Regelung zur Gemeinschaftsordnung § 10 WEG

  • Ich habe folgenden Passus einer Teilungserklärung beanstandet:

    „Der teilende Eigentümer ist bis zur Fertigstellung des Gebäudes ferner berechtigt, zusätzliche Fenster einzubauen und/oder zu verändern bzw. entfallen zu lassen, Balkone und/oder Loggien zu verändern, hinzuzufügen oder entfallen zu lassen sowie Kaminzüge einzubauen ohne dass es der Zustimmung von Erwerbern oder bereits eingetragenen Eigentümern bedarf.“
    Bei den Balkonen handelt es sich um Sondereigentum.

    Darin sehe ich eine Ermächtigung zur Änderung des Sondereigentums, die nach § 10 Abs. 2 WEG nicht dinglich vereinbart werden kann. Wenn z. B. ein Balkon weggelassen oder seine Größe verändert wird, ist das eben eine Änderung des Sondereigentums also eine Inhaltsänderung nach § 877 BGB. Dazu ist die Zustimmung der Eigentümer erforderlich.

    Der Bauträger besteht jedoch auf dieser Regelung und will meine Zwischenverfügung anfechten. Er argumentiert, die Regelung beinhalte lediglich eine Regelung zur Änderung der tatsächlichen Bauausführung und keine Ermächtigung diese Änderungen auch in rechtlicher Hinsicht nachzuvollziehen.

    Wie seht Ihr das?

  • Ich verstehe den Sachverhalt so, dass lediglich die Befugnis des teilenden Eigentümers zu baulichen Veränderungen verdinglicht werden soll. Das ist möglich, weil § 22 I WEG abdingbar ist bzw. von der Unabdingbarkeit nur die Regelung über die Modernisierungsmaßnahmen nach Abs. II ausgenommen sind (s. Kolb, MittRheinNotK 1996, 254 ff, Grziwotz in Erman BGB, 13. Auflage 2011, § 22 WEG RN 11, je mwN). Ich hatte allerdings in 2005 aufgrund der Belehrung des Notars Zweifel, ob damit nicht auch die Befugnis zur Änderung der sachenrechtlichen Zuordnung (unzulässigerweise) verdinglicht werden sollte und habe mir eine Klarstellung des teilenden Eigentümers in der Form des § 29 GBO vorlegen lassen. Falls der Wunsch besteht, kann ich das Schreiben hier einstellen.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Hier ein Auszug aus dem (zunächst formlosen) Schreiben von Ende 2005:

    „Bauliche Veränderungen als solche bedingen jedoch keine Änderung der Teilungserklärung (Kolb, MittRheinNotK 1996, 254 ff mit weit. Nachw.). Eine Änderung der Teilungserklärung ist jedoch z. B. dann erforderlich, wenn sich mit den vorgenommenen baulichen Änderungen zugleich die sachenrechtlichen Strukturen ändern sollten. Das wäre etwa dann der Fall, wenn die in § 6 angesprochenen Aufstockungen in Sondereigentum überführt werden sollen, weil spätere An- und Ausbauten sowie Aufstockungen zunächst zur Entstehung von Gemeinschaftseigentum führen (BayObLG, DNotZ 1973, 611; OLG Stuttgart, OLGZ 1979, 21). Denn durch die nachträglichen Veränderungen können die rechtlichen Grenzen des bereits entstandenen Eigentums nicht mehr verändert werden (BayObLG, DNotZ 1999, 212). Die Umwandlung des Gemeinschaftseigentums in Sondereigentum betrifft jedoch die sachenrechtliche Zuordnung. Die Änderung der sachenrechtlichen Zuordnung kann aber nicht als Inhalt des Sondereigentums vereinbart werden, weil nach §§ 5 IV, 10 I 2, II WEG lediglich Vereinbarungen über das Verhältnis der Wohnungs- und Teileigentümer untereinander eintragungsfähig sind (KG, NZM 1998, 581/582; BayObLGZ 1997, 233/238, BayObLGZ 2000, 1/2; BayObLGZ 2001, 279/283; BGH, NJW 2003, 2165/2166 m. w. N.). Auch kann eine solche Befugnis nicht mit dinglicher Wirkung einem Dritten eingeräumt oder belassen werden (BGH, WM 1971, 956/957; BayObLG, DNotZ 1975, 308/309). Verdinglichte Ermächtigungen in Gemeinschaftsordnungen sind in diesem Bereich daher nicht möglich (Hügel, DNotZ 2005, 753/773 mit weit. Nachw. in Fußn. 68). Dass es vorliegend um solche Ermächtigungen geht, entnehme ich Ihren Belehrungen am Schluss der Urkunde. Es wird daher mit einer Nachtragserklärung der teilenden Eigentümerin in der Form des § 29 I GBO klarzustellen sein, dass mit den genannten Ermächtigungen nicht die Mitwirkung (Auflassung nach §§ 4 WEG, 925 BGB) der Wohnungs-Teileigentümer nebst Zustimmung der dinglich Berechtigten nach § 876, 877 BGB abbedungen werden soll. Darauf, dass Verpflichtungen der Erwerber, an einer Änderung der Teilungserklärung mitzuwirken, in die Kaufverträge aufgenommen werden können (bzw. müssten), weise ich hin (BayObLG, NJW-RR 1995, 208 = DNotZ 1995, 610 mit Anm. Röll in Rpfleger 1995, 344 und DNotZ 1995, 612 mit Anm. Röll = WM 1994, 708; DNotZ 1996, 297; BGH, Urt. v. 4.4.2003, V ZR 322/02 = NJW 2003, 2165/2166; Urt. v. 01.10.2004, V ZR 210/03 = NJW 2004, 3418 = NJW-RR 2005, 10 = NZM 2004, 876 (= entsprechende Pflichten der Käufer müssen in die Kaufverträge aufgenommen werden)….“

    Zu Deiner letzten Frage s. die Ausführungen im Beschluss des BayObLG vom 15. 1. 1998 - 2Z BR 30–97 = NZM 1998, 308:

    …“Mögliche Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche in bezug auf den Deckendurchbruch (§§ 22 I, 14 Nr. 1, 15 III WEG, § 1004 I BGB; vgl. BayObLG, NJW-RR 1992, 272 [273]; NJW-RR 1994, 1169) berühren die durch die Grundbucheintragung geschaffene dingliche Rechtslage nicht. Andererseits schließt diese solche Ansprüche nicht aus. Die Grundbucheintragung betrifft und schützt nämlich ausschließlich rechtliche, nicht tatsächliche Verhältnisse, die allein Gegenstand solcher Ansprüche sein könnten (vgl. Weitnauer, § 3 Rdnr. 37)…“

    Oder diejenigen des BGH im Beschluss vom 21. 12. 2000 - V ZB 45/00 = NJW 2001, 1212:

    …“Vielmehr sind sowohl eigenmächtig am Gemeinschaftseigentum vorgenommene - und damit zwangsläufig der Teilungserklärung widersprechende - bauliche Veränderungen (§ 22 I 1 WEG) als auch bauliche Maßnahmen am Sondereigentum (§ 13 I WEG; vgl. hierzu BayObLG, NJW-RR 1988, 587; Sauren, WEG, 3. Aufl., § 22 Rdnr. 42 „Durchbruch”; Röll, WE 1998, 367 [368]) von sämtlichen Wohnungseigentümern hinzunehmen, wenn deren Rechtsstellung nicht oder nicht über das bei geordnetem Zusammenleben unvermeidbare Maß hinaus beeinträchtigt wird (§§ 22 I 2, 14 Nr. 1 WEG). ….“

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Ich möchte mich mal mit einem Fällchen dranhängen.

    In einem Mehrfamilienhaus, welches nach WEG aufgeteilt ist, wohnt A in der Wohnung im Obergeschoss und B in der Wohnung im Dachgeschoss. A und B kommen sich über die Jahre näher und werden ein Paar. :daumenrau

    Sie planen nunmehr einen Deckendurch zwischen beiden Wohnungen - jeweils selbstständiges Sondereigentum - und hierzu soll die Gemeinschaftsordnung mit nachstehendem Inhalt geändert werden.

    "Die Arbeiten müssen fachgerecht ausgeführt werden.
    Alle dadurch entstehenden Kosten, auch für Schäden, belasten A und B.
    Das Stimmrecht und die Betriebskostenabrechnung werden nicht geändert. Der Deckendurchbruch ist innerhalb von 3 Monaten wieder zu schließen, die Frist beginnt, sofern das Eigentum nur einer Wohnung wechselt."

    Der Notar beantragt nun, die geänderte Gemeinschaftsordnung ins Grundbuch als Inhaltsänderung des Sondereigentums einzutragen. Geht das :gruebel:, gegen die Vereinbarungen habe ich selbstverständlich nichts, aber das ins Grundbuch als Inhaltsänderung des Sondereigentums einzutragen :confused:.

    :cup: Man sollte - wenigstens versuchen - stets bemüht zu sein. :schreiben

  • ....Der Notar beantragt nun, die geänderte Gemeinschaftsordnung ins Grundbuch als Inhaltsänderung des Sondereigentums einzutragen. Geht das :gruebel:, gegen die Vereinbarungen habe ich selbstverständlich nichts, aber das ins Grundbuch als Inhaltsänderung des Sondereigentums einzutragen :confused:.

    Decken und Böden sind als konstruktive Bestandteile Gemeinschaftseigentum (Müller, Praktische Fragen des Wohnungseigentums 2. Teil. Gemeinschaftseigentum – Sondereigentum – Sondernutzungsrechte, 6. Auflage 2015, RN 24 mwN in Fußnote 65).

    Die Zerstörung oder Beseitigung von Gemeinschaftseigentum stellt eine bauliche Veränderung dar (Spielbauer/Then; § 22 WEG RN 3 mwN in Fußn. 27). Ein Deckendurchbruch hat dies zur Folge.

    Bei einem Deckendurchbruch besteht die Gefahr, dass die konstruktive Stabilität des Gebäudes und/oder dessen Brandsicherheit gefährdet wird. Daher sind die übrigen Wohnungseigentümer betroffen. Das Gutachten des DNotI vom 28.09.2012; Abruf-Nr.: 120529
    http://www.dnoti.de/gutachten/inde…151?mode=detail
    führt dazu aus: „Anders ist dies, wenn eine tragende, im Gemeinschaftseigentum stehende Wand durchbrochen wird. Dann bedarf der Wohnungseigentümer gem. § 14 Nr. 1 WEG der Zustimmung der anderen Eigentümer, es sei denn, dass ein nichthinnehmbarer Nachteil ausgeschlossen wäre, weil kein vernünftiger Zweifel daran besteht, dass ein wesentlicher Eingriff in die Substanz des Gemeinschaftseigentums unterblieben ist, insb. zum Nachteil der übrigen Eigentümer keine Gefahr für die konstruktive Stabilität des Gebäudes und dessen Brandsicherheit geschaffen wurde (Riecke/Schmid/Elzer, § 8 WEG Rn. 86)“

    Daher ist von einer solchen Maßnahme für die anderen Wohnungseigentümer ein Nachteil im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG zu erwarten. Der BGH führt in Rz. 11 des Urteils vom 07.02.2014, V ZR 25/13, aus: „Nachteil ist jede nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung. Sie muss konkret und objektiv sein; entscheidend ist, ob sich nach der Verkehrsanschauung ein Wohnungseigentümer in der entsprechenden Lage verständlicherweise beeinträchtigt fühlen kann (Senat, Urteil vom 14. Dezember 2012 - V ZR 224/11, BGHZ 196, 45 Rn. 4 mwN)“

    Grundsätzlich wäre also die Zustimmung aller Wohnungseigentümer erforderlich, die aber gegenüber dem GBA nicht nachgewiesen werden müsste (s. DNotI-Report 10/2004, 87/89 mwN).

    Das Zustimmungserfordernis kann jedoch auch dadurch ersetzt werden, dass im Wege der Vereinbarung dem oder den Wohnungseigentümern die Befugnis zu baulichen Veränderungen eingeräumt wird.

    Wie oben ausgeführt
    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…ll=1#post958885
    kann die Befugnis zu baulichen Veränderungen verdinglicht werden (s. Spielbauer in Spielbauer/Then, WEG, 3. Auflage 2017, § 22 RN 6; Grziwotz in Erman BGB, Kommentar, 14. Auflage 2014, § 22 WEG RN 11, Hogenschurz in Jennißen, Wohnungseigentumsgesetz, 5. Auflage 2017, § 22 RN 39).

    Das gilt jedenfalls solange, wie mit dieser baulichen Veränderung keine Befugnis zur sachenrechtlichen Veränderung, also der Umwandlung von Gemeinschaftseigentum in Sondereigentum einhergeht;
    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…ll=1#post959130

    Dss ist vorliegend aber offenbar nicht der Fall. Also kann durch einen Nachtrag zur Teilungserklärung die Befugnis der betreffenden Wohnungseigentümer als Inhalt des (= jeden) Sondereigentums eingetragen werden. Wie bei jeder nachträglichen Änderung der Teilungserklärung müssen daran die übrigen Wohnungseigentümer mitwirken und die dinglich Berechtigten, deren Rechtsstellung beeinträchtigt wird, zustimmen (Kral im Beck'schen Online-Kommentar GBO, Hrsg. Hügel, Stand 01.11.2016, Sonderbereich Wohnungseigentum, RN 186 mwN).

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Beim Studieren der Fundstellen bin ich auf Folgendes gestoßen: Hügel verweist in der Rd.-Nr. 186 auf Rd.-Nr. 197ff. In Rd.-Nr. 197 heißt es, dass keine Zustimmung mehr erforderlich ist, da kein SNR irgendeiner Art und Weise betroffen ist.

    Ebenso Jennißen, § 22 WEG, Rd.-Nr. 12a; keine Zustimmung der dinglich Berechtigten erforderlich.

    Im Grundbuch stehen nur Grundschulden, also kann ich die Eintragung wohl vornehmen. :)

    :cup: Man sollte - wenigstens versuchen - stets bemüht zu sein. :schreiben

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