Rechtsprechungshinweise Strafrecht und Strafvollstreckung

  • Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 28.07.2014 - 1 BvR 482/13
    Auch überspitzte Kritik fällt grundsätzlich in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit. Dies hat die 3. Kammer des Ersten Senats des
    Bundesverfassungsgerichts entschieden und die verfassungsrechtlichen Maßstäbe zur sogenannten Schmähkritik bekräftigt. Selbst eine überzogene
    oder ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Vielmehr muss hinzutreten, dass bei der Äußerung nicht
    mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Herabsetzung einer Person im Vordergrund steht. Nur dann kann ausnahmsweise auf eine
    Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls verzichtet werden. (Fundstelle: Bundesverfassungsgericht - Pressestelle -Pressemitteilung Nr. 86/2014 vom 2. Oktober 2014)

    Einmal editiert, zuletzt von ZVR (3. Oktober 2014 um 12:08) aus folgendem Grund: Fundstelle eingefügt

  • [h=2]Revisionshauptverhandlung in Strafsachen darf nicht ohne Verteidiger stattfinden[/h]In allen Hauptverhandlungen vor dem Revisionsgericht, wenn der Wahlverteidiger des Angeklagten nicht erscheint oder dies ankündigt, ist er zum Pflichtverteidiger zu bestellen.
    In Hauptverhandlungen vor den Strafsenaten des Bundesgerichtshofs über Revisionen von Angeklagten, Staatsanwaltschaften oder Nebenklägern ist es bisher üblich, auch dann zu verhandeln wenn der Angeklagte – der nur in seltenen Ausnahmefällen persönlich an der Hauptverhandlungen teilnimmt – nicht durch einen Verteidiger seiner Wahl vertreten ist.
    Pflichtverteidiger für die Revisionshauptverhandlung müssen nach dem Wortlaut des Gesetzes nur auf Antrag bestellt werden. Wenn ein solcher Antrag nicht gestellt wird und ein Wahlverteidiger zur Hauptverhandlung nicht erscheint, wurde bisher in den meisten Fällen ohne jede Beteiligung des Angeklagten verhandelt. Diese Praxis ist nach Ansicht des 2. Strafsenats mit der Regelung des Art. 6 Abs. 3 Buchstabe c der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) nicht vereinbar, die jedem Beschuldigten das Recht garantiert, sich selbst zu verteidigen oder durch einen Verteidiger seiner Wahl verteidigen zu lassen oder den Beistand eines Pflichtverteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist (Pressemitteilung des BGH Nr. 140/2014 vom 06.10.2014)

    BGH; 2. Strafsenat, Verfügung vom 25. September 2014 – 2 StR 163/14

  • OLG Düsseldorf, 18.02.2014 - III-2 Ws 69-71/14
    [h=2][/h]1. Die in der Übergangsanordnung des Bundesverfassungsgerichts zu § 67 Abs. 4 StGB benannten Umstände für einen Härtefall (BVerfGE 130, 372 [BVerfG 27.03.2012 - 2 BvR 2258/09] Tz. 71) müssen nicht kumulativ vorliegen. Ein solcher setzt daher nicht notwendig voraus, dass der bisherige Freiheitsentzug die Höhe der verhängten Freiheitsstrafen erheblich überschreitet.

    2. Ein Härtefall, in dem die Zeit des Maßregelvollzugs verfahrensübergreifend nach Maßgabe von § 67 Abs. 4 StGB anzurechnen ist, liegt jedenfalls dann vor, wenn hierdurch die Aussetzung aller Strafreste gemäß § 57 Abs. 1 StGB ermöglicht wird.

  • [h=1]OLG Karlsruhe Beschluß vom 5.5.2015, 2 Ws 158/15[/h] Nachholung der Strafvollstreckung bei legaler Rückkehr


    Kehrt ein ausgewiesener Verurteilter nach vorherigem Absehen von der Vollstreckung (§ 456a StPO) zurück, ist die Vollstreckung grundsätzlich auch dann nachzuholen, wenn die Rückkehr aufenthaltsrechtlich erlaubt erfolgt.

  • Festsetzung der Pflichtverteidigergebühren im Übergangsfall: Voraussetzungen für die Bewilligung einer Pauschgebühr in Ansehung besonderen Verfahrensumfangs und Verfahrensschwierigkeit; Anhebung von Termins- und Verfahrensgebühren

    1. Erfolgte die Bestellung zum Pflichtverteidiger nach einer gesetzlichen Änderung der Gebührensätze, so richtet sich dessen Vergütung gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG auch dann nach neuem Recht, wenn er bereits vor der Gesetzesänderung als Wahlverteidiger tätig war.

    2. Die Bewilligung einer Pauschgebühr nach § 51 Abs. 1 Satz 1 und 3 RVG setzt wegen ihres Ausnahmecharakters voraus, dass sich die anwaltliche Mühewaltung von sonstigen - auch überdurchschnittlichen Sachen - in exorbitanter Weise abhebt (Anschluss an BGH, Beschlüsse vom 17.09.2013 - 3 StR 117/12, StRR 2013, 39, und vom 11.02.2014 - 4 StR 73/10, StRR 2014, 198).

    3. Dies ist in einer erstinstanzlichen Strafkammersache der Fall, wenn die Hauptakten rund 2.000 Seiten, die zwei Mitangeklagte betreffenden Hauptakten sowie Beiakten und Sonderbände weitere rund 15.000 Seiten und die Verschriftungen der Telekommunikationsüberwachung rund 34.000 Seiten umfassen.

    4. Die Aufdeckung von Verfahrensverstößen gemäß § 160a StPO bei Überprüfung der TKÜ-Verschriftungen durch die Verteidiger begründet eine besondere Schwierigkeit gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG ebenso wenig wie der Umstand, dass die Strafkammer wegen des Umfangs und/oder der Schwierigkeit der Sache gemäß § 76 Abs. 2 GVG mit drei Berufsrichtern besetzt wurde.

    5. Die Pflichtverteidigergebühren können unzumutbar sein, wenn aufgrund der späten Bestellung des Verteidigers eine komprimierte Einarbeitung in das umfangreiche Verfahren kurz vor der Hauptverhandlung erforderlich ist und dieser während der zur Verfügung stehenden Zeit keine anderen Anwaltsmandate hat annehmen und führen können.

    6. Die mögliche Arbeitsteilung zwischen mehreren für einen Angeklagten tätigen (Pflicht-) Verteidigern ist bei der Prüfung, ob für den Antragsteller ein besonderer Verfahrensumfang vorliegt, zu berücksichtigen.

    7. Bei der Beurteilung, ob eine Sache besonders umfangreich oder besonders schwierig ist, kann die Erschwerung der Verteidigertätigkeit in einer Hinsicht (etwa wegen des Aktenumfangs und kurzer Einarbeitungszeit) durch ihre Erleichterung in anderer Hinsicht (z.B. durch die geringe Terminsdichte und eine unterdurchschnittliche Terminsdauer) ganz oder teilweise kompensiert werden.

    8. Die Pauschgebühr wird grundsätzlich durch die Obergrenze der Wahlverteidigergebühren begrenzt, da letztere regelmäßig eine leistungsorientierte Vergütung gewährleisten, durch den Gesetzgeber an die wirtschaftliche Entwicklung angepasst werden und die Aufteilung der Gebühren auf die verschiedenen Tätigkeiten eine aufwandsangemessene Abrechnung der Anwaltsvergütung zulässt (vgl. BT-Drucks. 15/1971, S. 2, 144, 146, 149; BT-Drucks. 17/11471, S. 133, 281 f.).

    9. Diese Grenze kann nur in extremen Ausnahmefällen überschritten werden, etwa wenn die Arbeitskraft des Verteidigers über einen längeren Zeitraum hinweg nahezu ausschließlich für seine Pflichtverteidigertätigkeit in Anspruch genommen wird oder eine Beschränkung selbst auf die Rahmenhöchstgebühr des Wahlverteidigers in einem grob unbilligen Missverhältnis zu der Inanspruchnahme des Rechtsanwalts stehen und diesem ein unzumutbares Sonderopfer abverlangen würde.

    10. Das Maß der in solchen Ausnahmefällen zulässigen Überschreitung der Höchstgebühr des Wahlanwalts richtet sich nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls. § 42 Abs. 1 Satz 4 RVG, der die Pauschgebühr des Wahlverteidigers nach oben begrenzt, ist nicht entsprechend anwendbar.

    11. Für die Berechnung der Pauschgebühr können die für die konkrete Tätigkeit des Pflichtverteidigers anfallenden Gebührentatbestände als Bemessungsgrundlage herangezogen und entsprechend dem Aufwand sowie dem Sonderopfer des Pflichtverteidigers im jeweiligen Verfahrensabschnitt - etwa durch Vervielfältigung - erhöht werden.

    12. Hierbei kommt eine Erhöhung der Terminsgebühren wegen der gesetzlich geregelten Längenzuschläge nur in Ausnahmefällen in Betracht, etwa bei einem außerordentlichen Zeitaufwand für die Anreise zum Hauptverhandlungstermin.

    13. Führt eine Verständigung zu einer wesentlichen Verkürzung der Hauptverhandlung, kann dies grundsätzlich nicht durch eine Anhebung der gesetzlichen Terminsgebühren honoriert werden. Hat der Pflichtverteidiger aber durch eine intensive Vorbereitung des Verfahrens die Grundlagen für die Verständigung gelegt, ist (im Rahmen der Bemessung der Pauschgebühr) ggf. eine zusätzliche Anhebung der Verfahrensgebühr möglich.


    OLG Nürnberg 2. Strafsenat, Beschluss vom 30.12.2014, 2 AR 36/14

    § 140 StPO, § 160a StPO, § 42 Abs 1 S 4 RVG, § 51 Abs 1 S 1 RVG, § 51 Abs 1 S 3 RVG, § 60 Abs 1 S 1 RVG, Nr 4100 RVG-VV, Nr 4101 RVG-VV, Nr 4102 RVG-VV, Nr 4112 RVG-VV, Nr 4113 RVG-VV, Nr 4114 RVG-VV, Nr 4115 RVG-VV, Nr 4116 RVG-VV, Nr 4117 RVG-VV, § 76 Abs 2 GVG

    Rpfleger 15, 355

  • Kosten privater Rechtsgutachten mit ausschließlich inländischem Bezug (Verjährung bei Geldwäsche) nicht erstattungsfähig

    Kosten eines Angeklagten für ein von ihm veranlasstes privates Rechtsgutachten, das sich allein mit der Frage eingetretener Verjährung einer zur Last gelegten, im Inland begangenen Geldwäsche befasst, gehören nicht zu seinen notwendigen Auslagen.


    OLG Celle 1. Strafsenat, Beschluss vom 20.04.2015, 1 Ws 135/15


    § 153 StPO, § 160 StPO, § 244 StPO, § 464a StPO, § 464b StPO, § 104 ZPO, § 11 RPflG, § 77 StGB, § 261 StGB

  • Der Vergütungsanspruch des Verteidigers, der anstelle des verhinderten Pflichtverteidigers für einen Hauptverhandlungstermin als Verteidiger eines Angeklagten bestellt worden ist, beschränkt sich nicht auf die Terminsgebühren, sondern umfasst alle durch die anwaltliche Tätigkeit im Einzelfall verwirklichten Gebührentatbestände des Teils 4 Abschnitt 1 des Vergütungsverzeichnisses in Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG.

    OLG Saarbrücken, 10.11.2014 - 1 Ws 148/14

    NJOZ 2015, 1166

  • [h=1]BGH, Beschluss vom 17. 12. 2015 – 4 StR 483/15 (http://lexetius.com/2015,4337)[/h]

    Kernaussage:

    Wird die Revision zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle begründet, muss sich der Urkundsbeamte an der Anfertigung der Begründung gestaltend beteiligen und die Verantwortung für ihren Inhalt übernehmen. Daran fehlt es, wenn der Rechtspfleger als bloße Schreibkraft des Angeklagten tätig wird und vom Angeklagten vorgegebene Rügen ungeprüft übernimmt.


    http://www.rechtslupe.de/strafrecht/rev…beamten-3105540

  • BVerfG, Beschluss vom 17. Februar 2016 - 2 BvR 854/15


    Zur Erschöpfung des Rechtsweges und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei einem möglichen Justizfehler (hier: mögliche fehlerhafte Beschwerdeprotokollierung durch den Rechtspfleger)

  • Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Amts wegen bei Versäumung der Revisionsbegründungsfrist

    1. Gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) RPflG ist die Aufnahme von Erklärungen über die Einlegung und Begründung der Revision in Strafsachen zu Protokoll der Geschäftsstelle (§ 345 Abs. 2 StPO) allein dem Rechtspfleger übertragen, der die Belehrungs- und Fürsorgepflichten gemäß Nr. 150 Abs. 2 bis Abs. 6 RiStBV zu beachten hat.

    2. Ist eine zu Protokoll der Geschäftsstelle angebrachte Revisionsbegründung deshalb unwirksam, weil die Erklärungen des Angeklagten durch einen unzuständigen Beamten aufgenommen wurden, besteht grundsätzlich die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Amts wegen.

    3. Auch im Falle einer ausschließlich auf Fehlern der Justiz beruhenden Unzulässigkeit eines Rechtsmittels kann die Wiedereinsetzung von Amts wegen nur dann gewährt werden, wenn die versäumte Handlung nachgeholt wurde, worauf der Angeklagte hinzuweisen ist.

    4. Zur Nachholung der versäumten Handlung steht dem Angeklagten die Monatsfrist aus § 345 Abs. 1 Satz 1 StPO (und nicht nur die Wochenfrist aus § 45 Abs. 1 S.1, Abs. 2 S. 2 StPO) zur Verfügung.


    OLG Braunschweig 1. Strafsenat, Beschluss vom 26.02.2016, 1 Ss 6/16


    § 44 StPO, § 45 Abs 1 S 1 StPO, § 45 Abs 2 S 2 StPO, § 345 Abs 1 S 1 StPO, § 345 Abs 2 StPO, § 24 Abs 1 Nr 1 Buchst b RPflG, Nr 150 Abs 2 RiStBV, Nr 150 Abs 3 RiStBV, Nr 150 Abs 4 RiStBV, Nr 150 Abs 5 RiStBV, Nr 150 Abs 6 RiStBV

    http://blog.burhoff.de/2016/03/wieder…-hilfe-vom-olg/

  • Urteil des Europ. Gerichtshofs für Menschenrechte zur Sicherungsverwahrung
    ( B. ./. Bundesrepublik Deutschland Nr. 23279/14)
    Pressemitteilung unter ECHR 005 (2015) vom 07.01.2016

    Der Fall betraf ein Verfahren, in dem die Sicherungsverwahrung rückwirkend über die zum Tatzeitpunkt und zum Zeitpunkt der Verurteilung zulässige Höchstdauer von 10 Jahren hinaus verlängert worden war.

    Der EuGH gelangte zu der Entscheidung, dass die Sicherungsverwahrung bei psychisch Kranken im Sinne von Art. 5 § 1 (e) als Freiheitsentziehung zulässig war.
    Wesen und Zweck der Sicherungsverwahrung seien in diesem Fall die Behandlung der psychischen Erkrankung, die daher nicht mehr als "Strafe" im Sinne von Artikel 7 GG zu gelten hat.

    Die höchste Form des Glücks ist Leben mit einem gewissen Grad an Verrücktheit.
    Erasmus von Rotterdam

  • Berücksichtigung von Pausen bei der Festsetzung von Längenzuschlägen zur Terminsgebühr des Verteidigers

    1. Bei der Berechnung der Hauptverhandlungsdauer für die Entscheidung über einen Längenzuschlag zur Terminsgebühr des Verteidigers sind Pausen von über einer Stunde Dauer in Abzug zu bringen. Sitzungsunterbrechungen bis zu einer Dauer von einer Stunde bleiben demgegenüber mit Ausnahme der Mittagspause unberücksichtigt.

    2. Die Zeit einer Mittagspause ist bei der Berechnung der Hauptverhandlungsdauer unabhängig von der Pausendauer stets in Abzug zu bringen.

    3. Als Beginn der Hauptverhandlung ist bei der Entscheidung über einen Längenzuschlag der terminierte und nicht der tatsächliche Verhandlungsbeginn am Sitzungstag anzusetzen.


    OLG Celle 1. Strafsenat, Beschluss vom 12.08.2016, 1 Ws 297/16


    Nr 4110 RVG-VV, Nr 4111 RVG-VV, Nr 4116 RVG-VV, Nr 4117 RVG-VV, Nr 4122 RVG-VV, Nr 4123 RVG-VV

    [h=4][/h]

  • Es entstehen zwei Terminsgebühren, wenn eine Hauptverhandlung ausgesetzt wird und ein neuer Hauptverhandlungstermin am selben Tag stattfindet.

    AG Cottbus, Beschl. v. 04.10.2016 - 72 Ls 1610 Js 19300/12 (14/14)


    http://blog.burhoff.de/2016/10/vertei…terminsgebuehr/

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!