§ 15 BNotO

  • Eine Notarin weigert sich, einen Grundstückskaufvetrag zu beurkunden, weil für den Veräufer vor 2 Jahren ein Betreuer u.a. für den Aufgabenkreis "Grundstücksangelegenheiten". eingesetzt wurde Lt. Gutachten hat der der Betreute psychische Probleme, keine Demenz o.Ä. und der Betreuer ist der Auffassung, dass der Betroffene den Kaufvertrag versteht und geschäftsfähig ist. Nach § 11 BeurkundungsG muss sich der Notar sja elbst von der Geschäftsfähigkeit überzeugen. Es wurden deshalb schon etliche Briefe hin und her gschrieben. Zuletzt vertrat die Notarin die Auffassung, sie könne das als medizinscher Laie gar nicht beurteilen und ich hätte ja die Möglichkeit, sie nach § 15 BNotO gerichtlich anweisen zu lassen. Müsste da nicht der Betreute Beschwerde erheben?

  • Diese Mühe täte ich mir nicht an. Es gibt auch noch andere Notare.
    Auch gibt es die Möglichkeit, den behandelnden Arzt zur Beurkundung hinzuziehen, der dann das Vorliegen der Geschäftsfähigkeit im Moment des Handelns attestieren kann.

    Hat der Betreute eventuell einen Einwilligungsvorbehalt?

  • Ich würde mir vllt. den Betroffenen mal zur Anhörung vorladen und das letzte ärztliche Attest / Gutachten in der Akte lesen.

    Ich könnte mir vorstellen, dass der Betreuer nicht unbedingt für den Betroffenen handeln möchte, wenn die Beurkundung durch den Betroffenen selbst ausdrücklich von diesem gewünscht wird.

    Ich mache keine Fehler ... ich erschaffe kleine Katastrophen.

  • Und warum schließt nicht der Betreuer den Vertrag? Scheut er vielleicht das Genehmigungsverfahren?



    Durchaus berechtigte Frage. Wieso sollte explizit für die Grundstücksangelegenheiten ein Betreuer eingesetzt werden, der es dann genau für diesen Aufgabenkreis nicht für erforderlich hält, mitzuwirken. Selbst die Hinzuziehung des Arztes würde mich sehr verwundern. Bedeutede das nun, dass ggf. die Betreuung aufzuheben sei, weil der Betreute nicht mehr betreut werden muss ? Oder ist sich der Betreuer etwa ganz sicher, dass der Betreute just am Beurkundunsgtag alles allein genau überblickt und keinen Betreuer (nicht mal zusätzlich) benötigt.

    Also - insgesamt klingt das für mich merkwürdig.

  • Offensichtlich geht die Mehrzahl unbewusst davon aus, dass Betreute mindestens auf dem halben Weg zur Geschäftsunfähigkeit sind. Warum eigentlich?
    Nach den vor einigen Jahren veröffentlichten Erhebungen von Cöppicus, ehemals Richter am AG Oberhausen, sind die Betreuungszahlen unverhältnismäßig hoch geschossen. Einen empirisch fundierten Grund wusste er nicht zu ermitteln. Die Krankheitsbilder in der Gesellschaft sind nicht im gleichen Umfang gewachsen. Das lässt - so Cöppicus - darauf schließen, dass Betreuungen auch da angeordnet werden, wo sie nicht erforderlich sind. Soweit erinnerlich hat er auch mitgeteilt, dass er drei Viertel der von ihm übernommenen Verfahren anderer Gerichte bei oder kurz nach Übernahme aufgehoben hat.

    Ergo: viele Betreuungen sind unnötig, stigmatisieren aber irgendwie.

    In der Akte befindliche (ältere) Gutachten schildern den Stand von gestern. Sie sind - nicht nur bei progredienten Krankheitsbildern - so gut wie untauglich. Also muss man auf aktuelle ärztliche Atteste zurückgreifen. Das macht jeder Richter.
    Will das ein Notar tun, wird das von River #5 als verwunderlich dargestellt.
    Was will Sonea mit der Anhörung des Betroffenen in Bezug auf die Frage, ob er selber den Vertrag schließen kann?
    Warum sollte - wie Luftpumpenkäfer in den Raum stellt - der Betreuer das Genehmigungsverfahren scheuen, wenn der Betroffene selber handlungsfähig ist?
    Es gilt immer noch die Devise, dass der Betroffene so viel Autarkie wie möglich genießen soll. Wenn er die Angelegenheit mit dem Betreuer bespricht und dieser der Überzeugung ist, dass er die Veräußerung selber über die Bühne ziehen kann, soll er das tun. Ich ließe mir das nicht gefallen, wenn meine Handlungsfähigkeit grundlos - siehe erster Satz - in Zweifel gezogen wird.

  • Dem stimme ich zu.

    Im Übrigen gehören zum Aufgabenkreis "Grundstücksangelegenheiten" ja auch mehr Handlungen als der Verkauf eines Grundstückes (z. B. Abschluss mit Versorgungsunternehmen, ggf. von Mietverträgen usw.).


  • Warum sollte - wie Luftpumpenkäfer in den Raum stellt - der Betreuer das Genehmigungsverfahren scheuen, wenn der Betroffene selber handlungsfähig ist?
    Es gilt immer noch die Devise, dass der Betroffene so viel Autarkie wie möglich genießen soll. Wenn er die Angelegenheit mit dem Betreuer bespricht und dieser der Überzeugung ist, dass er die Veräußerung selber über die Bühne ziehen kann, soll er das tun. Ich ließe mir das nicht gefallen, wenn meine Handlungsfähigkeit grundlos - siehe erster Satz - in Zweifel gezogen wird.



    Es kann schon sein, dass die Betreuung hier nicht erforderlich ist und deshalb eigentlich aufzuheben wäre. Aber bisher besteht sie eben noch. Deshalb ist es schon eigentümlich, wenn der Betreuer aus dem Geschäft heraushalten will, das zu seinem Aufgabenkreis gehört. Warum beantragt er nicht die Aufhebung oder Einschränkung der Betreuung? Normalerweise würde es der Vertragspartner auch nicht riskieren, mit dem Betreuten selbst zu kontrahieren, wenn er von der Betreuung weiß. Wenn die Notarin da hellhörig wird, kann ich ihr das eigentlich nicht verdenken.


  • Warum sollte - wie Luftpumpenkäfer in den Raum stellt - der Betreuer das Genehmigungsverfahren scheuen, wenn der Betroffene selber handlungsfähig ist?
    Es gilt immer noch die Devise, dass der Betroffene so viel Autarkie wie möglich genießen soll. Wenn er die Angelegenheit mit dem Betreuer bespricht und dieser der Überzeugung ist, dass er die Veräußerung selber über die Bühne ziehen kann, soll er das tun. Ich ließe mir das nicht gefallen, wenn meine Handlungsfähigkeit grundlos - siehe erster Satz - in Zweifel gezogen wird.



    Es kann schon sein, dass die Betreuung hier nicht erforderlich ist und deshalb eigentlich aufzuheben wäre. Aber bisher besteht sie eben noch. Deshalb ist es schon eigentümlich, wenn der Betreuer aus dem Geschäft heraushalten will, das zu seinem Aufgabenkreis gehört. Warum beantragt er nicht die Aufhebung oder Einschränkung der Betreuung? Normalerweise würde es der Vertragspartner auch nicht riskieren, mit dem Betreuten selbst zu kontrahieren, wenn er von der Betreuung weiß. Wenn die Notarin da hellhörig wird, kann ich ihr das eigentlich nicht verdenken.

    Die Notarin hat selbstverständlich das Recht, eine ihr angetragene Amtshandlung abzulehnen. Aber die vorgetragenen Gründe sind äußerst dünn und einer Volljuristin unwürdig. Sie entsprechen der landläufigen Meinung: Betreuung eingerichtet - Betroffener ist geschäftsunfähig. Und wenn er es nicht ist: sicher ist sicher.

    Wenn sie der Überzeugung ist, dass der vor ihr stehende Betroffene nicht in der Lage ist, die Tragweite des Rechtsgeschäftes zu erfassen, handelt sie ja richtig. Aber der alleinige Hinweis auf eine Betreuung? Ein Armutszeugnis.

  • Es geht nicht nur um die Geschäftsfähigkeit. Nach § 14 Abs. 2 BNotO muss der Notar seine Amtstätigkeit verweigern, wenn seine Mitwirkung bei Handlungen verlangt wird, mit denen unredliche oder unerlaubte Zwecke verfolgt werden. Und dafür spricht hier einiges. Mir kommt das Verhalten der Beteiligten jedenfalls ziemlich obskur vor.

  • Das sehe ich anders.

    Die Betreuung beeinträchtigt nicht die -vorliegende- Geschäftsfähigkeit des Betroffenen. Ist er geschäftsfähig, kann er den Vertrag selbst schließen, ist er es nicht, dann eben nicht.

    Es geht hier also einzig und alleine um die Frage der Geschäftsfähigkeit. Insoweit ist es durchaus möglich, dass der Betroffene den Vertrag -ausgestattet mit einem zeitnahen ärztlichen Attest- selbst schließt. Das ist auch für betagte Beteiligte, die nicht unter Betreuung stehen, ein durchaus übliches Verfahren. Bei Betreuten erlangt dies insbesondere Bedeutung, wenn der Betreuer den Vertrag -bei beabsichtigten unentgeltlichen Verfügungen- nicht selbst schließen könnte.

    Die oft anzutreffende Schlussfolgerung "Betreuung = geschäftsunfähig" ist nicht zu akzeptieren. Es ist und bleibt eine Frage des Einzelfalls.

  • Die Heranziehung von § 14 BNotO ist nun wirklich ein Rückzugsgefecht.
    Was ist unredlich oder unerlaubt oder sogar strafrechtlich relevant, wenn ein Eigentümer sein Grundstück verkauft?

    Oder soll damit zum Ausdruck kommen, dass der Erwerber eine angebliche Schwäche des Veräußerers "gnadenlos" zu seinen Gunsten ausnutzt?

    Der dürre Sachverhalt gibt im übrigen für die Anwendung von § 14 BNotO nichts her.




  • Das sehe ich genauso. Und weil das so ist, weigere ich mich auch eine Genehmigung zu erteilen, wenn ich zu der Erkenntnis gelange, dass der Betroffene das selbst veranlassen kann.

  • Das halte ich für bedenklich.

    Auch wenn der Betroffene geschäftsfähig ist, kann man dem Betreuer nicht verwehren, dass er das (dann genehmigungspflichtige) Rechtsgeschäft als Vertreter für den Betroffenen vornimmt.



    Ich habe festgestellt, dass in vielen Köpfen hängt "Mein Betreuer macht das" oder "Das kann nur ich als Betreuer". Dabei wird übersehen, dass die Betreuung dazu da ist, Menschen in Bereichen zu unterstützen / helfen, in denen sie nicht mehr klar kommen. Und wenn ich bei einer Anhörung feststelle, dass der Betroffene sehr wohl weiß, um was es geht und es auch selbst (z.B. mit Unterstützung des Betreuers) durchführen kann, dann wirke ich auch darauf hin.

  • Dem stimme ich zu. Es hatte für mich ursprünglich so geklungen, als wenn Du die Genehmigung eines vom Betreuer bereits abgeschlossenen Vertrags ablehnen würdest, falls ihn der Betroffene hätte selbst schließen können. Gleichwohl glaube ich, dass man einen geschäftsfähigen Betroffenen im Ergebnis nicht "zwingen" kann, den Vertrag selbst zu schließen. Das Gesetz lässt beide Alternativen zu (Abschluss durch Betroffenen oder Betreuer) und demzufolge lässt es sich nicht beanstanden, wenn die Beteiligten eine dieser beiden zulässigen Alternativen wählen. Aber selbstverständlich ist nichts dagegen einzuwenden, wenn man diese Frage vor dem Abschluss des Vertrages gerichtlicherseits zur Überlegung stellt.

  • Ich stimme den Intensionen von Gänseblümchen, Cromwell und Grisu zu.

    Ohne das Verhalten eines der Beteiligten verurteilen zu wollen, ist der geschilderte Fall m. E. ein "schönes" Beispiel dafür, dass unserer Gesellschaft immer mehr der Mut abhanden kommt:

    - Für den Richter des Ausgangsfalls war es nach der gesetzlichen Lage wahrscheinlich einfacher eine Betreuung einzurichten, als eine solche begründet abzulehnen.

    - Für den Betreuer ist es einfacher sich zurückzulehnen, als das Genehmigungsverfahren durchzuführen.

    - Für den Notar ist einfacher einer Beurkundung abzulehnen, als zu akzeptieren, dass eine Betreuung nicht Entmündigung bedeutet.

    - Der Betreute verliert wahrscheinlich auch irgendwann den Mut, wenn ihm trotz der eindeutigen Gesetzeslage immer von allen anderen Beteiligten suggerriert wird, er sei entmündigt und ihm viel Steine in den Weg gelegt werden und e direkt oder indirekt daran gehindert wird, sein Recht auf Teilnahme am Rechtsverkehr auszuüben.

    Aber das scheint unsere schöne neue juritische Welt zu sein: Keiner will Verantwortung übernehmen und deligiert diese stattdessen auf einen vermeitlich besser geeigneten Dritten. Diese Entwicklung sehe ich nicht nur im Betreuungsrecht, sondern in vielen anderen, wenn nicht sogar in allen Bereichen. Aber das habe ich hier im Forum ja schon öfter beklagt, weshalb ich es hiermit gut sein lassen will.

    "Der Staat ist vom kühlen, aber zuverlässigen Wächter zur Amme geworden. Dafür erdrückt er die Gesellschaft mit seiner zärtlichen Zuwendung."

  • Das scheint mir alles sehr theoretisch. Ich stimme zu, dass Betreuungen wohl nicht selten zu schnell angeordnet werden. Wenn Betreuungen nicht erforderlich sind, sollten sie aufgehoben werden. Das ist hier aber offensichtlich nicht der Fall, sonst hätte der Betreuer die Aufhebung der Betreuung anregen müssen. Deshalb kommt mir das Verhalten des Betreuers und auch des Käufers merkwürdig vor. Ich würde es jedenfalls nicht riskieren, mit dem Betreuten persönlich einen Kaufvertrag abzuschließen und das Grundstück dann irgendwann wieder herausgeben zu müssen, wenn sich der Betreute, sein (neuer) Betreuer oder seine Erben auf die fehlende Geschäftsfähigkeit beim Vertragsschluss besinnen. Wenn der Käufer dieses Risiko eingehen will, wird das seine Gründe haben, und der Betreuer wird auch wissen, warum er sich standhaft weigert, den Kaufvertrag für den Betreuten abzuschließen. Vielleicht sind die Gründe jeweils durchaus ehrenwert. Ich habe aber jedes Verständnis, wenn sich der Notar darauf nicht verlassen will. Es ist regelmäßig leichter, von anderen Mut zu fordern,als ihn im entscheidenden Moment selbst zu haben. "Vom sichern Port lässt sichs gemächlich raten..."

  • Die Frage der Geschäftsfähigkeit wird hier von der Notarin m. E. völlig falsch angegangen. Es ist nicht Sache des Arztes, die Geschäftsfähigkeit festzustellen. Ärzte treffen Diagnosen und können etwas zu Krankheitsbildern und deren Auswirkungen auf den Verstand von sich geben. Die Geschäftsfähigkeit selbst ist ein juristischer Begriff. Es ist alleine Sache der Notarin, die Geschäftsfähigkeit für diesen speziellen Fall (Beurkundung) festzustellen. Sie kann sich dabei zwar auf ärztliche Aussagen, Diagnosen und sonstigen Indizien stützen, die Entscheidung muss sie aber für sich selbst treffen. Hat sie nicht das hinreichende Fachwissen, muss sie sich eben informieren.

    Eine Ablehnung der Beurkundung mit der Begründung "ich kann das nicht beurteilen" ist in meinen Augen falsch. Die Begründung kann nur lauten: "Der Betrofffene ist nicht geschäftsfähig, weil ..."

    Und an dieser Stelle kommen wir dann wieder zu dem altbekannten theoretischen Streit, ob bei der Geschäftsfähigkeit nach leicht und schwer verständlichen Angelegenheiten unterschieden werden darf, usw. usw.

  • #18 geht genau davon aus, vor dem ich warne. Die Betreuungseinrichtung ist von Gesetzes wegen nur eine Hilfestellung, aber offensichtlich unterstellen auch Fachleute unbewusst, dass es mit der Geschäftsfähigkeit hapert. Klar, auch der unerkannt Geschäftsunfähige ist geschäftsunfähig, aber dieses Risiko laufe ich doch jeden Tag bei Personen, die nicht unter Betreuung stehen oder unter einer Betreuung stehen, von der ich aber nichts weiß. Entsprechende Schilder werden - soweit ich weiß - noch nicht verteilt.
    Was das Argument des § 1901 Abs. 5 BGB angeht: diese Vorschrift wird oft genug ignoriert, zumindest wird ihr keine Bedeutung beibemessen. Wie oft finde ich in den Jahresberichten den Vermerk, dass der Betroffene seine finanziellen Dinge selber verwaltet hat (nebst beiliegender Bescheinigung des Betroffenen) und bei der Frage, ob die Betreuung beibehalten/eingeschränkt/aufgehoben werden soll, ist "beibehalten" angekreuzt?

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!