Erbausschlagung ohne Antrag auf familiengerichtliche Genehmigung

  • Hallo zusammen,

    ich habe am 21.09.2012 vom Nachlassgericht eine Ausschlagungserklärung für ein minderjähriges Kind zur Kenntnis übersandt bekommen. Die alleinsorgeberechtigte Mutter hat beim Notar bereits am 29.02.2012 die Ausschlagung erklärt. Verstorben ist der Erblasser Ende Dezember 2011. Beim Notar wurde die Kindesmutter darauf hingewiesen, dass eine familiengerichtliche Genehmigung für das Wirksamwerden der Ausschlagung erforderlich ist. Ein solcher Antrag wurde jedoch durch die Kindesmutter hier nie gestellt.
    Ich habe herausgefunden dass über das Vermögen des Erblassers bereits ein Insolvenzverfahren etc. eröffnet wurde. Es ergeben sich Schulden in Höhe von ca. 20.000 EUR.
    Ebenfalls habe ich aber die Mitteilung erhalten, dass der Erblasser gegebenenfalls Mitglied einer Erbengemeinschaft in Australien ist. Hier komme ich jedoch mit den Ermittlungen nun über Monate schon nicht weiter.

    Nun habe ich folgende Frage:
    Da die Genehmigung von der Kindesmutter nicht beantragt wurde und ich keine Klarheit darüber habe, ob gegebenenfalls auch mehr Vermögen als Schulden vorhanden sind
    --> Kann ich überhaupt noch eine familiengerichtliche Genehmigung erteilen?
    Die Frist für die Ausschlagung war nie gehemmt da kein Antrag gestellt wurde und zudem besteht wie gesagt Ungewissheit über die wirklichen Vermögensgegenstände.
    Sollte keine Genehmigung mehr erteilt werden können, wie verfahre ich mit der Akte (Prüfung Entzug der Vermögenssorge Kindesmutter?)?

    Bereits jetzt vielen Dank für die Hilfe:-)

  • Die Genehmigung wurde weder beantragt, noch könnte sie erteilt werden, weil die Ausschlagungsfrist offenkundig abgelaufen ist. Ich verstehe nicht so recht, warum dann in diesem Zusammenhang der Nachlass ermittelt wird.

    Mit Überlegungen zum Entzug der Vermögenssorge sollte man sehr zurückhaltend sein. So etwas ist nur das allerletzte Mittel. Gibt es überhaupt Informationen, ob die Mutter etwas für die Beschränkung der Haftung auf den Nachlass unternahm?

  • Um das Genehmigungsverfahren in Gang zu setzen, braucht's keinen Antrag (da Amtsverfahren). Kenntnis des FamG genügt. Diese Kenntnis ist hier allerdings erst deutlich nach Ablauf der Ausschlagungsfrist eingetreten, so dass auch ich kein Genehmigungserfordernis sehe. Dies gilt umso mehr, als hier ja schon Nachlassinsolvenz läuft und damit die Nachlassgläubiger ohnehin nur auf die Inso-Masse und nicht auf das persönliche Vermögen der Erben (im Rahmen des Insoverfahrens) Zugriff haben.

    Daher meine Vorschläge:
    - Aktenvermerk über Sach- u. Rechtslage
    - Feststellung, dass das FamG nichts zu veranlassen hat
    - Akte weglegen.

    Ulf

    Alle Äußerungen hier sind als rein private Meinungsäußerung zu verstehen,
    sofern es bei den Beiträgen nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet wird.

  • Diese Behandlung erschiene mir auch sachgerecht.

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

    "Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten." Herrmann Kant in einem Fernsehinterview

  • Im Falle eines Antrages obliegt es aber nicht dem Familiengericht den Antrag zurückzuweisen oder nicht zu bearbeiten, nur weil seiner Ansicht nach die Ausschlagungsfrist abgelaufen ist. Diese Feststellungen obliegen einzig und allein dem Nachlassgericht.

  • Es handelt sich zweifelsfrei nicht um ein Antragsverfahren; das materielle verlangt keinen Antrag, sodass ebenfalls unzweifelhaft ein Amtsverfahren im Raum stünde. Gleichwohl besteht (soweit erkennbar) Einvernehmen, dass eine gerichtliche Genehmigung nicht ohne oder gar gegen den Willen des gesetzlichen Vertreters erteilt werden darf. (Das ändert freilich nichts daran, dass es sich um ein Amtsverfahren handelt, in das das Gericht aber nur eintritt, wenn der gesetzliche Verteter die Genehmigung begehrt.) Hier lag wenn ich das richtig verstanden habe, nie eine "Anregung" (vgl. § 24 FamFG), "Bitte" oder meinetwegen auch als Antrag formuliertes Begehren des gesetzlichen Vertreters vor, sodass sich auch nicht die Frage stellt, ob die Genehmigung auch dann erteilt werden könnte, wenn die Frist (vermutlich) schon abgelaufen wäre (was aus den in #6 ausgeführten Gründen übrigens zutrifft).
    Es kann hier deshalb nicht um eine Genehmigung gehen, sondern nur darum, ob das FamG zum Schutz des Kindes(-vermögens) Maßnahmen ergreifen müsste - was aus den von Ulf geschilderten Gründen aber m.E. auch nicht erforderlich ist.

    Einmal editiert, zuletzt von Holzwürmchen (21. Januar 2013 um 11:16)

  • Zitat von Andy.K

    Im Falle eines Antrages obliegt es aber nicht dem Familiengericht den Antrag zurückzuweisen oder nicht zu bearbeiten, nur weil seiner Ansicht nach die Ausschlagungsfrist abgelaufen ist.

    M.E. kann das Familiengericht keine offenkundig unwirksame Erklärung genehmigen.

  • Ich möchte hier mal meinen Fall zur Diskussion stellen:

    Kindesmutter geht zum Notar und lässt Ausschlagung beurkunden (Kenntnis sei nicht vor dem 15.7.21 eingetreten);

    Urkunde enthält den Hinweis auf das Erfordernis der familiengerichtlichen Genehmigung und die Absprache, dass die Kindesmutter die Genehmigung des FamG selbst einholen werde und dazu eine beglaubigte Abschrift der Erbausschlagung erhalte

    Knapp drei Monate später sendet das zuständige (auswärtige) Nachlassgericht dem Familiengericht eine Abschrift der Erbausschlagung "zuständigkeitshalber".

    Die Kindesmutter selbst hat die erhaltene beglaubigte Abschrift der Erbausschlagung bis zum heutigen Tag nicht beim FamG eingereicht. Auf schriftliche Nachfrage des FamG, ob denn ein Genehmigungsverfahren durchgeführt werden soll, erfolgte keine Reaktion.

    Zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Erblassers ist trotz Einsicht in die Nachlassakte und Anfrage bei Ausschlagenden nichts bekannt.

    Würdet ihr dennoch weiter ermitteln und ggf. die Genehmigung erteilen (die dann mutmaßlich ohnehin nicht beim Nachlassgericht eingereicht werden wird)?

  • Ich denke, dass man die Übersendung des Nachlassgerichts durchaus als Anregung dazu, ein Genehmigungsverfahren durchzuführen, sehen kann.
    Schwierig ist es natürlich wenn niemand irgendetwas über den Nachlass weiß (habe so einen Fall auch gerade, aber in einer Betreuungsakte).
    Hast du schon bei den anderen Abteilungen des zuständigen Nachlassgerichts ( Vollstreckung, Grundbuch, Insolvenz, Betreuung) nachgefragt ob die etwas wissen?
    Manchmal kann man beim örtlichen Sozialhilfeträger etwas erfahren, oft weigern die sich aber Auskünfte zu erteilen. Ich habe es auch schon in Akten gesehen, dass die örtlichen Banken angeschrieben wurden, aber das dürfte tendenziell eher in kleinen Orten funktionieren und ist letztlich auch Glückssache.

    Ansonsten bleibt eventuell nur die Genehmigung zu versagen und die KiMu zum Verzeichnis nach § 1640 BGB aufzufordern.
    Eventuell vorher noch ein Schreiben in dem ganz klar und einfach formuliert drinsteht, dass das Kind gegebenenfalls Schulden erbt?

  • Die Mitteilung des Nachlassgerichts führt ja automatisch zu einem familiengerichtlichen Genehmigungsverfahren. Nach der fruchtlosen Anfrage bei der Mutter würde ich auch einen Aktenvermerk machen, wonach wegen Verfristung keine Genehmigung mehr zu erteilen ist und nach 6 Monaten weglegen.

    Gleichzeitig würde ich ein Verfahren nach § 1640 BGB anlegen und mir von der Mutter ein Verzeichnis erstellen lassen. Dann sieht man ja, was dabei rauskommt.

    Für den nicht unwahrscheinlichen Fall, dass die Mutter auch im 1640er-Verfahren untätig bleibt, würde ich beim Nachlassgericht mal wegen des Nachlassverzeichnisses nachfragen. Läge da auch noch nichts vor, könnte die Mutter überfordert sein und das Jugendamt sollte eingeschaltet werden zur Überprüfung der eSo (in einem entsprechenden eSo-Verfahren).

    Das sind jetzt viele Konjunktive auf einmal. Im besten Fall füllt die Mutter das Verzeichnis nach § 1640 BGB aus und gut ist.

  • Und wenn nicht, würdest du die Vermögenssorge entziehen und der Ergänzungspfleger reicht dann das Verzeichnis ein? :gruebel:

    (Das Problem der Nichteinreichung eines Verzeichnisses nach § 1640 BGB stellte sich am hiesigen Gericht noch nicht. Manchmal brauchte es zwar ein eindringliches Schreiben an die Eltern oder den Elternteil oder einen Termin bei Gericht, aber das ist auch sehr selten.)

    Übrigens finde ich es spannend, wie auch jetzt wieder die Meinungen auseinandergehen.

    Du und Cromwell würden über die Genehmigungserteilung gar nicht entscheiden, da die Ausschlagung wohl zu spät erfolgte, während Fluffydog das übliche Genehmigungsverfahren durchführen würde.

    Jetzt muss ich mir nur noch überlegen, wie ich es handhabe.
    Grundsätzlich vertrete ich ja die Ansicht, dass das FamG nicht prüft, ob die zur Genehmigung vorliegende Ausschlagung fristgerecht ist. Andererseits stört mich natürlich in diesem Fall die Nichtmitwirkung der Kindesmutter.

  • Für den nicht unwahrscheinlichen Fall, dass die Mutter auch im 1640er-Verfahren untätig bleibt, würde ich beim Nachlassgericht mal wegen des Nachlassverzeichnisses nachfragen. Läge da auch noch nichts vor, könnte die Mutter überfordert sein und das Jugendamt sollte eingeschaltet werden zur Überprüfung der eSo (in einem entsprechenden eSo-Verfahren).

    Das sind jetzt viele Konjunktive auf einmal. Im besten Fall füllt die Mutter das Verzeichnis nach § 1640 BGB aus und gut ist.

    Abgesehen davon ist ein Sorgerechtsentzug immer das letzte Mittel. § 1667 BGB führt einen ganzen Katalog auf, was man vorher alles machen kann und das ist nicht abschließend. Auch für die Vermögenssorge gilt Artikel 6 GG...
    Insbesondere im 1640 Verfahren gibt es da zB. die Möglichkeit nach § 35 FamFG Zwangsgeld festzusetzen. Spätestens wenn der GV deshalb an der Tür klingelt, kommen die meisten Leute doch auf die Idee, sich mal zu melden (ja, soweit kam es bei mir schon einmal. Das betroffene Elternteil hat mir gegenüber dann erklärt, dass der Vermieter immer die Post aus dem Briefkasten klauen würde und man deshalb von nichts wüsste :D).

  • Zu den Prüfungspflichten des FamG vgl. neuerdings OLG Brandenburg FamRZ 2022, 65 = NJ 2021, 452 = BeckRS 2021, 23896.

    Zum Teilentzug der Vermögenssorge bei Nichtdurchführung des Bekanntmachungsprozedere des § 1829 BGB trotz erfolgter gerichtlicher Belehrung vgl. OLG Koblenz Rpfleger 2022, 72.

    Stimmt die 2. Fundstelle? Juris und beck-online findet bei mir dazu nichts.

  • Für den nicht unwahrscheinlichen Fall, dass die Mutter auch im 1640er-Verfahren untätig bleibt, würde ich beim Nachlassgericht mal wegen des Nachlassverzeichnisses nachfragen. Läge da auch noch nichts vor, könnte die Mutter überfordert sein und das Jugendamt sollte eingeschaltet werden zur Überprüfung der eSo (in einem entsprechenden eSo-Verfahren).

    Das sind jetzt viele Konjunktive auf einmal. Im besten Fall füllt die Mutter das Verzeichnis nach § 1640 BGB aus und gut ist.

    Abgesehen davon ist ein Sorgerechtsentzug immer das letzte Mittel. § 1667 BGB führt einen ganzen Katalog auf, was man vorher alles machen kann und das ist nicht abschließend. Auch für die Vermögenssorge gilt Artikel 6 GG...
    Insbesondere im 1640 Verfahren gibt es da zB. die Möglichkeit nach § 35 FamFG Zwangsgeld festzusetzen. Spätestens wenn der GV deshalb an der Tür klingelt, kommen die meisten Leute doch auf die Idee, sich mal zu melden (ja, soweit kam es bei mir schon einmal. Das betroffene Elternteil hat mir gegenüber dann erklärt, dass der Vermieter immer die Post aus dem Briefkasten klauen würde und man deshalb von nichts wüsste :D).

    Mir geht es nicht um einen zügigen Sorgerechtsentzug. Natürlich ist das immer ultima ratio. Bin aber beim § 1640 BGB kein Freund von Zwangsgeldern. Ich will ja kein Geld, sondern Mitwirkung. Die Zwangsmittelvollstreckung ging idR aus wie das Hornberger Schießen. Die "Drohung" mit Jugendamt zieht meistens mehr als die xte Geldforderung, bei denen manche "Profi"schuldner nur milde lächeln. Wenn der ASD des Jugendamts aber insgesamt mal nach dem Rechten sieht, kommen von diesem selbst dann häufig Anregungen nach § 1666 BGB, weil die Eltern da oft insgesamt überfordert sind und es auch nicht nur um Vermögenssorge geht. Für die Jugendämter ist das dann auch oft der Aufhänger, Familien die sie eh schon auf dem Zettel hatten aufgrund anderer Eingaben (Kita, Schule, Nachbarn) entsprechend anders anzugehen, weil jetzt etwas Konkretes da ist, bei dem ein Fürsorgebedürfnis offensichtlich ist.
    Es geht ja nie darum, leichtfertig die eSo wegzunehmen, sondern einfach zu wissen, was Sache ist. Meistens klärt sich auch schnell, dass alles in Butter ist und das Verzeichnis kommt dann auch schnell. Es gab und gibt aber auch immer wieder Familien, da ist es gut, wenn das Jugendamt schnell nachschaut und ggf. Weiteres veranlasst.

    Ich selbst bin auch gar nicht so scharf auf die Verzeichnisse nach § 1640 BGB, weil ich noch nie mitbekommen habe, dass die wer braucht. Vermutlich teilen Sie irgendwann dasselbe Schicksal wie die Verzeichnisse nach § 1683 BGB. Aber noch steht es im Gesetz und als Indikator für Problemfamilien bzw. als Anlass für ein Nachfragen der Kindesschutzbehörden tut er zumindest in meinem Bezirk seinen Dienst.

    Zur Ausgangsfrage: Einen Genehmigungsbeschluss sehe ich da entbehrlich, weil es offensichtlich verfristet ist. Was, wenn genehmigt wird, dann aber kein Gebrauch davon gemacht wird, weil sich die Eltern denken, habe ich nicht bestellt, was soll ich damit, muss ein Versehen sein, weg damit? Was, wenn hinterher die Annahme angefochten wird und es gibt schon eine Ausschlagungsgenehmigung, zugestellt an die Eltern?

    Dann lieber ein sauberes Unterlassen.

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