§ 120 a ZPO Erfahrungen ?

  • Akte, Eingang Februar 2014: PKH mit Raten, irgendwann im August beendet. Raten laufen ab August. Nun kommt der Zahlungsplan zurück, Empfänger unbekannt verzogen.

    Ich schreibe mal den Anwalt an, dass ich beabsichtige nach § 124 ZPO aufzuheben, da die Anschriftenmitteilung nicht unverzüglich erfolgte. Die Antwort des Anwaltes war unverzüglich und mir wurde die neue Anschrift mitgeteilt.

    Zwischen Umzug und Mitteilung lagen 1 Monat und 6 Tage. Aufheben ? Gibt's da schon Entscheidungen, die das unverzüglich konkretisieren ? (Ich tendiere ein bisken dazu, aufzuheben, um mal zu gucken, wie meine Beschwerdekammer sich äußert)

    Falls ich nicht aufhebe, mache ich eine Überprüfung ? Denkbar wären ja höhere Raten, sollte die Miete geringer ausfallen. Andererseits könnte die ja auch höher ausfallen, so dass keine Raten zu zahlen wären. Ohne Antrag die Ratenzahlung einstellen geht ja nun auch nicht. Eine Aufhebung bei Ratenrückstand käme dann aber nicht mehr in Betracht, da nicht schuldhaft ?

    Also irgendwie finde ich da ganz viele Probleme und wäre mal an einem Erfahrungsaustausch zum neuen 120 a ZPO und euren Meinungen dazu interessiert..

  • ... Ich schreibe mal den Anwalt an, dass ich beabsichtige nach § 124 ZPO aufzuheben, da die Anschriftenmitteilung nicht unverzüglich erfolgte. Die Antwort des Anwaltes war unverzüglich und mir wurde die neue Anschrift mitgeteilt.

    ...

    Noch keine Erfahrungen, aber ich weiß, wie es laufen wird. Verzogen, Akte auf Frist 1 Monat, wenn bis dahin keine Mitteilung, Ankündigung Aufhebung und dann Beschluss, weil da in jedem Fall nicht mehr unverzüglich, egal ob der RA dann noch die neue Anschr. mitteilt.

    Vorteil, ich muss nicht ermitteln, wann umgezogen wurde.

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

  • Ob man im Eingangsfall von nicht unverzüglich reden kann sei dahingestellt. Das allein reicht nach dem Wortlaut der Bestimmung für eine aufhebende Entscheidung nicht aus. Es wird m.E. auch nicht dem Sinn und Zweck der Vorschrift gerecht einfach aufzuheben.

    Aufgrund des Wohnungswechsels bietet sich eine Überprüfung sicher an.

    In Richtung Absicht oder grobe Nachlässigkeit würde ich nach der kurzen Zeit nicht recherchieren.Da würde ich mich erher an dem 3 Monatszeitraum ausbleibender Raten orientieren.

    Am Rande: Wurden die Raten ab August bewilligt oder nur nicht unverzüglich eingefordert?

  • Hier gibt es auch noch keine Erfahrungen.
    Aber ein reichlicher Monat bei einem Wohnungswechsel wäre mir auch bissel kurz, um aufzuheben. Das wird garantiert von oben wieder gekippt. Überlege mal, wieviele Leute sich nach einem Monat schon beim EMA umgemeldet haben. Die meisten, die ich kenne, sind da nicht so fix, weil sie erst mal einen Haufen andere Dinge zu tun haben.

  • Hierach nullinger Erfahrungen bisher .
    Ich würd aber auch die hier angedachte Aufhebung nicht einmal mit der Kneifzange anfassen s. beldel.

  • Die großzügigen Ansichten in allen Ehren, aber ich würde hier keine Minute mit der Aufhebung warten, und zwar ohne vorher die Aufhebung anzukündigen.

    Das einzige was mich von der Aufhebung abhalten würde, wäre, falls (kommulativ)
    a) bei Beantragung der PKH/VKH das "alte" Antragsformular verwendet wurde und dies vom Richter bei der Bewilligung nicht moniert wurde und
    b) der Bewilligungsbeschluss des Richters keine rechtlichen Hinweise bzgl. der Pflicht zu Mitteilung der Anschriftenänderung enthält.

    "Unverzüglich" heißt "ohne schuldhaftes Zögern". Was ist so schwer daran, seinen Umzug dem Gericht mitzuteilen? Das ist ja nur ein Einzeiler!

    Es kommt m. E. nur darauf auf, dass die Partei / der Beteiligte das "neue" PKH/VKH-Antragsformular unterschrieben hat oder vom Richter im Rahmen des Bewilligungsbeschluss belehrt wurde. Ob die Partei / der Beteiligte die Belehrung gelesen und verstanden hat, interessiert mich dabei nicht die Bohne.

    Nach der neue Formulierung des Gesetzes "kann" das Gericht nicht nur aufheben, es "soll" sogar.

    Und wenn ich dann noch als Maßstab § 13 Meldegesetz NRW heranziehe, nachdem sich eine Person innerhalb von 1 Woche umzumelden hat, dann ist eine Frist von über einem Monat ggü. dem Gericht sicherlich nicht mehr "unvezüglich".

    Außerdem: Desto eher und "härter" man entscheidet, desto schneller wird es auch Rechtsprechung der Beschwerdegericht geben. "Weicher" kann man in seiner Auffassung später immer noch werden... aber ich muss der Partei / dem Beteiligten nicht von Anfang den kleinen Finder reichen, damit mir als Gericht dann gleich der ganz Arm ausgerissen wird.

    An Anfang sind es 5 Wochen, später 2 Monate und irgendwann ist der neue Aufhebungsgrund des § 124 ZPO völlig inhaltsleer geworden.

    "Der Staat ist vom kühlen, aber zuverlässigen Wächter zur Amme geworden. Dafür erdrückt er die Gesellschaft mit seiner zärtlichen Zuwendung."

    7 Mal editiert, zuletzt von Ernst P. (19. September 2014 um 09:29)

  • Selbst auch noch keine Erfahrung, aber eine klare Tendenz zur Ansicht von Ernst P. :daumenrau

  • Das einzige was mich von der Aufhebung abhalten würde, wäre, falls (kommulativ)
    a) bei Beantragung der PKH/VKH das "alte" Antragsformular verwendet wurden und dies vom Richter bei der Bewilligung nicht moniert wurde und
    b) der Bewilligungsbeschluss des Richters keine rechtlichen Hinweise bzgl. der Pflicht zu Mitteilung der Anschriftenänderung enthält.

    Wenn mir bei der Vergütungsabrechnung auffällt, dass der alte Vordruck eingereicht wurde, schicke ich einen entsprechenden Hinweis an die Partei sowie an den Rechtsanwalt. Hat sich bislang auch noch niemand beschwert. Zum Glück waren es bislang 4-5 Verfahren.

    Gruß Grottenolm

    Don't turn your back, don't look away and don't blink! Dr. Who

  • Danke, soweit, da ich PKH- Vorprüfung mache, wird dat neue Formular benutzt.

    Im Hinblick auf die kurze Frist des meldegesetztes werde ich mal aufheben und gucken.

    Ich habe schon bei drei monaten aufgehoben, RM-Frist läuft aber noch.

    Da bei mir keine Vorschusspflicht besteht, werden die Raten immer erst nach Abschluss des Verfahrens eingezogen.

  • Wortlautauszug der Vorschrift:
    "Änderungen ihrer Anschrift absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtig oder nicht unverzüglich mitgeteilt hat;"

    Neben der Definition des Zeitraums "nicht unverzüglich" wäre es interessant zu wissen, wann dies als "absichtlich" oder "aus grober Nachlässigkeit" zu bewerten/beurteilen ist (individuell an der Person ausgerichtet oder pauschal).

    Gibt es eigentlich noch die Möglichkeit die Angaben im Rechtsmittelverfahren nachzuholen (z.B. das die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse sich nicht wesentlich verbessert haben) und die Aufhebung dadurch rückgängig zu machen?

    M.E. geht es darum den § 124 ZPO mit Sinn zu füllen und trotz der Ausgestaltung als Sollvorschrift nicht sinnentleert rein formal abzuhandeln.


  • Gibt es eigentlich noch die Möglichkeit die Angaben im Rechtsmittelverfahren nachzuholen (z.B. das die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse sich nicht wesentlich verbessert haben) und die Aufhebung dadurch rückgängig zu machen?

    M.E. ja ; vgl. Zöller ZPO, Anm. 7 zu § 572 ZPO.
    Danach ist neues Vorbringen bereits im Abhilfeverfahren zu berücksichtigen.

  • ... Ich schreibe mal den Anwalt an, dass ich beabsichtige nach § 124 ZPO aufzuheben, da die Anschriftenmitteilung nicht unverzüglich erfolgte. Die Antwort des Anwaltes war unverzüglich und mir wurde die neue Anschrift mitgeteilt.

    ...

    Noch keine Erfahrungen, aber ich weiß, wie es laufen wird. Verzogen, Akte auf Frist 1 Monat, wenn bis dahin keine Mitteilung, Ankündigung Aufhebung und dann Beschluss, weil da in jedem Fall nicht mehr unverzüglich, egal ob der RA dann noch die neue Anschr. mitteilt.

    Vorteil, ich muss nicht ermitteln, wann umgezogen wurde.


    Und im Beschwerdeverfahren wird dann die Mitteilung der aktuellen Anschrift nachgeholt.

    Da nachträgliches Vorbringen im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen ist, wäre der Beschwerde abzuhelfen und die Aufhebung damit hinfällig.

    Daher wäre ich wohl großzügiger (siehe auch beldel).

  • Und im Beschwerdeverfahren wird dann die Mitteilung der aktuellen Anschrift nachgeholt.

    Da nachträgliches Vorbringen im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen ist, wäre der Beschwerde abzuhelfen und die Aufhebung damit hinfällig.

    Daher wäre ich wohl großzügiger (siehe auch beldel).

    Eher nicht. Die Aufhebung erfolgte nicht, weil die Anschrift unbekannt war, sondern weil die Änderung der Anschrift nicht unverzüglich mitgeteilt wurde. Das kann durch nachträgliche Mitteilung nicht behoben werden. Allenfalls kann im Beschwerdeverfahren begründet werden, dass die Verzögerung nicht absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit entstanden ist.

  • Sehe ich auch wie S.H.
    Allerdings könnte eine Aufklärungspflicht vor der (Nicht-)Abhilfe dahingehend bestehen, dass die ledigliche nachträgliche Mitteilung der Anschrift nicht ausreichend ist.
    Ich hab das jetzt mal bewusst im Konjunktiv zwecks Ergebnisoffenheit formuliert.

  • Ich tendiere auch zu "eher nicht".
    Die Aufhebung wegen fehlender/unvollständiger Erklärung über die pwV erfolgt nach § 124 Ziffer 2, die wegen nicht mitgeteilter neuer Anschrift oder unterbliebener Mitteilung von veränderten Verhältnissen nach § 124 Ziff. 4. Für mich sollen damit zwei getrennte Aufhebungstatbestände geschaffen werden. Ersterer hat nach dem Willen der Rechtsprechung keinen Sanktionscharakter,"Heilung" im Beschwerdeverfahren ist daher möglich.
    Die Aufhebung nach Ziffer 4 muss aber m. E. Sanktionscharakter haben, da ansonsten die Mitteilungspflichten des § 120a ZPO letztlich ins Leere liefen.

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • Da es sich allerdingens bei § 124 ZPO nur um eine Sollvorschrift handelt , dürften die von S.H. eingebrachten Ausnahmebegründungen - soweit sie glaubhaft sind - im Beschwerdeverfahren durchaus beachtlich sein.

  • Die Sanktion erfordert ein vorwerfbares Fehlverhalten.
    Ohne eine wirksame Belehrung nach § 120a Abs. 2 S. 3 ZPO komme ich wohl nicht zu einer Aufhebung.

    Nur im Falle einer wirksamen Belehrung (ob diese vorliegt ist zu prüfen) stellt sich die weitere Frage, ob die PKH-Partei eine Anschriftenänderung absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit (m.E. erfordert dies eine Prüfung und ggf. Aufklärungsarbeit* nebst entsprechender Ausführungen hierzu im Aufhebungsbeschluss) unrichtig oder nicht unverzüglich mitgeteilt hat. Im Zweifel (siehe Baumbach/Lauterbach, aktuelle ZPO-Kommentierung) ist nicht aufzuheben.

    Ernst P.'s "Desto eher und "härter" man entscheidet, desto schneller wird es auch Rechtsprechung der Beschwerdegericht geben." möchte ich entgegensetzen "Es bedarf einer fundierten, abgewogenen und nicht lediglich aus Gründen der Rechtsfortbildung getroffenen Entscheidung.". Ich könnte mir vorstellen, dass das einem andernfalls auch peinlichst in der Rechtsmittelentscheidung um die Ohren gehauen wird.

    * In die die PKH-Partei (ggf. über den beigeordneten Anwalt) regelmäßig einzubeziehen ist.

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