Nachlassinsolvenz: Wer schuldet der Kommune Grundsteuern und Abgaben?

  • Hallo,

    der Fall gehört eigentlich auch in das Forum "Nachlass", aber auch hierher. Daher poste ich ihn sowohl hier als auch dort und bitte um Entschuldigung, falls das nicht den Forenregeln entsprechen sollte.

    A und B waren Ehegatten und je zur Hälfte Miteigentümer eines Hausgrundstücks. A verstirbt. Ehefrau B und die Enkel C und D bilden eine Miterbengemeinschaft. Über den Nachlass des verstorbenen A wird auf Antrag von C und D in 2009 das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet aufgrund Überschuldung des Nachlasses. B verstirbt 2011, C und D schlagen die Erbschaft aus, weitere Nachkommen gibt es nicht. Das Nachlassinsolvenzverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Im Grundbuch stehen als Eigentümer noch immer B, C und D.

    Gemeinde G verlangt von C Bezahlung der Grundsteuer für das Grundstück sowie Bezahlung der Wasser u. Kanalgebühren jeweils für 2012.

    C will sich dagegen wehren.

    Ich meine

    Prozessual: C muss Widerspruch gegen beide Bescheide einlegen. Bei Zurückweisung des Widerspruchs muss er einen Eilantrag stellen auf Anordnung/Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs, um die Vollstreckung in sein Privatvermögen zu verhindern.

    Materiell-rechtlich: C ebenso wie D kann seine Haftung auf den Nachlass beschränken, § 1975 BGB, da dann, wenn ein Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet ist, der Erbe nicht mehr persönlich haftet, sondern die Haftung für Nachlassverbindlichkeiten auf den Nachlass beschränkt ist, also auf das, was im Insolvenzverfahren über den Nachlass rauskommt. Da die Forderungen hier erst nach Eröffnung des NI-Verfahrens entstanden sind, handelt es sich um Nachlassverbindlichkeiten.

    Da für die Grundsteuer ein Recht auf Befriedigung aus dem Grundstück im Rang des § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG besteht, hat der Grundsteuergläubiger im Insolvenzverfahren ein Absonderungsrecht am Grundstück (und bekommt i.d.R. auch über die Verwertung sein Geld). Das Absonderungsrecht sichert sowohl die Insolvenzforderung als auch die Masseverbindlichkeit.

    Die Grundsteuer liegt als öffentliche Last auf dem Grundstück (§12 Grundsteuergesetz). Die Vollstreckungsbehörde muß daher dem jetzigen Eigentümer einen Duldungsbescheid schicken (da das Grundstück noch zur Insolvenzmasse gehört, an den Insolvenzverwalter) mit der Aufforderung, die Zwangsvollstreckung wegen der offenen Grundsteuerforderungen zu dulden bzw. durch eigene Zahlung abzulösen, § 191 I AO. Wenn der neue Eigentümer weiterhin zahlungsunwillig bleibt, muss die Behörde die Zwangsvollstreckung in das Grundstück beantragen.

    Sind die Bescheide bereits deshalb rechtswidrig, weil sie eine persönliche Zahlungsverpflichtung des C anstatt einer Duldungspflicht statuieren? M.E. erst dann, wenn C seine Einrede der beschränkten Erbenhaftung geltend gemacht hat und dennoch weiterhin Zahlung von ihm gefordert wird.


    Vielen Dank für Eure Einschätzungen!:)

  • Solange der Grundsteuerbescheid sich nicht gegen den Verwalter richtet, wird der auch nichts machen. Ob Wasser/Kanalgebühren vom Vorrecht des ZVG profitieren, hängt wohl vom Landesrecht ab, vergl. V ZB 175/09. Ob die Beiträge für das Jahr 2012 zur abgesonderten Befriedigung gem. § 49 InsO berechtigen, sehe ich, wenigstens unter der Maßgabe der Entscheidung des BGH, IX ZR 120/10 kritisch. Hier hat der BGH Hausgeldansprüche, die nach IE entstanden sind, das Vorrecht abgesprochen und auf den Nachrang verwiesenDas macht i.d.R. wirtschaftlich aber keinen Sinn.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

    Einmal editiert, zuletzt von La Flor de Cano (25. Januar 2012 um 15:08)

  • La Flor de Cano: Vielen Dank für Deine Einschätzung!:daumenrau

    Verstehe ich Dich richtig, dass sich beide Bescheide nicht an C, sondern den NI-Verwalter richten müssen, solange der das Grundstück nicht freigegeben hat?

  • Das mit der Eintragung der Erben im Grundbuch und der dann angeordneten Nachlassinsolvenz ist immer ein wenig kitzlig. Der Sperrvermerk muss natürlich ins Grundbuch, wobei die Eintragung der Erbengemeinschaft als Eigentümer die Eintragung nicht hindert, 3 Wx 14/98.

    Gehört das Grundstück in die Masse, dann sind auch die Kosten der Verwaltung i.S. des § 55 InsO zu berücksichtigen. Ohne entsprechenden Bescheid wird aber der IV weder etwas machen, geschweige zahlen.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Ok, den Nachweis des eröffneten NI-Verfahrens kann man ja leicht durch Vorlage des Eröffnungsbeschlusses führen.

    Der Verwalter wird (noch?) gar nicht in Anspruch genommen. Miterbe C soll lt. Bescheid zahlen und da meine ich, dass er das eben nicht muss, weil

    1. das Grundstück noch nicht freigegeben ist

    2. dessen ungeachtet dem C die Haftungsbeschränkung auf den Nachlass zugute kommt.

  • Ich bin in der InsO leider nicht wirklich zu hause, daher meine Nachfrage, ob ich das richtig sehe, dass allein der Verwalter der richtige Adressat ist, solange das Verfahren nicht beendet wurde und er daher die Steuern und Abgaben wegen § 55 InsO abführen müsste.

    Evtl. hatte einer der Mitschreiber einen ähnlichen Fall und kann etwas zum Vorgehen der Behörden sagen?

    Vielen Dank!

  • der 1/2 Grundstücksanteil hängt aber nicht in der Masse im Nachlassinsolvenzverfahren nach A ! Der ist im off => fiskuserbrecht :D

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
    legalize erdbeereis
    :daumenrau

  • der 1/2 Grundstücksanteil hängt aber nicht in der Masse im Nachlassinsolvenzverfahren nach A ! Der ist im off => fiskuserbrecht :D

    Genau. Deshalb werde ich beim Nachlassgericht anregen, für den Erbteil der B das Fiskuserbrecht festzustellen. Hoffentlich kommt so durch die Beteiligung des Landes dann endlich etwas Bewegung in die Sache...:mad:

  • eine ehm. kommilitonin bearbeitet solche Fälle beim RP. Nach dem, was ich da so mitbekommen, denke eich schon, da wird Bewegung in die Sache kommen.

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
    legalize erdbeereis
    :daumenrau

  • Sind C und D nun Erben oder nicht?

    Weiter oben wurde geschrieben, sie haben das Erbe ausgeschlagen. wenn dem so ist, sind die Gebührenbecheide an den falschen Empfänger gegangen und damit nichtig.

    Es gibt wichtigen und unwichtigen Aktenstaub.

  • lupo: Die Lage ist etwas verzwickt. C und D (=Enkel) sind mit B (=Ehefrau) Miterben des A (=Ehemann), weil sie damals die Ausschlagungsfrist versäuimt hatten. Nach dem Tod von B haben C und D jedoch ausgeschlagen. Sie sind also weiterhin Erben des A. Für den Anteil von B gibt es derzeit keinen gesetzlichen Erben. Daher meine Überlegung mit dem Fiskuserbrecht.

  • Ich kann das auch nur aus gemeindlicher Sicht beurteilen...

    Wenn es für B. keine Erben gibt, würde das Steueramt bei Kenntnis der Sachlage sinnvollerweise dem Insolvenzverwalter die Bescheide (Masseforderungen) zusenden, da dieser als Vertreter von A. gesamtschuldnerisch für Wasser und Abwasser haftet. Das gilt zunächst auch für die Grundsteuer, die aber, wie bereits beschrieben, bei Nichtzahlung durch Vollstreckung ins Grundstück eingezogen werden kann.

    Möglicherweise liegt das Problem darin, das die Gemeinde den Sachverhalt gar nicht kennt.

    Es gibt wichtigen und unwichtigen Aktenstaub.

  • lupo: Das kann durchaus sein. Ich weiß nun nicht, ob die Gemeinde sich weiterhin an C und D hält, auch wenn man ihr den Sachverhalt mitteilt. Jedenfalls wird gegen den an C gerichteten Bescheid Widerspruch eingelegt werden und dann der Sachverhalt dargestellt werden müssen.

    Problematisch ist aber eben die bereits genannte Rechtsprechung, wonach die Erben persönlich als Grundsteuer- und Abgabenpflichtige angesehen werden ohne Rücksicht darauf, dass bereits ein Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet wurde.

    M.E. ist das systemwidrig, zumal sich die Gemeinde ja eben aus dem Grundstück befriedigen kann und ich zudem meine, dass nur der NI-Verwalter wg. seiner alleinigen Verwaltungsbefugnis betr. das Grundstück richtiger Adressat des Bescheides sein kann. Ob die Gemeinde es darauf ankommen lässt und dennoch versucht, bei C oder D zu vollstrecken, ist nicht absehbar. Jedenfalls ein sehr nerviger Fall und ich wäre dankbar für weitere praktische Hinweise.:)

  • .... Problematisch ist aber eben die bereits genannte Rechtsprechung, wonach die Erben persönlich als Grundsteuer- und Abgabenpflichtige angesehen werden ohne Rücksicht darauf, dass bereits ein Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet wurde. ..


    Ist das tatsächlich so?

    Es gibt wichtigen und unwichtigen Aktenstaub.

  • .... Problematisch ist aber eben die bereits genannte Rechtsprechung, wonach die Erben persönlich als Grundsteuer- und Abgabenpflichtige angesehen werden ohne Rücksicht darauf, dass bereits ein Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet wurde. ..


    Ist das tatsächlich so?

    Leider ja. Das Problem liegt darin, dass die Verwaltungsgerichte es sich zu einfach machen, indem sie eine persönliche Schuld des Erben konstruieren und damit eine Nachlassverbindlichkeit verneinen. Eine solche ist aber Voraussetzung für §§ 1975, 1990 BGB.

    Das ist falsch, weil damit Grundprinzipien des Zivilrechts mißachtet werden. Mit Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens findet eine rückwirkende Trennung des Nachlass vom Eigenvermögen des Erben statt, sog. Separation. Deshalb entstehen nach Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens auch nur noch Masseverbindlichkeiten und damit Nachlassverbindlichkeiten, wozu auch Grundsteuern und Abgaben für ererbte Grundstücke zählen (MüKo-Hefermehl, § 55 InsO, Rz. 74 m.w.N.). Der Erbe bleibt jedoch auch dann Eigentümer, weshalb die Anknüpfung an die Eigentümerstellung seitens der Verwaltungsgerichte nicht weiter führt.

  • Sehe ich anders! Steuerrechtlich ist es konsequent, die Grundsteuer allein an die formal-juristische Eigentümer-Position der Erben anzuknüpfen. Aber auch hier gibt es einen Ausweg, mit dem sich alles wieder ins Lot bringen lässt: Der Erbe, der die Grundsteuer zahlt, kann anschließend vom Insolvenzverwalter Aufwendungsersatz verlangen, und zwar als Massegläubiger gem. § 324 Abs. 1 Ziff. 1 InsO. Dies ist sachgerecht, denn so trägt der Erbe das Risiko der Masseunzulänglichkeit, was in der Natur der Sache liegt, wenn man eine quasi masselose Erbschaft annimmt. Will der Erbe dieses Risiko ausschließen, muss er die Erbschaft ausschlagen. Deswegen sollte jeder Erbe genau überlegen, ob er eine überschuldete Erbschaft annimmt oder nicht.

    Abschließend noch ein genereller Tipp an alle potentielle Erben: Grundsätzlich würde ich eine Erbschaft immer annehmen, auch wenn diese überschuldet ist. Durch die Möglichkeit, durch Insolvenzantrag die Haftung zu begrenzen, ist das Risiko, eigene Vermögensopfer bringen zu müssen, fast immer zu vernachlässigen. Allerdings sollte Annahme immer mit der sofortigen Stellung eines Nachlassinsolvenzantrages einhergehen, um Haftungsrisiken zu vermeiden (§ 1980 BGB). Die Ausnahme sind völlig masselose Nachlässe, d.h. solche, in denen nicht mal die Verfahrenskosten und Masseverbindlichkeiten gem. § 324 InsO gedeckt sind. Ansonsten ist Annahme einer Erbschaft immer besser, denn man weiß nie, wie sich eine Nachlassinsolvenz entwickelt. Oftmals melden Gläubiger in Nachlass-Insolvenzverfahren gar keine Forderungen mehr an, sondern buchen sofort aus, nachdem sich ein Insolvenzverwalter gemeldet hat. Außerdem bestehen oft genug Anfechtungsansprüche wegen Lebensversicherungen mit Drittbezugsrechten (meistens gegen andere Angehörige vorangehender Ordnungen, die sich für ganz schlau hielten und die fette Lebensversicherung eingesteckt und anschließend ausgeschlagen haben!).

    Ich rechne in diesen Tagen bereits meine zweite Nachlassinsolvenz in diesem Jahr schluss, in der ich dem Erben einen Überschuss auskehren werde, obwohl der Nachlass auf den ersten Blick hoffnungslos überschuldet war....

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