Widerspruch nur vbuH - Krankenkassen/Gläubiger wollen vollstreckbare Ausfertigungen?

  • Vollstreckbarer Tabellenblattauszug bei isoliertem Bestreiten des Schuldners

    BGH, Beschluss vom 3. April 2014 - IX ZB 93/13

    Widerspricht der Schuldner lediglich dem Rechtsgrund einer Forderung als vorsätzliche unerlaubte Handlung, ist dem Gläubiger auch nach Erteilung der Restschuldbefreiung aus der Eintragung der Forderung in der Tabelle eine vollstreckbare Ausfertigung zu erteilen (Klarstellung zu BGH, WM 2003, 2342, 2343; WM 2007, 659 Rn. 8).

    Moin zusammen,

    ich nehme Bezug auf die obige Entscheidung und bitte um Meinungsausäußerungen für die Praxis.

    Unser Insolvenzgericht hat wie viele vor dieser Entscheidung Widersprüche des Schuldners nur isoliert in den Insolvenztabellen vermerkt.

    Den anwesenden Schuldnern wurde - weil die Forderungen der Gläubiger auch sehr häufig bereits auch tituliert waren, mitgeteilt, dass ein isolierter Widerspruch gegen die vbuH ausreichend sei.( der schuldnerische Widerspruch gegen eine titulierte Forderung verpufft ja nach einem Monat ohne aktives Handeln des Schuldners).

    Nun erreichen uns vermehrt Anträge von Krankenkassen/Gläubiger, die einen vollstreckbaren Auszug aus der Insolvenztabelle erhalten wollen, obwohl der Schuldner isoliert widersprochen hat.

    Mir widerstrebt die Erteilung, weil es mein Gerchtigkeitsempfinden erheblich stört.

    M.E. versuchen die Krankenkassen, sich schnell und billig einen Zwangsvollstreckungstitel zu besorgen und dabei die Feststellungskosten für das Prozessgericht zu sparen.

    Wie händelt ihr das Problem?


  • Wir machen das, wie der BGH das nun mal vorgegeben hat. Mir widerstrebt das auch ein bisschen, aber das ist nun mal die Vorgabe.

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    " Die Titanic wurde von Profis erbaut... Die Arche Noah aber von 'nem Amateur. Verstehen Sie, was ich meine?" (Bernd Stromberg)

  • Was genau widerstrebt euch denn da? :gruebel:

    Mir widerstrebt da § 201 II InsO. Würde der Schuldner (nur) gegen den Betrag Widerspruch einlegen, darf keine vollstreckbare erteilt werden, legt er aber nur gegen den Rechtsgrund einen Widerspruch ein, darf/soll man plötzlich?
    Außerdem wird hier die Klagepflicht umgedreht. Mit einem Mal muss sich der Schuldner kümmern, obwohl der Rechtsgrund gar nicht tituliert ist. Also wird in diesem Fall auch noch § 184 InsO quasi außer Kraft gesetzt.

    Aber wie gesagt, der BGH hat entschieden.

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  • Was genau widerstrebt euch denn da? :gruebel:

    Bei mir gibt es ja immer nur mündliche Termine mit vorheriger Belehrung.

    Der Schuldner war anwesend. Wir erörtern die Forderungsanmeldung.

    Der Schuldner will (ganz) widersprechen.

    Auf mein Anraten hin legt er nur isoliert Widerspruch ein, weil für ausreichend erachtet.

    Jetzt kommen nach Jahren die KK und Gläubiger aus dem Knick und sagen Titel gegen Schuldner.

    Anders: Wenn Schuldner vor Jahren bei Gericht erscheint und nachdem Sie 5 Jahre nichts gehört haben, soll ich jetzt den Schuldner anschreiben und sagen, alles Mist von damals. Das Protokoll und den Widerspruch kannst du in der Pfeife rauchen.

    Hätte ich gewusst, dass der BGH so eine Entscheidung trifft, hätte ich den Schuldner immer voll auch gegen die titulierte Forderung widersprechen lassen.

    Das geht mir ab.

  • Was genau widerstrebt euch denn da? :gruebel:

    Mir widerstrebt da § 201 II InsO. Würde der Schuldner (nur) gegen den Betrag Widerspruch einlegen, darf keine vollstreckbare erteilt werden, legt er aber nur gegen den Rechtsgrund einen Widerspruch ein, darf/soll man plötzlich?
    Außerdem wird hier die Klagepflicht umgedreht. Mit einem Mal muss sich der Schuldner kümmern, obwohl der Rechtsgrund gar nicht tituliert ist. Also wird in diesem Fall auch noch § 184 InsO quasi außer Kraft gesetzt.

    Aber wie gesagt, der BGH hat entschieden.

    :daumenrau


    Und ich habe den schuldnerischen Schwachsinnswiderspruch gegen eine titulierte Forderung auch nie protokoliert.

    Jetzt habe ich das Problem.

  • Schuldner sind erwachsene, mündige Bürger und müsse nicht vor bösen Gläubigern geschützt werden. Der Schuldner könnte ja auch negative Feststellungsklage erheben.

    Und wenn der Schuldner im Recht ist, muss der böse Gläubiger die Kosten tragen. Das kriegt der mündige Bürger schon hin ;)

  • Ich sehe nicht ganz, wo du da ein Problem hast. Erteilen und gut. Muss sich halt der Schuldner wehren. Ich finde das auch nicht gut, aber wenn´s halt so ist...

    "Es ist nicht möglich, den Tod eines Steuerpflichtigen als dauernde Berufsunfähigkeit im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 3 EStG zu werten und demgemäß den erhöhten Freibetrag abzuziehen." (Bundessteuerblatt) :D

  • @traeumer71: Ich kann Deine Bedenken voll und ganz nachvollziehen. Ich habe hier sogar einmal die Erteilung einer Klausel mit ausführlicher Begründung verweigert, wurde aber vom LG aufgehoben. Inzwischen kann ich mir einen Sinn der Entscheidung vorstellen: Der Sch. muss jetzt bei Widerspruch gegen vbuH selbst Vollstreckungsgegenklage erheben, also habe ich mich gefragt, warum er dann vorher überhaupt widersprechen soll. Ich denke, wenn der Schuldner im Insolvenzverfahren nicht der vbuH widerspricht, ist er über § 767 II ZPO mit der Vollstreckungsgegenklage ausgeschlossen. Und die grundsätzliche Verweisung auf die Vollstreckungsgegenklage erfolgt, weil er die Forderungshöhe nicht bestreitet(eben wie bei den üblichen Fällen des § 767 ZPO, z.B. Erfüllung, Verjährung).

    quidquid agis prudenter agas et respice finem. (Was immer Du tust, tue klug und bedenke das Ende.) :akten

  • ceterum censeo....

    Das Recht der freien Nachforderung war bereits in der KO geregelt (§ 164 Abs. 1 KO); die Erteilung der Vollstreckungsklausel ebenfalls (§ 164 Abs. II), ebenso, wie die "Klauselsperre" im Falle des Schuldnerwiderspruchs.

    Diese Regelungen sind in die InsO übernommen worden (die Zitate der Vorschriften spare ich).

    Der BGH hat natürlich recht, der Gläubiger bekommt einen vollstreckbaren Auszug aus der Tabelle, nur hinsichtlich des nicht-deliktischen Anspruchs, wenn der Schuldner dem deliktischen Anspruch widersprochen hat. Alles andere wäre contra legem !

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
    legalize erdbeereis
    :daumenrau

  • Der BGH hat natürlich recht, der Gläubiger bekommt einen vollstreckbaren Auszug aus der Tabelle, nur hinsichtlich des nicht-deliktischen Anspruchs, wenn der Schuldner dem deliktischen Anspruch widersprochen hat. Alles andere wäre contra legem !

    :daumenrau Spätestens, wenn das Vollstreckungsorgan meckert, wird der Gläubiger die Feststellung betreiben müssen, wenn er denn will, dass der Schuldner nicht erfolgreich die RSB einwendet (wegen des fehlenden Deliktscharakters).

  • Der BGH hat natürlich recht, der Gläubiger bekommt einen vollstreckbaren Auszug aus der Tabelle, nur hinsichtlich des nicht-deliktischen Anspruchs, wenn der Schuldner dem deliktischen Anspruch widersprochen hat. Alles andere wäre contra legem !

    :daumenrau Spätestens, wenn das Vollstreckungsorgan meckert, wird der Gläubiger die Feststellung betreiben müssen, wenn er denn will, dass der Schuldner nicht erfolgreich die RSB einwendet (wegen des fehlenden Deliktscharakters).


    N E I N

    Rn. 13: Diese Rechtsprechung (IX ZR 176/05) ist dahin klarzustellen, dass ein Widerspruch des Schuldners nur dann der Vollstreckung entgegensteht, wenn er gegen die angemeldete Forderung als solche gerichtet ist. Wendet sich der Schuldner hingegen nur gegen den Rechtsgrund einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung, ist der Gläubiger gemäß § 201 Abs. 2 Satz 1 InsO berechtigt, aus der Eintragung in der Tabelle die Vollstreckung gegen den Schuldner zu betreiben.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Schrei nicht so! :wechlach:

    Der Höhe nach vollstrecken darf der Gläubiger doch. Er darf halt nur nicht bevorrechtigt ins Arbeitseinkommen pfänden, solange das mit der v. b. u. H. nicht abschließend geklärt ist.

    Und "normal" vollstrecken selbst geht auch nur so lange, wie der Schuldner nicht sagt: Ey Alda pass ma uff, ich hab Restschuldbefreiung und hier haste meine Vollstreckungsabwehrklage.

    Der Gläubiger muss doch so oder so was tun. Wenn sich der Schuldner die "normale" ZV gefallen lässt, steht der genauso blöd da, wie bei anderen Gläubigern auch. Die können auch jederzeit weiter vollstrecken - bis der Schuldner die RSB einwendet bzw. ZV-Abwehrklage erhebt.

    Bei dem einen Gläubiger kommt der Schuldner halt durch mit den Einreden, beim anderen nicht - wenn er denn die v. b. u. H. noch beweisen kann.

  • Und "normal" vollstrecken selbst geht auch nur so lange, wie der Schuldner nicht sagt: Ey Alda pass ma uff, ich hab (1) Restschuldbefreiung und hier haste meine (2) Vollstreckungsabwehrklage.

    (3) Der Gläubiger muss doch so oder so was tun.


    (1) Das wird der Schuldner sicherlich machen und was passiert dann? Richtig, erst einmal nix.

    (2) Das kommt dann erst viel später.

    (3) Auf (2) wartet der Gläubiger, er braucht ja erst einmal kein Geld in die Hand zu nehmen.

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  • Auf mein Anraten hin legt er nur isoliert Widerspruch ein, weil für ausreichend erachtet.

    Warum wird dem Schuldner seitens des Gerichts ein bestimmtes Handeln/Verhalten nahegelegt?

    Ich habe hier sogar einmal die Erteilung einer Klausel mit ausführlicher Begründung verweigert, wurde aber vom LG aufgehoben.

    Wieso? Siehe § 724 Abs. 2 ZPO ("wird von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle ... erteilt" [oder eben auch nicht]). Ich ahne schon die Antwort: SE wusste es nicht und hat es mir vorgelegt.

  • Der BGH hat natürlich recht, der Gläubiger bekommt einen vollstreckbaren Auszug aus der Tabelle, nur hinsichtlich des nicht-deliktischen Anspruchs, wenn der Schuldner dem deliktischen Anspruch widersprochen hat. Alles andere wäre contra legem !

    :daumenrau Spätestens, wenn das Vollstreckungsorgan meckert, wird der Gläubiger die Feststellung betreiben müssen, wenn er denn will, dass der Schuldner nicht erfolgreich die RSB einwendet (wegen des fehlenden Deliktscharakters).


    N E I N

    Rn. 13: Diese Rechtsprechung (IX ZR 176/05) ist dahin klarzustellen, dass ein Widerspruch des Schuldners nur dann der Vollstreckung entgegensteht, wenn er gegen die angemeldete Forderung als solche gerichtet ist. Wendet sich der Schuldner hingegen nur gegen den Rechtsgrund einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung, ist der Gläubiger gemäß § 201 Abs. 2 Satz 1 InsO berechtigt, aus der Eintragung in der Tabelle die Vollstreckung gegen den Schuldner zu betreiben.

    Irgendwo anders habe ich angesichts dessen (BGH s.o.) die Frage aufgeworfen,
    warum wir eigentlich bei der vbuH noch den ganzen Belehrungs-Zauber veranstalten müssen, wenn schlussendlich ggf. doch alles auf § 767 ZPO hinauszulaufen scheint ...

    :confused:

  • Da verbleibt mir leider nur die Standardanwort: soisses


    unsere UdG halten sich einfach nur an das Gesetz. Da wird die Klausel nur hinsichtlich der nicht deliktischen Anspruchsgrundlage erteilt. Bisher sind noch keine Klauselerinnerungen gekommen, auf die freu ich mich schon :D

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
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    :daumenrau

  • Irgendwo anders habe ich angesichts dessen (BGH s.o.) die Frage aufgeworfen,
    warum wir eigentlich bei der vbuH noch den ganzen Belehrungs-Zauber veranstalten müssen, wenn schlussendlich ggf. doch alles auf § 767 ZPO hinauszulaufen scheint ...

    :confused:

    Ich glaube, so einfach ist es nicht. Weiter oben wurde ja schon geschrieben, dass 767 wohl nicht mehr funktionieren dürfte, wenn kein Widerspruch erhoben wurde. Schuldner wäre präkludiert. Dafür ist der Belehrungsbudenzauber da.

    Und der Schuldner ist durch seinen Widerspruch zunächst geschützt vor bevorrechtigter Pfändung (Arbeitseinkommen, P-Konto). Das verhindert das Vollstreckungsorgan, weil der Widerspruch in dem Tabellenauszug steht.

    767 funktioniert auch dann nicht, wenn der Gläubiger dann mit seinem Feststellungsanspruch erfolgreich kontert.

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