Diskriminierende Besoldung: VdR rät zum Widerspruch gegen Besoldung

  • Der Verband der Rechtspfleger VdR hält die in Niedersachsen geltenden Besoldungsvorschriften für teilweise nicht mehr anwendbar, da diese jüngere Beamte allein wegen des Alters diskriminieren, indem jüngeren Beamten eine niedrigere Besoldung zusteht als lebensälteren Kollegen. Diese Regelungen im nds. Besoldungsrecht seien - so der VdR - rechtlich ebenso einzuordnen wie die vom EuGH für nicht anwendbar erklärte Regelung des § 27 Abs. 1 BAT (vgl. Urteil des EuGH vom 08.09.2011, NZA 2011, 1100).

    Hierzu hat der VdR auf seiner Homepage hier eine Info eingestellt und einen Musterwiderspruch zum Download bereit gestellt.

    Ulf

    Alle Äußerungen hier sind als rein private Meinungsäußerung zu verstehen,
    sofern es bei den Beiträgen nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet wird.

  • Das gibt's aber in Baden-Württemberg auch noch, dass man alle paar (lange) Jahre in eine andere Dienstaltersstufe rutscht und dann etwas mehr Gehalt bekommt. Das ist ein kleiner Trost dafür, dass es keine Beförderungen gibt. Was ist daran diskriminierend? Als wir anfingen, war das für uns doch auch so, dass die Lebensälteren mehr verdient haben. Oder sollen wir wie im Kommunismus alle gleich viel verdienen? :gruebel: Dann möchte ich gern, dass wir alle A 13 verdienen. Oder alle einen Ehrensold bekommen.


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    Alles hat einmal ein Ende.

    Sogar der Montag! :S

  • Das gibt's aber in Baden-Württemberg auch noch, dass man alle paar (lange) Jahre in eine andere Dienstaltersstufe rutscht und dann etwas mehr Gehalt bekommt. Das ist ein kleiner Trost dafür, dass es keine Beförderungen gibt. Was ist daran diskriminierend?

    Dann werden die Dienstaltersstufen abgeschafft, damit keiner diskriminiert wird! :daumenrun
    Und: Leistet ein Berufsanfänger wirklich genausoviel wie ein alter Fuchs mit 30 Berufsjahren?

  • Dann werden die Dienstaltersstufen abgeschafft, damit keiner diskriminiert wird! :daumenrun

    Wenn man Dienstalter durch Beschäftigungsdauer ersetzt, ändert sich in 9 von 10 Fällen wahrscheinlich sowieso nichts.

    Angeschmiert wären dann aber insbesondere diejenigen, die ohne anrechnungsfähige Vordienstzeiten (wg. Zeitsoldat etc.) erst in mehr oder weniger fortgeschrittenem Alter verbeamtet worden sind. :daumenrun

  • Zum Eröffnungsbeitrag:
    Es sollen zzt. mehr als 5.000 Widersprüche vorliegen.

    Wichtig:
    Wir haben inzwischen eine eMail bekommen, die aussagt, dass das VG Lüneburg durch Urteil (1 A 106/10) vom 15.02.12 wie folgt entschieden hat:

    Die für niedersächsische Beamte bei der Besoldung vorgesehene Bemessung des Grundgehaltes nach Stufen verstößt weder gegen das allgemeine Gleichheitsgesetz (AGG) noch gegen entsprechende europarechtliche Richtlinien.


    Die 1. Kammer folgt damit der Auffassung der OFD.

    Hat eigentlich jemand etwas anderes erwartet? :teufel:

  • Ich finde, es führt etwas zu weit, wenn die derzeitigen Regelungen zum Besoldungsdienstalter pp. gekippt würden. Bei näherem Hinsehen gibt´s dann kaum noch etwas im Leben, was man nicht über das AGG angreifen könnte.Aber davon einmal abgesehen: Auch in Hessen sind - wie man hört - äußerst viele Widersprüche erhoben worden. Über den aktuellen Stand wird nichts bekannt (gegeben).Die geplante Dienstrechtsreform wird Abhilfe durch unangreifbare Formulierungen bringen. Hoffentlich haben dann nicht im Ergebnis alle Mitarbeiter/innen weniger Einkommen als vorher, etwa durch Abschaffung der regelmäßigen "Alterszuschläge".

  • Wir haben inzwischen eine eMail bekommen, die aussagt, dass das VG Lüneburg durch Urteil (1 A 106/10) vom 15.02.12 wie folgt entschieden hat: Die für niedersächsische Beamte bei der Besoldung vorgesehene Bemessung des Grundgehaltes nach Stufen verstößt weder gegen das allgemeine Gleichheitsgesetz (AGG) noch gegen entsprechende europarechtliche Richtlinien.


    Wer Widerspruch erheben will, kann gerne nachfolgenden von mir verfassten Text verwenden. Ich gebe die Rechte daran frei:


    Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Lüneburg in dessen Urt. vom 15.02.2012 (Az.: 1 A 106/10) kann nicht überzeugen.

    1) Unter Rn. 19 seines Urteils kommt das VG zum Ergebnis, die - wie die Kammer sich ausdrückt - "arbeitsgerichtliche" Rechtsprechung des BAG (Urt. v. 10.11.2011, Az.: 6 AZR 481/09) und vorangehend des EuGH (Urt. vom 08.09.2011, Az.: C-297/10 u. C-298/10) ließe sich auf die Beamtenbesoldung nicht übertragen.

    Diese Ansicht ist verfehlt, weil sie verkennt, dass sowohl § 3 Abs. 1 u. 2 AGG wie auch die Anti-Diskriminierungs-Richtlinie 2000/78/EG auch auf Beschäftigungsverhältnisse mit Beamten anzuwenden sind.

    Die vom VG herangezogene und für nicht "übertragbar" erklärte Rspr. von BAG und EuGH (a. a. O.) ist lediglich im äußeren Gewande konkreter arbeitsrechtlicher Entscheidungen ergangen. Das Urteil des EuGH betrifft aber in der Sache die Auslegung der Richtlilnie selbst; nach diesen Maßstäben sind daher auch etwaige Diskriminierungen von Beamten zu beurteilen. Denn der EuGH entschied in concreto zwar auf Vorlage des bundesdeutschen BAG. Bereits die bloße Lektüre von dessen Vorlagefragen zeigt aber, dass hier im Kern europarechtliche Fragen betroffen waren. Die Annahme des VG Lüneburg, vor dem EuGH sei ein "arbeitsrechtlicher" Streit geführt worden, der für das Beamtenrecht ohne Bedeutung sei, ist deshalb rechtsirrig. Die unter Rn. 19 der Entscheidung des VG Lüneburg vorgenommene Distanzierung vom Urteil des BAG v. 10.11.2011, Az.: 6 AZR 481/09, wegen vermeinter arbeitsrechtlicher Besonderheiten dort gegenüber beamtenrechtlichen Besonderheiten hier ist darüber hinaus unerheblich, da das BAG a. a. O. auf Grund europarechtlicher, nicht spezifisch arbeitsrechtlicher Vorgaben von der Diskriminierung bereits ausging und sich die Rechtssache um die weitere Frage drehte, welche Rechtsfolge eine erkannte Altersdiskriminierung bei der Eingruppierung haben muss, um deren diskriminierende Wirkung zu beseitigen.

    2.) Soweit das VG Lüneburg (ebenfalls unter Rn. 19 seiner Entscheidung) eine Beamtendiskriminierung deshalb nach den Maßstäben der o. g. Richtlinie meint verneinen zu können, weil das niedersächsische Besoldungsrecht (§ 27 nieders. BBesG) neben dem Besoldungsdienstalter auch die Leistung des Beamten berücksichtige, ist dem ebenfalls nicht zu folgen. Denn auch die Vorschrift des Art. 27 Abschn. C BAT (1961) sah im System einer Besoldung nach Altersstufen die Berücksichtigung eines anderen Faktors vor, dort den der Berufserfahrung. Das hat dem EuGH (a. a. O.) aber nicht genügt, um die Vergütung nach Altersstufen nicht für richtlinienwidrig einzustufen. Die Annahme des VG Lüneburg, demngegenüber sei nach niedersächsischem Besoldungsrecht, [I]"bei der Bestimmung des Besoldungsdienstalters keine derartige Nähe zum Lebensalter" zu erkennen, ist bereits in sich widersprüchlich. Der Beamte, dessen Vergütung entsprechend dem Normensystem des Besoldungsrechts deshalb geringer ist, weil er jünger ist, bei dem manifestiert sich denkgesetzlich zwingend beim Besoldungsdienstalter eine große "Nähe zum Lebensalter". Maßstab für die diskrimierende Wirkung ist daher, wie vom EuGH (a. a. O., dort Rn. 59) entschieden, ob zwei unterschiedlich alte Personen (hier: Beamte), die (hier: in Niedersachsen) am selben Tag in derselben Vergütungsgruppe eingestellt würden, auf Grund unterschiedlichen Lebensalters ein unterschiedliches Gehalt erzielen. Hieran gemessen hält das nieders. Beamtenbesoldungsrecht entgegen dem VG Lüneburg europarechtl. Vorgaben nicht stand.

    3.) Zutreffend hält das VG Lüneburg die Vorschriften des AGG auf Grund von dessen § 24 auch für die Beamtenbesoldung für anwendbar. Eine vertiefte Auseinandersetzung mit der auch vom VG Lüneburg kritisierten gegenteiligen Entscheidung des VG Berlin (v. 24.06.210, Az.: 5 K 17/09) erübrigt sich, weil in Lüneburg über die diskriminierende Wirkung von Landesrecht (nieders. BBesG) entschieden wurde, so dass sich die vom VG Berlin thematisierte Frage, ob die Regelungen des Bundesbesoldungsrechts leges speciales gegenüber dem bundesrechtl. AGG seien, nicht stellte.

    4.) Unzutreffend ist allerdings die Annahme des VG Lüneburg, dass dann, wenn man - entgegen seiner Annahme (siehe oben 1. und 2.) eine Altersdiskriminierung annähme, diese gem. § 10 AGG wegen der Berücksichtigung der Berufserfahrung gerechtfertigt sei. Gegenüber dem TVöD, der keine Lebensaltersstufen mehr vorsieht, sondern ein einheitliches Entgeltsystem von Tätigkeit, Berufserfahrung und Leistung schuf, steht nach richtiger Ansicht im nieders. Besoldungsrecht die Vergütung nach Altersstufen immer noch so im Vordergrund, dass deren diskriminierende Wirkung nicht durch höherrangige Ziele i. S. d. § 10 AGG gerechtfertigt ist.

  • Ich halte die Widerspruchsbegründung in dem Musterwiderspruch - ebenso wie die weiterführende von Valerianus - schon für zutreffend.

    Ich denke aber, die Verwaltungsgerichte werden alle Widersprüche bzw. Klagen schon aus "fiskalpolitischen Erwägungen" abbügeln (müssen). Wer es also wirklich ernst meint, wird wohl wiederum bis zum EuGH gehen müssen... :cool:

    Ulf

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  • Und: Leistet ein Berufsanfänger wirklich genausoviel wie ein alter Fuchs mit 30 Berufsjahren?

    Ich versteh den Satz nicht ganz:gruebel:, klar leistet er genausoviel.


    Vorliegend muss diese Frage gar nicht beantwortet werden. Der Widerspruch besagt ja u.a., dass das geltende Besoldungsrecht in Nds. gerade nicht auf das Dienstalter - also die Berufserfahrung - abstellt sondern auf das Lebensalter. Werden also ein 21Jähriger und ein 32Jähriger gleichzeitig mit A9 verbeamtet, bekommt der Ältere vom ersten Tag an eine höhere Besoldung.

    Ulf

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  • Und: Leistet ein Berufsanfänger wirklich genausoviel wie ein alter Fuchs mit 30 Berufsjahren?

    Ich versteh den Satz nicht ganz:gruebel:, klar leistet er genausoviel.

    Vorliegend muss diese Frage gar nicht beantwortet werden. Der Widerspruch besagt ja u.a., dass das geltende Besoldungsrecht in Nds. gerade nicht auf das Dienstalter - also die Berufserfahrung - abstellt sondern auf das Lebensalter. Werden also ein 21Jähriger und ein 32Jähriger gleichzeitig mit A9 verbeamtet, bekommt der Ältere vom ersten Tag an eine höhere Besoldung.


    "Dienstalter" oder "Besoldungsdienstalter"? :confused:

    Das BDA lief ab Beginn des Monats, in dem der Beamte sein 21. Lebensjahr vollendete. Es dürfte daher in den meisten Fällen tatsächlich mit dem Lebensalter steigen. ;)

  • Korrekt muss es "Besoldungsdienstalter" heissen. Sorry!

    Die Diskriminierung liegt halt darin, dass im Grunde immer (von den Fällen des § 28 Abs. 2 BBesG a.F. mal abgesehen) von Beginn des 21. Lebensjahres ausgegangen wird. Beamte, die erst später in das Dienstverhältnis eintreten, werden daher von Beginn ihres Dienstes an höher besoldet als Beamte, die beim Eintritt jünger sind. Dieser Unterschied ist aber gerade nicht mit Berufserfahrung zu rechtfertigen, denn der besser besoldete - weil ältere - Neueinsteiger hat in der Regel genau so wenig Berufserfahrung wie sein jüngerer Kollege.

    Ulf

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