Rückgabe Testament und Testierfähigkeit

  • Da ich diese Woche für alles mögliche Vertretung machen musste, war auch eine Nachlasssache dabei. Jemand wollte ein notarielles Testament aus der amtlichen Verwahrung nehmen.

    Wie prüft ihr in solchen Fällen die Testierfähigkeit? Ich hatte ehrlich gesagt, einige Zweifel. Der Herr erschien nämlich in Begleitung einer Frau ("Ich bin nur die Fahrerin."), die quasi das Wort führte. Er hat alles brav abgenickt.

    In dem Fall war es so, dass das Testament erst zwei Wochen alt ist. Da habe ich mir gesagt: Der Notar musste ja auch die Testierfähigkeit prüfen. Und dass die in zwei Wochen verloren geht, ist relativ unwahrscheinlich. Andererseits, wenn sie bei Abfassung des Testaments nicht vorhanden war, dann habe ich durch die Rückgabe nur den ursprünglichen Zustand wieder hergestellt.

    Wie gesagt, wenn das Testament wesentlich älter gewesen wäre, hätte ich große Bedenken gehabt, das Testament rauszugeben.

  • Hm, ich habe immer ein nettes Gespräch mit den Leuten geführt ... über dies und das, über das Testament, ob ein neues gemacht wird... Und wenn ich das Gefühl hatte, die Leute können mir folgen und reden nicht nur dummes Zeug, hab ich die Testamente zurückgegeben.

  • Ich habe immer versucht, mit dem Testator bzw. der Testatorin selbst ein Gespräch zu führen. Wenn jemand immer dazwischen quatscht, hab ich die Person gebeten, den Raum zu verlassen. Hat manchmal zu Murren geführt, aber ist immer befolgt worden. Wie dann auf einmal die Leute redselig geworden sind, wenn sie allein waren.

    Vielleicht stand er ja unter Druck von dieser Frau und sollte nur sein Testament zu ihren Gunsten so ändern, damit keiner nix mitbekommt.

  • In solchen Fällen schicke ich die "Begleiter" immer hinaus und verhandle mit dem Testator alleine. Durch gezielte Nachfragen im Hinblick auf Geburtsdatum, Geburtsort, Familienverhältnisse und Urkundsnotar kann man sich schon einen gewissen ersten Eindruck verschaffen. Des weiteren belehre ich eingehend darüber, dass das notarielle Testament durch die Rücknahme aus der besonderen amtlichen Verwahrung unwirksam wird und frage mehrmals nach, ob diese auf dem Testament ausdrücklich zu vermerkende Widerrufswirkung gewünscht sei. Zu diesem Zweck kann man den Inhalt des Testaments nach erfolgtem Öffen des Verwahrungsumschlags kurz zusammenfassen und fragen, was denn daran nicht mehr in Ordnung sei.

    Was mir am vorliegenden Fall besonders "spanisch" vorkommt, ist die Tatsache, dass ein mit nicht unerheblichen Kosten verbundenes notarielles Testament bereits nach zwei Wochen wieder widerrufen werden soll. Das ist ohne weiteres Hintergrundwissen einfach nicht plausibel.

    Wenn man Zweifel an der Testierfähigkeit hat, gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder man verweigert die Rückgabe und lässt es auf ein Beschwerdeverfahren ankommen. Oder man gibt das Testament zurück, vermerkt im Rückgabeprotokoll oder in einem Aktenvermerk die bestehenden Zweifel und fertigt für die Akten eine Kopie des Testaments, damit sein Inhalt nicht "verloren geht".

  • ich habe folgenden problematischen Fall:

    Die Antragstellerin hat bei einem Nachlassgericht in einem anderen Bezirk sowie hier jeweils ein Testament in der Verwahrung.

    Nunmehr ruft die Testatorin an und ist der Überzeugung nie ein Testament gemacht zu haben. Es ist alles eine Lüge, die Testamente sind gefälscht usw. und so fort.

    Dabei handelt es sich um notarielle Testamente. Ich habe erhebliche Zweifel an der Testierfähigkeit. Auch die Tochter der Antragstellerin hat mit versichert ihre Mutter zu den Beurkundungen begleitet zu haben bzw., dass sie bei der Beurkundung im Hause der Testatorin persönlich zugegen war. Zudem teilte die Tochter mit, dass der Hausarzt eine leichte demente paraniode Persönlichkeitsstörung festgestellt hat.

    Ich habe im Ergebnis erhebliche Zweifel an der Testierfähigkeit. Nunmehr will die gute Dame natürlich ihre "gefälschten Testamente" zurück haben. Die Dame ist nicht mehr mobil und ich müsste zur Rückgabe zu ihr "hinausfahren". Die Rückgabe will ich dann ggf. verweigern. Inwiefern sieht es diesbezüglich mit dem möglichen Rechtsmittel der Dame und ggf. einer Begutachtung durch einen Amtsarzt aus?

    Inwiefern läuft dieses Verfahren nunmehr ab? Hat jemand einen ähnlichen Fall schon erlebt?

    Danke für die Hilfe

  • Ich habe mal etwas recherchiert und bin dabei auf die Entscheidung des OLG Hamm: Beschluss vom 01.08.2012 - I-15 W 266/12 gestoßen.

    Leitsatz: Die Rückgabe eines gemeinschaftlichen Testaments aus der amtlichen Verwahrung kann nur auf einen Antrag beider Eheleute unter der weiteren Voraussetzung erfolgen, dass diese bei Antragstellung geschäftsfähig sind.

    Mir geht es eigentlich nur um den Ablauf des Verfahrens, da der Sachverhalt nur bedingt zu meinem oben genannten passt.

    Die gute Dame ist ja nicht mehr mobil, das heißt, dass ich mich zu ihr begeben müsste. In dem Protokoll, dass ich dann Aufnehme würde ich dann ja festhalten, dass ich Zweifel an der Geschäftsfähigkeit der Testatorin habe und die Rückgabe verweigere.

    1.) Inwiefern komme ich denn in diesem Verfahren nun zum Zurückweisungsbeschluss nach § 58 FamFG ? Müsste ich hoffen, dass die Dame nach meiner Verweigerung ihr das Testament auszuhändigen Einwendungen (Rechtsmittel) erhebt und müsste ich diese im Protokoll festhalten und im Anschluss daran den Zurückweisungsbeschluss erlassen und ihr diesen dann zustellen?

    2.) In welchem Stadium ist die Geschäftsfähigkeit durch bspw. den Amtsarzt zu prüfen? Schon vor Zurückweisung der Rückgabe (also vor Erlass des Zurückweisungsbeschlusses oder erst im anschließenden Beschwerdeverfahren.

    Danke für die Hilfen

  • Wie ist das Ganze denn entstanden? Wer hat der Dame gesagt, dass sie Testamente gemacht hat?

    Telefonisch bekommt bei mir niemand eine Auskunft - ob und ggf wie viele Testamente hinterlegt sind. Ich habe schon häufig erlebt, dass Leute total vergessen haben, jemals ein Testament errichtet zu haben, da wurde auch angezweifelt, jemals bei einen Notar gewesen zu sein. Alle waren geschäftsfähig und haben es nur vergessen. Als sie nach der Rücknahme das Testament gelesen haben, fiel ihnen wieder ein. Waren meistens unangenehme Dinge, Streit mit Verwandten, Scheidung etc. Das verdrängt man gerne.
    Wenns weiter nichts ist, als Leugnung, je ein Testament gemacht zu haben, ist das allein noch kein Hinweis auf eine Testierunfähigkeit.

  • Sie hat das Testament - eine Abschrift - in ihrem Schrank entdeckt. Daraufhin rief sie an und kam vorbei. Ich habe das Testament zusammen mit ihr eingesehen. Sie bestreitet vehement, dass es von ihr gemacht wurde. Auch das Vorhandensein des Testaments im Nachbargericht wird bestritten. Alles Betrug, Lüge usw. Auch ein von ihr gestellter Erbscheinsantrag nach ihrem vorverstorbenen Mann, der sich bei den hiesigen Akten befindet, wird bestritten. Den hätte sie auch nie gestellt. Wie gesagt, die gute Dame ist laut Arzt krank (senile, paranoide Persönlichkeitsstörung). Nur ich kann schlecht einschätzen, ob die gute Dame geschäftsfähig ist oder nicht. Sie ist zeitlich und örtlich voll orientiert. Erkennt Zusammenhänge usw.. Ich habe aber Zweifel aufgrund des Sacherhaltes.

    Im Palandt/Edenhofer bspw. steht in § 2229 BGB Rn 9, der sich mit der der Frage der Testierfähigkeit bei Testamentserrichtung befasst, dass ein solch paranoider Verfolgungswahn, wie ihn die Dame hat, den Erblasser testierunfähig macht, wenn die Wahnideen seine Motive so beeinflussen, dass seine Willensbildung unfrei war. Ihre Wahnidee, dass die Notare etwas ohne ihr Zutun gefälscht hätten und lügen, beeinflussen die Dame ja dahingehend, dass Sie die Testamente aus der amtlichen Verwahrung nehmen möchte. Insoweiit müsste man dies doch anaolog auf den Sachverhalt anwenden können, oder ??

  • Mal angenommen ihr hättet auch Zweifel - ob berechtigt, oder nicht - wie würdet ihr weiter Vorgehen, wenn die Dame weiterhin auf die Herausgabe pocht. Mir geht es gar vordergründig gar nicht darum, dass wer beurteilen soll, ob sie testierfähig ist, sondern um den Ablauf des Verfahrens, wenn man - so wie ich - die Herausgabe grds. erst einmal verweigern will.

    Vielleicht gibt es ja noch nen paar Hinweise/Tipps/Hilfen eurerseits..

    Danke

  • Wenn ich Zweifel habe (bei Testamentserrichtung oder Rückgabeverlagen von Erbverträgen, die ich verwahre), bitte ich um Vorlage eines nervenärztlichen (oder wie immer das heute heißt) Gutachtens über die Testierfähigkeit.

    Wenn ich eines bekomme, nehme ich es zu den Akten (bzw. bei Testmentserrichtung wird das Gutachten mit verlesenund kommt dann als Anlage zur Urschrift - das ist hilfreich, wenn es nach Eintritt des Erbfalls Streit um die Frage der Testierfähigkeit gibt). Wenn ich keines bekomme, lehne ich meine Amtstätigkeit ab und weise auf die Rechtsmittel hin.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Bei der nun geschilderten Sachlage würde ich Herausgabe ablehnen. Sie kann Rechtsmittel einlegen und wird das vermutlich auch tun.
    Persönlich würde ich ihr raten, sie soll einfach selbst ein neues Testament schreiben, alles frühere darin widerrufen und schreiben was nun gelten soll. Das beruhigt manchmal, als Nachlassgericht hat man allerdings später den schwarzen Peter.

  • ja, die Rückgabe will verweigern. Nur wann muss ich bzw. muss ich überhaupt eine ärztliches Gutachten einholen und wenn ja, wann?

    Da die Dame nicht mehr mobil ist, werde ich ihr mitteilen, dass sie schriftlich die Rückgabe beantragen soll. Damit ich einen Antrag habe, den ich zurückweisen kann. Aber diesen muss ich ja schließlich auch begründen. Würdet ihr - sofern sie einen Antrag stellt - vorab eine Bescheinigung ihres Hausarztes verlangen, der bestätigen soll, dass keine Bedenken vorliegen oder erst im Anschluss an ein Rechtsmittel, das sicherlich eingelegt wird?

  • Ich halte in diesem Fall nichts von einer Bescheinigung eines Hausarztes. Auch ein Gutachten sehe ich kritisch.
    In dem Moment der Rückgabe bin ich Beurkundungsperson, und die Testierfähigkeit muss in dem Moment vorliegen. Es gibt ja Krankheiten - gerade Demenz gehört ja dazu - wo es mal besser und mal schlechter aussieht und nicht immer gleich ist. Was nützt es mir, wenn die Person beim Hausarztbesuch mehr oder weniger klar ist, bei der Rückgabe aber wiederum nicht?

    Gut wäre es, wenn man ein Gutachten hat, in dem die Frage der Rückgabe direkt angesprochen wird. Also nicht nur die Testierfäigkeit bescheinigt, sondern auch ein kurzes Gespräch über die Testamente geführt wird.

    Auf jeden Fall würde ich einen sehr ausführlichen Vermerk hinterlassen, warum ich nicht zurückgegeben habe, worüber man gesprochen hat, was die Dame so geäußert hat. Damit macht man es dem Nachfolger leichter, falls sie die Testamente privatschriftlich widerruft.

    Wir taumeln durch die Straßen, so als wären wir jung und schön.

  • danke erst einmal....

    Also würdest du auf den schriftlichen Antrag hin die Rückgabe verweigern (unterstellt du hättest ebenfalls berechtigte Zweifel) und dann einen Zurückweisungsbeschluss machen?

    In welchem Zeitpunkt würdest du die Vorlage eines Gutachten anfordern/beschließen? Im Rahmen eines eventuellen Rechtsmittels gegen die nichterfolgte Rückgabe? Und wäre für dieses Gutachten ggf. der Arzt, der im Rahmen der hiesigen Betreuungsabteilung Gutachten fertigt, auszuzählen?

  • Da ich schon lange keinen Nachlass mehr mache, kann ich das nicht genau sagen.
    Ich hatte immer das Glück, kein RM zu bekommen und auch keinen förmlichen Beschluss machen zu müssen, wenn ich die Rückgabe verweigert habe.
    Kam auch selten vor (2 - 3 x), wurde dann aber akzeptiert. In den Fällen der Verweigerung weil nur ein Ehegatte erschien (kam öfter vor, 1 x kam sogar ein RA und Notar und wollte sein eigenes gem. Testament zurück) wurde die Verweigerung noch eher akzeptiert.

    Wir taumeln durch die Straßen, so als wären wir jung und schön.

  • in meinem Fall wird es nun dazu kommen, dass die Testatorin erneut vorstellig werden wird in den nächsten Tagen. Sie wird erneut den Antrag auf Herausgabe gemäß § 346 FamFG stellen.

    Ich habe folgende Vorgehensweise im Kopf:

    übliche Protokollaufnahme (es erscheint XX und beantragt usw., dann der Passus das im Gespräch Zweifel an der Testierfähigkeit bestehen und Rückgabe verweigert wurde etc.)


    Dieses Protokoll wollte ich mir unterschreiben lassen.


    Im Anschluss daran wollte ich dann den ablehnenden Beschluss (§ 38 FamFG) fertigen, der zum Inhalt hat, dass die Herausgabe gemäß § 346 FamFG abgelehnt wird.

    Spricht irgendetwas gegen die beabsichtigte Vorgehnensweise?

    Danke

  • wegen der Begründung des Beschusses. Nur der eine Satz, dass Zweifel an der Testierfähigkeit bestehen allein ist etwas mager. Und eine ausführliche Begründung mit Bezug auf Einzelheiten werde ich im Termin/Protokoll nicht so einfach zaubern können.

    Oder bist du der Meinung, dass man im Wege der Nichtabhilfe (ich gehe von einer Beschwerde aus) ausführlich begründen könnte und im Protokoll einfach nur erst einmal festhält "daraufhin wurde b.u.v. die Rückgabe wird abgelehnt"??

  • ... dann der Passus das im Gespräch Zweifel an der Testierfähigkeit bestehen und Rückgabe verweigert wurde...

    Siehe hierzu den Beschluss des OLG Köln vom 12.07.2013 (Rpfleger 2014, 24 f.). Dessen zweiter Leitsatz lautet: "Die Rückgabe aus amtlicher Verwahrung setzt nicht voraus, dass die Testierfähigkeit zur Überzeugung des Gerichts feststeht; sie ist nur dann zu verweigern, wenn der Erblasser zweifelsfrei nicht testierfähig ist."

    "Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht." (Abraham Lincoln)

  • ja, die Einzelfallentscheidung ist extrem schwierig. Die Dame leidet an paranoidem Verfolgungswahn.

    Alle Ärzte würden ihr Gift verabreichen wollen und der Notar, der das notarielle Testament bei ihr zuhause beurkundet hat, habe dieses gefälscht, ihre Unterschrift gefälscht und sei nie dagewesen.

    Ich hätte Sie an einem Sonntag aufgesucht und beleidigt. Ihre Tochter sei Mitglied einer Sekte etc.

    Ich weiß nicht, ob das unter BGB, Palandt/Edenhofer § 2229 Rn. 9 passen könnte.

    Ich bin der Überzeugung, dass diese Wahnmotive sie so beeinflussen, dass Sie in ihrer Willensbildung, das Testament aus der Verwahrung zu nehmen und damit zu widerrufen, unfrei ist.

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