Vorrang im Grundstücksüberlassungsvertrag

  • Da ich im Betreuungsrecht leider noch blutige Anfängerin bin, und bei meinem AG auch Einzelkämpferin bin (meine Vorgängerin ist derzeit nicht im Dienst) und die anderen Rechtspfleger haben auch nicht wesentlich mehr Ahnung als ich, spreche ich diesem Forum ersteinmal ein dickes Lob aus. :applaus:

    Vielleicht kann mir jemand bei folgendem Fall helfen.

    Meine Betroffene wohnt im Pflegeheim, ist 38 Jahre alt und hat zusammen mit Ihrem getrennt lebenden Ehemann ein Grundstück. Der Verkehrswert wird nach einem Verkehrswertgutachten des Gutachterausschusses auf 93.500,00 € beziffert. Das Grundstück ist dinglich belastet mit 98.000,00 €. Die Betroffene wird durch den Betreuungsverein betreut. Der Ehemann der Betroffenen möchte ihren hälftigen Grundstücksanteil übernehmen. Der Ehemann übernimmt als Gegenleistung die eingetragenen Grundpfandrechte in dinglicher Haftung allein. Derzeit stehen noch 76.400,00 € offen.
    Die Eheleute haben einen gemeinsamen Sohn. Der Sohn ist 12 Jahre alt und wohnt bei dem Ehemann, seinem Vater. Die Betroffene ist ihrem Sohn gegenüber ebenfalls zum Unterhalt verpflichtet. Dieser Unterhaltsverpflichtung kann die Betroffene nicht nachkommen, da dieser derzeit Sozialhilfe auf Darlehnsbasis gewährt wird. Im Grundstücksüberlassungsvertrag ist ebenfalls vereinbart, dass die Betroffene von den Unterhaltsverpflichtungen im Innenverhältnis für die Dauer der Unterhaltsverpflichtung gegenüber ihrem Sohn freigestellt wird. Ebenso verzichtet der Ehemann auf die Geltendmachung jeglicher Rückforderungsansprüche für den Zeitraum 2002-2005, da er in dieser Zeit sämtliche Belastungen allein getragen hat.

    So und nun zum eigentlichen Problem: Der Landeswohlfahrtsverband verlangt von der Betroffenen die Eintragung einer Sicherungshypothek an dem vorgenannten Grundstück i.H.v. 5.000,00 € bis 31.08.2005. Mit der vorgeschlagenen Vorgehensweise (Überlassung des hälftigen Anteils an den Ehemann) ist der Landeswohlfahrtsverband natürlich nicht einverstanden, da die Betroffene somit vollständig mittellos wird und künftig sämtliche Kosten der Betroffenen aus der Landeskasse zu erstatten wären.
    Andererseits wendet der Rechtsanwalt des Ehemannes ein, dass seine Frau sämtliche Vermögenswerte einzusetzen hat, um ihre Unterhaltspflicht gegenüber dem gemeinsamen Sohn zu erfüllen.

    Welche Interessen sind denn nun vorrangig zu berücksichtigen?

  • Auf jeden Fall ist für das Vormundschaftsgericht das Wohl der Betreuten vorrangig. Es scheint mir auf jeden Fall wichtiger, Forderungen gegen die Betreute abzuwenden, sofern dies möglich ist, als dem Wohlfahrtsverband eine dingliche Sicherung zu bieten. Außerdem ( ich hoffe, ich habs nicht falsch verstanden ), wenn das Grundstück übertragen ist und der Vertragspartner die dingliche Haftung übernimmt, wäre er denn dann auch damit einverstanden, wenn sich das auf das neu einzutragende Recht erstreckt? Ggf. wäre dann eine Übertragung auch im Sinne des Verbandes...

    Die Kunst des Lebens besteht mehr im Ringen als im Tanzen. ( Marc Aurel )

  • Kai

    Der Landeswohlfahrtsverband hat ihr auf Darlehensbasis Sozialhilfe gewährt. Und einen entsprechenden Bescheid darüber erlassen. Ich kann schon verstehen, dass auch diese zum Wohle der Allgemeinheit ihre Interessen absichern wollen.

    markus
    Ich denke schon, dass der Ehemann gerade diese Konstellation umgehen möchte, da er ja bei dinglicher Haftungsübernahme somit vollständig in der Haftung gegenüber dem Verband wäre. Ansonsten könnte ja der Landeswohlfahrtsverband die Zwangsversteigerung beantragen, wenn auch nur aus einer schlechten Rangstelle, aber erklär das mal einem Laien.

  • Die Zwangsversteigerung würde man aber in jedem Fall riskieren, egal, ob die Übertragung stattfindet oder nicht. Da hier auch auf die rechtliche Stellung der Betreuten abzuzielen ist, würde ich deren Interessen den Vorrang geben, da sie ja ( immerhin als Mittellose ) aus der Haftung befreit werden würde.

    Die dingliche Bestellung der Sicherungshypothek ist ja ebenso genehmigungspflichtig. Wäre es denkbar, diese Genehmigung nur unter einer Auflage zu erteilen, falls die Übertragung nicht durchgeführt wird?

    Die Kunst des Lebens besteht mehr im Ringen als im Tanzen. ( Marc Aurel )

  • markus

    Ich habe vorhin mit dem Anwalt der Betroffenen telefoniert und der meinte, da dass die Forderungen vom Landeswohlfahrtverband gegenüber der Betroffenen noch nicht tituliert sind. Ich könnte also ohne Rücksicht darauf die vgG zum Vertrag erteilen. Die Betroffene entledigt sich damit ihrer Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Bank, gegenüber ihrem Kind und gegenüber etwaigen Rückgewährsansprüchen ihres Ehemannes. Mit der Genehmigung würde ich die Betroffene quasi vermögenslos stellen und lediglich irgendwann einmal die Abgabe der eV riskieren. Hinzu käme, dass sich die Betroffene nicht noch weiter verschuldet und das Verfahren damit abgeschlossen wäre. Im Falle der nichtgenehmigung riskiere ich neben der Zwangsversteigerung natürlich auch noch ein Insolvenzverfahren für die Betroffene. Bin nun sehr dazu geneigt, die Betroffene vermögenslos zu stellen und die vgG zu erteilen.

  • Die Lösung erscheint nach Deinem Sachvortrag vernünftig.

    Da auch eine Grundschuld für den Sozialhilfeträger der vG bedürfen würde, ist die generelle Frage interessant, inwieweit das VG eine Sicherung für den Sozialhilfeträger ablehnen und das Vermögen des Betreuten zusammenhalten darf?

  • Zitat von Kai



    Da auch eine Grundschuld für den Sozialhilfeträger der vG bedürfen würde, ist die generelle Frage interessant, inwieweit das VG eine Sicherung für den Sozialhilfeträger ablehnen und das Vermögen des Betreuten zusammenhalten darf?



    Da fällt mir das wunderschöne Wort Einzelfallentscheidung ein. Kommt meiner Meinung nach immer darauf an, ob man mit der Entscheidung wirklich das Vermögen zusammenhält ( im vorliegenden Fall liegen ja Unterhaltsansprüche vor, die auch irgendwann zu Zwangsvollstreckungsmaßnahmen führen können ). Der Sicherung würde ich zustimmen, wenn keine anderen Parteien vorhanden sind, die in irgendeiner Form Ansprüche gegen den Betroffenen geltend machen könnten.

    Die Kunst des Lebens besteht mehr im Ringen als im Tanzen. ( Marc Aurel )

  • ich werde dann heute mal ganz mutig sein und die vgG zum Überlassungsvertrag erteilen, auch wenn meine Betroffene damit vermögenslos wird. Bin dann ab Freitag erstmal für die nächsten Wochen im Urlaub. Wie sagt man so schön, "Nach mir die Sinnflut"?

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