über und ist dann weg (nicht so wie hier, wo bloß das Vermögen des Insolvenzschuldners verwaltet wird). Vom Insolvenzbeschlag sind natürlich auch die Häuser auf Mallorca etc. mit umfasst. Auch stellt es in England eine Straftat dar, wenn du dem Insolvenzverwalter dort nicht alles Vermögen, sämtliche Unterlagen und Bücher herausgibst. Und ich weiß ja nicht, was Boris gerade so arbeitet, aber auf eine gerichtliche Zahlungsanordnung, um das Einkommen zur Insolvenzmasse zu ziehen, hat der bestimmt keinen Bock. Ich gehe mal davon aus, dass Boris das alles gar nicht will und es ihm bestimmt nicht auf die billige RSB ankommt...

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • Wie in der heutigen FAZ zu lesen ist, will Becker den Insolvenzantrag so bald wie möglich weghaben. Er wäre in der Lage die Forderung zu begleichen.

  • Lass mich mal überlegen :gruebel:.

    Ich glaube nämlich, dass ich solche Äußerungen in meiner Tätigkeit schon einmal gehört habe, insbesondere bei bestehenden oder drohenden Fremdanträgen (Und ich weiß, was dann daraus geworden ist).

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Stimmt. Schuldner können immer alles zahlen. Nur nicht genau eben jetzt. Erst nächste Woche oder so. Dann aber bestimmt.

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • Wenn ich die Berichterstattung richtig verstanden habe, geht es um eine seit etwa zwei Jahren gerichtlich titulierte Forderung mit einer handvoll Stellen vor dem Komma. Legt man da die Indizrechtsprechung des BGH an, gibt es ein klares "zahlungsunfähig".

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • BGH, Beschluss vom 06.04.2016, IX ZB 23/16, ohne Leitsatz

    Wird im Rahmen der vorl. Insolvenzverwaltung die Erlaubnis zur Begründung von Masseverbindlichkeiten erteilt und der Betrieb des Schuldners fortgeführt, so ergibt sich die Berechnungsgrundlage für den vIV im Rahmen der Fortführung aus den betriebsbedingten Einnahmen abzüglich der betriebsbedingten Ausgaben, wobei auch die Zahlungen zu berücksichtigen sind, die erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewirkt werden.


    Bei der Bestimmung der Berechnungsgrundlage des Insolvenzverwalters sind diese fortführungsbedingten Ausgaben nach Eröffnung des Verfahrens von der Berechnungsmasse abzusetzen. Ansonsten käme es bei rückgestellten Zahlungen bei der Bestimmung der Berechnungsmasse für den Insolvenzverwalter zu willkürlichen Ergebnissen Deshalb ist es sachgerecht, offen gebliebene Masseverbindlichkeiten nicht allein bei der Überschussermittlung der Betriebsfortführung im Eröffnungsverfahren zu berücksichtigen, sondern auch bei der Bewertung der vom Insolvenzverwalter verwalteten Masse.

    Ist "Bewertung" so zu verstehen, dass diese Masseverbindlichkeiten von der Berechnungsgrundlage für die Vergütung des IV abgezogen werden sollen - und dies auch im Fall eines negativen Fortführungsergebnisses?

    Nein, dies ist so icht gemeint, es geht nur um die Überschussermittlung (lässt sich aus dem Kontext sämtlicher Entscheidungen zur Frage der Berechnung bei Fortführung rauslesen). Bei 0,-- ist Schluss :D
    Etwaige Zuschläge für die BF sind hierbei möglich, was auch der BGH-Judikatur entspricht, zumal die sowieso-kosten lt. BGH nicht von den Fortführungsaufwendungen abgezogen werden dürfen (was jedoch bei der ergebnisbezogenen Betrachtungsweise der Vegütungsfestsetzung wiederum eine Rolle spielen sollte).
    greez
    Def

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
    legalize erdbeereis
    :daumenrau

  • Nun, korrekt war das m.E. schon, nur es war es offenbar weder vom AG noch vom LG feinsinnig begründet (sorry!). Ob ein anderes weitergeholfen hätte, ist jedoch auch zu bezweifeln. Der BGH hätte feinsinniger ranngehen können, aber wie die glasklare Kritik am Gesetzgeber in Rz. 22 erweist, schätze ich es mal so ein, dass der BGH keinen Bock (mehr) hat, gesetzgeberischen Müll wegzuräumen.

    In den Fällen nach Aufhebung des Verfahrens werde ich künftig keine Stundungsaufhebungen mehr machen (s. Mosser). In laufenden Verfahren habe ich bisher in einem Beschluss die Stundung aufgehoben und zugleich Termin (also keinen schriftlchen Verfahrensscheiß) bestimmt. Künftig werde ich die Aufhebung der Stundung etwas ausführlicher in dem betreffenden Terminsbestimmungsbeschluss begründen..... da nach neuem Recht der Versagungsantrag jederzeit gestellt werden kann, bleibt einmal abzuwarten, ob dies Wirkungen zeigt. -> Aktualisierung: werde ich doch nicht machen, aus Gründen der "Neutralität".....

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    Einmal editiert, zuletzt von Defaitist (4. Juli 2017 um 00:16)

  • BGH, Urteil vom 20. Juli 2017 - IX ZR 310/14

    Dem Insolvenzverwalter steht bei der Frage, zu welchem Zeitpunkt er die (drohende) Masseunzulänglichkeit anzeigt, ein weiter Handlungs- und Entscheidungsspielraum zu. Dessen Einhaltung kann das Gericht des Haftungsprozesses umfassend nachprüfen.

    Die vom Insolvenzverwalter bei der Anzeige der Masseunzulänglichkeit berücksichtigte voraussichtliche Verwaltervergütung kann das Gericht des Haftungsprozesses daraufhin überprüfen, ob der Insolvenzverwalter den ihm dabei zuzugestehenden Beurteilungsspielraum in unvertretbarer Weise überschritten hat.

    aha

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  • BGH, Beschluss vom 6. Juli 2017 - IX ZB 73/16

    InsO §§ 9, 34 Abs. 1; InsNetV § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2

    Der Ausdruck eines Sendeberichts für die Internetveröffentlichung begründet keinen Anscheinsbeweis für die tatsächlich erfolgte öffentliche Bekanntmachung durch Veröffentlichung im Internet.

    Bekommen nicht auch alle Insolvenzgerichte von NRW die drei mal täglichen E-Mail-Benachrichtigungen über die tatsächlich erfolgten Veröffentlichungen (und Löschungen) ?

    Diese (also die eingestellten Veröffentlichungen, nicht auch die Löschungsbenachrichtigungen) werden hier ausgedruckt und zur Akte genommen - und sollten als Nachweis / Vollbeweis auch absolut ausreichen.

    Wenn dieser Ausdruck einmal versehentlich nicht erfolgte und nicht in der Akte ist, schaue ich beim nächsten Verfahrensschritt selbst bei insolvenzbekanntmachungen.de rein, um die erfolgte VÖ zu überprüfen und mache dann davon einen Bildschirmdruck für die Akte.

    In ganz seltenen Fällen kommt es tatsächlich vor, dass zwar die zur beabsichtigten Übermittlung erstellte "Sendemaske" ausgedruckt ist, aber dann offenbar vergessen wurde, auch wirklich auf den "Sendebutton" zu klicken, weil dazwischen das Telefon klingelte oder Publikum kam oder so etwas.

    Im entschiedenen Fall war wohl nur diese "Sendemaske" in der Akte.

  • Klare Ansage.:confused: Vielleicht mag das AndreasH kommentieren? ;)


    Zur Entscheidung selbst möchte ich mich zurückhalten, denn ich kann natürlich nicht unbefangen schreiben.

    Aber die beiden Leitsätze sind aus der Entscheidung hinreichend erklärbar.

    Ausgangskonstellation war im Grundsatz folgende Konstellation:
    Der Verwalter hatte einen Prozess geführt und dem siegenden Prozessgegner dessen Kosten aus der Masse nicht erstattet, weil die Masse angeblich nicht genügend freie Mittel dafür hatte. Die vorhandenen Mittel in sechstelliger Höhe sollten nicht ausreichen, weil diese im wesentlichen durch eine Rückstellung für die Honoraransprüche des Verwalters aufgezehrt wären. Der Prozessgegner nahm nun den Verwalter persönlich in Anspruch auf Ersatz der nicht bezahlten Prozesskosten (warum der Verwalter persönlich haften sollte, ist ein weites Feld, das ich hier nicht näher ausführen möchte, die Entscheidung des Berufungsgerichts ist veröffentlicht). Spitz nachgerechnet hatte das Berufungsgericht festgestellt, dass tatsächlich keine MUZ bestanden hat, weil zu jedem Zeitpunkt genügend Geld sowohl für - richtig angesetztes - Honorar als auch für Erstattung der Prozesskosten des Gegners vorhanden war.

    Bei dieser Ausgangskonstellation kommt der BGH zu den beiden in den Leitsätzen genannten Teilergebnissen, die sich auch wie folgt beschreiben lassen:

    a) Dem Verwalter kommt eine weite Einschätzungsfreiheit bei der Frage zu, wann seiner Ansicht nach MUZ angezeigt werden muss. Diese Freiheit ist nur auf Überschreitung der äußeren Grenzen hin gerichtlich überprüfbar.

    b) Führt der Insolvenzverwalter die MUZ wesentlich (auch) auf Rückstellungen für sein eigenes künftiges Honorar zurück, hat er bei der Abschätzung seiner Honoraransprüche einen Beurteilungsspielraum. Das Gericht des Haftungsprozesses kann auch diese Beurteilung nur auf Überschreitung der Vertretbarkeit hin kontrollieren.

    Im Ergebnis gibt es zwei einander überlagernde Freiheiten, die nur auf Überschreitung der äußeren Grenzen kontrolliert werden können, so dass ein "spitzes" Nachrechnen, ob tatsächlich MUZ vorlag oder nicht, nicht möglich ist.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Das habe ich auch gedacht. Wenn das nicht reicht, dann müssen sich die Betreiber aber schleunigst was überlegen.

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    " Die Titanic wurde von Profis erbaut... Die Arche Noah aber von 'nem Amateur. Verstehen Sie, was ich meine?" (Bernd Stromberg)

  • ... die beiden Leitsätze sind aus der Entscheidung hinreichend erklärbar. ...

    Danke, AndreasH.

    Im Endeffekt bedeuten die "zwei einander überlagernden Freiheiten" ja eine erhebliche Ausweitung des Beurteilungsspielraums des Verwalters mit korrespondierender Einschänkung der Überprüfbarkeit. Ungeachtet davon hätte man diesen - aus meiner Sicht - Extremfall durchaus auch anders enden lassen können und (vielleicht) sollen.

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

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