Verwendungsdienstbarkeit

  • Ich habe hier mal eine Frage zu einem Thema, dass bei uns im Grundbuchamt heißt diskutiert wird - Lösung noch nicht in Sicht.

    Sachverhalt:
    Der Verkäufer teilt sein Grundstück in zwei Teile. Einen Teil überträgt er an seinen Sohn.
    Ich habe nun das Grundstück geteilt und den Grundstücksteil für den Sohn in ein anderes Grundbuch abgeschrieben (zumindest habe ich die Eintragung so vorbereitet).

    Das ursprüngliche ungeteilte Grundstück ist mit einer "persönlichen Dienstbarkeit wegen Verwendung des Grundstücks für die Stadt XXX" belastet. Keine schlagwortartige Bezeichnung des wesentlichen Inhalts. Bewilligung vom 11.05.1938. Diese Belastung wird vom Sohn zur weiteren Duldung übernommen. Jetzt habe ich hier den Beschluss vom BGH vom 12.06.2014; V ZR 244/13.

    Wenn ich nunmehr das Recht in das neue Grundbuch für den Sohn transportiere, muss ich dann das Recht näher bezeichnen? Was mache ich, wenn ich die Bewilligung von 192´38 nicht habe? Oder kann ich das Recht genauso übertragen? Muss ich mir hierfür die Rechtlage zum Zeitpunkt der damaligen Eintragung ansehen (1938)?:confused:

    Ich bin jetzt erst seit dem 01.05.2014 beim Grundbuchamt tätig und weiß ehrlich gesagt nicht so genau wo ich hier nachschauen soll und deswegen wäre ich über absolut jede Hilfe dankbar, was solche Verwendungsdienstbarkeiten betrifft.

    „Zwischen dem, was wir denken, was wir sagen wollen,was wir denken, zu sagen, was wir sagen, was wir hören wollen, was wir hören,was wir hören möchten, was wir denken, zu verstehen, und was wir wirklichverstehen, bestehen neun verschiedene Möglichkeiten, nicht verstanden zuwerden.“

  • Das Recht ist so zu transportieren, wie es eingetragen ist. Allerdings kann nach § 44 Absatz 3 Satz 1 GBO bei der Übernahme von Eintragungen auf ein anderes, neu anzulegendes Grundbuchblatt die Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung auch bis zu dem Umfange nachgeholt oder erweitert werden, wie sie nach § 44 Absatz 2 zulässig wäre; ferner kann nach § 44 Absatz 3 Satz 3 GBO auch von dem ursprünglichen Text der Eintragung abgewichen werden. Beides setzt jedoch voraus, dass dadurch der Inhalt der Eintragung nicht verändert wird. Und zu dem eingetragenen Inhalt gehört die schlagwortartige Kennzeichnung, die als wesentlicher Inhalt (Wesenskern) bezeichnet wird (s. z. B. BayObLG, Beschluss vom 12. 12. 1988, BReg. 2 Z 52/88, = DNotZ 1989, 572 mwN). Fehlt es an dieser schlagwortartigen Kennzeichnung, ist die Eintragung inhaltlich unzulässig (BayObLG, DNotZ 1994, 888; DNotZ 1991, 258; LG München I MittBayNot 2006, 147; Demharter GBO § 44 Rn 18; Schöner/Stöber Rn 1148).

    Allerdings richtet sich die Frage der inhaltlichen Unzulässigkeit nach der Sachlage, wie sie sich zum Zeitpunkt der Eintragung des Rechts dargestellt hat.

    Holzer führt dazu im Beck'schen Online-Kommentar GBO, Stand: 01.07.2014, § 53 RN 84 aus:

    ..“Bei der Prüfung, ob eine inhaltliche Unzulässigkeit vorliegt (Rn 61 f), hat das Grundbuchamt grds das Recht zur Zeit der Vornahme der Eintragung zu prüfen (BayObLG BayObLGZ 1970, 45, 49; KG OLGZ 1977, 6, 8). Hierbei sind auch der zu jener Zeit herrschende Sprachgebrauch, die damalige Verkehrsauffassung und -Übung sowie das schutzwürdige Vertrauen der Berechtigten auf die oft seit vielen Jahren bestehenden Eintragungen zu berücksichtigen (BayObLG Rpfleger 1976, 250; BayObLG Rpfleger 1981, 479). Vor der Einführung der Grundbuchordnung am 1.1.1900 in die zuvor bestehenden Bucheinrichtungen vorgenommene und in das Grundbuch übertragene Eintragungen bleiben deshalb inhaltlich zulässig (RGZ 98, 215, 220), es sei denn, dass die Zulässigkeit ihrer Eintragung durch ein späteres Gesetz mit rückwirkender Kraft entfallen ist (BayObLG Rpfleger 1953, Sp 446, 450; KGJ 40, 227, 231; KG OLGZ 1977, 6, 8) oder sie unter Verstoß gegen die Vorschriften der GBV auf den neuen Blattvordruck in einer Weise übertragen wurden, aus der sich ihre inhaltliche Unzulässigkeit ergibt (hierzu und zu weiteren Einzelfällen vgl Demharter GBO § 53 Rn 51).“

    Gehe ich davon aus, dass Dienstbarkeiten, die 1938 eingetragen wurden und keine schlagwortartige Kennzeichnung aufwiesen, bereits damals als inhaltlich unzulässig angesehen wurden:

    vgl. die Nachweise im B. des OLG Köln vom 5. 5. 1957,8 W 91/56, = NJW 1957, 992, der im Übrigen eine Eintragung aus dem Jahr 1921 zum Gegenstand hatte, nämlich: KGJ 49 A 163 [169]; 51, 266 [272] = OLG 39, 244; KG in JFG 6, 282 [287]; JW 36, 3477;OLG Hamm in DNotZ 54, 207 mit Anm. Jansen daselbst; Erman, A 2 b;Palandt, A 3 b; Planck, 5. Aufl., A 4; RGRK, 10. Aufl. A 3; Staudinger-Seufert, 11. Aufl. A 3 - sämtlich zu § 874 BGB; Güthe-Triebel, 6. Aufl. A 10 zu § 49 GBO; Henke-Mönch-Horber, A 2 c Anh. zu § 44 GBO; Hesse-Saage-Fischer, 3. Aufl. A I zu § 49 GBO,

    dann müsste die Dienstbarkeit im Grunde genommen im bisherigen Grundbuch nach § 53 I 2 GBO (nach vorheriger Anhörung) gelöscht werden, dürfte also auch nicht transportiert werden.

    Da aber auch der zu jener Zeit herrschende Sprachgebrauch, die damalige Verkehrsauffassung und -Übung sowie das schutzwürdige Vertrauen der Berechtigten auf die oft seit vielen Jahren bestehenden Eintragung zu berücksichtigen ist (das BayObLG führt z. B. im B. vom 17.04.1986, Reg 2 Z 79/85 = Rechtspfleger 1986, 296, aus: “ …Wie in der Entscheidung Rpfleger 1981, 479 betont der Senat auch hier, dass eine nähere Kennzeichnung wünschenswert gewesen und bei einer Neueintragung auch zu fordern wäre; die bereits vor Jahrzehnten eingetragenen Dienstbarkeiten können im vorliegenden Fall aber noch als hinreichend deutlich gekennzeichnet angesehen werden“) und sich aus der Rechtspersönlichkeit des Berechtigten unter Umständen auch die schlagwortartige Kennzeichnung ergeben kann (s. BayObLG, Rpfleger 1981, 479) würde ich es -ungeachtet des Beschlusses des BGH vom 12.06.2014; V ZR 244/13- den Beteiligten überlassen, die etwaige inhaltliche Unzulässigkeit geltend zu machen und die Dienstbarkeit mit dem eingetragenen Inhalt transportieren.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Vielen Dank für diese ausführliche Antwort.
    Sie war wirklich sehr hilfreich :daumenrau:D

    „Zwischen dem, was wir denken, was wir sagen wollen,was wir denken, zu sagen, was wir sagen, was wir hören wollen, was wir hören,was wir hören möchten, was wir denken, zu verstehen, und was wir wirklichverstehen, bestehen neun verschiedene Möglichkeiten, nicht verstanden zuwerden.“

  • Auch wenn das Thema schon eine Weile her ist, hatte ich mich eben erst mit einer solchen Dienstbarkeit und ihrer eventuellen Löschung zu befassen:

    Persönliche Dienstbarkeit wegen Verwendung des Grundstücks für die Stadt ...

    Der Bewilligung von 1935 nach handelt es sich um eine Beschränkung des Eigentümers, der das Grundstück nicht zu Gewerbezwecken nutzen darf.

    Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat mit (unveröffentlichtem) Urteil vom 13. Mai 2009, 6 U 133/08 entschieden, dass diese Eintragung zulässig und ausreichend ist, da der Begriff Verwendung darauf hindeutet, dass die Dienstbarkeit das Recht des Eigentümers beschränkt, das belastete Grundstück zu bestimmten Zwecken zu benutzen.

    Das Urteil wird auch in der dem Urteil des BGH vom 12.06.2014 vorgehenden (veröffentlichten) Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 20.08.2013 (12 U 41/13) inhaltlich erwähnt.

    Das papierlose Büro wird ebenso wenig kommen wie das papierlose Klo.
    [Dr. Heinrich von Pierer (Vorstand Siemens)]

  • Hier wurden im Jahr 1943 eine Reihe von beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten für die XXXGas AG eingetragen, und zwar komplett ohne schlagwortartige Bezeichnung (nur "... in Gemäßheit und unter Bezugnahme auf die Umlegungssache xy, Kulturamt xy, Aktenzeichen..."). Die Dienstbarkeiten wurden jetzt übertragen und die Umschreibung beantragt, in diesem Rahmen ist die inhaltliche Unzulässigkeit aufgefallen. Nach Anhörung trägt niemand gegen die beabsichtigte Amtslöschung vor.

    Ich bin nun auf diesen Thread und die von Prinz genannten Entscheidungen gestoßen, wonach sich alleine aus der Person der Berechtigten eine hinreichende Kennzeichnung des Rechts ergeben kann. Mir geht diese Auslegung wirklich zu weit, da in meinen Fällen überhaupt kein Schlagwort eingetragen ist. Aber ich wollte vor der Löschung doch nochmal hören, ob jemand schon mit dieser Problematik zu tun hatte.

    Falls noch jemand eine Idee dazu hat, wäre ich dankbar.

    Life is short... eat dessert first!

  • ... eine Reihe von beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten für die XXXGas AG ... unter Bezugnahme auf die Umlegungssache ...


    Da schließe ich mich der Meinung von Prinz an. Ich würde diese Eintragungen nicht löschen.
    Keine Ahnung, welche Anforderungen 1943 an ein Umlegungsverfahren gestellt wurden. Die Kennzeichnung des Rechts fehlt zwar, aber der Inhalt lässt sich aus dem Zusammenhang der Eintragung in etwa feststellen (wahrscheinlich handelt es sich um Versorgungsleitungen).

  • Also gar kein Schlagwort ist zuwenig ;) egal wann, egal aufgrund welcher Eintragungsgrundlage auch immer.
    -->anhören, löschen.

    So einen Schluß kann man bei einer eigentlich zu unbestimmten Immisonsduldungsverpflichtung für die Biogasanlagenbetriebsperson ziehen, aber eine Gas- oder Wasser AG hat nicht nur Leitungen im Dienstbarkeitsportfolio, da kann schon auch mal eine größere Anlage dabei sein wie eine Transkontinentale Pipeline oder eine Förderstation oder Pumpen und Hebewerke, Verladebahnhof, etc. p.p. oder einfach mal ganz was anderes.

  • Also gar kein Schlagwort ist zuwenig ;) egal wann, egal aufgrund welcher Eintragungsgrundlage auch immer.
    -->anhören, löschen.


    und dann?
    Den Antrag von 1943 zurückweisen?
    Das würde ich mir alles sehr gut überlegen und käme wohl zu dem Schluss, die Finger davon zu lassen.
    Das Ganze kommt anscheinend aus der Umlegung - ich nehme an, dass es sich um Dienstbarkeiten für die Erschließung der Grundstücke handelt. Die würde ich ohne Veranlassung durch die Beteiligten nicht löschen.

  • Es handelt sich wohl um Gasleitungsrechte. Meine Augen verschließen kann ich jedenfalls nicht, da die Dienstbarkeiten übertragen und die Umschreibung beantragt wurde. Ein meiner Meinung nach inhaltlich unzulässiges Recht kann ich schlecht auf einen neuen Berechtigten umschreiben.

    Life is short... eat dessert first!

  • und dann?

    Wäre auch meine Sorge. Wenn bei einem Eisenbahnunternehmen als Berechtigtem ein „Benutzungsrecht“ als „Eisenbahnstreckenführungsrecht“ und bei einer Elektrizitätsgesellschaft als „Hochspannungsleitungsrecht“ gedeutet wird (vgl. Staudinger/Karl-Heinz Gursky BGB § 873 Rn. 264 m.w.N.), würde man bei einem Gasversorgungsunternehmen vermutlich ein „Gasleitungsrecht“ unterstellen.

  • Also gar kein Schlagwort ist zuwenig ;) egal wann, egal aufgrund welcher Eintragungsgrundlage auch immer.
    -->anhören, löschen.


    und dann?
    Den Antrag von 1943 zurückweisen?
    Das würde ich mir alles sehr gut überlegen und käme wohl zu dem Schluss, die Finger davon zu lassen.
    Das Ganze kommt anscheinend aus der Umlegung - ich nehme an, dass es sich um Dienstbarkeiten für die Erschließung der Grundstücke handelt. Die würde ich ohne Veranlassung durch die Beteiligten nicht löschen.

    Grade wenn' notwendige Rechte sind wäre es natürlich schon schön auch solche Rechte zu haben, die auch tatsächlich bestehen.

    Wenn der Antrag von 1943 noch bzw. wieder unerledigt ist, spricht nix gegen Erledigung.

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