Rechtsprechungshinweise Insolvenz

  • Wie die Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung keine eigene Steuerpflicht des Täters voraussetzt, ist auch für die Selbstanzeige nach § 371 Abs. 1 AO unerheblich, ob der Anzeigende selbst der Steuerschuldner ist.

    Nach § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ist ein Steuerpflichtiger, der nachträglich (aber vor Ablauf der Festsetzungsfrist nach § 169 AO) erkennt, dass eine von ihm oder für ihn abgegebene Erklärung unrichtig oder unvollständig ist und dass es dadurch zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann oder bereits gekommen ist, zur unverzüglichen Anzeige und erforderlichen Richtigstellung verpflichtet. Dieselbe Verpflichtung trifft gem. § 153 Abs. 1 Satz 2 AO denjenigen, der gem. § 34 Abs. 1 Satz 1 AO als gesetzlicher Vertreter einer juristischen Person handelt, ebenso wie dessen Nachfolger. Der Fall, dass zunächst überhaupt keine Erklärung abgegeben wurde, wird von § 153 Abs. 1 AO hingegen nicht erfasst.


    KG, Beschl. v. 24. 11. 2016 - (4) 121 Ss 169/16 (195/16)

  • In Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 11.5.2006, Az. IX ZR 247/03, ZInsO 2006, 708 Rn. 7), nach der die Entstehung eines Absonderungsrechts mit Blick auf die Abtretung von Honoraransprüchen eines Kassenarztes lediglich die Erbringung der ärztlichen Dienstleistung voraussetzt, folgt der Senat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG Urteil vom 10.12.2014, Az. B KA 45/13R, Rn. 31) der Ansicht, dass die Entstehung des Honoraranspruchs zudem zumindest auch die Abrechnung der Leistungen gegenüber der kassenärztlichen Vereinigung voraussetzt.

    OLG Hamm, Urt. v. 2. 3. 2017 - 27 U 31/16

  • Rückzahlungsansprüche der Insolvenzmasse aus überhöht festgesetzten Vergütungen haben ihre Grundlage, anders als vom BGH entschieden, ausschließlich im Bereicherungsrecht nach den §§ 812 ff. BGB.

    Der Abschluss eines Vergleichs über die Rückzahlung überhöhter Vergütungen durch den Sonderinsolvenzverwalter mit dem zur Rückzahlung verpflichteten Insolvenzverwalter unterliegt nicht der Entscheidungskompetenz der Gläubigerversammlung. Insoweit bedarf es auch nicht der Einberufung einer Gläubigerversammlung von Amts wegen.

    Die Mitglieder eines Gläubigerausschusses sind von der Entscheidung über die Zustimmung zu einem Vergleich über die Rückzahlung überhöhter Vergütungen auch dann nicht ausgeschlossen, wenn sie daraus mittelbar eigene Vorteile erlangen (Wegfall der Verzinsung des Rückzahlungsanspruchs) und im Zeitpunkt der Beschlussfassung des Ausschusses der Sonderinsolvenzverwalter die Rückzahlungsverpflichtungen der Gläubigerausschussmitglieder noch prüft.


    AG Aurich, Beschl. v. 17. 3. 2017 - 9 IN 143/07

  • Die Kreditbearbeitungsgebühr ist keine Vergütung für eine sonstige, rechtlich selbstständige, gesondert vergütungsfähige Leistung. Mit der Vereinbarung einer Bearbeitungsgebühr wälzt das Kreditinstitut lediglich Kosten für Tätigkeiten, die es im eigenen Interesse erbringt oder aufgrund bestehender eigener Rechtspflichten zu erbringen hat, auf seine Kunden ab.

    Bei Verbraucherdarlehensverträgen ist die in den AGB von Kreditinstituten enthalten Vereinbarung eines Bearbeitungsentgeltes unwirksam, sodass die Leistung des Kreditnehmers rechtsgrundlos und zudem unentgeltlich erfolgt, da der Zahlung des Gebühr keine Gegenleistung des Kreditinstituts gegenübersteht.


    LG Braunschweig, Urt. v. 22. 3. 2017 - 9 S 246/16

  • Die Vergütung für die Nachtragsverteilung ist gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 InsVV nach billigem Ermessen unter Zugrundelegung der Nachtragsverteilungsmasse und unter Heranziehung der Staffelsätze des § 2 InsVV festzusetzen. Nicht die Bestimmung der Berechnungsgrundlagen unterliegt billigem Ermessen i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1 InsVV, sondern die Ermittlung der Höhe der Vergütung innerhalb des durch die Höhe der Nachtragsverteilungsmasse und die Staffelsätze des § 2 InsVV vorgegebenen Rahmens.

    Im Regelfall wird die Nachtragsverteilung mit 25 % der Staffelsätze des § 2 InsVV vergütet; die vollen Staffelsätze erhält der Insolvenzverwalter nur in besonderen Ausnahmefällen.


    LG Köln, Beschl. v. 20. 9. 2016 - 1 T 61/16

  • Die "Neufassung" eines Vergütungsantrages im laufenden Beschwerdeverfahren mit Austausch der Kernelemente Berechnungsgrundlage, Zuschlagswesen und Gesamtabwägung entspricht einer Rücknahme des bisherigen Vergütungsantrages. Die Beschwerde gegen die Ablehnung des Erstantrages wird dadurch unzulässig.

    Ein vorläufiger Insolvenzverwalter kann Immobilienwerte, die er während des Insolvenzeröffnungsverfahrens für massefremd erachtet hat, nicht in seinen späteren (geänderten) Vergütungsantrag für die Zeit der vorläufigen Insolvenzverwaltung in die Berechnungsgrundlage miteinbeziehen.

    Immobilien der Schuldnerin mangels richtiger Begutachtung der Eigentumszuordnung keinerlei (ihm obliegender) Sicherungstätigkeit, kann dies einen Abschlag bis zur Mindestvergütung herab rechtfertigen.

    Ein vorläufiger Insolvenzverwalter, der zugleich Rechtsanwalt ist, darf gem. § 45 Abs. 2 Nr.2, Abs. 3 BRAO das Amt für das Insolvenzeröffnungsverfahren eines "Tochterunternehmens" nicht annehmen, wenn (er oder) Mitglieder seiner Sozietät früher eine Sanierungsberatung eines konzernverbundenen, beherrschenden Unternehmens vorgenommen (hat bzw.) haben. Eine Zeitgrenze, nach deren Ablauf die Vorberatung unbeachtlich ist, könnte § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO entnommen werden.


    AG Hamburg, Beschl. v. 18. 4. 2017 - 67c IN 332/14 (n.rkr.)

  • BGH vom 20.04.2017, IX ZB 14/15, IX ZB 15/15, ohne Leitsatz:

    Die Staatskasse ist nur in Prozesskostenhilfeverfahren natürlicher Personen, nicht aber in entsprechenden Verfahren einer Partei kraft Amtes beschwerdebefugt.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

    2 Mal editiert, zuletzt von La Flor de Cano (19. Mai 2017 um 10:59) aus folgendem Grund: habe den Yoda rausgenommen

  • OLG München, Beschluss vom 25.04.2017 - 21 W 2/17

    1. Gerichtsgebühren und Insolvenzverwaltergebühren sind strukturell vollkommen verschieden. Die Sonderregelung zur Betriebsfortführung für Insolvenzverwalter gilt für Gerichtsgebühren nicht.

    2. Die Kosten der Betriebsfortführung sind bei der Ermittlung des Gebührenwertes des Insolvenzverfahrens nicht abzuziehen. Der Wert für die Berechnung der Gerichtsgebühren bemisst sich nach dem gesamten Betriebsumsatz im Fortführungszeitraum (a.A. entgegen OLG Dresden, Beschl. v. 26. 8. 2013 – 3 W 739/13; OLG Hamm, Beschl. v. 18. 1. 2013 – I-25 W 262/12; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10. 2. 2015 – 3 W 20/14; OLG Stuttgart, Beschl. v. 30. 4. 2014 – 8 W 149/14).

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Einem Antrag auf Eintragung einer Zwangshypothek über die Hauptforderung hinaus auch hinsichtlich kapitalisierter Zinsen kann nicht entsprochen werden, wenn die Forderung in dieser Form nicht tituliert ist.

    Verbleibt es somit lediglich bei einem Antrag auf Eintragung einer Zwangshypothek hinsichtlich der Hauptforderung, so kann dieser nicht dahin gehend ausgelegt werden, dass die Eintragung auch hinsichtlich eines weiterhin titulierten Zinsanspruchs erfolgen soll.


    KG, Beschl. v. 14. 3. 2017 - 1 W 135/17

  • Damit die Vorauswahlliste die ihr zukommende Funktion erfüllen kann, darf sich das Vorauswahlverfahren nicht nur auf das Erstellen einer Liste mit Namen und Anschriften interessierter Bewerber beschränken, vielmehr müssen die Daten über die Bewerber erhoben, verifiziert und strukturiert werden, die der jeweilige Insolvenzrichter nach der eigenen Einschätzung für eine sachgerechte Ermessensausübung bei der Auswahlentscheidung benötigt (BVerfGE 116, 1, 17 [BVerfG 23.05.2006 - 1 BvR 2530/04]).

    Um den Anforderungen der Rechtsprechung gerecht werden zu können, hat der/die Insolvenzrichter(in) inhaltliche Kriterien für die Aufnahme von Bewerbern um das Amt des Insolvenzverwalters aufzustellen und zu bewerten, um am Ende dieses Vorgangs eine praktikable Liste der geeigneten Bewerber um einen Posten als Insolvenzverwalter aufstellen zu können.

    Die im sog. Hannoveraner-Modell abgefragten Kriterien sind sämtlichst geeignete und nicht sachwidrige oder gar willkürliche Kriterien, die zur Prüfung der generellen Eignung und auch zu der von der Rechtsprechung geforderten Strukturierung und Verifizierung der Daten geeignet erscheinen.


    OLG Celle, Beschl. v. 27. 3. 2017 - 16 VA 9/16

  • Die Einstellung eines Strafverfahrens nach § 153a Abs. 2 StPO ist nicht mit der Entscheidung verbunden, ob der Angeklagte die ihm durch die Anklage vorgeworfene Tat begangen hat oder nicht, weil eine derartige Verfahrensweise in Übereinstimmung mit dem Gebot der Unschuldsvermutung keinen Tatnachweis voraussetzt.

    Die Gewerbebehörde muss im Fall einer solchen Einstellung eine eigenständige Würdigung und Bewertung der strafgerichtlichen Verfahrensakten in einem Verwaltungsverfahren vornehmen und auf dieser Grundlage eine berufsbezogene Zuverlässigkeitsprognose treffen.


    OVG Bautzen, Beschl. v. 6. 10. 2016 - 3 B 174/16

  • Stützt ein Gläubiger seine Forderungsanmeldung auf verschiedene Anspruchsgrundlagen - hier auf eine vertragliche und auf eine deliktische -, so sind die Anmeldevoraussetzungen in Ansehung beider Anspruchsgrundlagen zu erfüllen.

    Erfüllt eine Forderungsanmeldung hinsichtlich einer der reklamierten Anspruchsgrundlagen (hier: Deliktseigenschaft beruhend auf Beförderungserschleichung gemäß § 265a StGB) nicht einmal die Mindestanforderungen, die an eine Forderungsanmeldung zu stellen sind, so ist die nicht ordnungsgemäße Anmeldung vom Insolvenzgericht insoweit zurückzuweisen. Die Forderung ist dann ohne das Deliktsattribut in die Tabelle aufzunehmen.


    AG Köln, Beschl. v. 7. 4. 2017 - 71 IK 175/15

  • Eine Niederlegung der Tabelle mit den Anmeldeunterlagen im Büro des Insolvenzverwalters ist in einem Großverfahren mit nahezu 17.000 Forderungsanmeldungen zulässig. Sinn und Zweck des § 175 Abs. 1 und 2 InsO ist, den Beteiligten Einsicht in die Tabelle mit den Anmeldeunterlagen zu ermöglichen. Dass in § 175 Abs. 1 Satz 2 InsO die Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts als Ort der Niederlegung genannt wird, ist als bloße redaktionelle Begrifflichkeit zu verstehen.

    AG Leipzig, Beschl. v. 27. 2. 2017 - 404 IN 1437/16

  • Betriebsvereinbarungen gelten nach Unternehmensspaltungen beim Erwerber auch dann kollektivrechtlich weiter, wenn die Spaltung nicht mit einem Teilbetriebsübergang einhergeht, wenn die abgespaltenen Vermögensteile beim neuen Rechtsträger in eine erstmals geschaffene neue betriebliche Verbundenheit ohne wesentliche organisatorische Änderungen eingegliedert werden.

    Nach einem Betriebsübergang werden gem. § 613a Abs. 1 Satz 3 BetrVG beim Betriebsveräußerer geltende Betriebsvereinbarungen durch die beim Erwerber geltenden Betriebsvereinbarungen abgelöst. Die Ablösung unterlegt keinem generellen Verschlechterungsverbot. Ein solches kann auch der Scattolon-Entscheidung des EuGH (EuGH 6.9.2011 - C-108/10) nicht entnommen werden.


    LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 8. 2. 2017 - 4 Sa 34/16

  • Nach der zur Auslegung der EuInsVO maßgeblichen Rechtsprechung des EuGH weist Art. 3 Abs. 1 EuInsVO dem Mitgliedstaat, in dessen Gebiet das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, eine internationale Zuständigkeit für Klagen zu, die unmittelbar aus diesem Verfahren hervorgehen und mit diesem in engem Zusammenhang stehen. Der Begriff dieser Annexverfahren ist nicht näher definiert oder umschrieben.

    Im Hinblick auf den Erwägungsgrund 6 der EuInsVO, welcher vorsieht, dass sich die Verordnung gemäß dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auf Vorschriften beschränken sollte, die die Zuständigkeit für die Eröffnung von Insolvenzverfahren und für die Entscheidung regeln, die unmittelbar aufgrund des Insolvenzverfahrens ergehen und in engem Zusammenhang damit stehen, ist der Begriff eng auszulegen.

    Die Klage eines Insolvenzverwalter aus einer internen Patronatserklärung wird nicht von der Annexzuständigkeit umfasst.


    OGH Österreich, Beschl. v. 23. 11. 2016 - 3 Ob 202/16a

  • Die Feststellung, dass eine Unterhaltsforderung aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung herrührt mit der Folge, dass diese Forderung von der Restschuldbefreiung nicht berührt wird, setzt voraus, dass der Unterhaltspflichtige die Unterhaltspflicht vorsätzlich verletzt hat. Dies ist nicht schon dann der Fall, wenn er das Bestehen einer Unterhaltspflicht für möglich hält, bei Zweifeln über seine Unterhaltspflicht aber zunächst lediglich deshalb keinen Unterhalt leistet, weil er eine gerichtliche Entscheidung abwarten möchte.

    OLG Hamburg, Beschl. v. 25.11.2016 - 2 UF 111/16

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