Dokumentenpauschale vs. Gerichtskostenfreiheit

  • Hallo,

    ich sitze an folgendem Problem:

    In einem sozialgerichtlichen Verfahren - in welchem die Klägerin gemäß § 183 S.1 SGG Kostenfreiheit genießt - unterlässt es deren Prozessbevollmächtigter mehrfach, seinen Schreiben Mehrausfertigungen beizufügen, wonach er nach § 93 S.1 SGG aber verpflichtet gewesen wäre. Das Gericht erstellt die Unterlagen schließlich selbst und stellt der Klägerin die Kosten nach § 93 S.2, 3 SGG in Rechnung. Gegen den Kostenansatz wird Erinnerung eingelegt, weil unklar ist, ob von Unterlagen, die der Gegenseite ohnehin bereits vorlagen, tatsächlich Kopien gefertigt werden mussten oder nicht.

    Mir geht es aber zunächst mehr darum, wie § 93 S.3 SGG im Verhältnis zu § 183 S.1 SGG zu sehen ist. Nach einer Kommentarmeinung (im Meyer-Ladewig, 10. Auflage, § 93 Rn. 3a) soll Nr.9000 KV GKG auch in Verfahren, in denen das GKG nicht gilt, über einen "weit ausgelegten § 202" SGG anwendbar sein. Ist das dann also tatsächlich eine Ausnahme vom Grundsatz der Kostenfreiheit (wie auch bei § 192 SGG)?

    PKH wurde im Verfahren übrigens nicht gewährt.

    Im Ergebnis finde ich es ja richtig, dass § 93 S.3 SGG nicht durch § 183 S.1 SGG "ausgehebelt" wird. Eine überzeugende Begründung, warum das tatsächlich so sein sollte, gelingt mir aber bislang nicht.

    Hat da jemand eine Idee oder sogar Erfahrungen aus der Praxis?

    Viele Grüße,
    Garfield

  • Weil`s grad so schön dazu passt, hänge ich mich mal mit einem weiteren "Problemchen" von unserem Sozialgericht dran:
    Wir haben hier ein paar wenige Experten, die führen ihre Verfahren ohne Anwalt und schicken alles - Klageschrift und alle Schriftsätze grundsätzlich ohne Porto her. Die Post gibt das hier ab und lässt es von unserer Poststelle bezahlen. Laut Aussage unseres Präsidenten, gibt es keine Möglichkeit, die Annahme der Post zu verweigern oder das von uns bezahlte Porto von der Partei zurück zu fordern. Ich habe dazu noch nichts Gegenteiliges gefunden. In der Kommentierung vor § 183, Rn. 13 und in § 183 Rn. 11 fehlt diese Aufzählung.

  • Die Begründung ergibt sich aus dem Gesetz: § 183 Satz 4 SGG: § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Abs. 2 Satz 1 und § 192 bleiben unberührt. Dazu auch im Meyer/Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., 2008 (Berlin ist arm aber ...) die Rz. 11.

    Oh. Ja, man sollte eine Vorschrift wohl wirklich immer erst zu Ende lesen. Vielen Dank! :)

  • Weil`s grad so schön dazu passt, hänge ich mich mal mit einem weiteren "Problemchen" von unserem Sozialgericht dran: Wir haben hier ein paar wenige Experten, die führen ihre Verfahren ohne Anwalt und schicken alles - Klageschrift und alle Schriftsätze grundsätzlich ohne Porto her. Die Post gibt das hier ab und lässt es von unserer Poststelle bezahlen. Laut Aussage unseres Präsidenten, gibt es keine Möglichkeit, die Annahme der Post zu verweigern oder das von uns bezahlte Porto von der Partei zurück zu fordern. Ich habe dazu noch nichts Gegenteiliges gefunden. In der Kommentierung vor § 183, Rn. 13 und in § 183 Rn. 11 fehlt diese Aufzählung.


    Interessant. Ich habe da zunächst an das JVKostG gedacht, da steht aber nichts. Was wäre denn alternativ einfach mit § 826 BGB? Wobei das mit den "guten Sitten" hier vielleicht eine recht hohe Hürde wäre. Vorsatz dagegen scheint ja da zu sein.

  • Naja, das würde dann aber bedeuten, dass das Sozialgericht (bzw. der Freistaat) den Bürger erst mal in einem Zivilverfahren verklagen muss, um an eine Titel zu kommen, aus dem dann vermutlich nicht vollstreckt werden kann, weil der Mensch Sozialhilfeempfänger ist und nicht genug hat. Da würden wir noch viel mehr drauf zahlen, das macht "nur" wegen Portokosten keinen Sinn.
    Ich hatte eher nach einem Weg gesucht, die Annahme der Post zu verweigern. Zurück geschickt kann das nicht werden, weil regelmäßig der Absender fehlt auf dem Briefumschlag. Und Annahme verweigern ginge wohl nicht, sagt der Präsi.... nur eine richtige Begründung hat er mir auch nicht gesagt (außer, dass am SG alles ganz anders ist als an anderen Gerichten und wir mit so schwierigen Leuten eben leben müssen).
    Das sind nur Einzelfälle und das wird sich auch nicht ausweiten, aber ich finde es schon sehr frech. und ich finde es schlimm, dass wir das auch noch unterstützen müssen.

  • Naja, das würde dann aber bedeuten, dass das Sozialgericht (bzw. der Freistaat) den Bürger erst mal in einem Zivilverfahren verklagen muss, um an eine Titel zu kommen, aus dem dann vermutlich nicht vollstreckt werden kann, weil der Mensch Sozialhilfeempfänger ist und nicht genug hat. Da würden wir noch viel mehr drauf zahlen, das macht "nur" wegen Portokosten keinen Sinn.
    Ich hatte eher nach einem Weg gesucht, die Annahme der Post zu verweigern. Zurück geschickt kann das nicht werden, weil regelmäßig der Absender fehlt auf dem Briefumschlag. Und Annahme verweigern ginge wohl nicht, sagt der Präsi.... nur eine richtige Begründung hat er mir auch nicht gesagt (außer, dass am SG alles ganz anders ist als an anderen Gerichten und wir mit so schwierigen Leuten eben leben müssen).
    Das sind nur Einzelfälle und das wird sich auch nicht ausweiten, aber ich finde es schon sehr frech. und ich finde es schlimm, dass wir das auch noch unterstützen müssen.


    Damit hätte ich auch meine Probleme.

    Wenn man das hinterfragen möchte, müsste man sich mal bei der Post erkundigen, wie es wäre, wenn ich als Privatperson nicht genügend bzw. gar nicht frankierte Briefe bekomme. Da muss es doch möglich sein, die Annahme zu verweigern, auch wenn der Absender seine Adresse nicht auf den Brief geschrieben hat.

  • Als Privatperson kannst du die Annahme verweigern. Da nimmt die Post das Brieflein wieder mit und weil sie keinen Absender hat, wird es dann sicher vernichtet. Keiner kann dich zwingen, ein Porto für einen Brief zu übernehmen, den du nicht selber abgeschickt hast. Und da hatte ich eben gedacht, das können wir hier auch so machen.

  • Weil`s grad so schön dazu passt, hänge ich mich mal mit einem weiteren "Problemchen" von unserem Sozialgericht dran:
    Wir haben hier ein paar wenige Experten, die führen ihre Verfahren ohne Anwalt und schicken alles - Klageschrift und alle Schriftsätze grundsätzlich ohne Porto her. Die Post gibt das hier ab und lässt es von unserer Poststelle bezahlen. Laut Aussage unseres Präsidenten, gibt es keine Möglichkeit, die Annahme der Post zu verweigern oder das von uns bezahlte Porto von der Partei zurück zu fordern. Ich habe dazu noch nichts Gegenteiliges gefunden. In der Kommentierung vor § 183, Rn. 13 und in § 183 Rn. 11 fehlt diese Aufzählung.

    Nun, so ist es für den Staat wohl immer noch billiger, als wenn der "Kunde" auch noch vorher für jede beabsichtigte Klage Beratungshilfe in Anspruch nehmen würde. Selbst wenn er die aus irgendwelchen Gründen mal nicht bekäme, wäre alleine die für die Verbescheidung notwendige Arbeitszeit sicher teurer als das Nachporto. Das bedeutet nicht, dass ich das Verhalten billige, nur dass es legale Möglichkeiten gäbe, unterm Strich noch mehr Kosten zu erzeugen. Quasi ein halber Trost.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!