Notariatsreform in Baden-Württemberg

  • Offensichtlich hat sich die Lage bei den ZGÄ und den Betreuungs-und Nachlassgerichten etwas beruhigt, nachdem im Forum kaum mehr Klagen eingestellt werden.

    Ganz das Gegenteil. Je mehr Zeit ins Jahr geht, umso weniger hat man das Gefühl, einen richtigen Fortschritt zu erleben.

    Drei Schritte vorwärts und zwei zurück. Das ist das tägliche Erlebenis bei meinem Betreuungsgericht. Nach fast drei Minaten Erfahrung. Vom Nachlassgericht ganz zu schweigen. Da fangen wir nämlich gerade erst an.

    Fragt doch mal ehrlich die Entscheider über die Zusammenarbeit mit ihren Serviceeinheiten.

  • Offenbar können viele Leute ohne zur Verfügung gestellte Formulare nicht mehr arbeiten. Und wenn es die betreffenden Formulare gibt, überprüft sie niemand mehr auf ihre inhaltliche Richtigkeit, sondern sie werden gemeinhin - auch wenn sie unbrauchbar sind - einfach unbesehen verwendet. Denn wenn es schon ein Formular gibt, dann muss es natürlich auch richtig sein, denn sonst wäre es ja nicht in dieser Form eingestellt worden ...

    Das ist der Fortschritt, der darin besteht, dass das zur Anwendung gelangende Fachwissen auf dasjenige der IT-Leute - also im Zweifel auf Null - reduziert wird.

    Wie kommst du zu deiner Auffassung, dass viele Leute nicht mehr ohne Formulare arbeiten können? Das stand nie im Raum.
    Die Aussage ist unqualifiziert.


    Diese Aussage ist nicht nur unqualifiziert, sondern diskreditiert auch sowohl die Kollegen bei den Gerichten, denen unterstellt wird, dass Formulare unbesehen und ohne Prüfung übernommen werden, als auch die "IT-Leute", denen fehlendes Fachwissen unterstellt wird.
    Eine absolute Unverschämtheit. Aber leider ist man bzgl. solcher Themen von dem betreffenden Kollegen nichts anderes gewohnt.

    Dafür gibt es andere Leute unseres Berufsstandes, die der Verwaltung mittlerweile näher stehen als die Kollegen und die in vorauseilendem Kadavergehorsam jeden Unsinn verteidigen, der "von oben" kommt, auch wenn in der Praxis bereits das absolute Chaos ausgebrochen ist. Das war bei den Zentralgrundbuchämtern so, jetzt ist es bei den Problemen der Nachlass- und Betreuungsgerichte so und bei der nächsten "großartigen" Reform wird es wieder so sein. Jeder darf wie ein Elefant im Porzellanladen Fehler begehen und ohne Sinn und Verstand seit Jahrzehnten gewohnte und größtenteils bewährte Systeme zerschlagen, aber bei der Kritik hieran soll man natürlich "taktvolles Fingerspitzengefühl" beweisen? Tut mir leid, das stellt die Dinge auf den Kopf, denn der Fisch stinkt stets vom Kopfe her!

    Ich bin nicht weit weg von unserer FH beheimatet und kenne daher ein paar Leute. Und ich kann Euch sagen: Wenn das der Rechtspflegernachwuchs ist, der da auf uns zurollt, dann wird mir heute schon angst und bange. Und was die Formulare angeht: Es ist schlicht und einfach zutreffend, dass man sich in der Mehrheit darauf verlässt und die Dinge nicht mehr hinterfragt. Und es ist auch nicht das erste Mal, dass im Forum hierfür beredte Beispiele genannt und kritisiert werden. Außerdem hatte ich nicht von allen, sondern von "vielen" Leuten gesprochen und hiervon habe ich auch nichts zurückzunehmen.

  • Zitat

    Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor den älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten sollte. Die jungen Leute stehen nicht mehr auf, wenn Ältere das Zimmer betreten. Sie widersprechen ihren Eltern, schwadronieren in der Gesellschaft, verschlingen bei Tisch die Süßspeisen, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer.

    Und sind schlechte Rechtspflegestudenten. Frei nach Sokrates (* um 469 vChr, † 399 vChr).

    "Ich bin ja wirklich nicht tolerant, aber alles hat seine Grenzen!"
    (Heinz Becker)


  • Dafür gibt es andere Leute unseres Berufsstandes, die der Verwaltung mittlerweile näher stehen als die Kollegen und die in vorauseilendem Kadavergehorsam jeden Unsinn verteidigen, der "von oben" kommt, auch wenn in der Praxis bereits das absolute Chaos ausgebrochen ist. Das war bei den Zentralgrundbuchämtern so, jetzt ist es bei den Problemen der Nachlass- und Betreuungsgerichte so und bei der nächsten "großartigen" Reform wird es wieder so sein. Jeder darf wie ein Elefant im Porzellanladen Fehler begehen und ohne Sinn und Verstand seit Jahrzehnten gewohnte und größtenteils bewährte Systeme zerschlagen, aber bei der Kritik hieran soll man natürlich "taktvolles Fingerspitzengefühl" beweisen? Tut mir leid, das stellt die Dinge auf den Kopf, denn der Fisch stinkt stets vom Kopfe her!


    Du solltest dringend in die Politik gehen, damit der Unsinn endlich aufhört und die Justiz zu den seit Jahrzehnten gewohnten und größtenteils bewährten Systemen zurückkehren kann. Ein Hoch auf die guten alten Zeiten! Ich muss mir gleich mal eine Schreibmaschine suchen, die sind dann sicherlich bald wieder in Mode.

    Ich bin nicht weit weg von unserer FH beheimatet und kenne daher ein paar Leute.


    Du schlenderst in freien Minuten über den Campus und plauderst mit den Studenten? Eine irgendwie lustige Vorstellung.

    Und ich kann Euch sagen: Wenn das der Rechtspflegernachwuchs ist, der da auf uns zurollt, dann wird mir heute schon angst und bange.


    Genau das haben die Kollegen vor 20 Jahren sicherlich auch schon gedacht :teufel:.

    Es stand alles in Büchern, die Alten lebten noch
    Wir haben nicht gelesen, nicht gesprochen, weggeschaut, uns verkrochen ...
    No!

  • Das ist durchaus möglich, weil mein Examen bereits mehr als 40 Jahre zurückliegt.

    In die Politik zu gehen, hieße, ein zweifelhaftes Umfeld durch ein anderes zweifelhaftes Umfeld zu ersetzen. Dies entbehrt jeglichen Reizes.

    Auf jeden Fall hilft die ewige Schönrederei objektiv unhaltbarer Zustände nicht weiter. Ich bin sehr dafür, dass der Verursacher und nicht der Überbringer schlechter Nachrichten geköpft werde.

  • Offensichtlich hat sich die Lage bei den ZGÄ und den Betreuungs-und Nachlassgerichten etwas beruhigt, nachdem im Forum kaum mehr Klagen eingestellt werden.

    Ich kann leider nur das Gegenteil behaupten. Die Rückstände werden immer größer, wir versinken in neuer, noch unsortierter Post.
    Wir Entscheider sind überhaupt nicht voll ausgelastet, weil die Serviceeinheit absolut überlastet ist.
    Da bleibt einem als Entscheider nichts anderes übrig als auch mal Post zu sortieren, rauszusuchen etc., damit man wenigstens etwas von dem machen kann, was die eigentliche Tätigkeit ist.

  • Dienstaufsicht??? - bei Gericht wohl die Geschäftsleitung

    meine Vermutungen zu "deren" Tun:
    - Beobachten
    - Bewerten (dass ggfs. zu umständlich, zu langsam, zu ... gearbeitet wird)
    - Feststellen, dass kein Personal zur Unterstützung vorhanden ist
    - Druck auf das vorhandene Personal ausüben (nicht zu verwechseln mit Motivation oder Anerkenntnis)
    - evtl. Bedarf nach "oben" melden

    Das trifft ganz sicher nicht auf jede Geschäftsleitung zu, aber leider auch nicht auf wenige.

  • Dienstaufsicht??? - bei Gericht wohl die Geschäftsleitung

    meine Vermutungen zu "deren" Tun:
    - Beobachten
    - Bewerten (dass ggfs. zu umständlich, zu langsam, zu ... gearbeitet wird)
    - Feststellen, dass kein Personal zur Unterstützung vorhanden ist
    - Druck auf das vorhandene Personal ausüben (nicht zu verwechseln mit Motivation oder Anerkenntnis)
    - evtl. Bedarf nach "oben" melden

    Das trifft ganz sicher nicht auf jede Geschäftsleitung zu, aber leider auch nicht auf wenige.

    :daumenrau Genau so ist es bei uns. Man versteht eigentlich nicht, warum es nicht geht. Warum die Serviceeinheiten die Post nicht zu den Akten bringen, die Akten nicht finden.

    Und auch das Ministerium macht es nach unserer Kenntnis genau so. Nach dem Motto: mal sehen, wie es in 6 Minaten ausschaut.


  • Auf jeden Fall hilft die ewige Schönrederei objektiv unhaltbarer Zustände nicht weiter. Ich bin sehr dafür, dass der Verursacher und nicht der Überbringer schlechter Nachrichten geköpft werde.


    Sehe ich genauso.
    Aber die ewige Stänkerei, dass "die da oben" an allem Schuld sind, hilft genauso wenig weiter.
    Es dürfte wohl niemand bezweifeln, dass die Notariats- und Grundbuchamtsreform in BW notwendig war. Und genauso wenig, dass man die Umsetzung hätte besser machen können.

    Es stand alles in Büchern, die Alten lebten noch
    Wir haben nicht gelesen, nicht gesprochen, weggeschaut, uns verkrochen ...
    No!

  • Bezirksnotare:

    Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde eines Bezirksnotars, die sich gegen die Reform des Notariatswesens in Baden-Württemberg richtet, nicht zur Entscheidung angenommen. Die Notariatsreform verstößt nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts nicht gegen Art. 33 Abs. 5 GG.

    Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 24. Februar 2017 – 2 BvR 2524/16
    https://www.rechtslupe.de/zivilrecht/bez…m-baden-3120769

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Wie wird die Eröffnungsfrist für Verfügungen von Todeswegen gem. § 351 FamFG (30 Jahre) anhand der Übergabeverzeichnisse am einfachsten überprüft ?

    Gar nicht, da man aus diesen nicht entnehmen kann, ob und wemm ja wann schon mal angefragt wurde. Da muss man in die Erbvertragssammlung (die gibt's doch hoffentlich :D) und alles einzeln prüfen.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub


  • Es dürfte wohl niemand bezweifeln, dass die Notariats- und Grundbuchamtsreform in BW notwendig war. Und genauso wenig, dass man die Umsetzung hätte besser machen können.

    Doch. z. B. ich. Hätte der politische Wille bestanden, ein überlegenes System zu bewahren und zu pflegen, hätte es keiner grundsätzlichen Reform bedurft.


    edit by Kai: Zitierung angepasst

  • Macht nichts, es weiß jeder, dass das nicht von mir stammen kann.;)

    In der Sache habe ich eine gespaltene Ansicht. Die Zentralgrundbuchämter sind ein großer Unsinn, man hätte eine "Mittellösung" finden sollen, wonach die Grundbuchämter bei den Amtsgerichten (und zwar bei jedem Amtsgericht) angesiedelt werden. Die Notariatsreform und die hieraus folgende Zuständigkeit der Amtsgerichte in den betreffenden Rechtsgebieten halte ich dagegen in der Sache für zutreffend. Was daraus gemacht wurde (Chaos), ist natürlich ein Armutszeugnis.

    Und das, was zitiert wurde, aber nicht von mir stammt, ist wieder die übliche Schönrederei (als wenn es sich nur um ein paar unbedeutende Fehlentwicklungen handeln würde) und Kritik an den besagten Zuständen wird als "Stänkerei" bezeichnet, gerade so, als wenn die Kritik nicht in allen Punkten berechtigt wäre.

  • Mich wundert jedenfalls, warum die hiesige Bevölkerung sich gegenüber der Presse in der Vergangenheit nur über die Zustände bei den ZGÄ ausgelassen hat, aber noch nicht über die Verhältnisse bei Nachlassgerichten.

    Oder wie lange muss man in anderen BL auf einen Erbschein warten ?

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