BFH, 10.2.2015 – IX R 23/14 - Zwangsverwalter und Einkommensteuer

  • Die Vollstreckung könnte der Verwalter "vereiteln", indem er sich "massefrei" macht und den Verwaltungsüberschuss permanent an die gemäß § 156 ZVG tatsächlich privilegierten Gläubiger resp. nach Maßgabe des Teilungsplans verteilt.

    Mal unabhängig von Haftungsnormen der AO:

    Herzlichen Glückwunsch, jedenfalls dann, wenn man das FA als "Beteiligten" des Zwangsverwaltungsverfahrens ansieht, BGH vom 05.02.2009, IX ZR 21/07.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Zur Veröffentlichung im BStBl. wird wohl zeitnah ein entsprechendes BMF-Schreiben ergehen. Von daher verzögert sich das mutmaßlich noch etwas.

    Dann ist es leider keine Einzelfallentscheidung, sondern tatsächlich von allen Finanzämtern umzusetzen.

    Lasst ja die Kinder viel lachen, sonst werden sie böse im Alter. Kinder, die viel lachen, kämpfen auf der Seite der Engel.
    Hrabanus Maurus


    Nach manchen Gesprächen mit einem Menschen hat man das Verlangen, eine Katze zu streicheln, einem Affen zuzunicken oder vor einem Elefanten den Hut zu ziehen.
    Maxim Gorki



  • Zitat

    Ich würde dann einfach die Mieten pfänden.

    Die Mieter würden nix zahlen, weil die auf meine Veranlassung hin vorher vom Vollstreckungsgericht Zahlungsverbote (§ 22 Abs. 2 Satz 1 ZVG) zugestellt bekommen hätten, aus denen sich ergeben würde, dass mit schuldbefreiender Wirkung nur noch an den Verwalter bezahlt werden kann.

    Zitat

    Herzlichen Glückwunsch, jedenfalls dann, wenn man das FA als "Beteiligten" des Zwangsverwaltungsverfahrens ansieht, BGH vom 05.02.2009, IX ZR 21/07.

    Wer müsste dann über die persönliche Schadensersatzhaftung des ZV entscheiden?
    Ich glaube, ein ordentliches Gericht.
    Dies würde sich dann vielleicht eher als der BFH mit dem im ZVG umgesetzten Prioritätsprinzip (siehe dazu die Ausfürhungen von hiro unter #27) auseinandersetzen.

  • Das FA darf in das zwangsverwaltete Vermögen vollstrecken, also auch in die Mieten. Besser der Mieter hinterlegt in einem solchen Fall.

    Über die persönliche Haftung des Zwangsverwalters nach §§ 34, 69 AO entscheidet übrigens das Finanzgericht.

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • Zitat

    Ich würde dann einfach die Mieten pfänden.

    Die Mieter würden nix zahlen, weil die auf meine Veranlassung hin vorher vom Vollstreckungsgericht Zahlungsverbote (§ 22 Abs. 2 Satz 1 ZVG) zugestellt bekommen hätten, aus denen sich ergeben würde, dass mit schuldbefreiender Wirkung nur noch an den Verwalter bezahlt werden kann.

    Habe jetzt keinen Kommentar zur Hand, ich kann deshalb nicht nachvollziehen, wie man über § 22 II S. 1 ZVG die Mieten vor der Pfändung durch das böse, böse Finanzamt schützen kann.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Zitat

    Ich würde dann einfach die Mieten pfänden.

    Die Mieter würden nix zahlen, weil die auf meine Veranlassung hin vorher vom Vollstreckungsgericht Zahlungsverbote (§ 22 Abs. 2 Satz 1 ZVG) zugestellt bekommen hätten, aus denen sich ergeben würde, dass mit schuldbefreiender Wirkung nur noch an den Verwalter bezahlt werden kann.

    Habe jetzt keinen Kommentar zur Hand, ich kann deshalb nicht nachvollziehen, wie man über § 22 II S. 1 ZVG die Mieten vor der Pfändung durch das böse, böse Finanzamt schützen kann.

    Kann man nicht. Aber der Zwangsverwalter hat ja mal ein Zahlungsverbot zugestellt und nun soll der Mieter - vom gerichtlichen Zahlungsverbot immer noch beeindruckt - unter Druck gesetzt werden. Entscheidet sich der Mieter falsch, zahlt er eben nochmal an das Finanzamt. Der kluge Mieter würde hinterlegen.

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • Zitat

    Über die persönliche Haftung des Zwangsverwalters nach §§ 34, 69 AO entscheidet übrigens das Finanzgericht.

    Okay.
    Dann müsste das FG prüfen, ob der Zwangsverwalter pflichtverletzend handelt, wenn er die ihm nach ZVG obliegenden Pflichten erfüllt.
    Am Ende würde wieder der BFH mit der Sache befasst sein und was der BFH entscheiden würde, weiß ich jetzt schon.
    Da es um die persönliche Haftung des Verwalters geht, könnte dieser dann allerdings vor das BVerfG ziehen und die Sache dort klären lassen.

    Zitat

    Kann man nicht.

    Doch.
    Auch der Zwangsverwalter kann veranlassen (§ 151 III ZVG), dass den Mietern oder Pächtern schön amtlich aussehende Zahlungsverbote zugestellt werden, in denen dann u. a. Folgendes steht: "Miete und Pacht darf nur mehr an den Zwangsverwalter bezahlt werden, also an ..., und zwar auf das vom Zwangsverwalter für diesen Zweck eingerichtete Sonderkonto ..." (Stöber-ZVG, § 151 Nr. 3.3.).

    Die Möglichkeit im Rahmen des Zwangsverwaltungsverfahrens Miet- oder Pachtforderungen durch Zahlungsverbote (Zahlungsgebote) zu sichern, ist Ausfluss des Prioritätsprinzips ("Wer zuerst kommt, mahlt zuerst - siehe auch hiro unter #27), das der BFH missachtet hat.

    Zitat

    Der kluge Mieter würde hinterlegen.

    Kann ich mit leben, solange das FA die Kohle nicht bekommt.

  • Das FA wäre hier ja Gläubiger der Zwangsverwaltermasse selbst - da interessiert mit das ZVG gar nicht. In der Pfändungsverfügung des FA würde stehen "Sie dürfen nicht mehr an Herrn XY als Zwangsverwalter über das Vermögen blabla zahlen" stehen. Rechtsmittel --> Finanzgericht.

    Die Hinterlegung ist ne Gelddruckmaschine für den Fiskus. Da die Vollstreckungsforderung noch offen ist, gibts laufend neue Pfändungen, neue Vollstreckungskosten, neue Säumniszuschläge. Beim FA laufen schön jeden Monat Säumniszuschläge von 6% p. a. auf. Zeitgleich die persönliche Haftungsinanspruchnahme des Zwangsverwalters, da die Beträge ja alle noch offen sind. Spätestens jetzt wird der eine oder andere Zwangsverwalter sich vielleicht doch dazu durchringen, die Auszahlung an das FA zu genehmigen.

    Wenn die Sonne schön scheint und das FA nen fairen Tag hat, wird einfach der Anspruch auf Zustimmung zur Auszahlung an das FA beim Zwangsverwalter gepfändet und der Hinterlegungsstelle vorgelegt.

    Aber mal zur Versöhnung: Die Finanzverwaltung hat sich auch nicht nach diesem Urteil gesehnt. Das hat ein Insolvenzverwalter sehr zu unserem Leidwesen gegen das FA durchgedrückt. M. E. die falsche Reaktion wäre jetzt, beim FA pampig zu werden. Ein kooperative Zusammenarbeit nützt allen i. d. R. am meisten. Andernfalls hat meiner Erfahrung nach den Schaden meist der andere.

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • Laut Mitteilung von heute soll das Urteil "demnächst" im BStBl veröffentlicht werden. Parallel soll ein begleitendes BMF Schreiben ergehen. Zumindest in NRW sollen entsprechende Fälle bis dahin zurückgestellt werden.

    Ash

  • So, das BMF hat heute gesprochen und unter 2017/0384389 eine entsprechende Richtlinie erlassen.


    Bizarr. Bin gespannt wie sich die Zwangsverwalter diesbezüglich verhalten.

    Die Zwangsverwaltung ist nach meiner Wahrnehmung sowieso ein Auslaufmodell, das könnte der ganzen Sache den Todesstoß geben.

    Ich bin Weinkenner. Wenn ich Wein trinke, merke ich sofort: aah, Wein. (Han Twerker)

  • Die Zwangsverwaltung ist nach meiner Wahrnehmung sowieso ein Auslaufmodell, das könnte der ganzen Sache den Todesstoß geben.

    Diese Ansicht teile ich - die Kuh Zwangsverwaltung wird inzwischen von so vielen gemolken (Mieter, WEG-Verwalter, Finanzamt u.s.w.), dass das Kalb namens Gläubiger verhungert.

  • Die Zwangsverwaltung ist nach meiner Wahrnehmung sowieso ein Auslaufmodell, das könnte der ganzen Sache den Todesstoß geben.

    Diese Ansicht teile ich - die Kuh Zwangsverwaltung wird inzwischen von so vielen gemolken (Mieter, WEG-Verwalter, Finanzamt u.s.w.), dass das Kalb namens Gläubiger verhungert.

    Das liegt aber auch an der momentanen wirtschaftlichen Situation. Allein die Anzahl der Verfahren, auch die der Zwangsversteigerungsverfahren, nähert sich asymtotisch gegen Null.

    Lasst mal die Zinsen wieder steigen, die Kredite wackeln und die Preise der Objekte abstürzen, wenn möglich mit einer allgemeinen Verschlechterung der Wirtschaftlage....

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  • Die Zwangsverwaltung ist nach meiner Wahrnehmung sowieso ein Auslaufmodell, das könnte der ganzen Sache den Todesstoß geben.

    Diese Ansicht teile ich - die Kuh Zwangsverwaltung wird inzwischen von so vielen gemolken (Mieter, WEG-Verwalter, Finanzamt u.s.w.), dass das Kalb namens Gläubiger verhungert.

    Das liegt aber auch an der momentanen wirtschaftlichen Situation. Allein die Anzahl der Verfahren, auch die der Zwangsversteigerungsverfahren, nähert sich asymtotisch gegen Null.

    Lasst mal die Zinsen wieder steigen, die Kredite wackeln und die Preise der Objekte abstürzen, wenn möglich mit einer allgemeinen Verschlechterung der Wirtschaftlage....

    Dann werden die Zwangsversteigerungen wieder zunehmen, keine Frage. Bei den Zwangsverwaltungen wurde aber so viel Porzellan zerschlagen, dass viele Banken einfach nicht mehr wollen.

    Wie 15. Meridian es sehr treffend beschreibt wollen einfach zu viele vom Erlös was abhaben, so dass entweder nichts übrig bleibt, im schlimmsten Fall der Gläubiger sogar kräftig nachschießen soll.

    Aber das wäre einen eigenen Thread wert, hier soll es ja um die Einkommensteuer gehen.

    Ich bin Weinkenner. Wenn ich Wein trinke, merke ich sofort: aah, Wein. (Han Twerker)

  • Die Zwangsverwaltung ist nach meiner Wahrnehmung sowieso ein Auslaufmodell, das könnte der ganzen Sache den Todesstoß geben.

    Diese Ansicht teile ich - die Kuh Zwangsverwaltung wird inzwischen von so vielen gemolken (Mieter, WEG-Verwalter, Finanzamt u.s.w.), dass das Kalb namens Gläubiger verhungert.

    Man nenne nur Auskehrung verschwundener Kautionen, Nebenkostenabrechnung vor Beschlagnahme und nicht zu vergessen die heutigen technischen Anforderungen an ein Gebäude (s. Vorträge der IGZ von den Koll. Wilhelm und Gerhards).

    Ich sammle derzeit Erfahrungen mit dem Umgang der neuen Rechtslage.
    Auch die Finanzämter dürften etwas überfordert sein.
    Wer möchte, kann mir unter meiner Email-Anschrift Material zusenden.

    schmidberger-heilbronn@t-online.de

  • Um die Einkommenssteuer des Schuldners, die vom Zwangsverwalter zu bezahlen ist,
    ist es doch sehr ruhig geworden. Aber es tut sich vielleicht doch noch was.
    Das FG Düsseldorf (3 V 1143/18) hat eine beachtliche Entscheidung getroffen.
    Aus den Gründen ergbit sich, dass ein VG den Zwangsverwalter angewiesen hat,
    die Steuern nicht zu zahlen.
    Bislang ist so ein Beschluss noch nicht öffentlich aufgetaucht.
    Es wäre äußerst interessant, wie das VG dies begründet.
    Ich würde mich freuen, wenn mir so ein Beschluß per PN, anonymisiert
    zur Verfügung gestellt werden könnte.

  • Schöne Entscheidung.

    (Auch wenn ich mich schon lange frage, nach welcher Vorschrift im ZVG die Zwangsverwalter bei gewerblichen Vermietern/Schuldnern die entsprechenden Steuern zahlen. Damit habe ich mich aber noch nicht näher befasst!)

    "Just 'cos you got the power, that don't mean you got the right!" ((c) by Mr. Kilmister, passt zum Job)

    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

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