Flüchtlingskinder / Ruhen der elterlichen Sorge

  • Hallo liebe Forenmitglieder,

    mich würde mal interessieren, wie ihr an euren Gericht mit den Fällen umgeht, bei denen die Kinder bereits in Deutschland und die Eltern in einem Flüchtlingslager in der Türkei sind. Zu den Eltern besteht Kontakt und es wendet sich ein anderer Familienangehöriger an uns, der die Vormundschaft übernehmen möchte.

    Ein Richter von uns hat das Ruhen der elterlichen Sorge bereits einmal abgelehnt mit der Begründung, dass die Voraussetzungen nicht vorliegen. Es besteht Kontakt und die Eltern können jemanden in Deutschland (z.B. das Familienmitglied) bevollmächtigen. Eine weitere Richterin sieht das ganze anders und würde das Ruhen feststellen. Wir haben heute eine Abteilungsbesprechung und wollen auch das Thema einmal angehen.

    Würde mich trotzdem interessieren, wie ihr damit umgeht.

    Liebe Grüße

  • Der Richter ist Herr der Verfahren und entsprechend reagiere ich. Es ist allerdings nicht gerade günstig, wenn die Richter bei euch bei vergleichbaren Voraussetzungen/Sachverhalt verschieden entscheiden. Aber vor Gericht und auf hoher See...

  • Ja, das habe ich auch vor und um evtl. eine allgemeine Rechtsauffassung bei den Richtern zu bekommen, besprechen wir das gleich auch... Wollte nur interessenshalber wissen, wie es bei euch gehandhabt wird...eventuell gibt es ja bereits schon einige Erfahrungswert für das eine oder andere... z.B. ob das mit den Vollmachten klappt... ob sie von den hiesigen Behörden anerkannt werden... usw.

  • Hier entscheidet der Rechtspfleger über das Ruhen der elterlichen Sorge, weil dies nicht unter den Richtervorbehalt fällt. Die beiden Rechtspfleger sind der Ansicht, dass die elterliche Sorge hier nicht vernünftig ausgeübt werden kann. Wie soll denn z. B. eine Anmeldung in KiGa oder Schule laufen? Unterschrift via Skype? - Hier wird das Ruhen festgestellt und Vormundschaft angeordnet. Ob das genannte Familienmitglied dann Vormund wird, ist eine andere Frage und natürlich nicht von vorneherein ausgeschlossen, wenn es sinnvoll erscheint und der Vormund hier im wesentlichen auch selbst zurechtkommt.

    Wenn es um die Kontakte ginge, dürften wir allenfalls noch Ruhen feststellen und Vormundschaft anordnen, wenn die Eltern tot sind.

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Der Richter möge sich dann aber auch Gedanken darüber machen, dass er damit den über § 42 SGB VIII hergestallten staatlichen Schutz für UMFs aushebelt. Der Staat hält ein deutlich besseres Schutz- und Leistungssystem für UMFs zur Verfügung als für begleitete Flüchtlingskinder. Unverantwortliches Experiment.

  • Bei uns wird es so gemacht, dass der Richter grundsätzlich das Ruhen der elterlichen Sorge feststellt - auch dann, wenn Kontakt (auf welcher Art auch immer) zu den Eltern besteht, da diese ja meistens im Ursprungsland verbleiben. Im Normalfall werden dann zwei Vormünder bestellt (Landkreis und eine externe nur für Asyl- und ausländerrechtliche Angelegenheiten). Vereinzelt kommt es mal vor, dass auch mal ein Familienmitglied zum Vormund bestellt wird (Bruder, Schwester etc.)

  • Warum soll das Anordnen des Ruhens der elterlichen Sorge hier nicht unter den Richtervorbehalt fallen. Schließlich handelt es sich um ein ausländisches Recht, so dass zumindest ausländisches Recht in Betracht kommt.

    Wieso denn das ?
    § 5 II RpflG enthält allenfalls eine Kann-Bestimmung bei ausländischem Recht.
    Im übrigen verweise ich bzgl. anzuwendenden Rechts zum Ruhen der elt. Sorge auf Art 1,5,11 u. 15 des KSÜ.

  • Warum soll das Anordnen des Ruhens der elterlichen Sorge hier nicht unter den Richtervorbehalt fallen. Schließlich handelt es sich um ein ausländisches Recht, so dass zumindest ausländisches Recht in Betracht kommt.

    Wieso denn das ?
    § 5 II RpflG enthällt allenfalls eine Kann-Bestimmung.


    Erstens das und zweitens kann wegen der Bestimmungen des KSÜ bei unter 18jährigen kaum ausländisches Recht in Betracht kommen, wenn das Kind als Flüchtling in Deutschland ist.

    Bei über 18jährigen stellt nach meiner Wahrnehmung außerhalb des Amtsgerichts kaum einer die Frage, wann denn Volljährigkeit eintritt. Die landen daher auch eher versehentlich bei uns.

    Ah - Steinkauz hat wohl noch ergänzt (oder ich hab's vorher überlesen).

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Im Übrigen wird auch nicht das Ruhen der elterlichen Sorge angeordnet, sondern festgestellt. Hieraus folgt dann i. d. R. die Anordnung einer Vormundschaft. Für Letzteres besteht Richtervorbehalt, für Ersteres nicht (wobei diese Aufsplittung in diesen Fällen nur zu doppelter Arbeit und Verfahrensverzögerungen führt und daher hier auch nicht praktiziert wird).

    "Es ist nicht wahr, dass die kürzeste Linie immer die gerade ist."
    (Gotthold Ephraim Lessing)

  • ...(wobei diese Aufsplittung in diesen Fällen nur zu doppelter Arbeit und Verfahrensverzögerungen führt und daher hier auch nicht praktiziert wird).

    Wegen des Sachzusammenhangs machen es bei uns noch (lesen die etwa R-Forum?) die Richter. P.S. Und nach dem Vormundsbeschluee macht die Bestallung dann wieder der Rüpfl :D

  • (wobei diese Aufsplittung in diesen Fällen nur zu doppelter Arbeit und Verfahrensverzögerungen führt und daher hier auch nicht praktiziert wird).

    Nun, natürlich. Bei uns machen es die Richter halt nicht. Ist eben so, ich kann es nicht ändern. Abgesehen davon nützt mir das erst was, wenn alle Richter an einem Strang ziehen. Sonst ist das bei mir einfacher, bevor jede Geschäftsstelle wieder überlegen muss, wer nun was wie macht ... Die Verfahrensverzögerung allerdings ist bei uns minimal, bislang maximal ein Tag.

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Wie wird es denn bei euch praktiziert, wenn es um das Feststellen des Ruhens der elterlichen Sorge geht (ggf. in einem Beschluss mit der Anordnung der Vormundschaft), wobei ich mich jetzt mal nur auf die Fälle von mindestens 14-jährigen muF beziehe:

    - Bekanntmachung an wen?
    - Bekanntmachung an das Mündel - dann alles übersetzt?
    - vorherige Anhörung des Mündels oder ausschließliches Verlassen auf das, was das JA hierzu schreibt? Dies betrifft auch Alter bzw. Geburtsdatum.
    - Bestellung eines Verfahrensbeistandes oder Vertreters im Verfahren?

    Wir hatten bisher bloß 2 Fälle (alles in Richterhand): Da wurde an das Mündel nichts bekannt gemacht, nichts übersetzt, kein Vertreter bestellt ..... Und da kamen bei mir dann doch so Zweifel auf. :eek:

  • Zumindest Bekanntmachung streng nach Gesetz und das heißt nun mal die Anwendung von § 164 FamFG.
    Selbstverständlich ohne Übersetzung .
    Oder ist seit neuestem die Gerichtssprache Dari , Farsi oder Arabisch ?:gruebel:

  • Wie wird es denn bei euch praktiziert, wenn es um das Feststellen des Ruhens der elterlichen Sorge geht (ggf. in einem Beschluss mit der Anordnung der Vormundschaft), wobei ich mich jetzt mal nur auf die Fälle von mindestens 14-jährigen muF beziehe:

    - Bekanntmachung an wen?
    - Bekanntmachung an das Mündel - dann alles übersetzt?
    - vorherige Anhörung des Mündels oder ausschließliches Verlassen auf das, was das JA hierzu schreibt? Dies betrifft auch Alter bzw. Geburtsdatum.
    - Bestellung eines Verfahrensbeistandes oder Vertreters im Verfahren?

    Wir hatten bisher bloß 2 Fälle (alles in Richterhand): Da wurde an das Mündel nichts bekannt gemacht, nichts übersetzt, kein Vertreter bestellt ..... Und da kamen bei mir dann doch so Zweifel auf. :eek:

    Also ich sitze ja selbst in der SE für F-Sachen und bekomme die ganzen Akten immer und arbeite auch die entsprechenden Richter/Rechtspflegerverfügungen ab. Der § 1674 Beschl. inkl. der Bestellung zum Vormund wird bei uns im Haus zugestellt an a) Antragsteller (Landkreis) b) bestellte Vormünder c) Betroffener. Eine Übersetzung in die entsprechende Sprache erfolgt seitens des Gerichts nicht und wird auch nicht veranlasst. Mein Richter hört vorher grundsätzlich an (Ortstermin oder im Gericht, Anwesend dabei die Antragstellerin, die voraussichtlichen Vormünder, der/die Betroffene und ein entsprechender Dolmetscher in der jeweiligen Landessprache. Das mit dem Geburtsdatum ist so eine Sache. Meiner Kenntnis nach wird es von einem Amtsarzt o. ä. geschätzt und dann wird pauschalisiert immer der Monatserste als Geburtsdatum genommen. z. B. 01.01.1999 etc. Eine Bestellung eines VB erfolgt bei uns nicht.

    Meine Rechtspflegerin verpflichtet dann nur noch die entsprechenden Vormünder und verfügt das übersenden der Bestallung.

  • Die Richter haben sich im Großen und Ganzen übrigens darauf geeinigt, die Vormundschaften einzurichten. Kommt natürlich aber auch immer auf den Einzelfall an.

    Nun habe ich die Überlegung zur Einführung einer gesetzlichen Amtsvormundschaft für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge auf dem Tisch mit der Möglichkeit hierzu Stellung zu nehmen. (wird euch wohl nicht anders gehen ;)) Interessant wie schnell jetzt versucht wird, das Verfahren abzukürzen....

  • Mein Richter hört vorher grundsätzlich an (Ortstermin oder im Gericht, Anwesend dabei die Antragstellerin, die voraussichtlichen Vormünder, der/die Betroffene und ein entsprechender Dolmetscher in der jeweiligen Landessprache.

    Dies wird hier überhaupt nicht gemacht. Richter erlässt auf Grundlage der Darstellungen des Jugendamtes sofort den Beschluss, keine Übersetzung, kein Dolmetscher - Richter meint, das seien alles nicht notwendige hohe Kosten, auf die Darstellungen der anderen Behörden müsse man sich verlassen können.

  • Bei Familienangehörigen umgeht er damit aber sprachliche Probleme, die dann erst bei der Übergabe der Bestallung bekannt werden.

    :daumenrau Genau das...wir werden uns hier auch mal mit unseren Richtern zusammensetzen...und wohl dazu übergehen, dass die nur den Vormund bestellen, wir ihn aber auswählen. Gruß

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