Vormundschaft nach 1773 Abs. 2 BGB

  • Hallo zusammen,

    da das PStG eine anonyme Geburt nicht vorsieht, wird das geborene Kind rechtlich als Findelkind behandelt.

    Das eingeschaltete Jugendamt hat an das Vormundschaftsgericht eine entsprechende Anzeige gemacht. Daraufhin wurde nach § 1773 Abs. 2 BGB i.V.m. § 36 Abs. 4 FGG von mir Vormundschaft angeordnet. Als Vormund wurde das Jugendamt ausgewählt, da eine geeignete Person als Vormund nicht vorgeschlagen wurde.

    Das Findelkind ist seither in der Obhut des Vormunds.

    Problem:
    Nach etwa drei Wochen nach der Geburt des Findelkindes taucht nun eine Mitarbeiterin eines Vereins aus Hamburg auf in Begleitung der angeblichen Kindesmutter. Sodann wurde eine Abstammungsurkunde präsentiert, laut derer die erschienene Frau die Mutter des darin genannten Kindes sei. Mann wolle hierdurch die Beendigung der Vormundschaft nach § 1882 BGB erreichen um anschließend das Kind mitzunehmen.

    Nach Aussage der angeblichen Mutter hat sie selbst die Geburt nunmehr angezeigt.

    Da bei einem Findelkind wegen §§ 26, 25 Abs. 2 PStG allein das zuständige Verwaltungsamt die Beurkundung durch schriftliche Anweisung an den zuständigen Standesbeamten erwirkt, kann die vorgelegte Abstammungsurkunde nicht zu unserem Findelkind passen. Denn wer stellt nun fest, ob das hiesige Findelkind tatsächlich das aus der Abstammungsurkunde ersichtliche Kind ist. Das Vormundschaftsgericht hat den Wegfall der Voraussetzung aus § 1773 Abs. 2 BGB von Amts wegen zu ermitteln. Rechtsklarheit schafft in diesem Falle nur ein DNA-Gutachten. Doch erteilt den Auftrag und wer bezahlt sodann das Gutachten?

    Ich würde mich daher freuen, wenn Kolleginnen und Kollegen ein solches Problem bereits hatten und mir Ihre Lösung unterbreiten können.

    Vielen Dank

  • Wir hatten hier einen Fall, da war der Vater bekannt, aber die Mutter nicht (fragt mich bitte nicht nach Einzelheiten). Unser Familienrichter hat in entsprechender Anwendung des Vaterschaftsprozesses einen "Mutterschaftsprozess" durchgeführt. Wenn Du Dir nicht sicher bist, würde ich die Sache dem Familienrichter vorlegen. Der hat bei Zweifeln die Mutterschaft festzustellen.

  • Zunächst ist festzuhalten, dass eine nach § 1773 Abs.2 BGB angeordnete Vormundschaft nach hM nur dann i.S. des § 1882 BGB kraft Gesetzes endet, wenn der Familienstand des Kindes ermittelt wird und gleichzeitig feststeht, dass das Kind demzufolge wieder unter elterlicher Sorge (hier: der Mutter) steht (MünchKomm/Wagenitz § 1882 RdNr.10; Staudinger/Engler § 1882 RdNr.16; Soergel/Zimmermann § 1882 RdNr.6; a.A. RGRK/Scheffler, 11. Aufl., § 1882 RdNr.1, der auch in diesem Fall eine förmliche Aufhebung der Vormundschaft für erforderlich hält).

    Ob diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind, dürfte davon abhängen, ob der Familienstand des Kindes und die elterliche Sorge der Mutter durch die vorlegte Abstammungsurkunde nachgewiesen ist. Ich neige dazu, diese Frage zu bejahen, weil die vorliegende Eintragung im Geburtenbuch nach den §§ 26, 25 Abs.2 PStG (eigentlich) nur auf Veranlassung der zuständigen Verwaltungsbehörde erfolgt sein kann. Etwas anderes könnte wohl nur gelten, wenn das Standesamt auf Anzeige der "Mutter" eine Eintragung im Geburtenbuch vorgenommen hat, weil es von der eingangs geschilderten Sachlage und der bereits angeordneten Vormundschaft keine Kenntnis hatte.

    Es sollte daher zunächst mit dem beurkundenden Standesamt Kontakt aufgenommen werden, um zu eruieren, auf welchem Wege es zu dem besagten Geburteneintrag gekommen ist. Bevor diese Frage nicht geklärt ist, erscheint eine weitere Stellungnahme zu der Ausgangsfrage nicht möglich.

  • Die angebliche Kindesmutter hat in enger Zusammenarbeit mit dem besagten Verein (betreibt selbst Babyklappen) und daher in voller Kenntnis der hier geschilderten Sachlage die Geburt eines Kindes nachträglich angezeigt. Daraufhin wurde eine Geburt beurkundet. Der Inhalt dieser Urkunde wird vom Vormundschaftsgericht auch nicht bestritten. Es mangelt aber an einem zweifellosen Bezug zu dem Findelkind. Die angebliche Mutter hat nach der Geburt ihres Kindes dieses ohne vorherige Anzeige der Geburt aus ihrer Obhut gegeben, da sie anonym bleiben wolle. Dieses Kind kam sodann in die Obhut des besagten Vereins und sollte umgehend an den Ort X gebracht werden. Auf den Weg dorthin kam das geborene Kind in eine ärztliche Einrichtung. Diese hat das Kind ärztlich versorgt und, da der Familienstand nicht festzustellen war, richtigerweise sofort das Jugendamt und dieses das Vormundschaftsgericht hierüber informiert und das Kind nicht wieder in die Obhut des besagten Vereins gegeben. Erwähnt sei, dass die Person A, welche das Kind in die ärztliche Einrichtung gebrachte hatte, nicht identisch mit der Person B war, welche das Kind später aus dieser Einrichtung abholen wollte. Es ist zu unterstellen, dass die Person B dieses Kind noch nie gesehen hat.

    Die nach h.E. hier zuständige Verwaltungsbehörde hat ein Verfahren nach §§ 26, 25 Abs. 2 PStG trotz Anzeige des Vormundes bisher nicht durchgeführt. Eine derartige Beurkundung wäre im vorliegenden Fall auch nicht geeignet den Familienstand des darin genannten Kindes nachzuweisen, da lediglich der Personenstand (Geburtstag, -ort, Vor-und Familienname) und keine Abstammung beurkundet würde.

    Wer gibt nun der angeblichen Mutter des Findelkindes das Recht zu behaupten nur aufgrund dieser Abstammungsurkunde sei
    a) der Familienstand als ermittelt zu betrachten,
    b) die Vormundschaft daher Kraft Gesetzes beendet, und
    c) sie berechtigt das Kind herauszuverlangen?

    Erwähnt sei noch, dass anhand der vorgelegten Abstammungsurkunde sie nicht die alleinige Inhaberin der elterlichen Sorge ist. Aufgrund ihrer bestehenden gültigen Ehe gilt deren Ehemann Kraft Gesetzes als Kindesvater. Sein Name taucht daher in der Abstammungsurkunde auf. Dieser ist bis heute nicht in Kenntnis des Sachverhalts. Soweit „deklaratorisch“ festgestellt werden sollte, die Vormundschaft sei Kraft Gesetzes beendet, kann die dann ermittelte Kindesmutter ohne Mitwirkung des Kindesvaters eine Herausgabe nicht erwirken.

    Das Vormundschaftsgericht (Rechtspfleger/in in Abstimmung mit d. Richter/in) kann aufgrund der zwischenzeitlich bekanntgewordenen unstimmigen Hindergrundinformationen dieser Frau dieses Recht nicht zusprechen. Es laufen bereits Ermittlungsverfahren an anderer staatlicher Stelle.

    Das Motto, mit welchem der Verein im Internet unverschminkt für sich wirbt, lautet:

    Keine Fragen – Keine Zeugen – Keine Polizei

  • Offensichtlich prallen hier zwei "Denkwelten" aufeinander, die im Rechtssinne nur schwer unter einen Hut zu bringen sind.

    Es gibt zwei Möglichkeiten:

    Entweder die angebliche Mutter ist tatsächlich die Mutter und hat sich nach der anonymen Geburt und Inobhutgabe des Kindes dazu (um)entschlossen, ihr Kind zu "behalten".

    Oder das ganze Procedere dient dazu, anonym geborene Kinder sozusagen durch die Hintertür ohne Adoptionsverfahren an nicht leibliche Eltern zu vermitteln.

    Im ersten Fall wäre die vorliegende Beurkundung der Abstammung inhaltlich zutreffend, während sie im zweiten Fall auf übereinstimmenden unrichtigen Angaben der Mutter (und ggf. auch des Vereins) beruht. Welche von beiden Fallgestaltungen vorliegt, hängt zunächst vom Procdere der Inobhutgabe ab. Wurde das neugeborene Kind anonym einer Babyklappe "überantwortet", so lässt sich die Abstammung des Kindes nur durch die bis dato unbewiesenen Angaben der Mutter "belegen". Wurde das Kind dagegen von der Mutter "offiziell" an einen Mitarbeiter des Vereins übergeben, so steht die Zeugenaussage des betreffenden Mitarbeiters als Beweismittel zur Verfügung. War dies nicht der Fall, kann die Mutterschaft auch vom Verein nicht bestätigt werden.

    Die vom Standesamt -zu Recht oder zu Unrecht- erteilte Abstammungsurkunde ist jedenfalls in der Welt und sie bezeugt daher (zunächst) für jeden Dritten -also auch für das Gericht- die Richtigkeit der in ihr beurkundeten Abstammung. Die beurkundete Abstammung des Kindes lässt sich daher nach meinem Dafürhalten nur ignorieren, wenn sich der Inhalt der erfolgten standesamtlichen Beurkundung auf dem dafür vorgesehenen gesetzlichen Weg erfolgreich angreifen lässt > § 47 PStG.

    Ist dies nicht der Fall und hat das Gericht dennoch Zweifel, so bleibt meines Erachtens nichts anderes übrig, als etwaige gestellte Anträge beider "Eltern" oder Anregungen auf ein amtswegiges Tätigwerden im Sinne der Beendigung der Vormundschaft förmlich zurückzuweisen und den Beschwerdegerichten die Entscheidung über die weitere Vorgehensweise zu überlassen. Ein solcher Antrag (bzw. eine solche Anregung) beider Elternteile liegt lt. Sachverhalt aber bisher nicht vor.

    Ich kann einerseits gut verstehen, dass einem aufgrund der bestehenden Unstimmigkeiten nicht wohl dabei ist, das Kind trotz beurkundeter Abstammung an die in der Abstammungsurkunde genannten Eltern herauszugeben. Andererseits kann man aber auch nicht die Hände in den Schoß legen und die erforderlichen Ermittlungen unterlassen bzw. zeitlich hinausschieben.

    Meines Erachtens ist zunächst der in der Abstammungsurkunde ausgewiesene und von "seinem Glück" überhaupt noch nicht in Kenntnis gesetzte eheliche Kindsvater persönlich anzuhören. Wenn dieser bestätigt, dass seine Frau im fraglichen Zeitraum überhaupt nicht schwanger war und sie deshalb überhaupt nicht die Mutter des Kindes sein kann, dürfte der weitere Fortgang des Verfahrens vorgezeichnet sein.

    Solange der "formelle" Kindsvater nicht einvernommen ist, bleibt alles Spekulation.

    Als zweite Ermittlungsmöglichkeit kommt die Einvernahme des Frauenarztes der "Mutter" in Betracht. Das kann aber natürlich an der Nichtbefreiung von der Schweigepflicht scheitern. Sodann verbleibt nur noch die Einvernahme von Verwandten und Nachbarn der Mutter. Hier wird es aber dann unter Umständen rechtlich problematisch.

  • Zunächst ist festzuhalten, dass eine nach § 1773 Abs.2 BGB angeordnete Vormundschaft nach hM nur dann i.S. des § 1882 BGB kraft Gesetzes endet, wenn der Familienstand des Kindes ermittelt wird und gleichzeitig feststeht, dass das Kind demzufolge wieder unter elterlicher Sorge (hier: der Mutter) steht (MünchKomm/Wagenitz § 1882 RdNr.10; Staudinger/Engler § 1882 RdNr.16; Soergel/Zimmermann § 1882 RdNr.6; a.A. RGRK/Scheffler, 11. Aufl., § 1882 RdNr.1, der auch in diesem Fall eine förmliche Aufhebung der Vormundschaft für erforderlich hält).

    Hierzu hätte ich eine Frage: Wenn die Vormundschaft in solchen Fällen kraft Gesetzes endet, wird ja ein deklaratorischer Beschluss erlassen, richtig? Benötigt man dann eine Rechtsmittelfrist? Da ja eigentlich nur deklaratorisch, wäre doch das Wiederaufleben der eS sofort wirksam?

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