Rechtspflegeranwärter in der Praxis

  • Vllt. kann dir der andere Anwärter trotzdem etwas helfen?
    Von dem Gedanken, dass man das Händchen geführt bekommt, muss man sich schon verabschieden. Hat bei uns auch keiner gemacht, und obwohl ich auch direkt von der Schule kam, hatte ich bald verstanden, wie der Hase läuft und was wichtig ist. Am Anfang geht das natürlich nicht ohne Fehler.
    Trotzdem muss dein Überforderungsgefühl wahrgenommen und nach Möglichkeit auch abgebaut werden. Vllt. kannst du mit deinem Ausbilder vereinbaren, dass du immer nur wenige Akten auf einmal machst (1-3) und die dann direkt besprochen werden. Oder, dass du erst mal nur Akten eines Typus bearbeitest (sollte Anfangs eh so sein). Da käme es jetzt auf die Abteilung an, z.B. Betreuung: nur Betreuervergütung, Zivil: nur KfBs ohne Ausgleichung, Grundbuch: nur Löschungen, etc.
    Oder fehlt dir das grundsätzliche Verständnis für die Abläufe? Da helfen vllt. Musterakten, oder ein Tag auf der Serviceeinheit.

  • Also wir waren damals zu zweit an unserem Ausbildungsgericht. Unsere erste Abteilung war Grundbuch, da gab es für Solum eine gesonderte EDV-Schulung. Unser Ausbilder hat uns zu Beginn nen Stapel Grundschulden rausgesucht, an einem Beispiel erklärt, was in den Urkunden zu prüfen ist und was uns nicht zu interessieren braucht und hat uns dann die Fälle selbst in unserem Anwärterzimmer bearbeiten lassen. Wir haben die Fälle dann auf "ergänzen" gestellt und mit ihm unsere Vormontage besprochen. Bei den ersten Akten hatte er das Ganze vorher auch schon einmal bearbeitet, gedruckt und die Bausteine dann ohne Freigabe wieder gelöscht. Später hat er dann die fertigen Stapel von uns bekommen (dann auch irgendwann bunt gemischt, klar) und nur noch geprüft. Wenn nichts zu beanstanden war, wurde auch nicht weiter darüber gesprochen. Bei Fragen konnten wir uns immer an ihn wenden und bei Fehlern hat er uns Bescheid gegeben. Mein Anwärterkollege und ich haben die Akten zu Beginn gemeinsam bearbeitet, später dann jeder eigenständig, aber immer mit der Fragemöglichkeit an den anderen :) Das hat bei uns sehr gut funktioniert, da wir uns auch mit unseren Stärken sehr gut ergänzt haben.

    In anderen Abteilungen waren wir oft während der Sprechzeit bei den Ausbilderinnen und haben so auch das Publikum und die Telefonate mitbekommen und zwischendurch Akten besprochen oder Problemfälle angeschaut. Die Nachmittage haben wir mit Aktenbearbeitung verbracht.

    Ich denke schon, dass wir den Ausbilderinnen und Ausbildern auch Arbeit abgenommen haben. Natürlich mussten sie sich die Akten auch noch einmal anschauen, aber eben oftmals nur lesen und unterschreiben. Unsere Ausbilder haben die Anwärterausbildung, soweit wir das mitbekommen und kommuniziert bekommen haben, nicht als Belastung, sondern als Bereicherung gesehen. Nicht immer war unsere Lösung die, die sie auch gewählt hätten oder die Schwerpunkte wurden unterschiedlich gesetzt, aber das erweitert ja auch den Horizont. Auf beiden Seiten.

  • @Krümelmonster:
    Klar ist es auch so wie st679 schreibt, eigentlich seid Ihr im Studium und müsste Euch das selbst erarbeiten. Eine Urkunde oder einen Antrag prüfen solltest Du schon können.
    Aber selbst Verfügungen ohne Vordruck schreiben (das mussten meine Anwärter immer erstmal machen, bevor sie die Vordrucke bekamen:teufel:) ist schon schwierig, wenn man nicht weiß, was mit der Akte passiert. Habe ich heute noch manchmal, dass die SE kommt und etwas fehlt (Kollegin X muss die Akte doch noch kriegen wegen der Statistik - ach so? Nicht dran gedacht)

    Wie andere schon geschrieben haben, mach Dir Gedanken und Notizen, damit man sieht, dass Du nicht untätig warst. Und dass es schwer ist, eine universell anwendbare Vorgabe zu machen, stimmt auch - jeder Fall ist anders. Aber deshalb müssten die Aufgaben auch vorsortiert werden und nicht alles durcheinander, vor allem, am Anfang nur 08/15 Fälle - übertrieben gesagt Erbschein für Ehegatten und Kinder und nicht mit ausländischem Recht anfangen. Die Ausnahmefälle kommen dann nach und nach.
    Am allerbesten wäre es, wenn Deine Ausbilderin Dich mal ein, zwei Tage nur laufende oder fertige Akten durchblättern lässt. Macht ihr keine Arbeit und Du könntest Dir einen Überblick verschaffen und Notizen machen - dann siehst Du genau den Lauf der Akte, z. B. in Betreuung von der Anregung, dem Gutachten, der Bestellung, der Verpflichtung, dann kommt irgendwann der erste Jahresbericht, dann irgendwann der zweite... und dann ist auch mal ein Fall mit einem Grundstückskaufvertrag dabei etc.
    Da geht Dir vielleicht ein Licht auf.

    Ansonsten: Kopf hoch, vielleicht hat der nächste Ausbilder mehr Zeit oder kann Dein Problem besser verstehen.

    Natürlich wäre auch Dein Anwärterkollege hilfreich - vielleicht kann er Dir einen Stups in die richtige Richtung geben und dann weißt Du auch, was zu machen ist - und kannst es plötzlich selbst.

    Wir taumeln durch die Straßen, so als wären wir jung und schön.

  • Ich bin -auch als Ausbildungsleiter - weis Gott kein Händchenführer.

    Aber die Einstellung der Ausbilder von Krümel für die erste Station halte ich doch für nicht ausreichend.
    Da geht's wirklich noch um Grundlagen wie Aktenaufbau, Verfügungen erstellen etc.
    Klingt mir eher danach, den Anwärter so oft/lang wie möglich von sich fern zu halten.

  • Wenn die Anwärter zuerst zu mir kommen, nehme ich mir die Zeit, ihnen den Aufbau des Gerichts zu erklären (Richter, Rechtspfleger, Serviceeinheit), zeige ihnen meine Geschäftsstelle und den Keller und ggf. auch unsere Sitzungssäle.
    Dann mache ich sie mit dem Computer vertraut, also unsere verschiedenen Laufwerke, Fachprogramme und sage ihnen, wo sie Hilfe bekommen können (in NRW: Bit und Newsletter, Foren etc.).

    Zur Ausbildung in der Abteilung gehört immer, dass ich ihnen den Aufbau der Akten, Aktenzeichen erkläre. Außerdem gebe ich einen Überblick über ein "normales" Verfahren.
    Für den ersten Tag suche ich dann immer einige Akten heraus, die ein typisches Verfahren abbilden und gebe sie den Anwärtern zu lesen.

    Ab dem zweiten Tag bekommen sie dann Akten. Im Vorfeld bespreche ich die Akten und gebe Tipps, in welche Richtung die Aktenbearbeitung gehen soll.
    Anschließend werden die Akten besprochen.

    Ich hoffe immer, dass die Anwärter Fragen haben, aber meistens bin ich der Alleinunterhalter und weiß nicht, ob ich zuviel erzähle oder ob die Anwärter das tatsächlich nicht wissen.


  • Ich hoffe immer, dass die Anwärter Fragen haben, aber meistens bin ich der Alleinunterhalter und weiß nicht, ob ich zuviel erzähle oder ob die Anwärter das tatsächlich nicht wissen.

    Da brauchste kein schlechtes Gewissen haben.
    Ich sage den Anwärtern gleich am Anfang , dass die dümmsten Fragen die nicht gestellten sind.
    Meist kommt dann doch irgendwas an Fragen vor bzw. ich bin so einer , der selbst zurückfragt.;)

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