GG als Hauptforderung - anrechnen?

  • RA X macht für Gläubiger Gl. außergerichtlich eine Hauptforderung geltend und gleichzeitig auch die vorgerichtliche Geschäftsgebühr (1,3fache Geschäftsgebühr) für diese Tätigkeit. Beides ist bisher nicht tituliert.

    Daraufhin bezahlt der Schuldner die Hauptforderung, aber nicht die vorgerichtliche Vergütung.

    RA X betreibt daher für Gläubiger Gl. das Mahnverfahren. Gegenstand des Mahnverfahrens: Die vorgerichtliche Geschäftsgebühr - jetzt als Hauptforderung - und noch ein paar Zinsen aus der ursprünglichen Hauptforderung.

    Der Schuldner bezahlt die vorgerichtliche Geschäftsgebühr und die Zinsen und legt im übrigen Widerspruch gegen den Mahnbescheid ein.

    Im streitigen Verfahren anerkennt er dann die Kosten des Verfahrens, und es ergeht Anerkenntnisurteil.

    In seinem Kostenfestsetzungsantrag macht der RA die 1,0fache Verfahrensgebühr für das Mahnverfahren und die 1,3fache Verfahrensgebühr für das streitige Verfahren geltend und rechnet die 1,0fache Mahngebühr auf die 1,3fache Verfahrensgebühr an.

    Die vorgerichtliche Geschäftsgebühr rechnet er nicht an.

    Ich bin mit mir etwas uneins, ob er sie anrechnen müsste oder nicht, weil die Geschäftsgebühr ja im Gerichtsverfahren zur Hauptforderung geworden ist, Geschäfts- und Verfahrensgebühr sich also auf verschiedene Hauptforderungen beziehen. Dass die Anrechnung, wenn sie vorzunehmen wäre, nur aus dem Wert der Geschäftsgebühr erfolgen würde, ist klar, weil die ursprüngliche Hauptforderung ja nie ins Mahnverfahren gekommen ist. Das eben macht mich unsicher: Man müsste eine Geschäftsgebühr aus sich selbst auf die Verfahrensgebühr anrechnen. Kann das sein?

    Was meint Ihr?


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  • Meines Erachtens keine Anrechnung, da die Geschäftsgebühr nunmehr Hauptforderung ist. Die Anrechnung wäre lediglich dann vorzunehmen, wenn hinsichtlich der Geschäftsgebühr = Hauptforderung erneut eine Geschäftsgebühr geltend gemacht und tituliert worden wäre.

  • Ich hatte mal etwas anderes vertreten, bin aber mittlerweile auch der Meinung, daß nicht anzurechnen ist, da keine Gegenstandsgleichheit vorliegt. Wie Du ja schreibst, ist Gegenstand der außergerichtlichen GG die ehemalige Hauptforderung, während im gerichtlichen Verfahren Gegenstand nunmehr die Gesamtvergütung (nicht nur die GG) ist.

    Ich hatte mal versucht, eine Gegenstandsgleichheit über § 43 Abs. 3 GKG herzustellen, indem ich begründete, daß "Gegenstand" ja nicht nur der Hauptanspruch ist, sondern dieser nebst Zinsen und Kosten (RA-Vergütung), Zinsen und Kosten aber lediglich wertmäßig nicht hinzugerechnet werden. Eine wertmäßige Nichtzurechnung bedeutet aber im Umkehrschluß nicht, daß sie nicht den Streitgegenstand bilden. Fallen nun Hauptforderung und Zinsen weg, rücken die Kosten (RA-Vergütung) wertmäßig an ihre Stelle. Sie waren und sind weiterhin Gegenstand - ebenso wie im folgenden Rechtsstreit. Fand aber hier niemand überzeugend und vermutlich zu weit hergeholt.

    M. E. gibt's mittlerweile min. eine Entscheidung, die auch im Sinne meines 1. Absatzes (Nichtanrechnung) entschieden hat, müßte ich ggf. nochmal raussuchen.

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  • M. E. gibt's mittlerweile min. eine Entscheidung, die auch im Sinne meines 1. Absatzes (Nichtanrechnung) entschieden hat, müßte ich ggf. nochmal raussuchen.

    Genau diese suche ich auch schon ganz verbissen - bislang ohne Erfolg.

  • Ich hatte mal versucht, eine Gegenstandsgleichheit über § 43 Abs. 3 GKG herzustellen, indem ich begründete, daß "Gegenstand" ja nicht nur der Hauptanspruch ist, sondern dieser nebst Zinsen und Kosten (RA-Vergütung), Zinsen und Kosten aber lediglich wertmäßig nicht hinzugerechnet werden. Eine wertmäßige Nichtzurechnung bedeutet aber im Umkehrschluß nicht, daß sie nicht den Streitgegenstand bilden. Fallen nun Hauptforderung und Zinsen weg, rücken die Kosten (RA-Vergütung) wertmäßig an ihre Stelle. Sie waren und sind weiterhin Gegenstand - ebenso wie im folgenden Rechtsstreit. Fand aber hier niemand überzeugend und vermutlich zu weit hergeholt.

    So in die Richtung gingen meine Gedanken auch.



    M. E. gibt's mittlerweile min. eine Entscheidung, die auch im Sinne meines 1. Absatzes (Nichtanrechnung) entschieden hat, müßte ich ggf. nochmal raussuchen.

    Wenn Du die wiederfinden würdest, das wäre klasse. :daumenrau

    Ich erkläre es mir momentan so: Wenn von der Hauptforderung noch 1 € übrig geblieben wäre und eingeklagt worden wäre, wäre die Geschäftsgebühr aus einem Streitwert von 1 € anzurechnen gewesen. Nun ist von der Hauptforderung noch 0 € übrig. Und wenn man jetzt die Geschäftsgebühr aus dem Wert der Geschäftsgebühr anrechnen würde, wäre das mehr, als wenn von der Hauptforderung noch ein kleiner Rest geblieben wäre.

    Aber bestimmt gibt's dafür auch eine juristisch ausgefeiltere Erklärung.


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  • Die Voraussetzung für die Anrechnung ist doch (neben dem ganzen §15a-Brimborium), daß
    1. ein Gegenstand ins gerichtliche Verfahren übergeht, für den
    2. vorgerichtlich bereits eine GG entstanden ist.

    Hier ist schon gar keine vorgerichtliche GG entstanden. Deshalb kann auch keine angerechnet werden. Ich sehe nicht, wofür man da eine ausgefeilte Erklärung braucht.

  • Ich sehe nicht, wofür man da eine ausgefeilte Erklärung braucht.


     Nicht so schroff, Adora Belle. Der Weg ist doch das Ziel! :D Dafür gibt's doch ein Forum, wo man Gedanken austauschen kann und nicht nur mit Entscheidungen um sich wirft. Für Letzteres gibt's ja (zugegeben: kostenpflichtig) auch andere Angebote.

    Die Voraussetzung für die Anrechnung ist doch (neben dem ganzen §15a-Brimborium), daß
    1. ein Gegenstand ins gerichtliche Verfahren übergeht, für den
    2. vorgerichtlich bereits eine GG entstanden ist.


    Deshalb war mein Gedankengang auch nicht richtig, weil die außergerichtliche GG denknotwendig nicht "über sich selbst" entstehen kann. Die Gegenstandsgleichheit fehlt.

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  • Oh, sorrysorrysorry. Das sollte nicht schroff rüberkommen. Ich denke nur, es krankt manchmal an so verschwurbelter Denkerei. Und ein bissel Pragmatismus hilft. Für mich kommt immer erstmal das Gesetz. Und dann ne Weile gar nix, und dann Grübeln, bevor ich mich um Kommentare und Entscheidungen kümmere. Und hier ist bei Gesetz schon Schluß. :cool:

    Weil, genau - für diesen Gegenstand ist keine GG entstanden.

  • Es geht mir auch nicht darum, nur mit Entscheidungen herumzuwerfen, obwohl - Besseres gibt es als Argument wohl kaum (neben dem Gesetz!).
    Mir geht es vielmehr darum, dass ich weiß, es gibt eine solche Entscheidung, ich habe sie schon mal gelesen, dummerweise nicht notiert und nun stinkt mir das, dasse wech is... :mad:

  • Ich habe sie leider nach wie vor nicht... :(

  • Hier passt mein Problem ganz gut:
    im ursprünglichen Hauptsacheverfahren (Abmahnverfahren Urheberrechtsverletzung) wurde u.a. auch die darauf entfallende Geschäftsgebühr i.H.v. ca. 850.- € und ein Schadensersatz von ca. 650.- € beziffert und geltend gemacht, jedoch dort nicht mit eingeklagt.
    Über diesen Betrag von ca. 1500.- € wurde anschließend Mahnverfahren durchgeführt, nach Widerspruch und Klage haben sich die Parteien geeinigt und es wurde ein Vergleich protokolliert, im dem unter anderem auch 507,50 € Anwaltskosten tituliert sind und inzwischen auch bezahlt wurden.
    Wenn jetzt wegen "verschiedener Gegenstand" und "hierauf keine Geschäftsgebühr angesetzt" keine Anrechnung erfolgt - erhält dann letztendlich nicht der Anwalt "zu viel"?
    Hätte er die Geschäftsgebühr als Nebenforderung bei der ursprünglichen Abmahnsache mit eingeklagt, müsste er anrechnen und würde daher grob gerechnet nur eine halbe Geschäftsgebühr erhalten - so macht er sie als Hauptsache in voller Höhe geltend, erhält sie evtl. ganz und hierauf auch noch eine (ungekürzte) Verfahrensgebühr, nachdem er auch bei er ursprünglichen Hauptsache (Abmahnverfahren Urheberrecht) schon seine Verfahrensgebühr evtl. ungekürzt erhalten hat....

    Du hast nur ein Leben - aber wenn Du es richtig gemacht hast, reicht das auch ... Indra

  • Nachdem im ersten Verfahren die GG nicht geltend gemacht wurde, ist im KFV vermutlich die volle Verfahrensgebühr festgesetzt worden. Jetzt hätte bei Nachforderung der GG die Anrechnung erfolgen müssen. Das ist offenbar nicht passiert, damit muss man jetzt leben.

    Es mag zwar sein, dass in der zweiten Hauptsache zuviel tituliert wurde, aber das ist nicht durch dich im Rahmen der Festsetzung zu korrigieren.

  • Hier helfen evtl. die Ausführungen des BGH (AGS 2013, 95 = Rpfleger 2013, 236) zur Rechtsmißbräuchlichkeit getrennter Rechtsverfolgung und die Beachtung dieses Einwandes im KfV weiter. Aber offenbar wird ein solcher Einwand nicht vorgebracht, oder?

    In der Sache selbst wäre es möglicherweise noch vertretbar, den Unterlassungs- und Schadensersatzanspruch getrennt geltend zu machen. Die anteilig geltend gemachte GG wäre aber zumindest nicht streitwerterhöhend gewesen (anders: wenn sie gleich voll geltend gemacht worden wäre, ein Teil des Hauptgegenstandes Unterlassung oder Schadensersatz aber nicht anhängig wäre - dann würde sie zumindest anteilig streitwerterhöhend wirken, vgl. BGH, FamRZ 2009 = AGS 2009, 344 sowie Beschl. v. 08.04.2013 - V ZR 231/12). Das hätte zur Folge, daß der Streitwert auch entsprechend geringer gewesen wäre. Die insoweit entstandenen Mehrkosten bei Gericht und Anwalt (inkl. der dann gebotenen Anrechnung) könnte dann als rechtsmißbräuchlich angesehen werden, wenn kein sachlicher Grund der getrennten Verfolgung glaubhaft gemacht werden kann.

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  • Hier helfen evtl. die Ausführungen des BGH (AGS 2013, 95 = Rpfleger 2013, 236) zur Rechtsmißbräuchlichkeit getrennter Rechtsverfolgung und die Beachtung dieses Einwandes im KfV weiter. Aber offenbar wird ein solcher Einwand nicht vorgebracht, oder?

    Nein, leider (oder zum Glück:)nicht) - es geht in der Akte selbst wieder einmal um die Anrechung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr - die Gegenseite ist im Erinnerungsverfahren empört, dass hier eben keine Anrechung erfolgt ist: es ist zwar die geltend gemachte Geschäftsgebühr im Vergleich tituliert - aber da diese hier ja als Hauptforderung eingeklagt wurde, erfolgt eben keine Anrechnung...
    Unterm Strich finde ich das auch ungerecht, denn so gibt es eben beides: (volle) Geschäftsgebühr und hierauf wieder volle Verfahrensgebühr - aber der § 15a RVG und die Kommentare sind da recht eindeutig...
    Die Entscheidung selbst kann ich leider nicht abrufen, nur die Kurzfassung im beckblog.

    Du hast nur ein Leben - aber wenn Du es richtig gemacht hast, reicht das auch ... Indra

  • Du brauchst doch nur der automatischen Verlinkung zu folgen und dort beim BGH einsehen.

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

    "Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten." Herrmann Kant in einem Fernsehinterview

  • Danke, jetzt hat es geklappt:oops: wobei ich mich aber schon frage, wie das mit der Zweckmäßigkeits- bzw. Unbilligkeitsprüfung (Rdnr. 21 ff der Entscheidung) im "einfachen und zügig zu bearbeitenden Kostenfestsetzungsverfahren" geklärt und entschieden werden soll... Es ist für mich immer wieder erstaunlich, wenn im Gesetz etwas eigentlich ziemlich klar geregelt ist (so wie hier beim 15a RVG) und dann kommt über so ein "Hintertürchen" ein ganz anderes Ergebnis raus...

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