Rechtsanwalt als Betreuer im Vorverfahren

  • Hallo!

    Ich habe hier einen ganz interessanten Fall in einem Kostenfestsetzungsverfahren. Der Rechtsanwalt der Klägerin ist zudem deren Betreuer. Er hat sie sowohl im Vorverfahren als auch im nachfolgenden gerichtlichen Verfahren vertreten und obsiegt.

    Jetzt geht der Streit um die entstandenen Gebühren los. Ursprünglich hat der RA eine Geschäftsgebühr nach Nr.2400 (Vorverfahren) und eine Verfahrensgebühr nach Nr.3103 (Gerichtsverfahren) geltend gemacht. Auf meine Nachfrage, ob er im Vorverfahren nicht "nur" als Betreuer tätig war, hat er seinen Antrag korrigiert. Eine Geschäftsgebühr wird nicht mehr geltend gemacht, die Verfahrensgebühr dafür nach Nr.3102.

    Die Behörde sträubt sich dagegen und will nur eine Verfahrensgebühr nach Nr.3103 VV RVG erstatten. Aus ihrer Sicht ist der Sinn der Vorschrift - Vorkenntnisse zu berücksichtigen - hier erfüllt. Eine Geschäftsgebühr will sie auf keinen Fall erstatten (denn der RA soll ja "nur" als Betreuer aufgetreten sein).

    Ich bin unentschlossen. Auf der einen Seite konnte der Rechtsanwalt ja im gerichtlichen Verfahren über Vorkenntnisse verfügen - egal ob er zuvor als Betreuer oder Rechtsanwalt tätig geworden ist. Auf der anderen Seite könnte man Nr.3103 VV RVG so verstehen, als dass dort mit "Tätigkeit" eine "rechtsanwaltliche Tätigkeit" gemeint sein könnte. Immerhin sind wir dort im RVG.

    Ideen? Meinungen? Anregungen?

  • Das ist `ne schöne Konstellation.
    Man kann das sicher in beide Richtungen auslegen. ich würde mich hier an den genauen Wortlaut der Kommentiereung (Gerold/Schmidt, RVG-Kommentat, 17. Auflage, VV 3103, Rn. 2) halten: "Für das gerichtliche Verfahren ist somit eine Verfahrensgebühr mit einem niedrigeren Rahmen für den Fall vorgesehen, dass der RA bereits ...... in einem dem gerichtlichen Verfahren vorausgegangenen ...... -verfahren tätig geworden ist."
    Wenn der Betreuer/RA nun auf die Geschäftsgebühr verzichtet und angibt, im Vorverfahren nur als Betreuer gehandelt zu haben, war er ja dort nicht als RA sondern lediglich als gerichtlich bestellter Vertreter (analog einer Privatperson) tätig und somit dürfte er jetzt die VV 3102 kassieren können.
    Die Behörde kommt auf alle Fälle günstiger, als wenn sie die Geschäftsgebühr noch mit zahlen müsste. Ich würde das so festsetzen und dann mal schauen. Ein RM wirst du sowieso kassieren.

  • M.E. ist entscheidend wie der Rechtsanwalt auftritt. Ein Kostenrichter bei uns hat dazu umfangreiche Ausführungen gemacht (SG Berlin, Beschluss vom 6.12.2010 - S 180 SF 2185/09 E - in http://www.sozialgerichtsbarkeit.de). Möglicherweise ist der Sachverhalt bei Garfield ähnlich.

    Die Frage, ob ein Anwalt, der vorgerichtlich lediglich als Betreuer tätig geworden ist zutreffend nach Nr. 3102 VV RVG abrechnen kann oder nach Nr. 3103 VV RVG abrechen muss wird m.E. in der Entscheidung nicht abschließend beantwortet.
    Wie Garfield und beldel gehe ich davon aus, dass mit der vorausgegangenen Tätigkeit im Sinne von Nr. 3103 VV RVG nicht jedwede Tätigkeit, sondern eine solche als Anwalt gemeint ist.

  • Hilft euch vielleicht das hier:

    http://www.forum-sozialhilfe.de/phpBB3/viewtop…&p=20199#p20199

    Anwalt beantragte Geschäftsgebühr gem. Nr. 2400 VV-RVG von 240,00 EUR, während Bekl. 150 EUR nach Nr. 2401 festgesetzt hat. Der Bekl. stellt darauf ab, dass in analoger Anwendung des Beschlusses des Hessischen LSG vom 25.5.09, L 2 SF 50/09, zu berücksichtigen sei, dass eine reduzierte Gebühr anzusetzen sei, wenn ein innerer sachlicher und zeitlicher Zusammenhang mit der Tätigkeit im Verwaltungsverfahren besteht. Hierzu sei es nicht erforderlich, dass das Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) bereits abgeschlossen sei. Der Bekl. ist der Ansicht, dass vorliegend ein innerer sachlicher und zeitlicher Zusammenhang der Tätigkeit als Betreuerin im Verwaltungsverfahren und der Einlegung des Widerspruchsverfahrens in der Funktion als Rechtsanwältin unmittelbar vorhanden sei, weshalb von einer Vorbefassung auszugehen sei, so dass eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2401 in Höhe der Mittelgebühr anzusetzen sei.

    Die Klage ist unbegründet.

    Zwar hat die Kl. nach der Berechnung der Kammer sogar einen geringeren als vom Bekl. festgesetzten Anspruch auf Kostenerstattung, aufgrund des Verbots der reformatio in peuis ist die Kl. im Ergebnis jedoch vor einer niedrigeren Kostenerstattung geschützt (vgl. BSG, Urteil 9.12.10, Az.: B 13 R 63/09 R, Rn. 20).

    Gem. Nr. 2400 beläuft sich die Geschäftsgebühr zwischen 40,00 EUR bis 520,00 EUR. Eine Gebühr von mehr als 240,00 EUR kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Gem. Nr. 2401 ist eine Gebühr zwischen 40,00 EUR bis 260,00 EUR festzusetzen, wenn eine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren vorausgegangen ist. Die Gebühr nach Nr. 2400 für das weitere der Nachprüfung des VA dienende Verwaltungsverfahren beträgt 40,00 EUR bis 260,00 EUR. Gemäß Nr. 2401 Abs. 2 kann eine Gebühr von mehr als 120,00 EUR nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war.

    Zwar ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die Prozessbevollmächtigte zunächst im Vorverfahren als Betreuerin tätig gewesen ist und erst das Widerspruchsverfahren im Rahmen ihrer Anwaltstätigkeit hat. Jedoch ist bei der Festsetzung der Gebühren zu berücksichtigen, dass der Prozessbevollmächtigten ihre vorangegangene Tätigkeit als Betreuerin die Tätigkeit im Widerspruchsverfahren durchaus erleichtert hat, denn sie war durch ihre Tätigkeit als Betreuerin im Vorverfahren bereits mit dem Sachverhalt vertraut.

    Nach Ansicht der Kammer ist die Festsetzung der Gebühr nicht zu beanstanden, da sich auch aus der Gesetzesbegründung zum RVG ergibt, dass die Arbeitserleichterung aufgrund der Vertrautheit mit dem Sachverhalt zu einem geringeren Arbeitsaufwand führt, der die Festsetzung einer verminderten Gebühr rechtfertigt. Der Gesetzgeber hat hierzu ausgeführt, dass der durch die vorangegangene Tätigkeit ersparte Aufwand ausschließlich durch die Anwendung des geringeren Rahmens und nicht mehr bei der Bemessung der konkreten Gebühr berücksichtigt werden soll (s. hierzu auch: BSG, Urteil 25.2.10, Az.: B 11 AL 24/08 R, Rn. 20).

    Da vorliegend ein Fall der Personenidentität von Betreuerin und Prozessbevollmächtigten vorliegt, muss die Prozessbevollmächtigte sich im Rahmen des Widerspruchsverfahrens zurechnen lassen, dass sie aufgrund der Vertrautheit mit dem Sachverhalt einen geringeren Arbeitsaufwand als ein Prozessbevollmächtigter hätte, der erst im Rahmen des Widerspruchsverfahrens mit dem Verfahren betraut wird.

    Die Kammer teilt nicht die vom SG Berlin vertretene Auffassung, wonach die Gebühr nach Nr. 2400 festzusetzen sei. Das SG Berlin hat ausgeführt, dass zwar das Abstellen auf die Gebühr den Gebührentatbestand nach Nr. 2401 für den Fall, dass der Rechtsanwalt zuvor im Rahmen seiner Tätigkeit als Betreuer mit dem Vorverfahren befasst wird, zwar durch den Sinn und Zweck der Regelung gestützt werde, der darin läge, dass die verminderte Gebühr aufgrund von Arbeitserleichterung und Synergieeffekten festzusetzen sei. Zwar könne vordergründig ein solcher Synergieeffekt auch bei einer vorausgegangenen Tätigkeit als Betreuer gesehen werden. Allerdings könne diese Ansicht nicht überzeugen, denn bei näherer Betrachtung seien die in der Eigenschaft als reiner Betreuer vorgenommenen Tätigkeiten nicht solche, die eine Vorbefassung iSd Nr. 2501 a.F. [jetzt: 2401] begründen. Bei einer reinen Mitwirkung als Betreuer in einem Verwaltungsverfahren fehle es regelmäßig an jeglicher Auseinandersetzung mit der Rechtslage, wie sie ein mit dem Verwaltungsverfahren beauftragter Rechtsanwalt zu leisten hat. Der Betreuer nehme vielmehr Handlungen vor, die jeder andere unvertretene Beteiligte vornehmen könne. Es handele sich also um keine spezifisch anwaltlichen Tätigkeiten, wie hier das Ausfüllen und Übersenden eines Antragsvordruckes. Zudem könne nicht ohne weiteres angenommen werden, der entscheidungserhebliche Sachverhalt sei dem Betreuer bereits durch die Tätigkeit im Verwaltungsverfahren bekannt. Denn grundsätzlich könne der maßgebliche Sachverhalt erst dann bestimmt und erfasst werden, wenn eine vorhergehende Beschäftigung mit der Rechtslage stattgefunden habe. Eine solche Vorbefassung in rechtlicher Hinsicht könne auch ein Betreuer, der Rechtsanwalt ist, häufig selbst dann nicht leisten, wenn er mit der einschlägigen Rechtsmaterie vertraut sei. Eine bloße Mitwirkung als Betreuer in einem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren vermittele also nicht annähernd so viele Kenntnisse der Sach- und Rechtslage, wie das bei einem zuvor beauftragten Rechtsanwalt regelmäßig der Fall ist. Diese, je nach Fall, geringe oder gänzlich fehlenden Synergieeffekte könnten daher nicht die Anwendung des geringeren Gebührenrahmens rechtfertigen (SG Berlin, Beschluss 26.7.10, Az.: S 180 SF 1443/09 E).

    Die Kammer teilt diese Auffassung u.a. deshalb nicht, weil vorliegend die Beteiligten über die Übernahme der KdU für den Monat Juli 2009 stritten. Zu diesem Zeitpunkt war die Kl. bereits aus der Wohnung ausgezogen. Ein Nachmieter wurde allerdings erst zum August 2009 gefunden. Der Sachverhalt wurde von der Prozessbevollmächtigten im Rahmen des Vorverfahrens vorgetragen. Aus diesem Grund ist nicht ersichtlich, dass der Prozessbevollmächtigten aufgrund der Vertrautheit mit dem Sachverhalt nicht Synergieeffekte iSd Vorschrift 2401 entstanden sind. Aufgrund der Personenidentität von Betreuerin und Prozessbevollmächtigten ist die Kammer der Ansicht, dass sich die Festsetzung der Gebühr nach Nr. 2401 richtet. Hierfür spricht neben den entstandenen Synergieeffekten des Weiteren auch, dass die Prozessbevollmächtigte für ihre Tätigkeit als Betreuerin eine Vergütung nach §§ 4 ff VBVG erhält.

    Nach Ansicht der Kammer wäre die Gebühr in Höhe der Schwellengebühr von 120 EUR festzusetzen gewesen. Nach dem Wortlaut der Regelung kann eine Gebühr von mehr als 120 Euro nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Da die Tätigkeit sowohl hinsichtlich des Umfangs als auch der Schwierigkeit einer durchschnittlichen Tätigkeit entsprachen, wäre die Festsetzung der Gebühr in Höhe der Schwellengebühr angemessen (vgl. zur Höhe der Gebühr 2501 VV RVG a.F.: BSG, Urteil 25.2.10, Az.: B 11 AL 24/08 R, Rn. 25).

    Da bisher lediglich eine Entscheidung zur Frage der Vergütung eines im Vorverfahren auftretenden Rechtsanwaltes als Betreuer erging, wird die Berufung nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

    Helga

  • Teilzitat aus Vorbeitrag:
    "Zwar ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die Prozessbevollmächtigte zunächst im Vorverfahren als Betreuerin tätig gewesen ist und erst das Widerspruchsverfahren im Rahmen ihrer Anwaltstätigkeit hat. Jedoch ist bei der Festsetzung der Gebühren zu berücksichtigen, dass der Prozessbevollmächtigten ihre vorangegangene Tätigkeit als Betreuerin die Tätigkeit im Widerspruchsverfahren durchaus erleichtert hat, denn sie war durch ihre Tätigkeit als Betreuerin im Vorverfahren bereits mit dem Sachverhalt vertraut.

    Nach Ansicht der Kammer ist die Festsetzung der Gebühr nicht zu beanstanden, da sich auch aus der Gesetzesbegründung zum RVG ergibt, dass die Arbeitserleichterung aufgrund der Vertrautheit mit dem Sachverhalt zu einem geringeren Arbeitsaufwand führt, der die Festsetzung einer verminderten Gebühr rechtfertigt. Der Gesetzgeber hat hierzu ausgeführt, dass der durch die vorangegangene Tätigkeit ersparte Aufwand ausschließlich durch die Anwendung des geringeren Rahmens und nicht mehr bei der Bemessung der konkreten Gebühr berücksichtigt werden soll (s. hierzu auch: BSG, Urteil 25.2.10, Az.: B 11 AL 24/08 R, Rn. 20).

    Da vorliegend ein Fall der Personenidentität von Betreuerin und Prozessbevollmächtigten vorliegt, muss die Prozessbevollmächtigte sich im Rahmen des Widerspruchsverfahrens zurechnen lassen, dass sie aufgrund der Vertrautheit mit dem Sachverhalt einen geringeren Arbeitsaufwand als ein Prozessbevollmächtigter hätte, der erst im Rahmen des Widerspruchsverfahrens mit dem Verfahren betraut wird."

    Zu den verwandten Begrifflichkeiten:
    Das Ausgangsverfahren wird gemeinhin als solches bezeichnet und das Widerspruchsverfahren als Vorverfahren.

    Die Entscheidung überzeugt m.E. nicht. Ist bekannt ob gegen die Entscheidung Berufung eingelegt worden ist?
    Ersetzt Anwalt als Betreuer durch Anwalt als netter Nachbar (möglicherweise auch nur im Hintergrund tätig) und die Entscheidung (welchen Gerichts eigentlich?) verliert m.E. weiter an Überzeugungskraft.

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