Anzahl Erinnerungsverfahren

  • Hallo in die Runde!

    Nach einem Gespräch mit einem auswärtigen Kollegen neulich habe ich festgestellt, dass wir an unserem Gericht offenbar eine relativ hohe Anzahl an Erinnerungsverfahren gegen Kostenfestsetzungsbeschlusse haben. Daher würde mich mal interessieren, was den anderswo normal ist.

    Wir haben seit dem 01.01.2009 eine "Kostenkammer". Dort sind seit demselben Tag mittlerweile 215 Erinnerungsverfahren anhängig gemacht worden.

    Bis auf eine einstellige Anzahl handelt es sich dabei um Rechtsbehelfe gegen meine Beschlüsse. Das führt mich zu drei grundsätzlichen Möglichkeiten:

    1. Die hiesigen Rechtsanwälte sind möglicherweise recht erinnerungsfreudig.

    2. Betragsrahmengebühren "laden" eher zu einer Erinnerung ein als Wertgebühren.

    3. Meine KFBs sind grottenschlecht.

    Im Moment klammere ich mich an die ersten beiden Möglichkeiten :D

    Gruß aus dem Regen, Garfield

  • Hier werden selten Rechtsmittel KFBs eingelegt. Leider. Manchmal hoffe ich einigen Fälle regelrecht drauf, werde aber immer wieder enttäuscht.

    Bei dir nehme ich mal ganz stark an, dass es am ehesten an Nr. 2 liegt. Ob es an 3. liegt, siehst du doch an den Entscheidungen deiner "Beschwerdekammer", oder ? :strecker

    "Der Staat ist vom kühlen, aber zuverlässigen Wächter zur Amme geworden. Dafür erdrückt er die Gesellschaft mit seiner zärtlichen Zuwendung."

    Einmal editiert, zuletzt von Ernst P. (4. Juni 2009 um 19:29)

  • Das Dezernat hast Du noch nicht gar so lange, oder? Kann es sein, dass Du vehementer Absetzungen vornimmst als Dein Vorgänger?
    Nur an Deinen KFBen kann es (hoffentlich :eek: ;)) nicht liegen.

    Auf welche Begründungen stützen sich denn die Rechtsmittel?
    "Das war aber sonst anders!" oder eher fundiert und nur eine andere Meinung als Deine?
    Wie wurde denn bislang über die Rechtsmittel entschieden? (Ich gehe nicht davon aus, dass Du 215 Aufhebungen und / oder Zurückverweisungen hast, oder?)

    Ich mache keine Fehler ... ich erschaffe kleine Katastrophen.

  • Das Elend ist ja, dass bisher kaum über die Rechtsbehelfe entschieden wurde. Bis zum 31.12.2008 habe ich weniger als 10 Entscheidungen über meine Beschlüsse erhalten. Dies liegt vor allem daran, dass die Richter hier Erinnerungen wie Klageverfahren behandeln - und die werden der Reihe nach entschieden. Somit hängen Erinnerungen auch mal 2 Jahre im Sitzungsfach.

    Mit der Einrichtung der Kostenkammer sollte das eigentlich anders werde. Der "neue" Richter hat jedoch alle Verfahren erstmal auf Eis gelegt und plant "im Herbst" anzufangen zu entscheiden. Wenn es so weitergeht (die Eingangszahlen steigen) hat er bis dahin gut 400 Erinnerungen.

    Im Prinzip habe ich bereits kurz nach meinem Einstieg hier (März 2007) alle Kostenfestsetzungsverfahren übernommen. Kurz darauf sind die Eingangszahlen in diesem Bereich explodiert (mal 40 Stück am Tag usw.). Die Erinnerungen sind zum Teil gut begründet und vertreten halt schlicht eine andere Auffassung. Wir erhalten aufgrund der Regelung in § 197 Abs.2 SGG ja auch kaum Entscheidungen der Landessozialgerichte. Und wenn mal was kommt kann man sicher sein, dass z.B. NRW dass ganz anders sieht als Schleswig-Holstein und Sachsen hat da ohnehin noch ganz eigene Vorstellungen. Im Prinzip sind fast alle Meinungen durch einen bestimmten Teil der einschlägigen Rechtsprechung gut vertret- bzw. begründbar.

    Trotzdem frage ich mich langsam wohin das noch gehen soll. In der zuständigen Geschäftsstelle darf ich mich an manchen Tagen nicht mehr blicken lassen...

  • Aus dem ganzen Schlamassel kommst du wohl erst raus, wenn über einen Großteil der RM abschließend entschieden ist. Dann weißt du (und auch díe RAe) wie die Rechtsauffassung eurer Richter ist und man kann sich darauf einstellen. Der "neue Richter" sollte also nicht mehr warten sondern endlich loslegen. Kann man da vielleicht was anschubsen? Oder will er warten bis er vielleicht wieder abgelöst wird?

  • Bei mir ca. 1-2 im Jahr, obwohl auch KFB's in Strafsachen dabei sind. (also auch Rahmengebühren)
    Allerdings scheint es so zu sein, dass in Eurer Gerichtsbarkeit die RAe eher streiten. ( kostet das Beschwerdeverfahren eigentlich was?)

  • Och Garfield,:D

    hier mal zur allgemeinen Erläuterung.
    In der Sozialgerichtsbarkeit gehen die Rechtsmitteleinlegenden kein Kostenrisiko ein.
    Es gibt keine Kostenbelastung (es gibt ja keine bzw. fast keine Gerichtskostenfälle) bei einem erfolglosen Rechtsmittel.
    Dies wissen - dem Himmel sei Dank - nicht viele Rechtsvertreter und scheunen bei dem auswärtigen Kollegen vielleicht den Griff zum Rechtsmittel.

    Wichtig ist auch, dass die Richter mitspielen: sprich, wenn man einige Male gehalten wird, dann kennen die üblichen Verdächtigen die gerichtliche Linie und scheuen sich vor der Wiederholungstat.

    Sicher spielt auch die völlig unnötige Amtsbezeichnung (JI, JOI usw.) eine Rolle.
    Neue böse Besen will man dann in Form bringen ...unter der vermeintlichen Mithilfe des Richters....vergiss es.
    Meine erste Erinnerung war u.a. so begründet, dass auf eine Entscheidung des damaligen Geschäftsleiters verwiesen wurde. Es wurde ständig betont, der Herr JI z.A. hat im Gegensatz zum Herrn JA.


    Zu Beginn hat mich auch jede unsachliche Beschwerde geärgert oder wenn ich dann nochmals gegenüber der Richterschaft meine Entscheidung in der (überhaupt nicht möglichen) Nichtabhilfe begründen musste.
    Inzwischen geht mir das irgendwo vorbei.
    Ich erwarte und sage jedem mich zur Rede stellenden Vorsitzenden immer nur:
    Wenn Sie mich aufheben, ist das in Ordnung, aber bitte nicht mit einem Eineinhalbzeiler ohne weitere Begründung. Ein solches Verhalten führt zu weiteren Erinnerungen.

  • Ich führe seit 1984 aus Gewohnheit und Interesse eine interne Statistik über eingefangene Rechtsbehelfe und deren Ergebnis. Mit 1-2 pro Jahr komme ich nicht aus, aber in den 3-stelligen Bereich bin ich noch nie gekommen. Dabei sind auch provozierte Rechtsbehelfe um eine obergerichtliche Entscheidung zu erreichen, damit man für die Zukunft abgesichert ist. Leider gelingt das - siehe Ernst P. - in den wenigsten Fällen.


  • In der Sozialgerichtsbarkeit gehen die Rechtsmitteleinlegenden kein Kostenrisiko ein.
    Es gibt keine Kostenbelastung (es gibt ja keine bzw. fast keine Gerichtskostenfälle) bei einem erfolglosen Rechtsmittel.



    Das hatte ich befürchtet. Vielleicht sollte man das mal ändern....

  • Aus dem ganzen Schlamassel kommst du wohl erst raus, wenn über einen Großteil der RM abschließend entschieden ist. Dann weißt du (und auch díe RAe) wie die Rechtsauffassung eurer Richter ist und man kann sich darauf einstellen. Der "neue Richter" sollte also nicht mehr warten sondern endlich loslegen. Kann man da vielleicht was anschubsen? Oder will er warten bis er vielleicht wieder abgelöst wird?



    Hm, der "neue Richter" ist in diesem Fall leider der Direktor. Und der will noch eine Kammer mit Altfällen (aus 2004 und 2005) abarbeiten bevor er seine volle Aufmerksamkeit auf meine Angelegenheiten richtet.

    Hinzu kommt, dass er sich über die Menge an Erinnerungen sehr freut. Denn das dokumentiert ja sehr anschaulich unsere enorme Arbeitsbelastung. Aus der Sicht des Behördenleiters ist das auch sicher völlig ok, für "meinen Kostenrichter" hätte ich mir eine andere Einstellung gewünscht.

    Wie Zubbel schon gesagt hat: Das z.A. hat auch Probleme verursacht ("...offensichtlich war hier kein Rechtspfleger, sondern ein Justizinspektor zur Ausbildung am Werke..."), die sind hoffentlich durch das Beamtenstatusgesetz Vergangenheit.

    Vor der Einrichtung der Kostenkammer gab es hier auch einen nervtötenden Kleinkrieg. Sprich: Die Urkundsbeamten hatte die eine Ansicht, die Richter die anderen und beide Seiten haben stur daran festgehalten. Glücklicherweise hat dann unser LSG unsere Sichtweise aufgenommen. Dann kam halt die Kostenkammer.

  • Ich führe seit 1984 aus Gewohnheit und Interesse eine interne Statistik über eingefangene Rechtsbehelfe und deren Ergebnis. Mit 1-2 pro Jahr komme ich nicht aus, aber in den 3-stelligen Bereich bin ich noch nie gekommen. Dabei sind auch provozierte Rechtsbehelfe um eine obergerichtliche Entscheidung zu erreichen, damit man für die Zukunft abgesichert ist. Leider gelingt das - siehe Ernst P. - in den wenigsten Fällen.




    In der Sozialgerichtsbarkeit sind die Entscheidungen der erstinstanzlichen Richter- leider - nicht mehr anfechtbar.
    Und da bei PKH eine Beschwerde gegen die Festsetzung des Richters - inzwischen - regelmäßig und sich langsam bundesweit verbreitend -ausgeschlossen wird, laufen wir Gefahr, dass es künftig keine höchstgerichtlichen Entscheidungen in der Kostenfestsetzung mehr gibt.

    Eine Shitsituation, wenn man in Grundsatzfragen mal eine höchstgerichtliche Entscheidung braucht.


    Aber mal ehrlich: eine angenehme Situation für die Richter.

  • @ garfield: Falls der Richter schon seine innerliche Kündigung durch hat bzw. darauf hofft versetzt zu werden und zu hoffen seinem Nachfolger das Feld überlassen zu können kann man nichts machen. Andernfalls würde ich ihm vorsichtig den Hinweis zukommen lassen, dass er sich und dir einen Gefallen tut, gewisse Sachen zu entscheiden, damit du und die RA wissen woran ihr seit. Wenn du nämlich erstmal Eure hausinterne Rechtsprechung zu gewissen Fragen zitieren kannst, dann dürften die Rechtsmittel im Laufe der Zeit weniger werden (so zumindest meine Erfahrung an mehreren Gerichten).

    Ein bißchen kann ich die Einstellung der RAe "da sitzt ein z. A. Da versuchen wir es mal den mürbe zu machen" ja auf den ersten Blick verstehen, nur leider wird dabei folgendes nicht bedacht: Ein z. A. kommt frisch von der Prüfung. Er hat ein Wissen, dass er in die Praxis umsetzen möchte. Von der Denke "das haben wir schon seit Jahren so gemacht, wieso nachdenken, ob das tatsächlich richtig" ist er weit entfernt. Außerdem gibt der durchschnittliche z. A. (u. a. wegen eigener Unsicherheit, künftigen Zeugnissen usw.) besonders viel Mühe. Will heißen: Wer meint, weil da ein z. A. sitzt, würde er recht bekommen oder der Rechtsmittel würde eher abgeholfen, irrt in dem meisten Fällen.

    Ich glaube in meinen F-Sachen hatte in den KFB`s im letzten Jahr eine einzige Erinnerung (die abgebügelt wurde). C-Sache mache ich ja (leider) nicht, und in den F-Sachen ist oft keine Festsetzung gem. §§ 103, 104, 126 ZPO zu machen, da die Kostenentscheidungen dies nicht hergeben, oder jeder Hanswurst PKH hat.

    In PKH/BerH-Bewilligungssachen würde ich die Rechtsmittel auf ca. insg. 20-30 im Jahr schätzen. Und in der Festsetzung gegen die Landeskasse im Rahmen von BerH/PKH auf unter 10/Jahr.

    Ich frage mich nicht nur was die unordentliche ;) Gerichtsbarkeit angeht schon lange, warum es überhaupt kostenfreie Rechtsmittel gibt (u. a. in der BerH). M. E. müsste die Landeskasse bei zurückgewiesenen oder zurückgenommenen Rechtsmitteln immer Kosten erheben, wobei bei erfolgreichen Rechtsmitteln, dem Rechtsmittelführer seine Kosten regelmäßig zu ersetzen wäre.

    "Der Staat ist vom kühlen, aber zuverlässigen Wächter zur Amme geworden. Dafür erdrückt er die Gesellschaft mit seiner zärtlichen Zuwendung."



  • Hinzu kommt, dass er sich über die Menge an Erinnerungen sehr freut. Denn das dokumentiert ja sehr anschaulich unsere enorme Arbeitsbelastung.




    Wessen Arbeitsbelastung?
    Die der Kammervorsitzenden oder auch die der Festsetzenden? Ich bin mir bei solchen Aussagen nie ganz sicher, ob hier statusübergreifend die teilweise enorm gestiegende Belastung des gehobenen Dienstes anerkannt wird.

    Aber (an die Kritiker: mich bitte jetzt nicht steinigen): ich habe PEBB§Y in unserem Bereich als ersten Nachweis der erheblichen Belastung auch der nichtrichterlichen Bereiche erlebt. Zuvor wurde das konsequent ignoriert...weil man ja nur unterstellte und keine Zahlen hatte.

  • M. E. bin ich doch erst so richtig belastet, wenn ich auch mal was entschieden habe, und nicht dadurch dass die Akten in meinem Zimmer vor sich hinschimmeln oder ? Da stimmt doch nach meiner Ansicht was im System nicht...

    "Der Staat ist vom kühlen, aber zuverlässigen Wächter zur Amme geworden. Dafür erdrückt er die Gesellschaft mit seiner zärtlichen Zuwendung."

  • Auch in Berlin haben wir seit dem 1.1.2009 zwei Kostenkammern (Kostenrichter). Bis heute sind hier insgesamt 1.568 Erinnerungen eingegangen.

    Es liegt m.E. an der Erinnerungsfreudigkeit der Beteiligten (sowohl der Rechtsanwaltschaft als auch - insbesondere in Berlin - der JobCenter), dabei wird um "Kleinstbeträge" gestritten. Über Rahmengebühren kann man ja trefflich streiten.

    Für die Erinnerungsverfahren gem. § 197 SGG sehen unsere Kostenrichter mittlerweile die Möglichkeit Kosten aufzuerlegen (SG Berlin, Beschlüsse vom 25.2.2009 - S 165 SF 99/09 E - und vom 26.2.2009 - S 165 SF 127/09 E -beide in http://www.sozialgerichtsbarkeit.de). Wir hegen die Hoffnung, dass damit die Menge der wirklich unnötigen Erinnerungen zurückgeht.

    Auch wird beim Sozialgericht Berlin - in Übereinstimmung mit einigen Senaten des LSG Berlin-Brandeburg (leider gibt es dort keinen für RVG-Sachen zuständigen Kostensenat) - die Möglichkeit der Beschwerde in PHK-Vergütungsfestsetzungssachen verneint (u.a. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.2.2009 - L 15 SF 9/09 B - in http://www.sozialgerichtsbarkeit.de).

    Dulce et decorum est pro patria mori.

  • Insgesamt habe ich seit 1984 770 Erinnerungen gefangen, dieses Jahr sind es bislang 11. Da ist natürlich viel Tinnef bei, weil man sich in der Tat schon um Cent-Beträge prügelt. Zum anderen kommt auch mal ein Zahlendreher vor, also letztlich die gesamte Palette incl. Rücknahmen.

  • Hier kommt selten was, und wenn dann dummes Zeug.

    Aufgehoben werde ich noch seltener. Meist dann, wenn es darum geht, mal was zu klären, denn dafür bin ich auch immer gut.

  • Dieses "Klären" lasse ich mir auch grundsätzlich nicht nehmen. Dafür nehme ich gerne einen Rechtsbehelf in Kauf, weil, das läuft bei mir dann unter "Fortführung des Rechts" und ist für zukünftige Fälle meist hilfreich.


  • Und da bei PKH eine Beschwerde gegen die Festsetzung des Richters - inzwischen - regelmäßig und sich langsam bundesweit verbreitend -ausgeschlossen wird, laufen wir Gefahr, dass es künftig keine höchstgerichtlichen Entscheidungen in der Kostenfestsetzung mehr gibt.



    Wobei ich die Begründung(en) für gewagt halte. Die SGG als vorrangig gegenüber dem RVG anzusehen - darauf ist meine ich noch kein anderes Fachgericht gekommen.

    Bleibt wohl nur Herr Gerold. Vom neuen Hartmann bin ich schwer enttäuscht.

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