Ausschlagung der Nacherbschaft bei Ersatznacherbschaft

  • Hallo,

    ich grüble derzeit an einem Vergleichsentwurf hinsichtlich einer Nacherbschaft und wurde von einem Kollegen auf dieses Forum aufmerksam gemacht. Ich hoffe auf ein paar hilfreiche Denkanstöße :):


    Nach einem notariellen Testament ist Ehefrau (E) befreite Vorerbin, Sohn des Verstorbenen (S) Nacherbe und dessen
    bei Eintritt des Nacherbfalls (Tod von E) vorhandenen Abkömmlinge Ersatznacherben.

    Nach ewigen Hin und Her wollen sich die Parteien jetzt darauf einigen, dass S die Nacherbschaft ausschlägt und als Abfindung für Pflichteil-/Pflichtteilsergänungsansprüche eine sehr großzügig bemessene Summe X bekommt.
    Ziel ist, dass E Alleinerbin wird...


    S hat dereit 2 minderjährige Kinder, die ja laut Testament nach seiner Ausschlagung zu Ersatznacherben würde. S wäre bereit, (mit Genehmigung der FamG) für seine Kinder auszuschlagen. Aufgrund der großzügig bemessenen Abfindungszahlung sehe ich bei diesen beiden Kindern weniger das Problem.
    Meine Bedenken gehen in die Richtung, dass es im Zeitpunkt des Nacherbfalls ja Ersatznacherben geben kann, die jetzt noch nciht bekannt sind (noch nicht gezeugte Kinder, bis dato unbekannte außereheliche Kinder, adopitierte Kinder, Enkel...)?
    Kann man bei so einer angeordneten Ersatnacherbschaft überhaupt dazu kommen, dass der Vorerbe Vollerbe wird? :confused:

    Hat vielleicht jemand einen Formulierungsvorschlag oder eine Idee, wie man E absichern könnte :gruebel:?

    Vielen Dank schon mal im Voraus für's Mitdenken und eine schöne "kurze" Woche :)

  • Nach Erledigung zu #2 hier noch die Stellungnahme für alle User:

    Es gibt zwei grundsätzliche Lösungsmöglichkeiten und einen dritten pragmatischen Lösungsansatz:

    1. Ausschlagungslösung
    Wenn der Nacherbe ausschlägt, um seinen Pflichtteil zu verlangen (vgl. § 2306 Abs. 2 BGB), ist zur Vermeidung einer Doppelbegünstigung des Stammes und zur Vermeidung des Umstands, dass der Vorerbe, der durch die Ausschlagung des Nacherben Vorerbe bleibt, nun auf einmal mit einer Pflichtteilslast beschwert ist, im Zweifel davon auszugehen, dass selbst ausdrücklich als Ersatznacherben berufene Abkömmlinge des Nacherben im Fall der Ausschlagung des Nacherben nach dem Willen des Erblassers nicht zu Ersatznacherben berufen sein sollen (MüKo/Grunsky § 2142 Rn. 5; Soergel/Harder/Wegmann § 2142 Rn. 6; Palandt/Weidlich § 2142 Rn. 4 -jeweils m.w.N.). Damit wären die Abkömmlinge des Nacherben aber gar nicht mehr zu Ersatznacherben berufen und das angesprochene Problem hätte sich schon deshalb erledigt, weil es dann gar keiner Ausschlagung der Abkömmlinge des Nacherben bedarf.

    Gleichwohl empfiehlt es sich natürlich aus Gründen der Vorsicht, eine solche Ausschlagung für die Abkömmlinge des Nacherben zu erklären. Dies ist völlig unproblematisch, weil die Ausschlagung für minderjährige Ersatznacherben entgegen der Sachverhaltsdarstellung wegen § 1643 Abs.2 S.2 BGB keiner familiengerichtlichen Genehmigung bedarf, wenn der als Nacherbe ausschlagende Elternteil alleine oder gemeinsam mit dem anderen Elternteil die elterliche Sorge innehat (KGJ 53, 33, 37 = RJA 17, 37, 39; MüKo/Huber § 1643 Rn. 20), und zwar ganz unabhängig davon, ob der Nachlass werthaltig ist oder nicht (OLG Köln, Beschl. v. 26.04.2012, Az. II-12 UF 10/12). Eine Genehmigungspflicht ist (entgegen OLG Frankfurt ZEV 2011, 597) nur für den hier nicht vorliegenden Fall zu bejahen, dass das zum Vorerben berufene Kind für sich und die minderjährigen Nacherben ausschlägt, weil Vorerbe und Nacherbe im Hinblick auf das Anwartschaftsrecht des Nacherben zwar zeitlich nacheinander, aber gleichwohl i.S. des § 1643 Abs.2 S.2 BGB nebeneinander berufen sind, weil die Nacherbschaft wegen § 2142 Abs.1 BGB auch ohne eine vorherige Ausschlagung des Vorerben ausgeschlagen werden könnte und die Rechtsstellung des Nacherben somit nicht von der Existens der Rechtsstellung des Vorerben abhängig ist (zutreffend Sagmeister ZEV 2012, 121).

    2. Keine Ausschlagung, sondern Aufhebung der Nacherbenbindung

    Die auf den ersten Blick völlig unproblematisch erscheinende Ausschlagungslösung birgt allerdings die Gefahr, dass das Nachlassgericht entgegen der vorstehenden Ausführungen von einem Fortbestand der Ersatznacherbeneinsetzung der Abkömmlinge des Nacherben ausgeht. Denn in diesem Fall entscheidet sich nicht im Zeitpunkt der Ausschlagung des Nacherben, sondern erst beim Eintritt des Nacherbfalls, ob und welche -auch erst nach der Auschlagung geborene!- Abkömmlinge des Nacherben zu Ersatznacherben berufen sind (OLG Karlsruhe JFG 1, 154; KG JFG 6, 138, 144 ff.), sodass die Ausschlagung durch den Nacherben und die derzeit vorhandenen Ersatznacherben nicht mit Sicherheit dazu führt, dass die alleinige Vorerbin durch die genannten Ausschlagungen zur alleinigen Vollerbin wird.

    Demgemäß müsste ein vom Nachlassgericht erteilter Erbschein die vom Erblasser angeordnete Nacherbfolge weiterhin enthalten, wenn auch infolge der erklärten Ausschlagungen mit der Maßgabe, dass die im Zeitpunkt des Nacherbfalls vorhandenen und zu gleichen Stammanteilen berufenen Abkömmlinge des Nacherben (mit Ausnahme derjenigen in persona, für welche ausgeschlagen wurde) zu Nacherben berufen sind. Dies würde die bestehenden Intentionen der Beteiligten natürlich konterkarieren, weil sich dieses Problem schlechthin nicht lösen lässt, es sei denn, man würde davon ausgehen, dass ein nach § 1913 BGB für unbekannten Nacherben ein Pfleger bestellt werden und dieser die Nacherbschaft mit betreuungsgerichtlicher Genehmigung ausschlagen kann sowie Pfleger und Gericht auch in diesem Sinne verfahren.

    Wenn man diesen Ungewissheiten aus dem Wege gehen will, bleibt als einzig sicherer Weg nur übrig, dass der Nacherbe die Nacherbschaft nicht ausschlägt, sondern sich mit der Vorerbin rechtsgeschäftlich über eine Aufhebung der Nacherbenbindung verständigt, weil es hierzu keiner Mitwirkung etwaiger Ersatznacherben bedarf (zum Procedere und zu den einzelnen Möglichkeiten vgl. Palandt/Weidlich § 2100 Rn. 18 m.w.N.). Die Übertragung der Nacherbenanwartschaft auf die Vorerbin steht hierfür aber – als eine von mehreren Möglichkeiten – nicht zur Verfügung, weil diese (wiederum) nur vorbehaltlich der Rechte der Ersatznacherben erfolgen kann und selbst dann, wenn auch die derzeit vorhandenen Ersatznacherben ihr Anwartschaftsrecht (mit familiengerichtlicher) Genehmigung auf die Vorerbin übertragen, nicht garantiert ist, dass im Zeitpunkt des Eintritts des Nacherbfalls ein ganz anderer Ersatznacherbenpersonenkreis vorhanden ist.

    3. Pragmatischer Lösungsansatz

    Aufgrund der bisher erörterten Unwägbarkeiten ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass das Grundbuchamt im Hinblick auf den zum Nachlass gehörenden Grundbesitz für die Eigentümereintragung der Witwe als unbeschränkte Alleinerbin im Fall der Ausschlagungslösung (zu Recht) einen Erbschein verlangen wird, aus dem hervorgeht, dass die Witwe als Vollerbin nicht mit einer Nacherbfolge beschwert ist. Damit verlagert sich die Lösung der Problematik im Ergebnis in das nachlassgerichtliche Erbscheinsverfahren.

    Mit anderen Worten: Wenn nach zu führenden Vorgesprächen feststeht, dass das Nachlassgericht nach erfolgter Erbausschlagung des Nacherben ungeachtet der weiteren (dann nur vorsorglichen) Ausschlagungen der Ersatznacherben einen Erbschein zugunsten der Witwe als alleinige Vollerbin erteilen wird, weil es in Übereinstimmung mit den Ausführungen in obiger Ziffer 1) und der ganz überwiegenden Ansicht in Rechtsprechung und Literatur davon ausgeht, dass die Ersatznacherbenanordnung durch die Ausschlagung des Nacherben mangels vorhandener Anhaltspunkte für einen abweichenden Erblasserwillen in Wegfall kommt, weil diese Ausschlagung zum Zweck der Geltendmachung des Pflichtteils erfolgt, kann der Ausschlagungsweg völlig risikolos beschritten werden.

  • Eine Frage noch:
    Warum kann der Nacherbe im vorliegenden Fall für die Ersatznacherben ausschlagen, wenn zu diesem Zeitpunkt ja noch nicht feststeht wer Ersatznacherbe wird.
    Kommt hier eine Pflegschaft für unbekannte Beteiligte in Frage um die Ausschlagung zu erklären?
    Gemäß dem Fall man hätte keinen Ausschluss des gesamten Stammes des Nacherben durch seine Ausschlagung.

  • Hallo zusammen, ich hänge mich hier mal dran, da ich bisher nicht fündig auf meine Fragen geworden bin:

    Als Eigentümer im Grundbuch waren eingetragen Eheleute A und B zu je 1/2 Anteil. B ist verstorben und von A als befreiter Vorerbin allein beerbt worden. Nacherbe des B ist dessen Sohn S beim Tode der Vorerbin (A ist nicht die Mutter von S). Ersatznacherben sind Abkömmlinge des S, sofern vorhanden. "Sind solche nicht vorhanden, wird der Vorerbe Vollerbe. Die Ersatznacherbfolge ist auflösend bedingt für den Fall, dass der Nacherbe den Pflichtteil verlangt, sodass in diesem Fall die Ersatznacherfolge erlischt." (Zitat aus dem notariellen Testament)

    Vorerbin A lebt, der Nacherbfall ist noch nicht eingetreten. Nun hat der Nacherbe S die Nacherbschaft ausgeschlagen, da er jetzt nach seinem Vater den Pflichtteil geltend machen möchte. S ist kinderlos.

    Die Vorerbin A möchte nun den Nacherbenvermerk aus dem Grundbuch löschen lassen.

    Ich denke, dass wenn S den Pflichtteil geltend macht und auch bekommt, ist sowohl die Nacherbfolge als auch die Ersatznacherbfolge weggefallen. Die Vorerbin wird Vollerbin (§ 2142 Abs. 2 BGB und dies ist auch der Erblasserwille). Sodass das Grundbuch unrichtig wäre und der Nacherbenvermerk zu löschen wäre. Der Unrichtigkeitsnachweis kann jedoch nicht in der Form des § 29 GBO erbracht werden, oder ??? Deshalb müsste ich wohl einen Erbschein verlangen?

    Alternativ frage ich mich, ob der Nacherbe die Löschung des Nacherbenvermerks auch bewilligen kann? Aber wie müssten dann die bisher nicht vorhandenen Ersatznacherben mitwirken (Pflegschaft für unbekannte Erben? Mit Genehmigung?)

    Vielen Dank für Eure Antworten

  • Sehe ich so wie du.

    Ich denke auch, dass du einen Erbschein brauchst. Allein schon, weil du als Grundbuchamt die Wirksamkeit der erklärten Erbausschlagung nicht prüfen kannst. Ein anderer Unrichtigkeitsnachweis in der Form des § 29 GBO fällt mir nicht ein. Und für den Bewilligungsweg bräuchtest du auch die Bewilligung der Ersatznacherben mit den von dir aufgezeigten Konsequenzen.

    Steht im Schöner/Stöber Einiges unter Rn. 3510 ff., aber das hast du vermutlich schon längst gelesen.

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