Rechtsprechungshinweise Insolvenz

  • Hat sich ein Anleger als stiller Gesellschafter am Vermögen einer späteren Insolvenzschuldnerin (hier: der Herausgeberin einer Zeitung) beteiligt, so muss er erhaltene Vorabvergütungen nicht an den Insolvenzverwalter gem. § 134 InsO zurückzahlen, wenn er die Zahlungen nicht rechtsgrundlos und damit unentgeltlich erhalten hat. Dies kann der Fall sein,wenn die Insolvenzschuldnerin die geleisteten Vorabvergütungen dem Anleger aufgrund der mit ihm abgeschlossenen Gesellschaftsverträge garantiert und damit geschuldet hat und wenn diese Verträge auch wirksam sind.

    OLG Hamm, Urt. v. 12. 12. 2016 - 8 U 44/16

  • Die Staatsanwaltschaft darf bei ihren Ermittlungen private Dritte zur Erbringung von Dienstleistungen, die Spezialkenntnisse erfordern, hinzuziehen.

    Die hierbei entstehenden Kosten können dem Verurteilten als Verfahrenskosten nur dann gesondert auferlegt werden, wenn die Beauftragung erfolgt, um spezifische Fragestellungen aufgrund des fachlichen Wissens des Beauftragten zu klären, und ggf. aufgrund entsprechender Erfahrungssätze verfahrenserhebliche Tatsachen zu ermitteln.

    Die bloße Sichtung sichergestellter Unterlagen bzw. Datenträgeroder das reine Geben von Hinweisen für die weiteren Ermittlungstätigkeiten rechtfertigen nicht den Ansatz (fiktiver) Sachverständigenkosten. Erforderlich hierfür ist stets eine selbstständige und eigenverantwortliche gutachterliche Stellungnahme zu konkret umschriebenen Beweisthemen.


    OLG SchlH, Beschl. v. 10. 1. 2017 - 2 Ws 441/16 (165/16)

  • Für die Leistungsklage eines Insolvenzverwalters gegen den Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) wegen offener Gewerbesteuerforderungen gegenüber der GbR ist nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GbR der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet.

    Der Gesellschafter einer GbR, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, kann vom Insolvenzverwalter für offene (Gewerbe-)Steuerforderungen gegenüber der GbR ohne vorherigen Erlass eines Haftungsbescheides in Anspruch genommen werden.

    Im Bereich des Steuerrechts enthält die Regelung des § 236 AO für die Geltendmachung von Prozesszinsen eine abschließende Spezialregelung. Sind dessen Voraussetzungen nicht erfüllt, besteht kein Anspruch auf Verzinsung.


    VG Arnsberg, Urt. v. 1. 12. 2016 - 5 K 4079/15

  • Es verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG, eine Arbeitnehmerin im Zusammenhang mit ihrer Elternzeit vom Anwendungsbereich des Massenentlassungsschutzes auszuschließen.

    Im Fall einer Betriebsstilllegung erklärt die zuständige oberste Landesbehörde die Kündigung trotz der Elternzeit regelmäßig für zulässig. Die Verzögerung durch das Abwarten auf diese Erklärung führt dazu, dass die Kündigung erst außerhalb des für eine Massenentlassung i.S.v. § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG relevanten 30-Tageszeitraums ausgesprochen werden kann. Dies hat zur Folge, dass der gesetzliche Schutzmechanismen nicht greift. Die unterschiedliche Behandlung kann insbesondere nicht dadurch gerechtfertigt werden, dass § 18 Abs. 1 BEEG a.F. besonderen Kündigungsschutz eröffnet.

    Die Auffassung des BAG, eine Kündigung unterfalle nur dann den für Massenentlassungen geltenden Regelungen, wenn sie innerhalb der 30-Tagesfrist des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG zugehe, führt zudem zu einer faktischen Benachteiligung wegen des Geschlechts. Zwar knüpft die Schlechterstellung an die Elternschaft an. Doch trifft sie damit Frauen in erheblich höherem Maß als Männer, weil Elternzeit jedenfalls bislang in evident höherem Maß von Frauen in Anspruch genommen wird. Diese faktische Schlechterstellung aufgrund des Geschlechts lässt sich verfassungsrechtlich nicht rechtfertigen.

    Die Benachteiligung von Personen mit besonderem Kündigungsschutz lässt sich dadurch vermeiden, dass die ihnen gegenüber erklärten Kündigungen, die allein deshalb außerhalb des 30-Tageszeitraums zugehen, weil zunächst ein anderes, nicht gleichwertiges behördliches Verfahren wie etwa die Zulässigerklärung nach § 18 Abs. 1 Satz 2 BEEG a.F. durchzuführen war, so behandelt werden wie Kündigungen, für die die Regeln des Massenentlassungsschutzes gelten. Bei Beschäftigten mit Sonderkündigungsschutz gilt dann der 30-Tageszeitraum nach § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG auch dann als gewahrt, wenn die Antragstellung bei der zuständigen Behörde innerhalb dieses Zeitraums erfolgt ist.


    BVerfG, Beschl. v. 8. 6. 2016 - 1 BvR 3634/13

  • Nach § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG gelten in Betrieben, in denen i.d.R. nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt sind, die Vorschriften des Ersten Abschnitts mit Ausnahme von dessen §§ 4 - 7, 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 nicht für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nach dem 31.12.2003 begonnen hat.

    § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG enthält ebenso wie das gesamte KSchG keine Definition des Betriebsbegriffs. Für §§ 1, 15 und 17 KSchG gilt daher im Wesentlichen der Betriebsbegriff i.S.d. § 1 BetrVG. Danach ist der Betrieb die organisatorische Einheit von Arbeitsmitteln, mit deren Hilfe der Arbeitgeber allein oder in Gemeinschaft mit seinen Arbeitnehmern mithilfe von technischen und immateriellen Mitteln einen bestimmten arbeitstechnischen Zweck fortgesetzt verfolgt. Mangels entgegenstehender Hinweise ist davon auszugehen, dass der Betriebsbegriff im gesamten KSchG einheitlich gebraucht wird. Entsprechend der Unterscheidung zwischen "Betrieb" und "Unternehmen" in § 1 KSchG ist er auch in § 23 Abs. 1 KSchG nicht mit dem Unternehmen gleichzusetzen. Dies ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

    Die Darlegungs- und Beweislast für die betrieblichen Geltungsvoraussetzungen nach § 23 Abs. 1 KSchG trägt grds. der Arbeitnehmer. Etwaigen Schwierigkeiten, die sich mangels eigener Kenntnismöglichkeiten ergeben können, ist durch die Grundsätze der abgestuften Darlegungs- und Beweislast Rechnung zu tragen.


    BAG, Urt. v. 19. 7. 2016 - 2 AZR 468/15

  • Mit dem unter den Voraussetzungen des BMF-Schreibens vom 27.3.2003 IV A 6-S 2140-8/03 (BStBl I 2003, 240; ergänzt durch das BMF-Schreiben vom 22.12.2009 IV C 6-S 2140/07/10001-01, BStBl I 2010, 18; sog. Sanierungserlass) vorgesehenen Billigkeitserlass der auf einen Sanierungsgewinn entfallenden Steuer verstößt das BMF gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung.

    BFH, Beschl. v. 28. 11. 2016 - GrS 1/15

  • Für den Zeitraum 2010/2011 sind Vermögenswerte, soweit an ihnen Absonderungsrechte Dritter bestehen, schon mangels gesetzlicher Grundlage bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlage für die Vergütungsfestsetzung nicht zu berücksichtigen.

    Zuschläge aufgrund destruktiven bzw. obstruierenden Verhaltens eines Schuldners sind nicht generell zu gewähren, da die begrenzte Auskunftsbereitschaft auch eine typische Begleiterscheinung in fast jedem Insolvenzverfahren ist. Führt jedoch eine in viele Bereiche hineinwirkende Mitwirkungsverweigerung des Schuldners zu einer objektiv gravierenden Mehrbelastung des Insolvenzverwalters, kann es ausnahmsweise gerechtfertigt sein, einen Zuschlag zu gewähren.


    LG Münster, Urt. v. 12. 1. 2017 - 102 O 17/16

  • BGH, Urteil vom 26. Januar 2017 - IX ZR 285/14

    Besteht für eine Kapitalgesellschaft ein Insolvenzgrund, scheidet eine Bilanzierung nach Fortführungswerten aus, wenn innerhalb des Prognosezeitraums damit zu rechnen ist, dass das Unternehmen noch vor dem Insolvenzantrag, im Eröffnungsverfahren oder alsbald nach Insolvenzeröffnung stillgelegt werden wird.

    a) Der mit der Erstellung eines Jahresabschlusses für eine GmbH beauftragte Steu-erberater ist verpflichtet zu prüfen, ob sich auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen und der ihm sonst bekannten Umstände tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten ergeben, die einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit entgegenstehen können. Hingegen ist er nicht verpflichtet, von sich aus eine Fortführungsprognose zu erstellen und die hierfür erheblichen Tatsachen zu ermitteln (Ergänzung zu BGH, WM 2013, 802 und BGH, WM 2013, 1323).

    b) Eine Haftung des Steuerberaters setzt voraus, dass der Jahresabschluss angesichts einer bestehenden Insolvenzreife der Gesellschaft objektiv zu Unrecht von Fortführungswerten ausgeht.

    Der mit der Erstellung eines Jahresabschlusses für eine GmbH beauftragte Steuerberater hat die Mandantin auf einen möglichen Insolvenzgrund und die daran anknüpfende Prüfungspflicht ihres Geschäftsführers hinzuweisen, wenn entsprechende Anhaltspunkte offenkundig sind und er annehmen muss, dass die mögliche Insolvenzreife der Mandantin nicht bewusst ist (teilweise Aufgabe von BGH, WM 2013, 802).

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • BFH, Urteil vom 20.09.2016 - VII R 10/15, ohne Leitsatz

    Für eine Nachtragsverteilung von Steuererstattungsansprüchen muss der Rechtsgrund während der Dauer des Insolvenzverfahrens gelegt worden sein.

    Wenigstens in Verbraucherinsolvenzverfahren ist es unschädlich, wenn die Art des Erstattungsanspruch im Beschluss keine Erwähnung findet, der Erstattungsanspruch auf Einkommensteuer fußt und im Schlussbericht kein Hinweis auf eine andere Steuerart erwähnt ist.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • BGH, Urteil vom 26. Januar 2017 - IX ZR 315/14 - OLG München

    Ein Insolvenzgläubiger kann einen durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochenen Rechtsstreit über eine Insolvenzforderung auch dann wirksam aufnehmen, wenn der Widerspruch nur auf insolvenzrechtliche Einwendungen gestützt wird.

    In einem Feststellungsprozess richtet sich die Frage, welche Forderung nach Grund, Betrag und Rang festgestellt werden soll, nach der Anmeldung der Forderung durch den Gläubiger, nicht nach dem Inhalt der Eintragung der Forderung in die Tabelle.
    Die Feststellung einer Forderung zur Tabelle, die nach dem Inhalt der Anmeldung von einer Zug um Zug zu erbringenden Gegenleistung abhängig ist, ist aus Rechtsgründen nicht möglich (Bestätigung BGH, WM 2003, 2429).

    Der Insolvenzverwalter ist verpflichtet, aufgrund einer formal ordnungsgemäßen Anmeldung einer Forderung als Insolvenzforderung diese Forderung auch dann in die Tabelle einzutragen, wenn er meint, der Forderung stünden insolvenzrechtliche Einwendungen entgegen.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • BGH, Urteil vom 12. Januar 2017 - IX ZR 130/16

    Wird ein unverzinsliches Darlehen wegen Vermögensverfalls gekündigt, liegt die Gläubigerbenachteiligung im Wegfall der gesetzlichen Abzinsung.

    Die Anfechtung einer Rechtshandlung wegen des Ermöglichens einer Befriedigung setzt nicht voraus, dass der Insolvenzgläubiger nachfolgend außerhalb des Insolvenzverfahrens die Befriedigung erlangt hat.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • BGH, Beschluss vom 26. Januar 2017 - IX ZR 125/15

    Erfüllt der Schuldner einen Werkvertrag, für den ein Dritter eine Anzahlungsbürgschaft übernommen hat, liegt darin gegenüber dem Gesellschafter, der dem Dritten für die Bürgschaft eine Sicherheit gestellt hat, keine Rückgewähr einer gleichgestellten Forderung.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Die Verrechnung wechselseitiger Forderungen im Kontokorrentverhältnis benachteiligt die Gläubiger nicht, soweit die eingegangenen Gutschriften auf der Bezahlung solcher Forderungen beruhen, welche der Bank anfechtungsfest zur Sicherheit abgetreten worden waren, und der Bank eine anfechtungsfeste Sicherheit am Anspruch des Schuldners auf Gutschrift zusteht.

    Die mit der Einzahlung auf ein bei der Bank geführtes Kontokorrentkonto des Schuldners verbundene Kontokorrentbindung steht einem AGB-Pfandrecht der Bank am Anspruch des Schuldners auf Gutschrift nicht entgegen (Bestätigung BGH, Urteil vom 29. November 2007 - IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297).

    BGH, Urteil vom 2. Februar 2017 - IX ZR 245/14 -

  • Eine Kongruenzvereinbarung muss bei Dauerschuldverhältnissen nicht bereits vor Beginn der Vertragsabwicklung insgesamt geschlossen werden, vielmehr ist bei Dauerschuldverhältnissen eine Betrachtung nach einzelnen (vertraglichen) Zeitabschnitten vorzunehmen und jeweils gesondert zu bewerten. Dabei ist auf den Eintritt des ersten von einem Vertragsteil bewirkten Leistungserfolgs abzustellen.


    Zu den Anforderungen an die Darlegung des Eintritts der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit bei vereinbarten Stundungen.


    OLG Bamberg, Endurt. v. 13. 12. 2016 - 5 U 209/13

  • Werden in einer Löschungsbewilligung nicht alle mithaftenden Grundstücke ausdrücklich bezeichnet, enthält sie aber einen Passus, wonach "auch an allen Mithaftstellen und damit an den in den jeweiligen Mithaftvermerken genannten Grundstücken" bewilligt worden ist, ist das Erfordernis des § 28 GBO, dass das betroffene Grundstück eindeutig und zweifelsfrei bezeichnet ist, erfüllt. Die Löschungsbewilligung erstreckt sich über das ausdrücklich genannte Grundstück hinaus auch auf alle in der Eintragung als mithaftend aufgeführten weiteren Grundstücke.

    OLG Rostock, Beschl. v. 9. 5. 2016 - 3 W 102/13

  • In der Insolvenz ist der Insolvenzverwalter aufgrund der ihm nach § 80 InsO übertragenen Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis berechtigt, alle von ihm erzielten Einkünfte zur Masse zu ziehen. Steuerrechtlich bleiben die Gesellschafter Rechtssubjekte und unterliegen deshalb der Einkommensteuer; zivil- und insolvenzrechtlich stehen die zu versteuernden Einkünfte der Masse zu.

    Dass die Gesellschafter einer KG für die seitens der Gesellschaft erzielten Gewinne Einkommensteuer zu zahlen haben, ist Ausfluss des im Steuerrecht geltenden Trennungsprinzips. Das Gesellschaftsvermögen wird nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO nicht als Vermögen der Gesellschaft, sondern als anteiliges Vermögen der an ihr beteiligten Gesellschafter behandelt.


    OLG Stuttgart, Hinweisbeschl. v. 7. 6. 2016 - 14 U 24/16

  • Hat ein Gesellschafter trotz seiner Stellung als 10%iger Minderheitsgesellschafter nicht nur eingeschränkten Einfluss auf die Geschicke und die Geschäfte der Gesellschaft und hängt zudem seine wirtschaftliche Existenz von den wirtschaftlichen Verhältnissen der Gesellschaft ab, so ist in der Regel die Verbraucherinsolvenz nicht die passende Verfahrensart, da eine so gelagerte Tätigkeit einen Umfang und einen Zuschnitt hat, der einer wirtschaftlichen Selbstständigkeit i.S.d. § 304 Abs. 1 InsO entspricht.

    LG Verden, Beschl. v. 23. 8. 2016 - 3 T 55/16

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