Verteilungsverfahren ja oder nein

  • Meine Kollegin hat die erste Annahme in ihrer HL-Zuständigkeit vollzogen und folgende "Sachen" in meiner Vertretung angenommen:

    mehrere Pfändungsbeschlüsse sowie die Anzeige eines Forderungsübergangs auf Grund eines Schreibens der Arbeitsagentur.

    Ich habe dann munter begonnen, mir Nachweise und eine übersichtliche Gläubigerliste vom Hinterleger (=Arbeitgeber des Schuldners) zu besorgen.

    Dabei hat sich herausgestellt, dass die Arbeitsagentur doch keinen Übergang mehr geltend macht und aus dem Kreis der Beteiligten ausgeschieden ist.

    Nun haben sich - nach weiteren Gläubigerverzichten - die verbliebenen beiden Gläubiger geeinigt.

    Gerade will ich die auszahlen, da überlege ich, ob ich nicht eigentlich eine Hinterlegung nach § 853 ZPO habe und ins Verteilungsverfahren überleiten müsste.:eek:

    Eine entsprechende Anzeige nach § 872 ZPO ist natürlich nicht erfolgt. Eine Abtretung habe ich auch nicht dabei.

    Allerdings ist die Zuständigkeit für das Verteilungsverfahren bei uns nicht geregelt. Der Geschäftsleiter meinte, dass da wohl die Hinterlegungsstelle auch für zuständig wäre. :(

  • Das Geld reicht nicht aus, aber die verbleibenden Gläubiger haben sich geeinigt.Kann ich die Anzeige selbst aufgeben oder muss ich den Drittschuldner dazu anhalten ?

  • [FONT=&quot]Der Drittschuldner muss die Anzeige unbedingt selbst machen und der Anmeldung die Pfüb´s beifügen. Adressat ist das Gericht, das den ersten Pfüb erlassen hat.

    Wenn bei Lohnpfändungen dann weiter hinterlegt wird, ist es sinnvoll zwei Hinterlegungsscheine zu fertigen und den zweiten zum J-Verfahren weiterzuleiten.[/FONT]

  • Wenn sich doch nun alle verbliebenen möglichen Empfangsberechtigten geeinigt haben und übereinstimmende Erklkärungen vorgelegt haben, an wen ausgezahlt werden soll (haben sie das?), dann würde ich das Geld ohne weiteres entsprechend auszuzahlen. §§ 853, 872ZPO sind für den Fall gedacht, dass keine Einigung vorliegt.

  • Normalerweise müssten die Verteilungsverfahren bei den Kollegen laufen, die auch die Zwangsversteigerungsverfahren bearbeiten. Macht auch Sinn, denn die Verfahren werden in das gleiche Register (Geschäftsstellenmäßig) eingetragen.

    Ich habe nämlich das Vergnügen HL und J-Verfahren zu bearbeiten.

    Wenn die anderen Gläubiger zu der Akte mitgeteilt haben, dass sie kein Geld haben wollen und die beiden Gläubiger, die Geld haben möchten sich geeinigt haben, sehe ich keinen Grund, warum die Sache nicht ohne Verteilungsplan ausgezahlt werden kann.

    Falls Sie ein Verteilungsverfahren machen möchten, kann ich Ihnen Muster zumailen, falls so etwas benötigt wird.

  • Ich halte auch kein Verteilungsverfahren mehr für nötig, wenn sich die möglichen Empfangsberechtigten geeinigt haben.
    Die Ansicht Eures Geschäftsleiters zur Zuständigkeit im Verteilungsverfahren halte ich aber für gewagt: Das Verteilungsverfahren gehört als besonderes Verfahren mit dem Aktenzeichen J xxx zu den Aufgaben des Vollstreckungsgerichts, es ist in ZPO nur nicht als solches bezeichnet, weil die Zuständigkeit gemäß §§ 827, 853, 854 ZPO nicht das aktuell zuständige VG sein muss, sondern immer das der ersten Pfändung. Es war mal im früheren Papierregister dasselbe Register wie Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, deshalb gehört es als eigenes Verfahren aber nicht automatisch zur K-Abteilung.
    Hinterlegungssachen sind auch nach den neuen Hinterlegungsgesetzen der Länder Verwaltungsangelegenheiten und werden unter HL xxx geführt, dahin gehört es also nicht.
    Wenn im Geschäftsverteilungplan nichts geregelt ist, muss es die arme Socke machen, die alle "nicht besonders zugewiesenen Angelegenheiten" machen darf.

  • Etwas Vorsicht ist aber noch geboten. Man weiß nie, ob der Drittschuldner alles mitgeteilt hat (und das habe ich auch nur selten erlebt). Der Drittschuldner ist dem Vollstreckungsgericht eine genaue Anzeige schuldig, nicht der Hinterlegungsstelle.
    Das Verteilungsverfahren ist das vom Gesetzgeber vorgesehene Verfahren. Es macht keinen Sinn, auf eigenes Risiko willkürlich Verfahren abzukürzen. In diesen Fällen hat die Hinterlegungsstelle nur die Aufgabe, das Geld bereitzuhalten.

  • Stimmt auch wieder, was manche Kleinunternehmer als Drittschuldner veranstalten, ist schon abenteuerlich. Wobei ich mich frage, ob nicht die (vollständige) Anzeige schon mit dem Hinterlegungsantrag vorgelegt werden muss, denn sonst gibt es doch gar keinen Hinterlegungsgrund...
    Er muss/darf unter Anzeige der Sachlage und Aushändigung der PfÜBse hinterlegen, das heisst für mich, ohne Anzeige keine AnnahmeAO.

  • Es muss aber doch einen Hinterlegungsantrag geben. Darin hat der Drittschuldner die möglichen Empfangsberechtigten angegeben. Darauf baue ich auf. Bei anderen HL-Gründen (unbekannte Erben, Sicherheitsleistung) habe ich auch nur den HL-Antrag und darüber hinaus keine Anzeige nach §§ 853, 872 ZPO. Ich bleibe daher dabei: Die Auszahlungsvoraussetzungen liegen jetzt vor. Wenn dann der Drittschuldner noch Empfangsberechtigte nachmeldet, ist das nicht meine Schuld.

  • Oh, am Freitag nachmittag noch solch eine lebendige Diskussion.:)

    Zitat aus MüKO, 3. A. 2007:

    Die vollständige Anzeige der Sachlage nach § 853 ist für die befreiende Wirkung der Hinterlegung konstitutiv. Hat der Drittschuldner die Anzeige versäumt, so kann er sie nachtragen. In seiner Anzeige hat der Drittschuldner die Mehrfachpfändung unter Aushändigung aller ihm zugestellter Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse, Angabe von Höhe und Art der Forderung (etwa monatliche Gehaltsforderung u. dgl. m.) sowie unter Vorlage des entsprechenden Schriftsatzes des Überweisungsgläubigers dessen Hinterlegungsverlangen vorzutragen.

    Demnach müsste doch zwingend die Anzeige erfolgen und das Verteilungsverfahren eingeleitet werden, damit Befreiung des Drittschuldners überhaupt eintritt, oder sehe ich das falsch ?

  • Aber wen interessiert das alles noch, wenn die Gläubiger sich hins. des vorhandenen Geldes geeinigt und i.ü. verzichtet haben ? Was kann dem Drittschuldner dann noch passieren?
    Solange kein Gl. es beantragt, ist der Drittschuldner nicht verpflichtet, den Weg des § 853 ZPO bis zum Ende zu gehen. ("... Drittschuldner ist berechtigt ..."). Wozu also noch Aufwand betreiben ?

  • [FONT=Verdana, sans-serif]Ist eine Geldforderung für mehrere Gläubiger gepfändet, so ist der Drittschuldner berechtigt (ggf. verpflichtet) den Schuldbetrag zu hinterlegen. Hat er hinterlegt und reicht der Geldbetrag nicht aus, tritt das Verteilungsverfahren ein. So lautet die gesetzliche Regelung (§§ 853, 872 ZPO).[/FONT]
    [FONT=Verdana, sans-serif]Die Hinterlegung ist in diesen Fällen ein Hilfsverfahren in der Zwangsvollstreckung. Weder die Gläubiger und noch viel weniger die Hinterlegungsstelle haben irgendwelche Gestaltungsrechte. [/FONT]
    [FONT=Verdana, sans-serif]Was den Aufwand angeht, er ist wirklich gering, wie die wissen, die Verteilungsverfahren hatten. Aber diese Frage stellt sich wohl denen nicht, die tatsächlich glauben, Gesetze seine dazu da angewendet zu werden.[/FONT]
    [FONT=Verdana, sans-serif]Hinterlegungen nach § 853 ZPO werden in aller Regel vom Drittschuldner beantragt, weil ihm der Überblick bei der Bedienung der mehreren Pfändungen allmählich verloren geht und er sowieso der Auffassung ist, dass sein Problem beim Gericht viel besser aufgehoben ist (wird auf Anfrage auch freimütig so bestätigt).[/FONT]
    [FONT=Verdana, sans-serif]Und falls es noch nicht aufgefallen ist, der Drittschuldner muss der Hinterlegungsstelle nur den Hinterlegungsgrund nachweisen, d. h. er muss weder alle Pfändungen noch alle Beteiligten benennen, denn die genaue Anzeige schuldet er nur und ausschließlich dem Gericht des Verteilungsverfahrens.[/FONT]

  • ...Und falls es noch nicht aufgefallen ist, der Drittschuldner muss der Hinterlegungsstelle nur den Hinterlegungsgrund nachweisen, d. h. er muss weder alle Pfändungen noch alle Beteiligten benennen, denn die genaue Anzeige schuldet er nur und ausschließlich dem Gericht des Verteilungsverfahrens.



    da ist was dran...

  • rusus Meinung #14 halte ich für falsch.
    Das Gesetz sieht Folgen vor, wenn sich Leute nicht einigen. Einigen sie sich, tritt das Gesetz zurück (von wenigen Fällen mal abgesehen).

    A, B usw. bis Z einigen sich, wer was bekommt. Die entsprechende Anzeige wird aber von der HL-Stelle ignoriert. Das soll richtig sein? Wenn ich mir § 22 Abs. 3 Ziffer 1 HinterlG NRW oder die entsprechende Vorschrift anderer Länder ansehe, kann das nicht richtig sein. Eine übereinstimmende Bewilligung aller reicht doch aus.
    Da brauche ich kein Verteilungsgericht nach §§ 853, 872 ff ZPO mehr.
    Das nach § 853 ZPO angerufene Verteilungsgericht geht natürlich streng nach Rangfolge vor und weist die HL-Stelle an, entsprechende Auszahlungen vorzunehmen. Demnach erhält so manch einer, was er nicht oder nicht in dieser Größenordnung haben will und zahlt den Überschuss an die anderen entsprechend der Einigung aus. Dieses merkwürdige Ergebnis soll richtig sein?

  • Natürlch hat die Hinterlegungsstelle eine Übereinkunft der Beteiligten nicht zu ignorieren. Sie hat sie an das Verteilungsgericht weiterzuleiten. Einigen sich die Gläubiger, hat das Verteilungsgericht die Auszahlung anzuordnen. (Im Stein-Jonas und im Münchner Kommentar kann dies in epischer Breite nachgelesen werden.)

  • Ich sehe es wie AKoehler und Gänseblümchen:

    Hier ist ein Verteilungsverfahren m.E. überflüssig. Wenn bereits eines laufen sollte, dann kann man sicherlich wie von rusu zuletzt vorgeschlagen verfahren, damit man nicht nur die HL sondern auch das Verteilungsverfahren "tot" bekommt.

    Ist ein Verteilungsverfahren noch nicht eingeleitet, würde ich als HL-Stelle aufgrund der übereinatimmenden Herausgabeerklärungen auszahlen.

    Ulf

    Alle Äußerungen hier sind als rein private Meinungsäußerung zu verstehen,
    sofern es bei den Beiträgen nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet wird.

  • [FONT=&quot]Mich würde mal die rechtliche Begründung interessieren, mit §§ und so, nicht mit einem „da halte ich eine Verteilungsverfahren mal für überflüssig“. Was ist die Begründung dafür, eindeutige gesetzliche Vorschriften zu ignorieren (z. B. . Das Verteilungsverfahren tritt ein, wenn bei der Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen ein Geldbetrag hinterlegt ist, der zur Befriedigung der beteiligten Gläubiger nicht hinreicht.). Ist es Ausfluss unsres Berufs, Vorschriften nach Gutdünken anzuwenden oder woher kommt die Befugnis? [/FONT]

  • rusu, ich habe den NRW-§ oben benannt.
    Dein wörtliches Zitat von § 872 ZPO lässt außer Betracht, dass sich die Gläubiger bei einer Masse, die nicht zur Befriedigung aller Ansprüche ausreicht, auf eine Befriedigung geringeren Niveaus geeinigt haben (Quote). Mit dieser Einigung reicht die Masse aus zur Befriedigung der Ansprüche und § 872 ZPO zieht nicht mehr. Wenn die Jungs nicht mehr haben wollen, als ihnen zusteht, sollte man sie lassen.

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