EVT - Schuldner kein Verbraucher bei Vertragsabschluss

  • Hallo,

    mein erster EVT und ich sitze doch etwas ratlos davor.

    Beklagte wohnte und wohnt in GB. Lt. Klage war er zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses mit dem Kläger Gewerbetreibender (Leasingvertrag bzgl. eines Autos und geleast wurde für das Unternehmen).
    Auslandszustellung von Klage und VU im Wege der Rechtshilfe. Der KfB wurde mittels Aufgabe zur Post zugestellt.

    Jetzt habe ich den Antrag auf EVT vorliegen für das VU und den Kfb.
    Jetzt türmen sich die Fragen:

    1. Ich denke, dass ich die Bestätigung erteilen kann, da der Schuldner kein Verbraucher war und damit auch im Ausland sich befinden konnte bei Erlass, oder?
    2. 2 x Kosten nach KV 1513 und auch jeweils eine Bestätigung für das VU und den KfB?
    3. unter 5.2.1.3 im VordruckAnderer Wert (bitte angeben): hier gebe ich den Betrag an, aus dem sich im VU die Zinsen berechnen?
      bei 5.1 gebe ich den gesamten ausgeurteilten Betrag an?

    Vielen Dank im voraus
    Grottenolm

    Don't turn your back, don't look away and don't blink! Dr. Who

  • Handelt es sich um eine unbestrittene Geldforderung im Sinne der VO (EG) Nr. 805/2004, hat die Gläubigerpartei die Wahl zwischen der Beantragung eines Vollstreckbarerklärungsverfahrens nach der VO (EG) Nr. 44/2001 und der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel über unbestrittene Forderungen, Erwägungsgrund 20 VO (EG) Nr. 805/2004, Art. 27 VO (EG) Nr. 805/2004.


    Für die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel über unbestrittene Forderungen müssen jedoch u. a. folgende Voraussetzungen erfüllt sein:


    1. fällige Geldforderung;


    2. unbestrittene Forderung;


    3. Vollstreckbarkeit der Forderung im Inland;


    4. Einhaltung der Zuständigkeitsregeln;


    5. Einhaltung der verfahrensrechtl. Mindeststandards;


    6. da es sich bei dem inl. Versäumnisurteil um eine Säumnisentscheidung handelt:
    ordnungsgemäße Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks (Mahnbescheid bzw. Klageschrift) - und ggfs. der Ladung zum Gerichtstermin - an Schuldnerpartei oder Vertreter i. S. d. Art. 13, 14 oder 15 VO (EG) Nr. 805/2004);


    7. ordnungsgemäße Unterrichtung der Schuldnerpartei über die Forderung,


    8. ordnungsgemäße Unterrichtung der Schuldnerpartei über die
    Verfahrensschritte zum Bestreiten der Forderung und über die Rechtsfolgen des Nichtbestreitens.


    9. sofern und soweit es sich bei der Schuldnerpartei um eine natürliche Person handelt und ein Verbraucher ist:
    Wohnsitz der Schuldnerpartei im Inland.


    Der ausländische Wohnsitz der Schuldnerpartei steht der Bestätigung des inl. Versäumnisurteils als Europ. Vollstreckungstitel nicht entgegen, da es sich bei der Schuldnerpartei nicht um einen Verbraucher handelt.




    2.
    Die Gläubigerpartei muss zunächst folgende Vollstreckungsunterlagen zum Zwecke der Registrierung in Großbritannien vorlegen:


    (vollstr.) Ausfertigung des Versäumnisurteils des inl. Gerichts mit Zustellungsbescheinigung und ggfs. Rechtskraftbescheinigung,
    Ausfertigung der Bestätigung des inl. Gerichts,
    ggfs. Übersetzung der Eintragungen in der Bestätigung in englischer Sprache.


    In der Regel ist jedoch die Beifügung einer Übersetzung nicht erforderlich, da es sich bei der Bescheinigung um ein EU-einheitliches Formular handelt und die erforderlichen Angaben durch Eintragung von Namen, Anschriften und Zahlen sowie durch Ankreuzen von Kästchen erfolgt.
    Eine Übersetzung ist daher nur bei ergänzenden Eintragungen erforderlich.


    Hinsichtlich der grenzüberschreitenden Zwangsvollstreckung
    wird auf die Internetseiten des Amtsgerichts Warendorf Bezug genommen:
    http://www.ag-warendorf.nrw.de/infos/eu/infos/zv/1/index.php


    Weitere Einzelheiten können der entsprechenden Info entnommen werden:
    http://www.ag-warendorf.nrw.de/infos/eu/infos/zv/1/euvtvo.pdf

    3 Mal editiert, zuletzt von rolli (19. November 2016 um 21:38)

  • In Ziffer 5.1 des Fomblatts ist die titulierte Geldforderung einzutragen.
    Ziffer 5.2.1.3 bezieht sich auf den Zinssatz und nicht auf den zu verzinsenden Kapitalbetrag.

    Ziffer 5.2.1.3 ist daher in der Regel nicht auszufüllen;
    nur falls weder Ziffer 5.2.1.1 noch 5.2.1.2 hinsichtlich des Zinssatzes zutreffen.

    Für die Bestätigung des inl. Versäumnisurteils als Europ. Vollstreckungstitel über unbestrittene Forderungen wird eine Gebühr gem. KV Nr. 1513 GKG i. H. v. 15 EUR erhoben.

    Link zum Ausfüllen des Formblatts:
    Bayerische Staatsministerium der Justiz - Erläuterungen zur Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. 04. 2004 zur Einführung eines Europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen;
    Internet-URL:
    http://www.justiz.bayern.de/imperia/...adeneuvtvo.pdf

    2 Mal editiert, zuletzt von rolli (12. Dezember 2011 um 21:24)

  • Obwohl das inl. Versäumnisurteil als Europ. Vollstreckungstitel bestätigt werden kann, kommt dagegen eine Bestätigung des inl. Kostenfestsetzungsbeschlusses als Europ. Vollstreckungstitel über unbestrittene Forderungen nicht in Betracht.

    1.
    Das verfahrenseinleitende Schriftstück im Kostenfestsetzungsverfahren (= Kostenfestsetzungsantrag) ist nicht der Schuldnerpartei zugestellt worden.

    2.
    Die Zustellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses durch Aufgabe zur Post ist in Großbritannien nicht wirksam, da nach aktueller Rechtsprechung des BGB eine Zustellung durch Aufgabe zur Post in den anderen EU-Mitgliedstaaten unzulässig ist;
    eine Aufforderung zur Bestellung eines Zustellungsbevollmächtigten entfaltet daher in den anderen EU-Mitgliedstaaten insoweit keine Wirkung:
    Beschluss des BGH vom 02. 02. 2011 - VIII ZR 190/10 -,
    Beschluss des BGH vom 11. 05. 2011 - VIII ZR 114/10 -.

    3.
    Da der Beklagte im Kostenfestsetzungsverfahren nicht über die Verfahrensschritte zum Bestreiten der Kostenforderung und der Rechtsfolgen der Nichtbeachtung belehrt worde ist, kommt eine Heilung der Verfahrensmängel nach Art. 18 VO (EG) Nr. 805/2004 nicht in Betracht.

  • Zunächst ist also der Kostenfestsetzungsbeschluss mit Rechtsbehelfsbelehrung nebst Abschrift des Kostenfestsetzungsantrags an den Beklagten in Großbritannien förmlich zuzustellen.

    Die o. g. Kostenfestsetzungsbeschluss kann aus den o. g. Gründen nicht als Europ. Vollstreckungstitel über unbestrittene Forderungen bestätigt werden.

    Nach wirksamer Zustellung des Kostenfestsetzungsantrags und des Kostenfestsetzungsbeschlusses nebst Rechtsbehelfsbelehrung an die Schuldnerpartei kann stattdessen auf Antrag der Gläubigerpartei eine Bescheinigung gem. Art. 54 VO (EG) Nr. 44/2001 zu dem inl. Kostenfestsetzungsbeschluss erteilt werden.

    Hierbei gilt folgendes:

    Derzeit werden inl. Entscheidungen, die zuvor nicht als Europ. Vollstreckungstitel bestätigt wurden, noch nicht automatisch in den anderen EU-Mitgliedstaaten anerkannt.
    Die Gläubigerpartei muss zunächst ein bes. Zwischenverfahren für die Anerkennung in den anderen EU-Mitgliedstaaten (bekannt als "Exequaturverfahren") beantragen.
    Mit anderen Worten:
    Die Vollstreckung aus dem inl. Kostenfestsetzungsbeschuss ist erst möglich, nachdem der inl. Kostenfestsetzungsbeschluss zum Zwecke der Zwangsvollstreckung in Großbritannien registriert worden ist.

    Um aus dem inl. Kostenfestsetzungsbeschluss die Zwangsvollstreckung in Großbritannien einleiten zu können, benötigt die Gläubigerpartei folgende Unterlagen:

    1.
    vollstr. Ausfertigung des inl. Kostenfestsetzungsbeschlusses - ggfs. mit Zustellungsbescheinigung und Rechtskraftvermerk,
    2.
    eine Bescheinigung des inl. Gerichts unter Verwendung des Formblatts in Anhang V VO (EG) Nr. 44/2001,
    3.
    die Registrierung des inl. Kostenfestsetzungsbeschlusses in Großbritannien.

    Nicht erforderlich ist dagegen die Legalisation der erf. Urkunden bzw. die Erteilung einer Apostille zu den erforderlichen Urkunden, Art. 56 EuGVO.

    Hinsichtlich der grenzüberschreitenden Zwangsvollstreckung wird auf die Internetseiten des Amtsgerichts Warendorf Bezug genommen:
    http://www.ag-warendorf.nrw.de/infos/eu/infos/index.php

    Weitere Einzelheiten können der entsprechenden Info entnommen werden:
    http://www.ag-warendorf.nrw.de/infos/eu/infos…uessel-I-vo.pdf

    2 Mal editiert, zuletzt von rolli (23. November 2016 um 22:29)

  • Danke schön für die Ausführungen. Das hilft mir schon weiter.

    Wenn ich das jetzt überdenke, ist der erlassene Kostenfestsetzungsbeschluss nichtig bzw. nicht wirksam.
    Habe auch gerade festgestellt, dass durch die Geschäftsstelle auch das Zustelldatum in der Klausel entgegen § 184 Abs. 2 ZPO falsch erteilt wurde. Spielt jetzt keine Rolle mehr, da ja die Zustellung an sich falsch war.

    Ich gehe davon aus, dass ich den Kfa nochmals förmlich zustellen lassen muss (mit Hinweis und Übersetzung von allem über die Rechtshilfeabteilung), oder?
    Reicht es beim KfB dann per Einschreiben mir Rückschein?

    LG Grottenolm (zum Glück habe ich es nicht verzapft :cool:)

    Don't turn your back, don't look away and don't blink! Dr. Who

  • Ja, aber die VO (EG) Nr. 1393/2007 verlangt nicht zwingend die Beifügung von Übersetzungen der zuzustellenden Schriftstücke.
    Aus den vorgenantnen Gründen ist daher die Ausfertigung des Kostenfestsetzungsbeschlusses mit Rechtsbehelsbelehrung nebst Abschrift des Kostenfestsetzungsantrags der Schuldnerpartei zuzustellen.
    Ob Übersetzungen beigefügt werden, entscheidet insoweit der Verfahrensbeteiligte, in dessen Interesse die Zustellung durchgeführt wird.
    Der Verfahrensbeteiligte kann aus Kostengründen auf die Beifügung von Übersetzungen verzichten mit der Rechtsfolge, dass der Zustellungsempfänger ggfs. ein Annahmeverweigerungsrecht aufgrund der verwendeten Sprache hat.

    Die Zustellung kann wie folgt erfolgen:
    a) unmittelbar durch die Post mit Einschreiben gegen Rückschein - international -
    unter Beifügung des Belehrungsformblatts,
    b) mit dem EU-einheitlichen Zustellungsantrag (Formblatt).

  • Guten Morgen,

    ich habe hier auf dem Tisch einen Antrag auf Erteilung einer Bestätigung als europ. VT bzgl. des ergangenen VUs und KFBs liegen. Beide Titel wurden ordnungsgemäß im Wege der Auslandszustellung zugestellt.

    Bei dem Schuldner handelt es sich um eine Fluggesellschaft mit Sitz in Portugal. Durch VU wurde der Ausgleichsanspruch tituliert.

    Ich wollte nun die Bestätigung erteilen als mich dann einer meiner Kollegen darauf hinwies, dass es sich bei dem Schuldner nicht um einen Verbraucher handeln würde, deshalb könne ich die Bestätigung nicht erteilen, da die Voraussetzung des Artikels 6 Abs. 1 d) nicht erfüllt sei.

    Kann mir hier jemand weiterhelfen. Vielen, vielen Dank :)

    LG

  • Obwohl des sich bei dem inl. Versäumnisurteil um eine eine Säumnisentscheidung handelt, kann dieses trotz des ausländischen Wohnsitzes der Schuldnerpartei als Europ. Vollstreckungstitel über unbestrittene Forderungen bestätigt werden.

    Die verbraucherschützenden Vorschriftn der VO (EG) Nr. 805/2004 sind im vorl. Fall nicht zu beachten, da die Schuldnerpartei nicht eine natürliche Person ist.
    Im vorl. Fall ist die Schuldnerpartei auch kein Verbraucher.

    Sofern und soweit die Voraussetzungen bei dem Kostenfestsetzungsbeschluss für die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel über unbestrittene Forderungen vorliegen, kann dieser ebenfalls als Europ. Vollstreckungstitel bestätigt werden.

    Hinsichtlich der grenzüberschreitenden Zwangsvollstreckung wird auf die Internetseiten des Amtsgerichts Warendorf Bezug genommen:
    http://www.ag-warendorf.nrw.de/infos/eu/infos/index.php

    Weitere Einzelheiten können der entsprechenden Info entnommen werden:
    http://www.ag-warendorf.nrw.de/infos/eu/infos/zv/1/euvtvo.pdf

    2 Mal editiert, zuletzt von rolli (23. November 2016 um 22:26)

  • Obwohl des sich bei dem inl. Versäumnisurteil um eine eine Säumnisentscheidung handelt, kann dieses trotz des ausländischen Wohnsitzes der Schuldnerpartei als Europ. Vollstreckungstitel über unbestrittene Forderungen bestätigt werden.

    Die verbraucherschützenden Vorschriftn der VO (EG) Nr. 805/2004 sind im vorl. Fall nicht zu beachten, da die Schuldnerpartei nicht eine natürliche Person ist.
    Im vorl. Fall ist die Schuldnerpartei auch kein Verbraucher.

    Sofern und soweit die Voraussetzungen bei dem Kostenfestsetzungsbeschluss für die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel über unbestrittene Forderungen vorliegen, kann dieser ebenfalls als Europ. Vollstreckungstitel bestätigt werden.

    Hinsichtlich der grenzüberschreitenden Zwangsvollstreckung wird auf die Internetseiten des Amtsgerichts Warendorf Bezug genommen:
    http://www.ag-warendorf.nrw.de/servi...n_eu/index.php

    Weitere Einzelheiten können der entsprechenden Info entnommen werden:
    http://www.ag-warendorf.nrw.de/service/infos/…eu/805_2004.pdf


    Ich danke dir ganz herzlich für deine Antwort!

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