(Teilweise) falsche Grundstücksbezeichnung unschädlich?

  • Es gibt so Tage, da hat man unverhältnismäßig viele doofe Akten auf dem Tisch:

    Ehefrau überträgt mit Vertrag aus Okt. 2010 auf Ehemann ihren 1/2 MEA an einem Grundstück (Blatt 1234).

    Problem dabei ist, dass in 2008/2009 eine Flurbereinigung lief, die auch dieses Blatt 1234 betraf. Aufgrund der FB wurde 2009 das GB im BV dahingehend berichtigt, dass

    aus BV-Nr. 1, Flurstück 10/2, Flur 5 (Lage: Sesamstraße 1 A, Größe: 1.023 m²)

    die BV-Nr. 2, Flurstück 1/2, Flur 15 (Lage: Sesamstraße, Größe: 1.023 m²)

    wurde.

    Weitere Grundstücke sind in Blatt 1234 nicht eingetragen.

    Leider hat der Notar keine GB-Einsicht genommen und die Beteiligten haben jetzt den 1/2-Anteil an Flurstück 10/2, Flur 5, eingetragen im Grundbuch Blatt 1234, aufgelassen.

    Das Flurstück 10/2 Flur 5 ist in der FB damals untergegangen. Ein solches Flurstück existiert heute nicht mehr.
    Ob die Flurstücke 10/2 Flur 5 und 1/2 Flur 15 tatsächlich identisch sind, kann ich nur vermuten. Die Größe ist jedenfalls gleich und die Straße ist auch gleich.

    Kann ich - trotz der falschen Flurstücksangaben - einfach davon ausgehen, dass der 1/2 MEA am Bestand Blatt 1234 aufgelassen wurde?

    Oder wäre eine nachträgliche Berichtigung der Falschbezeichnung in der Urkunde erforderlich?

    Oder würdet Ihr gar eine neue Auflassung verlangen?

    Ulf

    Alle Äußerungen hier sind als rein private Meinungsäußerung zu verstehen,
    sofern es bei den Beiträgen nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet wird.

  • Nach meiner Ansicht liegt eine unschädliche berichtigungsfähige Falschbezeichnung nur vor, wenn die beiden Flurstücke der Lage nach identisch sind. Sind sie das nicht, ist etwas anderes aufgelassen als eingetragen und demzufolge eine neue Auflassung erforderlich.

    Der Fall ist kein anderer, wenn A Eigentümer von Flurstück 1 und B Eigentümer des benachbarten Flurstücks 2 ist, A und B ihre Grundstücke tauschen, die Auflassungen unter wechselseitiger Umbuchung der Grundstücke eingetragen werden (weil im Blatt von B noch weitere Grundstücke vorgetragen sind) und der Notar sodann aufgrund einer alten Grundbucheinsicht noch die Veräußerung von Flurstück 1 durch A beurkundet, obwohl in dessen Blatt nunmehr Flurstück 2 vorgetragen ist.

  • Ich würde von Identität der Flurstücke ausgehen, denn das alte Flurstück ist ausgebucht und an dessen Stelle ist im Flurb.Verfahren das 2. Flurstück getreten, so sicherlich dass damalige Ersuchen der Flurbehörde (insbesondere Lage und Größe belegen dies).
    Mir reichte auch die Berichtigung der Flurstücksbezeichnung (Zähler/Nenner).

  • Dass das neue Flurstück an die Stelle des alten trat, heißt keineswegs, dass es auch lagemäßig an der gleichen Stelle belegen war. Die betreffende Identätit wäre demzufolge noch zu belegen und nach dem Sachverhalt ist sie derzeit noch nicht belegt.

  • Auf die identische Lage kommt es m. E. nicht an, sondern nur darauf, ob - was ich hier bejahen würde, wenn sonst kein Grundbesitz eingebracht und wieder zugeteilt wurde - das neue Grundstück eindeutig einem Einlagegrundstück zugeordnet werden kann. Aus einem Skript zu diesem Thema:

    Mit der (ggf. vorzeitigen) Ausführungsanordnung sind die alten Grundstücke als Gegenstand der Rechte (Sachverhältnis) untergegangen und an ihre Stelle im Wege der Surrogation die Ersatzgrundstücke getreten (BayObLG Rpfleger 1983, 145). Das neue Grundstück tritt als Surrogat an die Stelle des alten mit der Folge, dass – abgesehen von dem Fall des § 49, § 58 Abs. 1 FlurbG – an ihm dieselben Rechtsverhältnisse bestehen, die am alten Grundstück bestanden haben. Mit dem Eintritt des neuen Rechtszustands vollzieht sich lediglich ein Sachwechsel, nicht aber ein Rechtswechsel; die Rechte bleiben vielmehr dieselben (BayObLGZ 1972, 242; BayObLGZ 1980, 108; BayObLGZ 1985, 372).

    (...)

    Im Idealfall tritt an die Stelle eines Einlagegrundstücks ein neues Grundstück. In diesen Fällen ist der Austausch der Sache eindeutig den hieran bestehenden Rechten zuordenbar. Eine Auflassung, die hinsichtlich des Einlagegrundstücks erklärt worden ist, betrifft damit ohne Weiteres das neue Grundstück. Da diese Rechtsfolge eindeutig und auch die Surrogation vom alten zum neuen Grundstück nachgewiesen ist, kann das Grundbuchamt die Auflassung später unproblematisch am neuen Grundstück vollziehen, ohne dass es einer Neubezeichnung nach § 28 GBO oder gar einer neuen Auflassung bedürfte (BayObLGZ 1972, 242; LG Schweinfurt Rpfleger 1975, 312). Etwas anderes gilt bezüglich der Auflassung nach dem LG Bad Kreuznach dann, wenn mangels Kenntnis der Erwerber die Auslegung nicht ergeben kann, dass das neue Grundstück gemeint ist (LG Bad Kreuznach Rpfleger 1995, 407); wegen des folgenden Absatzes halte ich diese Ansicht aber für falsch.

    Soweit ein Erwerber daher letztendlich nicht das Surrogatgrundstück, sondern das Grundstück an der Stelle des Einlagegrundstücks erwerben will, muss er sich an denjenigen wenden, der dieses neue Grundstück im Wege der Flurbereinigung erhält. Die Verfügung ist über dessen früheren Grundbesitz zu erklären. Auch ein Erwerber muss nämlich das laufende Flurbereinigungsverfahren gegen sich gelten lassen (§ 15 FlurbG); auf seine Kenntnis kommt es hierbei nicht an (OLG Frankfurt Rpfleger 2002, 73). Wenn dieses Ergebnis nicht gewollt war, so berühren die eventuellen Folgen allein das der Auflassung zugrunde liegende Rechtsverhältnis, nicht aber die Wirksamkeit der Auflassung selbst (BayObLGZ 1972, 242). Die Beteiligten müssen dann über Vertragsänderungen, Anfechtung oder Rückabwicklung nachdenken.

    War eine Auflassung also vor dem Eintreten des neuen Rechtszustands erklärt, aber noch nicht eingetragen, so kann sie nach dem Vollzug der Flurbereinigung im Grundbuch ohne Weiteres sogleich am neuen Besitzstand vollzogen werden (BayObLGZ 1972, 242; LG Schweinfurt Rpfleger 1975, 312).
    (...)

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Ich beziehe mich auf die Ausführungen von Andreas.

    Mein zuständiges Beschwerdegericht hat mit dieser Begründung mal in einem Aufgebotsverfahren zur Ausschließung des Eigentümers argumentiert:
    Um den erforderlichen 30-jährigen Eigenbesitz des Antragstellers zu erreichen, kann nach deren Auffassung der Eigenbesitz an dem Abfindungsgrundstück mit dem Eigenbesitz an dem Einlagegrundstück zusammengerechnet werden, auch wenn diese beiden nachgewiesenermaßen nicht lageidentisch sind.

    Ich halte das noch heute für falsch!


  • Hier wurde die Auflassung aber erst nach dem Zustandekommen des neuen Rechtszustands erklärt.


    Richtig!

    Daher habe ich nun entweder Nachweis der tatsächlichen Identität und Berichtigung der Flurstücksbezeichnung in der Urkunde oder - bei keiner tatsächlichen Identität - Erklärung einer (neuen) Auflassung bzgl. des Ersatzflurstücks gefordert.

    D A N K E an alle fürs Mitdenken!

    Ulf

    Alle Äußerungen hier sind als rein private Meinungsäußerung zu verstehen,
    sofern es bei den Beiträgen nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet wird.

  • Kann mir in einem ähnlichen Fall vielleicht jemand weiterhelfen? Ich hab noch nie was mit Eigentumswechseln während und nach einer Flurbereinigung zu tun gehabt und auch noch nie selbst eine Flurbereinigung im Grundbuch vollzogen.

    Folgendes (Daten beispielhaft):
    Flurstück 1/1 ist in der Flurbereinigung ausgefallen, die Eintragung erfolgte am 15.01.2016. Außerdem wurde am selben Tag das in der Flurbereinigung entstandene Flst. 2/2 im Grundbuch eingetragen und die früher an 1/1 lastenden Rechte hieran eingetragen.
    Gerichtlicher Vergleich zwischen M und S mit Auflassung von mehreren Grundstücken, unter anderem Flst. 1/1, erfolgte am 01.02.2016, also bereits nach Vollzug der Grundbuchberichtigung.
    Eintragung des Eigentumswechsels auf neue Eigentümerin M erfolgte erst im März 2018 an allen im Vergleich genannten Grundstücken und an Flst. 2/2, obwohl dieses nicht im Vergleich genannt ist und auch im Antrag auf Eintragung des ETW hierüber nichts ausgesagt wird.

    Hätte man den ETW so vollziehen dürfen? Eigentlich hätte es doch einer neuen Auflassung bezgl Flst. 2/2 gebraucht?
    Das Datum der Ausführungsanordnung kenne ich bislang nicht, aber wenn es nach der Grundbuchberichtigung zur Auflassung kam dürfte das auch unschädlich sein, oder?

    Oder, um aus Goethes "Faust", Teil I, Zeile 2667 zu zitieren: "Nein!"

  • Außerdem wurde am selben Tag das in der Flurbereinigung entstandene Flst. 2/2 im Grundbuch eingetragen und die früher an 1/1 lastenden Rechte hieran eingetragen.

    Spricht für Surrogation (§ 68 FlurbG). Flurstück 1/1 ist das Einlage-, Flurstück 2/2 das Ersatzgrundstück. Gilt auch für die Auflassungserklärung.

    Und entsprechend bei der Umlegung -> LG Darmstadt vom 13.11.1975, 5 T 1018/75; Rpfleger 1976, 61:

    "Durch Auslegung kann eine Auflassung, die nach Rechtskraft des Umlegungsverfahrens noch das Einlagegrundstück bezeichnet, auf das Ersatzgrundstück bezogen werden.

  • Im Fall des LG Darmstadt betraf die Abweichung "geringfügige" 55 qm. Läßt sich denn anhand des Vergleichs erkennen, dass dem Erwerber die Flurbereinigung bekannt war? Der Veräußerer muß ja ohnehin Beteiligter des Flurbereinigungsverfahrens gewesen sein. Die Rechtsprechung stellt bei der Auslegung unter anderem auf den in Abteilung II eingetragenen Umlegungsvermerk ab (LG Darmstadt a.a.O.; BayObLG, Beschluß vom 23.04.1980, BReg. 2 Z 47/79). Hätte der Erwerber dadurch von dem Verfahren wissen können, muß er sich auch gewisse Abweichungen vom Einlagegrundstück zurechnen lassen. Ohne wenigstens eine nachgereichte Berichtigung der Grundstücksbezeichnung hätte man die Auflassung besser nicht vollzogen. So würde ich die Richtigkeit der Auslegung und damit der Eintragung aber nicht mehr ohne weiteres infrage stellen. Weitere Nachweise: BeckOK/Wilsch GBO § 28 Rn. 91; Schöner/Stöber 4033 BeckOGK/J. Weber BGB § 925 Rn. 151 MüKo/Kanzleiter BGB § 925 Rn. 22,

  • Aus dem Vergleich geht nicht hervor, ob den Beteiligten die Flurbereinigung bekannt war. Da dieser erst in der Beschwerdeinstanz geschlossen wurde und die Grundbuchberichtigung recht kurz davor erfolgte, wird in der ursprünglichen Klageschrift vermutlich nur das alte Grundstück genannt. Anders als in einem Umlegungsverfahren ergibt sich die Flurbereinigung auch nicht aus dem Grundbuch, weil es ja keinen "Flurbereinigungsvermerk" gibt, und eine Veräußerungsbeschränkung nach § 52 FlurbG nicht eingetragen war.
    Trotzdem gehe ich nach deinen Ausführungen und auch denen im Beck OK und Stöber derzeit nicht davon aus, dass das Grundbuch unrichtig ist.
    Vielen Dank für Mitdenken :)

    Oder, um aus Goethes "Faust", Teil I, Zeile 2667 zu zitieren: "Nein!"

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