Ruhen der elterlichen Sorge bei minderjährigen Flüchtlingen


  • Wenn die Richter sich deswegen aufregen sollten, müssen sie sich überlegen, ob ihnen mit abgesoffenen Rechtspflegerreferaten gedient ist. Ich tippe auf "nein", weil dann auch Verpflichtungen von Pflegern und Vormündern, Vergütungen etc. liegen bleiben. Und das würde sich früher oder später auch in den Richterreferaten nachteilig auswirken, wenn sie keine Ergänzungspfleger etc. mehr finden.

    Ich glaube nicht, dass recht viele Richter eine so (langfristige) Denkweise haben.


    Mal abgesehen davon, kurzer Bericht von mir:
    Hier werden von den Familienrichtern sammelweise die muF mit entsprechenden Dolmetschern angehört, bei uns kommen sie größtenteils aus Afghanistan und Syrien, aber zu einem Drittel auch aus anderen Ländern (Marokko, Elfenbeinküste, Gambia, ...). Und es spricht ja auch vieles dafür, dass insgesamt nur einmal zu machen, und nicht im Rahmen der Feststellung des Ruhens und dann nochmal eine Anhörung, wenn es um die Bestellung eines Vormunds geht. Ist ja letztlich auch eine Kostenfrage (obwohl ich auch hier denke, dass das nicht die Denkweise der Richter beeinflusst). Da da auch einige Länder dabei sind, in denen das Heimatrecht ein Volljährigkeitsalter von 21 Jahren hergibt, haben wir jetzt gemeinsam herausgefunden, dass die Beendigung der Vormundschaft nach diesem Alter zu beurteilen ist, während es bei der Anordnung auch nach deutschem Recht (siehe MSU) geht. Das kann zu dem eigenartigen Ergebnis führen, dass z.B. ein 19 Jähriger aus der Elfenbeinküste unter Vormundschaft steht, ein anderer wiederum nicht, je nachdem ob er mit 17 oder mit 19 hierher kam. Unsere Richter meinen, dass das zwar eigenartig, aber dennoch richtig sei.

    Was mich selbst angeht, so fordere ich in all diesen Akten vom Jugendamt (in 99% der Fälle Vormund) kein Vermögensverzeichnis zu Beginn an, weil ich einfach unterstelle, dass für all diese (Kriegs;)-)Flüchtlinge kein beachtenswertes Vermögen zu verwalten ist. Dann fordere ich nach einem Jahr eben einen Jahresbericht an bzw. den Schlussbericht, wenn d. Mündel schon vorher volljährig wird. Abzuwarten ist wohl, ob die Mündel ihren Aufenthalt ändern werden, wegen einer kurzen Zeit werde ich dann wohl keine Verfahrensabgaben machen. Letztlich ist es ja ein anhängiges Vormundschaftsverfahren, was statistisch wie jedes andere zählt. Das bringt uns schon vorübergehend mal was. Mit Beendigung der Vormundschaft werde ich wohl (in deutsch) den Schlussbericht dem Mündel zuleiten mit der Möglichkeit, dazu Stellung zu nehmen. Ich gehe mal davon aus, dass sie bis dahin etwas deutsch verstehen und sich zumindest an eine Betreuungsperson in der Einrichtung wenden können. Damit wird für mich das Verfahren erledigt sein. Mehr Aufwand kann und will ich einfach nicht betreiben, schließlich wird es ja auch keinen Personalzuwachs geben.

  • Andreas:
    Wenn man ein ( Eigen-) Interesse an einem abgesoffenen Rechtspflegerreferat entwickeln will, würde mir als erstes aber die PKH-Vorprüfung einfallen, sofern sie dem Rechtspfleger landesrechtlich und vom Abteilungsrichter übertragen wurde.

  • Die VKH-Vorprüfung habe ich dankenswerterweise nicht, deswegen kam sie mir nicht in den Sinn. Aber hätte ich sie, sie fiele mir in der Tat als erstes ein.

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Da da auch einige Länder dabei sind, in denen das Heimatrecht ein Volljährigkeitsalter von 21 Jahren hergibt, haben wir jetzt gemeinsam herausgefunden, dass die Beendigung der Vormundschaft nach diesem Alter zu beurteilen ist, während es bei der Anordnung auch nach deutschem Recht (siehe MSU) geht. Das kann zu dem eigenartigen Ergebnis führen, dass z.B. ein 19 Jähriger aus der Elfenbeinküste unter Vormundschaft steht, ein anderer wiederum nicht, je nachdem ob er mit 17 oder mit 19 hierher kam. Unsere Richter meinen, dass das zwar eigenartig, aber dennoch richtig sei.


    Was meinst Du mit dem MSU?

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Oh, das war ein Schreibfehler, sollte MSA heißen (Haager Minderjährigenschutzabkommen), wobei dieses ja nur noch für einzelne Staaten anzuwenden ist und das KSÜ (Haager Kinderschutzübereinkommen) insoweit sich auf weitaus mehr Staaten erstreckt.

  • Da da auch einige Länder dabei sind, in denen das Heimatrecht ein Volljährigkeitsalter von 21 Jahren hergibt, haben wir jetzt gemeinsam herausgefunden, dass die Beendigung der Vormundschaft nach diesem Alter zu beurteilen ist, während es bei der Anordnung auch nach deutschem Recht (siehe MSU) geht. Das kann zu dem eigenartigen Ergebnis führen, dass z.B. ein 19 Jähriger aus der Elfenbeinküste unter Vormundschaft steht, ein anderer wiederum nicht, je nachdem ob er mit 17 oder mit 19 hierher kam. Unsere Richter meinen, dass das zwar eigenartig, aber dennoch richtig sei.


    Ich komme noch nicht ganz mit: Der springende Punkt scheint mir doch zunächst, ob das Kind - egal ob 17 oder 19 hier angekommen - mit Erreichen des 18. Lebensjahres volljährig ist oder nicht. Das richtet sich ab dem 18. Lebensjahr je nach IPR des Staates, dem er angehört, nach deutschem oder dem dortigen Recht. Richtet es sich z. B. nach dem Recht von Gambia (was ich jetzt nicht geprüft habe), so ist das unter 21jährige Kind hier minderjährig, egal wann es hier angekommen ist. Und wenn es minderjährig ist und nicht unter elterlicher Sorge steht, muss Vormundschaft angeordnet werden.

    Die Anordnung richtet sich dann halt nach dem Recht von Gambia, Art. 24 EGBGB, da das KSÜ nicht mehr greift (es sei denn, natürlich, das gambische IPR verweist auf deutsches Recht zurück).

    Wo liegt jetzt mein Denkfehler?

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Vom Denken her liegt kein Fehler vor, nur von der Praxis her: Da das SGB VIII die Inobhutnahme nur bei unter 18jährigen möglich ist, und die Strafjustiz die Frage der gesetzlichen Vertretung nur bei Bedarf prüft, fallen die beiden Zulieferer fürs Familiengericht aus.

    Vor einigen Jahren gab es dann noch die Vaterschaftsanerkenntnisse nicht geschäftsfähiger Afrikaner. Seit Jahren gibt es die nicht mehr.

  • Da da auch einige Länder dabei sind, in denen das Heimatrecht ein Volljährigkeitsalter von 21 Jahren hergibt, haben wir jetzt gemeinsam herausgefunden, dass die Beendigung der Vormundschaft nach diesem Alter zu beurteilen ist, während es bei der Anordnung auch nach deutschem Recht (siehe MSU) geht. Das kann zu dem eigenartigen Ergebnis führen, dass z.B. ein 19 Jähriger aus der Elfenbeinküste unter Vormundschaft steht, ein anderer wiederum nicht, je nachdem ob er mit 17 oder mit 19 hierher kam. Unsere Richter meinen, dass das zwar eigenartig, aber dennoch richtig sei.


    Ich komme noch nicht ganz mit: Der springende Punkt scheint mir doch zunächst, ob das Kind - egal ob 17 oder 19 hier angekommen - mit Erreichen des 18. Lebensjahres volljährig ist oder nicht. Das richtet sich ab dem 18. Lebensjahr je nach IPR des Staates, dem er angehört, nach deutschem oder dem dortigen Recht. Richtet es sich z. B. nach dem Recht von Gambia (was ich jetzt nicht geprüft habe), so ist das unter 21jährige Kind hier minderjährig, egal wann es hier angekommen ist. Und wenn es minderjährig ist und nicht unter elterlicher Sorge steht, muss Vormundschaft angeordnet werden.

    Die Anordnung richtet sich dann halt nach dem Recht von Gambia, Art. 24 EGBGB, da das KSÜ nicht mehr greift (es sei denn, natürlich, das gambische IPR verweist auf deutsches Recht zurück).

    Wo liegt jetzt mein Denkfehler?

    Ich muss zugeben, dass ich es abschließend auch noch nicht durchschaut habe, hier das Ergebnis wiedergegeben haben, zu dem meine Familienrichter gekommen sind.

    Das KSÜ ist nach Art. 2 auf Kinder von ihrer Geburt bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres anzuwenden. Aus diesem Grunde kann natürlich für einen 19-jährigen aus Gambia nach dem KSÜ keine Vormundschaft mehr angeordnet werden. Erst recht gilt das KSÜ natürlich nicht für einen Angehörigen eines Landes, das gar nicht zu den Vertragsstaaten gehört. Das KSÜ soll im Übrigen auch für die Anordnung entsprechender Maßnahmen (z.B. Vormundschaft) gelten. Wann eine Vormundschaft endet, bestimmt sich trotzdem nach EGBGB 24 und somit nach dem Heimatrecht. Auch die Anwendung des MSA setzte voraus, dass der Betroffene sowohl nach seinem Heimatrecht als auch nach dem Recht des Aufenthaltsstaates minderjährig ist (Art. 12), siehe auch OLG München, Beschluss vom 12.4.2010, 31 Wx 106/09. Das Gericht konnte aber auch nicht mit Genauigkeit feststellen, ob das Volljährigkeitsalter einer Person aus Gambia nun 21 Jahre ist oder anders, ebenso wenig eine Rückverweisung auf das deutsche IPR. Ich persönlich habe ja auch die deutsche Botschaft in Gambia angeschrieben, um das mal genau zu klären, aber wie so oft, wenn man solche Vertretungen anschreibt: Man bekommt einfach keine Antwort!! In dem Beschluss wurde ja auch noch erörtert, ob ggf. Art. 12 der Genfer Flüchtlingskonvention anzuwenden ist, denn bestimmt sich das Personalstatut eines Flüchtlings wiederum nach dem Recht des Wohnsitz- und Aufenthaltsstaates. Das Gericht kommt aber zu dem Schluss, dass die Gerichte nicht dazu berufen sind, den Flüchtlingsstatus positiv oder negativ festzustellen, sodass für die Beendigung der Vormundschaft wiederum das gambische Recht zu prüfen ist. Ähnlich hatte das das LG Mönchengladbach in seinem Beschluss vom 29.11.2006, 5 T 376/06, für eine Person aus der Elfenbeinküste festgestellt, für dann auch erst mit dem 21. Lebensjahr die Vormundschaft beendet war. Insoweit bin ich, was meinen Aufgabenbereich angeht, nämlich die Vormundschaft zu überwachen und das Ende festzustellen, ziemlich (rechts-)sicher. Was die Anordnung angeht, so ist fällt das in die Zuständigkeit des Richters, wobei ich noch nicht abschließend verstanden habe, warum dann für einen 19-Jährigen aus Gambia oder von der Elfenbeinküste keine Vormundschaft anzuordnen ist, wenn schon MSU und KSÜ nicht gelten, wohl aber doch EGBGB 24.


    Spannend wäre jedoch die Frage, wie es die Rechtspfleger handhaben, die das Ruhen der elterlichen Sorge selbst festzustellen haben und dabei einen 19-Jährigen aus Gambia oder von der Elfenbeinküste vor sich haben, die nach ihrem Heimatrecht wohl erst mit 21 volljährig werden --- wenn der Richter meint, aber habe für eine solche Vormundschaft keine Vormundschaft anzuordnen.

  • wir machen es wie emerson. Der Versuch, den Richtervorbehalt für die Einrichtung der Vormundschaft aufzuheben, wird wohl am Widerstand der Richter scheitern. :(

  • Könnt ihr mir vielleicht kurz helfen? Mein minderjähriger Flüchtling ist aus Marokko. Tritt hier die Volljährigkeit mit dem 18. Geburtstag ein?

  • In Marokko tritt Volljährigkeit mit 18 ein (Hausmann in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, 8. Aufl. 2015, 7. Teil: Vertretungsmacht und Verfügungsbefugnis, diese Quelle ist übrigens über Juris verfügbar).

  • Ich hänge mich hier mal ran, weil ich nichts sonst dazu gefunden habe:

    Mir liegt eine Entscheidung des Richters vor, in der er das Ruhen der elterlichen Sorge beider Eltern feststellt, Vormundschaft anordnet und den Vormund auswählt.

    Nun ist der leibliche Vater des Kindes hier erschienen, hat sich ausgewiesen und nachgewiesen, dass er der Vater ist und beantragt, das Ende des Ruhens seiner elterlichen Sorge und die Aufhebung der Vormundschaft.

    Meine Frage:
    - Wer ist nun zuständig für das Feststellen des Ende des Ruhens und die Aufhebung der Vormundschaft? Der Richter oder der Rechtspfleger? :gruebel:


    www

  • Ich danke euch für die Antworten. :daumenrau

    Bei irgendeiner Veranstaltung wurde nach meiner Erinnerung gesagt, dass der Richter mit allen weiteren Entscheidungen zu tun hat, da er auch über die Anordnung etc. entschieden hat. :oops: :confused: :oops:

    Ich habe aber auch nicht gefunden, woraus sich dies herleiten soll. :gruebel:


    www

  • Bei irgendeiner Veranstaltung wurde nach meiner Erinnerung gesagt, dass der Richter mit allen weiteren Entscheidungen zu tun hat, da er auch über die Anordnung etc. entschieden hat.

    Vielleicht meinst Du den Fall, dass der Richter seine Entscheidung (nur) im Wege der einstweiligen Anordnung getroffen hat. Dann bleibt er tatsächlich bis zum Erlass einer Entscheidung in der Hauptsache zuständig. :)

    "Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht." (Abraham Lincoln)

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