Vorführung aus Dänemark

  • Hallo,

    Ich habe hier gerade eine Strafsache auf dem Tisch und bin ein wenig ratlos. Das Verfahren läuft hier u.a. wegen Diebstahl und Unterschlagung. Der Beschuldigte ist Deutscher und hat sich zwischenzeitlich nach Dänemark abgesetzt. Dort verübte er mutmaßlich weitere Vergehen und sitzt deswegen dort in U-Haft.

    Der hiesige Strafrichter möchte nun gerne sein Verfahren fortführen. Er bitte mich zu prüfen, ob eine Vorführung hier in Betracht kommt.

    Meiner Meinung nach sind hierfür die Regelungen bezüglich der Auslieferung maßgeblich. Laut RiVASt wären dies hier das Europäische Auslieferungsübereinkommen und die Übereinkommen vom 10.03.1995 und 27.09.1996 über die Auslieferung zwischen den Mitgliedern der EU.

    Folglich ist der Antrag gem. Art. 12 Abs.1 des Europäische Auslieferungsübereinkommen schriftlich über das Justizministerium (bezüglich Zuständigkeit: Art. 5 des zweiten Zusatzprotokolls vom 17.03.1978 ( BGBl. 1990 II S. 118)) zu übermitteln.

    Gemeinsam mit dem Antrag sind gem. Art. 4 des Übereinkommens vom 10.03.1995 folgende Angaben zu übermitteln:
    1. Identität der Person,
    2. ersuchende Behörde,
    3. Haftbefehl,
    4. Art und rechtl. Würdigung der strafbaren Handlung,
    5. Beschreibung der Umstände u.ä, unter denen die Tat begangen wurde,
    6. Folgen der Straftat

    Bestehen von eurer Seite noch weitere Bedenken bzw. Anermkungen, was eventuell zu beachten sei? Bezüglich der Straftaten dürfte es ja keine Probleme geben. Einzig die U-Haft in Dänemark bereitet mir Kopfzerbrechen. Ist eine Überstellung diesbezüglich möglich?

    Weitere Frage ist, ob immer noch das Bundesjustizministerium zuständig ist, oder ob die Zuständigkeit mittlerweile zum bundesamt für Justiz gewechselt ist.

    Ich bin mittlerweile für jeden Hinweis dankbar! Dies gilt insbesondere, falls ich hier gerade auf einem total falschem Dampfer sitze.

    Liebe Grüße
    Juni:)

  • Das ist ein Auszug aus dem Länderteil der RiVASt. M.E. müsste das MJ oder das Bundesamt für Justiz (das kann man sich wohl aussuchen) an das dänische Justizministerium das Ersuchen weiterleiten.

    Dänemark(Königreich Dänemark)ohne Färöerinseln und Grönland

    I. Auslieferung

    I.1. Der Auslieferungsverkehr findet nach der Regelung im nationalen Recht statt, durch die der Rahmenbeschluss 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. der EU Nr. L 190 vom 18. Juli 2002, S. 1) umgesetzt wurde.

    Zu beachten sind:

    - die von der Regierung der Bundesrepublik Deutschland zu den Artikeln 6, 8, 25 und 31 abgegebenen Erklärungen (EU-Ratsdokument 12509/06, COPEN 94, EJN 22, EUROJUST 43),

    - die von der Regierung des Königreichs Dänemark zu den Artikeln 6, 7, 8, 13, 25 und 27 des Rahmenbeschlusses abgegebenen Erklärungen (EU-Ratsdokument 5348/04 ADD 1, COPEN 13, EJN 5, EUROJUST 5; ABl. der EU Nr. L 190 vom 18. Juli 2002, S. 19).

    Eine Auslieferung wegen fiskalischer Straftaten ist möglich.

    Die Auslieferung eigener Staatsangehöriger ist möglich.

    I.2. Der Europäische Haftbefehl wird zwischen den zuständigen deutschen Justizbehörden und dem dänischen Justizministerium übermittelt.

    Der Europäische Haftbefehl sollte den dänischen Behörden in beglaubigter Mehrfertigung übermittelt werden.

    Durchlieferungsersuchen werden zwischen den zuständigen deutschen Justizbehörden einerseits und dem dänischen Justizministerium andererseits übermittelt.

    I.3. Der Europäische Haftbefehl ist in die dänische, schwedische oder englische Sprache zu übersetzen.

    I.4. Der Europäische Haftbefehl muss unverzüglich, spätestens innerhalb von 10 Tagen vom Zeitpunkt der Verhaftung an, den dänischen Behörden vorliegen.

    II. Vollstreckungshilfe

    II.1. Der Vollstreckungshilfeverkehr findet nach dem Übereinkommen vom 21. März 1983 über die Überstellung verurteilter Personen (BGBl. 1991 II S. 1006, 1007; 1992 II S. 98) in Verbindung mit dem Zusatzprotokoll vom 18. Dezember 1997 zu dem vorbezeichneten Übereinkommen (BGBl. 2002 II S. 2866; 2008 II S. 45) sowie in Verbindung mit den Artikeln 67-69 des Schengener Übereinkommens vom 19. Juni 1990 betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen (Schengener Durchführungsübereinkommen) (BGBl. 1993 II S. 1010, 1013; 1994 II S. 631; 1996 II S. 242; 2000 II S. 1106, 1108; 2002 II S. 627, 628) statt.

    Bei der Anwendung der Übereinkommen sind zu beachten:

    - die von der Regierung der Bundesrepublik Deutschland zu den Artikeln 2, 3, 4, 5, 7, 8, 12, 16 und 17 des erstgenannten Übereinkommens abgegebenen Vorbehalte und Erklärungen (BGBl. 1992 II S. 98),

    - die von der Regierung des Königreichs Dänemark zu den Artikeln 3, 17 und 20 des erstgenannten Übereinkommens sowie zu dem Artikel 6 des Zusatzprotokolls abgegebenen Vorbehalte und Erklärungen (BGBl. 1992 II S. 98; 2008 II S. 45).

    Hinsichtlich der Vollstreckung von Geldstrafen und Geldbußen findet im Verhältnis zu Dänemark der Rahmenbeschluss 2005/214/JI des Rates vom 24. Februar 2005 (RB Geld) Anwendung. Hinweise für die Stellung von Vollstreckungshilfeersuchen auf der Grundlage des RB Geld finden sich unter:
    http://www.bundesjustizamt.de/cln_115/nn_203…html?__nnn=true .

    II.2. Vollstreckungshilfeersuchen werden zwischen dem Bundesamt für Justiz oder den Justizministerien der Länder (Landesjustizverwaltungen) der Bundesrepublik Deutschland einerseits und dem dänischen Justizministerium andererseits übermittelt.

    II.3. Die Beifügung von Übersetzungen ist nicht erforderlich.

    III. Rechtshilfe

    III.1. Der sonstige Rechtshilfeverkehr findet nach folgenden Übereinkommen statt:

    a) Europäischen Übereinkommen vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen (BGBl. 1964 II S. 1369, 1386; 1976 II S. 1799; 1982 II S. 982) in Verbindung mit dem Zusatzprotokoll vom 17. März 1978 zu dem vorbezeichneten Übereinkommen (BGBl. 1990 II S. 124, 125; 1991 II S. 909),

    b) Artikel 40, 48, 49 b) bis f), 50 und 51 des Schengener Übereinkommens vom 19. Juni 1990 betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen (Schengener Durchführungsübereinkommen) (BGBl. 1993 II S. 1010, 1013; 1994 II S. 631; 1996 II S. 242; 2000 II S. 1106, 1108; 2002 II S. 627, 628),

    c) Übereinkommen vom 29. Mai 2000 über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (BGBl. 2005 II S. 650; 2006 II S. 1379) in Verbindung mit dem Protokoll vom 16. Oktober 2001 zu dem Übereinkommen vom 29. Mai 2000 über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (BGBl. 2005 II S. 661; 2006 II S. 1379).

    Bei der Anwendung der Übereinkommen sind zu beachten:

    - die von der Regierung der Bundesrepublik Deutschland zu den Übereinkommen abgegebenen Vorbehalte und Erklärungen

    zu a) bezüglich Artikel 5, 7, 11, 16, 24 und 25 des Übereinkommens sowie zu Artikel 2 und 8 des Zusatzprotokolls (BGBl. 1976 II S. 1799; 1991 II S. 909),

    zu c) bezüglich Artikel 9 und 10 des Übereinkommens (BGBl. 2006 II S. 1379),

    - die von der Regierung des Königreichs Dänemark zu den Übereinkommen abgegebenen Vorbehalte und Erklärungen

    zu a) bezüglich Artikel 2, 3, 5, 7, 11, 13, 16, 24 und 26 des Übereinkommens (BGBl. 1976 II S. 1802),

    zu c)bezüglich Artikel 6, 9, 10, 14 und 24 des Übereinkommens sowie zu Artikel 9 des Protokolls (BGBl. 2006 II S. 1379).

    Rechtshilfe wird auch geleistet

    - in Verfahren wegen Handlungen, die nach deutschem und bzw. oder dänischem Recht als Zuwiderhandlungen gegen Rechtsvorschriften durch Verwaltungsbehörden geahndet werden, gegen deren Entscheidung ein auch in Strafsachen zuständiges Gericht angerufen werden kann,

    - in fiskalischen Strafsachen sowie in Verfahren wegen fiskalischer Ordnungswidrigkeiten nach Maßgabe des Artikels 50 Abs. 5 des Schengener Durchführungsübereinkommens,

    - in Verfahren über Ansprüche auf Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen und ungerechtfertigte Verurteilungen,

    - in Gnadensachen,

    - in Adhäsionsverfahren,

    - bei der Zustellung von Urkunden bezüglich der Vollstreckung einer Strafe oder einer Maßregel der Sicherung und Besserung, der Einziehung einer Geldbuße oder der Zahlung der Gerichtskosten,

    - bei Maßnahmen betreffend die Aussetzung des Ausspruchs oder der Vollstreckung einer Strafe oder Maßregel der Sicherung und Besserung, die bedingte Entlassung, den Aufschub des Vollstreckungsbeginns einer Strafe oder Maßregel der Sicherung und Besserung oder die Unterbrechung der Vollstreckung,

    - in Strafverfahren und Verfahren im Sinne des Buchstaben a) in Bezug auf Straftaten oder Zuwiderhandlungen, für die im ersuchenden Mitgliedstaat eine juristische Person verantwortlich gemacht werden kann.

    III.2. Rechtshilfeersuchen und Anzeigen zum Zwecke der Strafverfolgung werden unmittelbar zwischen den zuständigen Justizbehörden beider Staaten übermittelt.

    Verfahrensurkunden werden an Personen, die sich im Hoheitsgebiet Dänemarks aufhalten, unmittelbar durch die Post übersandt. Der gleiche Geschäftsweg ist für Verwaltungsbehörden vorgesehen, die Ordnungswidrigkeiten zu verfolgen haben.

    Ersuchen um vorübergehende Überstellung oder Durchbeförderung von Häftlingen werden zwischen dem Bundesamt für Justiz oder den Justizministerien der Länder (Landesjustizverwaltungen) der Bundesrepublik Deutschland einerseits und dem dänischen Justizministerium andererseits, in dringenden Fällen unmittelbar zwischen den Justizbehörden beider Staaten übermittelt.

    Ersuchen um Erteilung von Auskünften aus dem Strafregister nach Artikel 13 Abs. 1 des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen können von den deutschen Justizbehörden unmittelbar der zuständigen dänischen Behörde (EU-Ratsdokument 8848/10, COPEN 104, EJN 9, EUROJUST 44) übermittelt werden.

    Ersuchen um Erteilung von Auskünften aus dem Strafregister nach Artikel 13 Abs. 2 des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen können nach Maßgabe des Beschlusses des Rates vom 21. November 2005 über den Austausch von Informationen aus dem Strafregister (ABl. der EU Nr. L 322 vom 9. Dezember 2005, S. 33) auch unter Einschaltung des Bundesamtes für Justiz – Bundeszentralregister – den dänischen Behörden übermittelt werden. Dies ist auch für Ersuchen um Erteilung von Auskünften aus dem Strafregister nach Artikel 13 Abs. 1 des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen möglich.

    III.3. Die Beifügung von Übersetzungen ist nicht erforderlich.

    Ersuchen um Erteilung von Auskünften aus dem Strafregister sind nach Maßgabe des Beschlusses des Rates vom 21. November 2005 über den Austausch von Informationen aus dem Strafregister in die dänische oder englische Sprache zu übersetzen.

    IV. Sonstiges

    IV.1. Deutsche Konsularbeamte in Dänemark sind nicht berechtigt, auf dem Amtshilfeweg von deutschen Behörden übermittelte Ersuchen um konsularische Zustellungen und Vernehmungen vorzunehmen.

    Lasst ja die Kinder viel lachen, sonst werden sie böse im Alter. Kinder, die viel lachen, kämpfen auf der Seite der Engel.
    Hrabanus Maurus


    Nach manchen Gesprächen mit einem Menschen hat man das Verlangen, eine Katze zu streicheln, einem Affen zuzunicken oder vor einem Elefanten den Hut zu ziehen.
    Maxim Gorki



  • Moin,

    ich weiß ja nicht, ob's noch aktuell ist, aber zumindest der Vollständig halber: Das ganze nennt sich "Vorübergehende Überstellung" und ist Teil der (sonstigen) Rechtshilfe, kein Fall einer Auslieferung.
    Geregelt ist das Vorgehen in Nr. 119 RiVASt. Die für die Überstellung zuständige Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht sollte i.d.R. auch wissen, was zu tun ist.
    Im Falle Dänemarks erfolgt die eigentliche Übermittlung des Ersuchens dann zwischen dem Justizministerium des betroffenen Bundeslandes und dem dänischen Justizministerium.

    Gruß aus Niedersachsen

    P.S. Die Grundlage ist Art. 11 des Europäischen Übereinkommen vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen

    Einmal editiert, zuletzt von Niedersachse (20. Mai 2014 um 15:43) aus folgendem Grund: Ergänzung

  • Auch wenn eine vorübergehende Überstellung möglich wäre, halte ich diese für wenig sachdienlich.

    Dazu folgendes Szenario (frei nach Murphys Law: If anything can go wrong - it will):
    Es geht schon damit los, dass man die Überstellung so planen müsste, dass gerade der erforderliche Termin am Amtsgericht durchgeführt werden kann. Dann ist überraschend ein Zeuge krank, so dass die Hauptverhandlung nicht beendet werden kann. Es muss also ein zweiter Termin her, der einerseits innerhalb der 3wöchigen Fortsetzungsfrist ist, andererseits auf der Grundlage der genehmigten Überstellung durchgeführt werden kann. Es zeigt sich dann, dass der Zeuge länger krank ist. Andererseits ist das ersuchte Land dann nicht in der Lage, die Überstellung zu verlängern, weil sie sonst mit ihren eigenen Haftfortdauervorschriften in Konflikt kommen. Lösungsmöglichkeiten?

    Aus dem südeuropäischen Raum kenne ich im übrigen das Verhalten der ersuchten Länder so, dass diese während bei ihnen laufender Untersuchungshaft irgendwelche einstweiligen Maßnahmen eher nicht genehmigen, sondern erst nach rechtskräftiger Aburteilung ihrer eigenen Verfahren eine (dann endgültige) Überstellung im Wege der Auslieferung genehmigen.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

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