Vollstreckung Erzwingungshaft gegen Heranwachsenden

  • Für die üblichen geringen Bußgelder lohnt sich der Aufwand auf keinen Fall.

    Im übrigen ist es vorrangig Aufgabe der Bußgeldstelle, in diesen Fällen die Anschrift zu ermitteln. Im Erzwingungshaftverfahren wird die Staatsanwaltschaft schließlich nur als Erfüllungsgehilfe der Stadt tätig, da diese keine freiheitsentziehenden Maßnahmen treffen kann.

  • Bei Erzwingungshaft halte ich eine Ausschreibung zur Fahndung unabhängig von der Bußgeldhöhe nie für verhältnismäßig.

    Aufgrund dieser Aussage muss ich doch nachfragen: In meinem Fall beläuft sich das Bußgeld auf sagen wir mal 2500 EUR. Die Anschrift des Betroffenen ist sogar mit dem Stockwerk angegeben, Post unter dieser Anschrift ist angekommen, der Betroffene hat mir geantwortet.
    Gleichwohl teilt mir nun die Polizei mit, den Betroffenen dort nicht verhaften zu können, sein Name stehe nicht am Briefkasten oder an der Klingelleiste. Ich möge ihn doch zur Fahndung ausschreiben.

    Ich sehe nun drei Möglichkeiten:

    a) Mal hinfahren und nachschauen, ob die Polizei recht hat (wobei mich dann wundert, warum meine Post dort zugegangen ist) und wenn sich der Vortrag als falsch herausstellt, den Verhaftungsauftrag wiederholen

    b) Ausschreibung zur Fahndung, wie von der Polizei vorgeschlagen (laut Dirk unverhältnismäßig, und Dirk ist für mich eine Autorität in der Strafvollstreckung)

    c) Info an Bußgeldstelle, dass mit den bekannten Adressangaben die Erzwingungshaft nicht vollstreckt werden kann und man uns doch bitte noch genauere Adressangaben mitteilen möge.

    Welchen Weg würdet Ihr einschlagen? Gibt es noch Alternativen?

  • Es kann schon sein, dass die Polizei kein Klingelschild des Betreffenden mehr vorgefunden hat.

    Offenbar hat er die gerichtlichen Schreiben gelesen und geahnt was passiert, wenn er nicht zahlt. Oder er besaß schon entsprechende Erfahrungen.


    Eine Ausschreibung dürfte bei entsprechender Höhe der Erzwingungshaft aber möglich sein, vgl. BeckOK StVollstrO/Weyde, 9. Ed. 15.12.2021, StVollstrO § 87 Rn. 20:

    Zitat

    Insoweit ist insbesondere zu beachten, dass durch die Aufnahme von § 34 in Abs. 2 S. 2 Nr. 3 zum 1.8.2011 die bis dahin strittige Frage, ob zur Vollstreckung der Erzwingungshaft eine Ausschreibung zur Festnahme erfolgen darf, nunmehr in dem Sinne geklärt ist, dass dies möglich ist. Allerdings ist hier auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten (§ 34 Abs. 2 S. 1), so dass eine Ausschreibung zur Festnahme wegen des erheblichen Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht sicher erst bei einer zu vollstreckenden Erzwingungshaft von mehreren Tagen zulässig ist.

  • Bei der Höhe der Geldbuße würde ich auch die Ausschreibung zur Festnahme wählen. Vorher kannst Du ja noch eine EMA-Anfrage halten. Vielleicht ist der Betroffene ja gerade umgezogen, bevor die Polizei aufgetaucht ist.

  • Update: Ich habe mich für Lösung a) entschieden und einen Sonntagsspaziergang zur fraglichen Anschrift gemacht. Am Klingelschild standen nur Wohnungsnummern, keine Namen. Einen Briefkasten habe ich nicht gefunden, vielleicht ist der nur im Haus und nicht außen. Mit diesem Wissen habe ich einen neuen Verhaftungsauftrag an die Polizei geschickt, denn die Wohnungsnummer war bekannt. Und siehe da: Die Polizei hat geklingelt, den Betroffenen persönlich angetroffen, und er hat den gesamten Betrag an die Polizei bezahlt.

  • Hallo liebe Kollegen,

    ich (Rpfl am Amtsgericht, Jugendstrafsachen) habe in einer Erzwingungshaftsache gegen einen Heranwachsenden einen Haftbefehl erlassen. Nun habe ich einen Vermerk der Gerichtszahlstelle in die Akte bekommen, dass von der Polizei ein Betrag in der Höhe des Bußgeldes nebst Kosten eingezahlt worden ist und der Betrag an die Bußgeldstelle weitergeleitet worden ist. Die Ausfertigung des Haftbefehls habe ich aber nicht zurück. Wie gehe ich denn jetzt weiter vor? Hebe ich den Haftbefehl auf? (Bedarf es dafür einer bestimmten Form? Oder gibt es da irgendwelche Regelungen, auf welches Papier das gedruckt wird oder so?) Und muss ich die Ausfertigung von der Polizei zurückfordern? Und muss ich die JVA informieren, dass sich die Erzwingungshaft erledigt hat? Es tut mir leid, das war meine erste Erzwingungshaftsache, die bis zum Haftbefehl ging :oops:

    Danke im Voraus!

  • Wir bekommen normalerweise den Haftbefehl von der Polizei zusammen mit der Mitteilung über die Einzahlung zurück. Wenn nicht, fordern wir sie zurück. Ob die Aufhebung des HBs notwendig ist, frage ich mich auch manchmal, aber das müsste eigentlich in einem Satz in der Verfügung erledigt sein ("Der HB vom ... wird aufgehoben."). Wichtiger ist, dass die Akte dem Richter bzw. der Richterin vorgelegt wird zur Aufhebung der Erzwingungshaft.


    Bei mir sieht das dann so aus:
    1. Geldbuße (u Kosten) sind bezahlt

    2. Haftbefehl ist bei den Akten

    3. Vorlage an JugRi zur Aufhebung der Erzwingungshaft

    4. Anschließend Aktenbestandteile der Verwaltungsbehörde + Abschrift des Beschlusses an Verwaltungsbehörde

    5. weglegen

    Das Aufnahmeersuchen würde ich von der JVA zurückfordern (AE in Bußgeldsachen machen wir nie bzw. nur dann, wenn tatsächlich einer einsitzt, was aber so gut wie nie vorkommt).

  • Vielen Dank! Das hilft mir sehr!

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