Erbschein und eidesstattliche Vers. § 2356 II S. 1 BGB

  • Hallo zusammen,

    ich habe da mal eine Frage. Das AG Lippstadt vertritt den Standpunkt, dass im Rahmen eines Erbscheinantrages der Verzicht auf Abgabe der e.V. nur im Einzelfall und nur dann möglich ist, wenn die Abgabe für den Antragsteller mit erheblichem Aufwand verbunden ist. Ich halte das für nicht richtig und bin der Meinung, dass es ausreichend ist, wenn dem Antrag ein einfacher Sachverhalt zu Grunde liegt. Würde gerne Eure Meinung hören und erfahren, wie dies bei anderen Gerichten gehandhabt wird. Ich meine " 2356 II BGB eröffnet problemlos die Möglichkeit des Verzichts ???:motz::motz:

    Einmal editiert, zuletzt von odagoba (29. November 2009 um 11:00) aus folgendem Grund: Korrektur

  • Die (geringe) Komplexität des Sachverhalts ist kein Kriterium. Negative Tatsachen (z.B. das Nichtvorhandensein von weiteren Erben oder letztwilligen Verfügungen) können nicht anders nachgewiesen werden. Der Verzicht auf die e.V. kommt nur im Einzelfall aus besonderen Gründen in Betracht. Siehe auch hier.

  • Hallo zusammen,

    ich habe da mal eine Frage. Das AG Lippstadt vertritt den Standpunkt, dass im Rahmen eines Erbscheinantrages der Verzicht auf Abgabe der e.V. nur im Einzelfall und nur dann möglich ist, wenn die Abgabe für den Antragsteller mit erheblichem Aufwand verbunden ist. Ich halte das für nicht richtig und bin der Meinung, dass es ausreichend ist, wenn dem Antrag ein einfacher Sachverhalt zu Grunde liegt. Würde gerne Eure Meinung hören und erfahren, wie dies bei anderen Gerichten gehandhabt wird. Ich meine " 2356 II BGB eröffnet problemlos die Möglichkeit des Verzichts ???:motz::motz:



    Der Nachweis der in § 2354 I Nr. 3-5 BGB erforderlichen Tatsachen kann m.E. nicht anders geführt werden als durch die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung.
    Eine Ausnahme würde ich allenfalls dann sehen, wenn nach vorhergehender Nachlasspflegschaft Erben entfernterer Ordnung ermittelt worden wären, die selber keinen Kontakt zum Erblasser hatten, also im Grunde nichts sinnvolles versichern könnten.

  • M.E. kann nur dann auf die EV verzichtet werden, wenn deren Abgabe für den Erben mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden wäre.

    Beispielsweise, wenn der (einzige) Erbe im Ausland wohnt und zur Beurkundung der EV beim nächsten deutschen Konsulat 100te von Kilometern reisen muss.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

  • Die Antragsteller versichern kein positives Wissen, sondern ein negatives Nichtwissen. Diese Versicherung kann jeder abgeben.

    Um mal die Formulierung mit dem Irrglauben aufzunehmen: Es ist aber nicht sinnvoll, wenn "jeder" die eidesstattliche Versicherung abgibt. Oder anders gewendet: Wozu soll der Vorstand eines großen Versandunternehmens eine eidesstattliche Versicherung abgeben, wenn er den Erbschein beantragt, um sein Geld für die auf Rechnung versandten Waren von den Erben zu holen? Es ist eine Ermessensentscheidung. Hier im Forum wird das vielfach platt ignoriert, indem klar gemacht wird, dass Ermessen von einigen Rechtspflegern nicht ausgeübt wird.

  • Hier im Forum wird das vielfach platt ignoriert, indem klar gemacht wird, dass Ermessen von einigen Rechtspflegern nicht ausgeübt wird.


    Wenn das wirklich so oft vorkommt, dann wird es Ihnen ja nicht schwer fallen können, bis heute Abend wenigstens zehn bis zwanzig Beispiele dafür zitieren zu können.
    Ich bin gespannt.

  • Wir können die Zeit bis heute Abend ja vielleicht mit Diskussionen in der Sache fortführen. Einzelfallbezogene Sachentscheidungen sind auch mir wichtig, auch wenn vor dem Gesetz alle gleich bleiben sollten.

    Weswegen verfügt ein Unternehmen mit tausenden von Mitarbeitern und etlichen Filialen deutschlandweit Ihrer Ansicht nach denn per se über schlechtere Kenntnisse der konkreten erbrechtlichen Verhältnisse als z. B. der kleine Tischler-Gläubiger von nebenan oder die entfernte Verwandte?
    Dass der Vorstand keine Ahnung hat, liegt ja in der Natur der Sache, aber der gesamte Laden? Da muss ich mir ja nachher noch Sorgen machen, wie so ein Unternehmen am Markt bestehen wird.

  • Ich gebe -man höre und staune- Papenmeier recht, soweit er meint, es sei relativ sinnfrei, dem Vorstand eines großen Gläubigerunternehmens eine eidesstattliche Versicherung im Erbscheinsverfahren abzuverlangen. Das bedeutet aber nicht, dass die Erbscheinserteilung völlig ohne eidesstattliche Versicherung erfolgen kann. Vielmehr lässt man in solchen Fällen pragmatischerweise die eidesstattliche Versicherung eines Bevollmächtigten genügen, die zwar nicht (da nicht gewillkürt möglich) als eV des Antragstellers, aber als ergänzendes Beweismittel im Sinne der eV eines Dritten angesehen werden kann.

  • Langer Rede kurzer Sinn: Die Anwälte der Antragsteller wollen ihrer Mandantschaft Gebühren ersparen und stehen daher jeder Verfahrensweise der Nachlassgerichte ablehnend gegenüber, die -in Beachtung des Gesetzes- solche Gebühren verursacht.

  • TL:

    Speziell Du müsstest auch wissen , dass bei den württembergischen ( wie auch den badischen ) Notariaten als Nachlassgericht regelmäßig vom "Erlassen" i.S. des § 2356 II S.2 BGB gebrauch gemacht wird.
    Die gesetzliche Ausnahmeregel wir hier quasi zum Normalfall gemacht.

  • TL:

    Speziell Du müsstest auch wissen , dass bei den württembergischen ( wie auch den badischen ) Notariaten als Nachlassgericht regelmäßig vom "Erlassen" i.S. des § 2356 II S.2 BGB gebrauch gemacht wird.
    Die gesetzliche Ausnahmeregel wir hier quasi zum Normalfall gemacht.



    Ja, das stimmt. Dennoch bleibt für mich der Verzicht auf die (beurkundete) EV eine Ermessensentscheidung des Gerichts.

    Zur Ausübung eines Ermessens gehört, dass man im konkreten Einzelfall eine Abwägung der Sachargumente vornimmt und dann mit Blick auf die Verhältnismäßigkeit entscheidet. Grundsätzliche Vorgehensweisen ("...wir verlangen immer die EV..." oder ..."wir verzichten immer auf die EV...") ohne Berücksichtigung des Einzelfalls sind keine Ermessensentscheidungen und schon von daher unrichtig.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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  • Das stimmt auch wieder.

    In Zeiten des FamFG müsste m.E. das Erlassen der eV mit entsprechender Begründung in den Beschluss nach § 352 FamFG - auch in "unserem Nachlassbereich" - aufgenommen werden.

    Zumindest das konnte ich in den ersten gesichteten Beschlüssen zu Erbscheinen erfreulicherweise :)feststellen.

  • Hier im Forum wird das vielfach platt ignoriert, indem klar gemacht wird, dass Ermessen von einigen Rechtspflegern nicht ausgeübt wird.


    Wenn das wirklich so oft vorkommt, dann wird es Ihnen ja nicht schwer fallen können, bis heute Abend wenigstens zehn bis zwanzig Beispiele dafür zitieren zu können.
    Ich bin gespannt.

    Nachfolgend ein paar Auszüge von der ersten Seite der Suchergebnisse. Mehr findest Du sicher selbst, wenn Du wirklich willst.


    11.11.2009, 18:32 #16
    Cromwell
    Club 2.000

    Beruf: Rechtspfleger
    Registriert seit: 06.05.2009
    Beiträge: 2.222

    Es hat keinen Sinn, immer wieder erneut auf diesem Thema herumzureiten. Nach der Rechtsprechung ist eben "fast nie" auf die eV zu verzichten und damit hat es sich. Da muss man nicht noch großartig eine Ermessensentscheidung darlegen, nur weil dem Antragsteller die Ablehnung des Verzichts nicht gefällt - was in der Natur der Dinge liegt.

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    10.11.2009, 08:52 #7
    sto
    Interessierter

    Beruf: Rechtspfleger
    Registriert seit: 12.12.2006
    Ort: Niedersachsen
    Beiträge: 83

    Ich habe auch noch nie auf die eV verzichtet und dabei auch schon Überraschungen erlebt.

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    09.11.2009, 08:03 #5
    nyana
    Interessierter

    Beruf: Rechtspflegerin
    Registriert seit: 28.07.2006
    Beiträge: 87

    Ich sehe auch keinen Grund auf die eV zu verzichten. Die angegebenen Verwandtschaftsverhältnisse können je noch anhand der vorgelegten Urkunden nachgewiesen werden, aber
    1. die Aussage, dass dem Antragsteller kein Testament bekannt ist und
    2. dass keine weiteren erbberechtigten Personen vorhanden sind
    kann aus meiner Sicht nur so abgesichert werden. Immerhin hab ich es schon zweimal erlebt, dass nach der Belehrung über die eV plötzlich noch Geschwister oder Halbgeschwister aus den Untiefen des "Vergessens" aufgetaucht sind.

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    09.11.2009, 07:17 #4
    Tyrael
    Gehört zum Inventar

    Benutzerbild von Tyrael

    Beruf: Rechtspfleger
    Registriert seit: 13.04.2006
    Beiträge: 728

    Ich habe noch nie, ich wiederhole niemals auf die eV verzichtet. Selbst wenn der Sachverhalt noch so eindeutig und einfach geschildert wird, wer sagt mir denn dass mir die Leute nicht ins Gesicht lügen. Ich halte das Verhalten dieser Notare aus #3 für nicht vertretbar. Der Grund liegt wohl eher daran, dass "einfache Sachverhalte" nur kleine Nachlasswerte beinhalten, so dass man sich schlicht die Zeit für die Belehrung sparen will. Das wollte der Gesetzgeber sicher nicht mit der Gewährung von Ermessen bezwecken.

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    23.01.2009, 09:47 #49
    hawkwind
    Club 1.000-Anwärter

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    @ Papenmeier
    Ich finde es in der Praxis eher bedauerlich, dass Anwälte oftmals überhaupt eine Begründung fordern. Eigentlich dürfte es sich von selbst verstehen, dass Tatsachen die man nicht urkundlich oder anders belegen kann nunmal ausschliesslich mittels e.V. glaubhaft gemacht werden können. Andernfalls ist ein Erbscheinsantrag z.B. nach gesetzlicher Erbfolge für mich unbegründet, wenn nicht an Eides statt versichert wird, dass nach bestem Wissen des Antragstellers kein Testament existiert und keine weiteren Personen (z.B. nichteheliche Kinder pp.) vorhanden sind, die die genannnten Erben von der Erbfolge ausschliessen oder ihren Erbteil mindern würden.
    Ein Erbscheinsantrag ohne e.V. ist genauso wertlos wie ein Antrag auf einstweilige Verfügung ohne Zeugenbenennung oder e.V. der Angaben (z.B. wann und wie sich die Vorfälle Bedrohung, Schläge etc.) ereignet haben.
    Den Antrag auf einstweilige Verfügung ohne e.V. täten die Richter bei uns auch abschmettern, soweit die Angaben nicht anders glaubhaft gemacht sind.
    Warum also eine Begründung für die Abgabe der e.V. ?
    Was ist daran so schwer zu verstehen ?

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    Alt 16.01.2009, 09:28 #24
    PuCo
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    Ich denke, ich bin hier von falschen Voraussetzungen ausgegangen. Ich hab es so aufgefasst, dass die alte Dame nicht mehr in der Lage ist, die e.V. abzugeben. Das ging aus dem dargestellten SV nicht eindeutig hervor.

    Solange jemand selbst in der Lage ist, die e.V. abzugeben, verlange ich das natürlich auch.

    Sollte aber jemand nicht mehr in der Lage sein, es gibt aber eine Vorsorgevollmacht in begl. Form, dann ist es ok für mich. Ich verlange dann keine Betreuung, nur um einen gesetzlichen Vertreter zu haben.

    Ich denke, da sind die meinungen dann regional doch nicht so unterschiedlich. Ich hab das Ausgangsfall nur etwas anders interpretiert.

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    14.01.2009, 15:53 #10
    Bunny
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    Wie schon dargelegt e.V. nur vom Erben/gesetzl. Vertr. möglich.
    Ich hatte gestern einen Antrag durch den Sohn für seine Mutter mit not. Vorsorgevollmacht nach seinem Vater (Ehemann der Mutter) . Mutter kann überhaupt keine e.V. mehr abgeben, da sie unter Demenz leidet.
    Er hat beantragt seiner Mutter die e.V. zu erlassen aus vorgenanntem Grund.
    Habe von ihm eine eidesstattliche Versicherung aufgenommen (sozusagen als dritte Person. Als Sohn dachte ich mir, kann er doch auch die Tatsachen bestäitigen. Bei einem fremden Bevollmächtigten käme das m.E. nicht in Frage.
    Bei uns wird auch grundsätzlich nicht auf die eidesstattliche Versicherung verzichtet. Jedoch soll deswegen ein Betreuungsverfahren eingeleitet werden. Der Betreuer kann dann auch nicht wirklich was anderes ausrichten.

    ---------------------------------------------------------------------------------

    Alt 14.01.2009, 10:56 #3
    PuCo
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    Ich verzichte grundsätzlich nicht auf die e. V.

    Hatte noch keinen Fall, wo ich das als angebracht erachtet hätte.

    @ Schutzengel: Wie siehst du das, wenn eine notariell beglaubigte Vorsorgevollmacht besteht und der Erbe selbst nicht mehr in der Lage ist, den ESA zu stellen und e. V. abzugeben? Dann ist der Bevollmächtigte kein gesetzlicher Vertreter im üblichen Sinne, aber irgendwie doch, weil der derjenige selbst nicht mehr handeln kann.
    Dann müsste nach deiner Meinung dafür eine Betreuung angeordnet werden? Das soll aber gerade durch siese Vorsorgevollmacht vermieden werden.

  • Die von die zitierten Fälle stützen Deine Behautung, dass das Ermessen nicht ausgeübt wird, nicht. Wenn jemand sagt, er habe noch nie auf die e.V. verzichtet, besagt das nur, dass er oder sie einen Fall, in dem ein Abweichen vom gesetzlichen Regelfall gerechtfertigt gewesen wäre, bisher nicht erlebt hat.

    Es muss im Einzelfall einen guten Grund für den Verzicht geben, nicht umgekehrt.

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