Veruntreuung und Betrug ?

  • Servus und Grüß Gott! -

    folgendes Problem stellt sich mir:

    Ein Berufsbetreuer, Herr RA Y betreut eine ältere Dame X. Anfang Januar hebt das zuständige Vormundschaftsgericht die Betreuung auf. Mitte Januar erhält RA Y Kenntnis von dem Beschluss des AG.

    Parallel ergeht an die Dame X noch eine Gebührennote von Y in Höhe von knapp 400 EUR für die Betreuung. Weiter passiert erstmal nichts. Es folgen diverse Mahnungen. Ende Februar erwirkt der RA einen Beschluss des AG, dass der RA sich die 400 EUR "aus dem Vermögen der Betreuten entnehmen darf". Mit diesem und dem Sparbuch der X geht der Y zur Bank und hebt genau diesen Betrag ab. Das Sparbuch gibt er später der Betreuten zurück.

    Zwischenzeitlich stellt die Betreute Strafantrag gegen ihren Betreuer zuerst wegen Unterschlagung, später wegen Betruges?

    Was meint ihr?

    Ich denke Betrug kommt nicht in Betracht, weil doch ein fälliger einredefreier Anspruch bestand? Unterschlagung scheitert imho am fehlenden Enteigungswillen des RA.

    ABER! - Hätte der RA nicht sofort nach Bekanntwerden des Beschlusses über Betreuungsaufhebung das Sparbuch zurückgeben müssen und dann mit dem zweiten Beschluss des AG normal vollstrecken müssen? Ist das nicht eine Plichtverletzung und was wären die einschlägigen §§ aus dem Betreuungsgesetzen?

    :gruebel:

    Oder hat sich der RA doch strafbar gemacht?

    Danke im Voraus!

  • Das Sparbuch und auch alle anderen Unterlagen sind nach Beendigung der Betreuung und nach Fertigung der Schlussrechnungslegung an die ehem. Betreute herauszugeben.

    :eek: M. E. hätte das Betreuungsgericht nur die Vergütung festsetzen können. Da die Betreuung keinen Bestand mehr hatte, konnte der Betreuer den Betrag nicht dem Sparbuch entnehmen. Der ehem. Betreuer hätte eine vollstreckbare Ausfertigung des Vergütungsfestsetzungsbeschlusses beantragen und damit gegen die ehem. Betreute vollstrecken können.

    Ich mache keine Fehler ... ich erschaffe kleine Katastrophen.

  • Das Verfahren sollte eigentlich so ablaufen:

    • Vergütungsantrag
    • Anhörung der ehemaligen) Betroffenen
    • Vergütungsbeschluss
    • sofern keine freiwillige Zahlung erfolgt Durchsetzung mit vollstreckbarer Ausfertigung des Vergütungsbeschlusses.

    Dass der ehemalige Betreuer der ehemaligen Betroffenen eine Gebührennote schickt, mag der Entlastung des Gerichts dienen, ist aber IMHO nicht richtig.
    Auf jeden Fall falsch ist, dass das Gericht die Entnahme aus dem Vermögen genehmigt.

    Dass Unterlagen nicht sofort nach Bekanntgabe des Aufhebungsbeschlusses zurückgegeben werden, liegt in der Natur der Sache. Der ehemalige Betreuer hat zunächst einmal die Schlussrechnung zu legen, hier wird er auf diese Unterlagen zurückgreifen (müssen). Das sollte aber zeitnah erfolgen.

  • Der ehemalige Betreuer hat zunächst einmal die Schlussrechnung zu legen, hier wird er auf diese Unterlagen zurückgreifen (müssen). Das sollte aber zeitnah erfolgen.

    sind die Fristen dafür irgendwo geregelt (Gesetz oder Verordnungen) oder ist das Ermessensfrage?

  • Der ehem. Betreuer hätte eine vollstreckbare Ausfertigung des Vergütungsfestsetzungsbeschlusses beantragen und damit gegen die ehem. Betreute vollstrecken können.

    Also doch schon strafbar oder nur eine (grobe) Pflichtverletzung?

  • Ende Februar erwirkt der RA einen Beschluss des AG, dass der RA sich die 400 EUR "aus dem Vermögen der Betreuten entnehmen darf".


    Das kann ich nicht nachvollziehen. Wieso erteilt das Betreuungsgericht nach Aufhebung der Betreuung noch einen Freigabebeschluss? Das ist nicht zulässig.
    Einen Betrug des ehemaligen Betreuers sehe ich hier ehrlich gesagt nicht, auch wenn das alles bissel falsch gelaufen ist. Gut, der Betreuer hätte auch wissen müssen, dass er nach Aufhebung der Betreuung nicht mehr verfügen darf - vorallem musste das aber das Betreuungsgericht wissen.

  • Ende Februar erwirkt der RA einen Beschluss des AG, dass der RA sich die 400 EUR "aus dem Vermögen der Betreuten entnehmen darf".


    Das kann ich nicht nachvollziehen. Wieso erteilt das Betreuungsgericht nach Aufhebung der Betreuung noch einen Freigabebeschluss? Das ist nicht zulässig.

    Das habe ich mich auch gefragt, zumal der Vergütungsantrag zur Stellungnahme an die Betreute hier noch nach der Betreuungsaufhebung übersandt wurde...:eek:

  • Die Frage ist, ob der ehemalige Betreuer ein Zurückbehaltungsrecht hat und dies auch geltend gemacht hat. Hier gibt es m.W. unterschiedliche Rechtsprechung in beide Richtungen.

    Verneint man dieses Zurückbehaltungsrecht, dürfte man auch gleich bei der Strafbarkeit sein, nicht nur bei der Pflichtverletzung. Die Betreuung war beendet, eine Verfügungsmacht lag nicht mehr vor.


  • Das habe ich mich auch gefragt, zumal der Vergütungsantrag zur Stellungnahme an die Betreute hier noch nach der Betreuungsaufhebung übersandt wurde...:eek:


    Das ist soweit durchaus nicht ungewöhnlich. Nur die Genehmigung der Entnahme hätte nicht in dem Beschluss stehen dürfen. Ich vermute mal, dass der Kollege einfach vergessen hat, diesen Passus aus dem Beschluss zu löschen.
    Die Sache ist sicher nicht ganz sauber abgelaufen, eine Straftat kann ich aber nicht erkennen. Insbesondere hat ja inzwischen (wenn auch verspätet) jeder, was ihm zusteht (die ehemalige Betreute ihr Sparbuch, der Betreuer seine Vergütung).

  • Die Sache ist sicher nicht ganz sauber abgelaufen, eine Straftat kann ich aber nicht erkennen. Insbesondere hat ja inzwischen (wenn auch verspätet) jeder, was ihm zusteht (die ehemalige Betreute ihr Sparbuch, der Betreuer seine Vergütung).



    Da die ehemals Betreute die Strafanzeige ja selbst gestellt hat, bin ich gespannt, was dabei rauskommt.
    Der Betreuer wußte als Berufsbetreuer, dass er nicht mehr verfügen darf. Und vor der Bank ist er wissentlich falsch als Betreuer aufgetreten, hat denen also falsche Tatsachen vorgespiegelt. M. E. klingt das schon strafbar (aber nach welchem Straftatbestand weiß ich auch nicht)
    Ggfs. kann man dem RA aber einen Vertrauensschutz zugute halten durch den Freigabebeschluss - wenn das Betreuungsgericht schon nicht weiß, dass der RA nicht mehr handeln darf, darf man das dann vom RA verlangen?

    Wir taumeln durch die Straßen, so als wären wir jung und schön.

  • Sowohl Untreue als auch Betrug setzen einen Vermögensschaden voraus, von dem bisher nicht die Rede war.

    Zum Schaden würde man ja hier eventuell über die pure Vermögensgefährdung kommen, die ja in beiden Fällen als ausreichend angesehen wird.

  • Die Vorlage des Beschlusses mit der Genehmigung, eine Verfügung über das Vermögen treffen zu können, genügt der Bank i.d.R. Ob der Kollege sich als Betreuer legitimierte ist unklar, denn die Verpflichtung zur Anzeige des Betreuungsendes liegt beim ehedem Betreuten (wäre ja sonst auch unlogisch, da Rechtsgeschäft). Die Bank prüft auch nur diese Genehmigung, d.h. die Genehmigung der Verfügung über das Vermögen (Wortlaut).

    Nun war der Kollege RA, aber als "juristisch unerfahrene Person" würde ich die Genehmigung einer Verfügung über das Vermögen schon als rechtswirksam betrachten, da (Forderungshöhe korrekt etc) von meiner Seite keine Zweifel bestehen - ähnlich einem Pfändungsbeschluss - und wenn keine Beschwerde gegen den Beschluss vorlag und die rechtswirksame Ausfertigung nach dem Anhörungsprocedere zugeht - warum sollte ich zweifeln? Das FamFG sorgt doch bereits dafür, daß der Betreute (in Vergütungsangelegenheiten) rechtliches Gehör erhält!?

  • Zitat von Heskey

    Zum Schaden würde man ja hier eventuell über die pure Vermögensgefährdung kommen, die ja in beiden Fällen als ausreichend angesehen wird.



    Nur eine schadensgleiche Vermögensgefährdung reicht nach Ansicht der RSpr. aus. Es ist aber zunächst zu differenzieren:

    Bezüglich der Abhebung des Geldes kommt ein Betrug oder eine Untreue in Frage. Untreue setzt einen Treuebruch voraus, der nach Aufhebung der Betreuung nicht mehr vorliegt. Betrug scheitert an der Vermögensschädigung, da ein fälliger, einredefreier Anspruch auf Geldzahlung vorlag sowie ferner an der Identität zwischen Verfügenden und Geschädigtem.

    Bezüglich der Nichtherausgabe des Sparbuchs kommt ein Betrug oder eine Unterschlagung in Frage. Der Betrug scheitert i.d.R. an einer Täuschung. Die Unterschlagung setzt neben der vorübergehenden Aneignung eine dauernde Enteignung voraus. Das Sparbuch selbst wurde nicht dauerhaft enteignet. Mit einer Enteignung eines dem Sparbuch spezifisch innewohnenden Sachwertes habe ich aufgrund der Formulierung des Beschlusses ein Problem. Die Enteignung des lucrum ex re wird mit der Möglichkeit der befreienden Leistung aufgrund Vorlage der Sache begründet. Hier wurde aber nicht allein aufgrund der Vorlage der Sache (d.h. ex re), sondern aufgrund der Vorlage des Sparbuchs und eines ermächtigenden Beschlusses (d.h. ex negotio cum re) geleistet, wenn man von einem Sparbuch mit Sperrvermerk ausgeht.

    Einmal editiert, zuletzt von Alfred (25. August 2010 um 19:38) aus folgendem Grund: Zital dem "Schuldigen" zugeordnet

  • Hallo, bei uns hat eine Berufsbetreuung das Vermögen einiger Betreuten veruntreut. Sie wurde in allen bei uns laufenden Verfahren entlassen.

    Die von ihr eingereichten Schlussrechnungslegungen sind zum Teil nicht vollständig. Für die Vervollständigung der Rechnungslegung bräuchte sie die eingereichten Unterlagen (Sparbücher, Kontoauszüge, Belege) zurück. Die Unterlagen wollen wir ihr aber nicht mehr aushändigen. Deshalb habe ich sie gebeten, die Rlgg. auf der Geschäftsstelle zu ergänzen. Dies tut sie aber nicht.
    Weiterhin gibt sie wenige bis keine Auskünfte bzgl. Rückfragen zu den eingereichten Rechnungslegungen.
    Zudem hat sie in den meisten Verfahren von den Betreuten unterschriebene Selbstverwaltungserklärungen vorgelegt. Diese könnten aber auch gefälscht sein.

    Ich bin mir jetzt unsicher was ich alles von ihr verlangen darf/muss. Sie ist schließlich Angeklagte. Die Staatsanwaltschaft hatte bereits alle Akten angefordert, welche eine Ermittlungsgruppe der Polizei durchgesehen hat. Mittlerweile habe ich fast alle Akten zurück.
    Die Betreuerin hat ja ein Aussageverweigerungsrecht.
    Muss sie trotzdem bei mir Angaben machen (z.Bsp warum Konten nicht angegeben wurden oder warum bestimmte Rechnungen bar bezahlt wurden)?
    Würdet ihr die Betreuten, die Selbstverwaltungserklärungen unterschrieben haben, nochmal anhören?

    Sollte ich ein Zwangsgeld festsetzen, wenn sie die Rechnungslegung nicht auf der Geschäftsstelle vervollständigt?

    Muss ich darauf achten, dass alle neuen Betreuer, die Verf. mit Fehlverhalten übernommen haben, bereits jetzt zivilrechtl. gegen die ehem. Betreuerin vorgehen?

    Bin für eure Meinungen sehr dankbar!


  • Ich bin mir jetzt unsicher was ich alles von ihr verlangen darf/muss. Sie ist schließlich Angeklagte. Die Staatsanwaltschaft hatte bereits alle Akten angefordert, welche eine Ermittlungsgruppe der Polizei durchgesehen hat. Mittlerweile habe ich fast alle Akten zurück.
    Die Betreuerin hat ja ein Aussageverweigerungsrecht.

    In dem Strafverfahren, ja. In dem Betreuungsverfahren hat sie die Pflichten, die sie als ehemalige Betreuerin gegenüber dem Betreuungsgericht hat - insbesondere: Einreichung einer Schlussrechnung, §§ 1908 i I 1, 1892 BGB.
    Dabei darf das Betreuungsgericht nur darauf hinwirken (z.B. durch Zwangsgeld), dass eine ordnungsgemäße Rechnungslegung eingereicht wird. Wenn diese rechnerisch oder sachlich unrichtig ist, ist das im Prüfvermerk niederzulegen. Es ist nicht mit Zwangsgeld durchsetzbar, eine sachlich und rechnerisch richtige Schlussrechnung eingereicht zu kriegen - nur eine formell richtige.
    Alles Weitere muss dann der neue Betreuer regeln, dem der Prüfvermerk auch bekanntzumachen ist.

    Zitat


    Muss sie trotzdem bei mir Angaben machen (z.Bsp warum Konten nicht angegeben wurden oder warum bestimmte Rechnungen bar bezahlt wurden)?

    Kommt auf die Angaben an, s.o.
    Ich denke, dass eine einmalige Nachfrage zur Sachverhaltsaufklärung definitiv legitim ist - aber wenn keine Antwort kommt, bringen auch ewige Erinnerungen nichts, zumal man diese Auskünfte nicht erzwingen kann (s.o.).

    Zitat

    Würdet ihr die Betreuten, die Selbstverwaltungserklärungen unterschrieben haben, nochmal anhören?

    Kommt drauf an. Habe ich erhebliche Zweifel an der Selbstverwaltungserklärung (insbesondere, wenn gutachterlich die Geschäftsunfähigkeit festgestellt wurde z.B.), dann ja. Zusätzlich könnte man den neuen Betreuer um Auskunft bitten.

    Zitat

    Sollte ich ein Zwangsgeld festsetzen, wenn sie die Rechnungslegung nicht auf der Geschäftsstelle vervollständigt?

    Du hast einen Anspruch darauf, *dass* eine vollständige Rechnungslegung eingereicht wird. Ob es rechtmäßig ist, dass ihr Unterlagen zurückhaltet, lass ich mal dahingestellt (ihr seid das Betreuungsgericht, nicht das Strafgericht). Ich wage zu bezweifeln, dass ihr diese Vervollständigung der Rechnungslegung auf der Geschäftsstelle erzwingen könnt.

    Zitat

    Muss ich darauf achten, dass alle neuen Betreuer, die Verf. mit Fehlverhalten übernommen haben, bereits jetzt zivilrechtl. gegen die ehem. Betreuerin vorgehen?

    Ich würde darauf hinweisen. Letzten Endes muss es der Betreuer in eigener Verantwortung (und mit eigenem Haftungsrisiko) entscheiden, ob und inwieweit er gegen die bisherige Betreuerin vorgeht. Einen Rat kann man da erteilen, von einer Weisung würde ich (nach Einzelfallprüfung) eher Abstand nehmen.

    Wer "A" sagt, muss nicht auch "B" sagen. Er kann auch feststellen, dass "A" falsch war oder es auch noch "C" gibt.

    Wir Zauberer wissen über sowas Bescheid!

  • Wenn ihr die Originalunterlagen nicht mehr aus der Hand geben wollt (was ich durchaus verstehen kann), warum übersendet ihr der ehemaligen Betreuerin dann keine Kopien?

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Wenn ihr die Originalunterlagen nicht mehr aus der Hand geben wollt (was ich durchaus verstehen kann), warum übersendet ihr der ehemaligen Betreuerin dann keine Kopien?

    Naheliegend

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