Hartz4 Kanzlei mit dünner Begründung...

  • Wenn ein Rechtsanwalt massenhaft Beratungshilfeanträge einreicht, nur mit der Begründung, die SGB II -Vorschriften seien verfassungswidrig, ist dies in meinen Augen ein Versuch abzukassieren ( ohne dass der Mandant etwas davon hat ).

  • Wenn ein Rechtsanwalt massenhaft Beratungshilfeanträge einreicht, nur mit der Begründung, die SGB II -Vorschriften seien verfassungswidrig, ist dies in meinen Augen ein Versuch abzukassieren

    Ja und...?

    Natürlich hat der Mandant etwas davon, wenn in ein paar Jahren das Bundesverfassungsgericht tatsächlich feststellt, das Gesetz ist verfassungswidrig.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Die Beratungshilfeanträge über diese Kanzlei dürften künftig wahrscheinlich massiv zunehmen, da diese plant, mittels Software eine automatisierte Online-Überprüfung von Hartz4-Bescheiden anzubieten.
    Angeboten wird übrigens auch kostenfreie Überprüfung von Betriebskostenabrechnungen. Geplant ist auch die Überprüfung von Abmahnungen, Reiserecht und Bußgeldbescheide.

    Aufgrund der Viezahl von falschen Bescheiden scheint mir das sogar geboten.

    http://www.focus.de/finanzen/news/…aid_534298.html

    In diesem Beitrag wird von 160.000 falschen Bescheiden berichtet.

    Nach eigenem Eingeständnis der Bundesanstalt für Arbeit waren 37% der Widersprüche erfolgreich. Das sind aber nur die Bescheide bei denen sich jemand getraut hat Widerspruch einzulegen. Dazu kommen viele Millionen von Bescheiden die nicht mit Widerspruch angefochten wurden. Niemand wird behaupten wollen, die wären alle richtig.

  • Guten Morgen liebe Kollegen,

    Ich kenne diese Kanzlei von einer Schulung, insbesondere den Ausgangsfall (Verfassungswidrigkeit SGB II).
    Die Sache war insoweit für mich durch, ich wusste, wenn was kommt, ist höchste Achtung geboten.

    Kam aber lange Zeit überhaupt nix, bis dann letzte Woche.
    Da wurde ein konkreter Bescheid angegriffen, Hintergrund war die Nichtgewährung von Leistungen an einen, ich nenne es mal vereinfachend, Ausländer.
    Diese Problematik ist ja durchaus umstritten, welchen EU/nicht EU Ausländern wann wie unter welchen Voraussetzungen SGB II zusteht.

    Die Begründung war auch konkret auf diese Person bezogen, der Antrag war letzten Endes so schlüssig, dass ich ihm stattgeben musste.

    Hat jemand zuletzt ähnliche Erfahrungen gemacht? Also dass diese Kanzlei "wächst" und scheinbar seriöser wird?

    "Jemand hat mir mal gesagt, die Zeit würde uns wie ein Raubtier ein Leben lang verfolgen. Ich möchte viel lieber glauben, dass die Zeit unser Gefährte ist, der uns auf unserer Reise begleitet und uns daran erinnert jeden Moment zu genießen, denn er wird nicht wiederkommen."

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    -Die Seenotretter, DGzRS-

  • Hallo,
    ja, die betreffende Kanzlei hat nunmehr umfirmiert. Sie residiert unter der gleichen Anschrift, heißt jetzt aber total anders und ist bedeutend neutraler vom Namen her gefasst. Sie vertreten aber nach wie vor diese Fälle mit den gleichen Standardbegründungen. Ich habe meinen Ursprungsfall letztendlich zurückgewiesen und Erinnerung ist auch nicht eingelegt worden. Der zweite jetzt wird mit einem ähnlichen Bemerken zurückgewiesen werden.

  • *nochmalschieb*

    Was mit der Umfirmierung genau ist, weiß ich nicht, aber ich habe heute erneut einen Antrag von der ... GmbH mit der üblichen Begründung. Datiert vom 22.11.2016.

    Fairerweise muss man allerdings gegebenenfalls ergänzen, dass diese Kanzlei offensichtlich nicht nur ein schwarzes Schaf ist.
    Vor kurzem war in der Presse ein Artikel über ein Verfahren vor dem SG, in welchem die Verwendung eines Fragebogens des Jobcenters für unzulässig erklärt wurde.
    Darin wurde nach Sexualpartnern und entsprechend intimen Details gefragt.
    Dies war der Kanzlei aufgefallen.
    Da in dem Artikel die Rede von einer Bremer Kanzlei war, war für mich von Anfang an klar, um wen es sich handeln dürfte.
    Impressum und Name im Artikel stimmten sodann überein.

    "Jemand hat mir mal gesagt, die Zeit würde uns wie ein Raubtier ein Leben lang verfolgen. Ich möchte viel lieber glauben, dass die Zeit unser Gefährte ist, der uns auf unserer Reise begleitet und uns daran erinnert jeden Moment zu genießen, denn er wird nicht wiederkommen."

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  • *schieb*

    Aus gegebenem Anlass.
    Das Geschäftssystem scheint dermaßen Erfolg zu haben, dass es mittlerweile erste Kopierer dieses Prinzips gibt.

    Eine Rechtsanwaltsgesellschaft mbH aus Berlin.

    Auch hier wird nebulös von "der Rechtmäßigkeit des Bescheids" sowie sämtlicher Bedarfsberechnungen geredet.

    "Jemand hat mir mal gesagt, die Zeit würde uns wie ein Raubtier ein Leben lang verfolgen. Ich möchte viel lieber glauben, dass die Zeit unser Gefährte ist, der uns auf unserer Reise begleitet und uns daran erinnert jeden Moment zu genießen, denn er wird nicht wiederkommen."

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  • Kannst du, ohne Namen zu nennen, weitere Angaben zitieren oder Besonderheiten des Antrags aufzählen, damit wir das im Zweifelsfall eindeutig erkennen?

    Beim Ausgangsfall gab es ja immer die eidesstattliche Versicherung des Betroffenen, er habe seinen Wohnort "hier". Nur als Beispiel für eine Besonderheit eines Antrags.

    Einmal editiert, zuletzt von Malhiermalda (7. Juni 2017 um 11:34) aus folgendem Grund: Tippfehler

  • Kannst du, ohne Namen zu nennen, weitere Angaben zitieren oder Besonderheiten des Antrags aufzählen, damit wir das im Zweifelsfall eindeutig erkennen?

    Beim Ausgangsfall gab es ja immer die eidesstattliche Versicherung des Betroffenen, er habe seinen Wohnort "hier". Nur als Beispiel für eine Besonderheit eines Antrags.

    auffallend war, dass der Jobcenterbescheid direkt als Foto ausgedruckt mit anlag.
    Das spricht nach meiner Einschätzung dafür, dass der Bescheid mittels Datei-upload online an die Kanzlei hochgeladen wurde.

    Auffallend war ähnlich wie im Ursprungsfall sehr ausschweifende Feststellungen über die generelle Rechtmäßigkeit

    Der Antrag enthielt -abgesehen vom Formular- fast nur non-sense Aneinanderreihungen, die zwar hübsch daher kommen (und für den Mandanten sehr aufwendig aussehen) im Grunde aber nicht eine einzige fachliche Argumentation enthalten.
    Noch dazu wird im Begleitschreiben nicht an BGH Rechtsprechung gespart, warum schon bei "nicht einfachen" Fällen Beratungshilfe zu bewilligen sei.

    Der Antrag fällt definitiv auf ;)


    Uldis:
    Ich bin mir da keinerlei Schuld bewusst.
    Bei besagte Kanzlei lohnt es sich auf den Zahn zu fühlen.
    Wenn ich dann am Ende mit Zähneknirschen zu dem Ergebnis komme, dass der Partei BerH zusteht, dann bekommt sie die halt.

    Das Prüfungsrecht habe ich als Gericht aber.
    Und ich stehe auch dazu, dass ich -vom unjuristischen menschlichen Empfinden her- nicht immer einhergehe mit meiner juristischen Entscheidung.

    Bestes Beispiel die restriktive Rechtsprechung zur Beiordnung in der ZV. Für mich persönlich kaum nachvollziehbar. Die Leute holen mit juristischer Hilfe einen Titel und sind dann auf sich gestellt. Denn die Vollstreckung kann und wird schnell zum schwierigeren Fall als das Erkenntnisverfahren vielleicht war.

    "Jemand hat mir mal gesagt, die Zeit würde uns wie ein Raubtier ein Leben lang verfolgen. Ich möchte viel lieber glauben, dass die Zeit unser Gefährte ist, der uns auf unserer Reise begleitet und uns daran erinnert jeden Moment zu genießen, denn er wird nicht wiederkommen."

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  • Hier häufen sich die Anräge dieser professionellen jobcenterbescheideübeprüfenden GmbHs aus der Hanse- und der Hauptstadt.

    Im Grunde ist es doch aber nix anderes, als wenn der Bürger direkt kommt und Beratungshilfe möchte, um sich beraten zu lassen, ob ein etwaiger Widerspruch gegen den Bescheid des jobcenters Erfolg haben könnte. Nur, dass die GMBH verschwurbelte mit reichlich BGH-Entscheidungen versehene Begleitschreiben zum Antrag beifügt und grundsätzlich die Rechtmäßigkeit der Bescheide anzweifelt.

    Das Einzige, was mich daran menschlich stört, ist, dass den Leuten damit nicht geholfen ist. Es kostet sie nichts, es bringt aber auch nichts.
    Rechtlich dürfte nichts gegen die Beratungshilfegewährung sprechen. Oder seht Ihr das anders?

  • Bei massenhaftem Vorbringen desselben Arguments ohne Bezug zum Einzelsachverhalt steht da für mich sehr wohl etwas gegen eine Bewilligung.
    Ob ein solcher Bezug vorliegt, ist aber im Einzelfall zu prüfen.

  • Ich frage immer nach, welche Anhaltspunkte der Antragsteller dafür hat, dass der Bescheid fehlerhaft sein könnte. Für eine generelle Überprüfung aller Bescheide -ohne konkrete Anhaltspunkte für Fehler- kann keine Beratungshilfe bewilligt werden.

  • Ich frage immer nach, welche Anhaltspunkte der Antragsteller dafür hat, dass der Bescheid fehlerhaft sein könnte. Für eine generelle Überprüfung aller Bescheide -ohne konkrete Anhaltspunkte für Fehler- kann keine Beratungshilfe bewilligt werden.

    So siehts aus.

    Mit der Kanone "verfassungsrechtliche Bedenken" schießt es sich nämlich immer schnell.
    Und 99% der Fälle sonst müssten im Zweifel sowieso Überprüfungsanträge nach §44 SGB X werden, da die Leute meist nach X-Wochen auf die wundersame Idee kommen, dass doch mal von Anwälten ( meist ohne konkreten Anlass) überprüfen zu lassen.

    Und Überprüfungsanträge sind eben nicht beratungshilfefähig.

    "Jemand hat mir mal gesagt, die Zeit würde uns wie ein Raubtier ein Leben lang verfolgen. Ich möchte viel lieber glauben, dass die Zeit unser Gefährte ist, der uns auf unserer Reise begleitet und uns daran erinnert jeden Moment zu genießen, denn er wird nicht wiederkommen."

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    -Die Seenotretter, DGzRS-

  • Nach langer Zeit einmal wieder ein Kommentar von mir:
    Auch bei uns vertritt die genannte GmbH aus dem Norden häufig Mandanten in sozialrechtlichen Angelegenheiten. Bei uns ist es ständige und gefestigte Rechtsprechung, dass nur für die Durchführung von behördlichen Widerspruchsverfahren, nicht aber für eine (pauschale) Prüfung von ergangenen SGB-Bescheiden, Beratungshilfe bewilligt wird. Derzeit fällt bei der GmbH auf, dass ihr Verfahrensvollmachten bereits zeitlich weit vor Entstehung des jeweils maßgeblichen Rechtsproblems erteilt wurden, z.B. Vollmacht vom 04.06.2017, BerH-Antrag für Widerspruch gegen Bescheid Jobcenter vom 15.02.2018. Wir prüfen nun auch hinsichtlich einer Mutwilligkeit der Inanspruchnahme von Beratungshilfe, weil wir annehmen, dass diese Mandanten in gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten bereits schon beraten und vertreten wurden. Warum sonst Vollmachtsteilung schon Monat vorher?

  • Gestern ging erstmals eine Erinnerung gegen meinen Zurückweisungsbeschluss vom Mai 2017 von der Kanzlei ein.

    Die Begründung ist genauso wertvoll wie die ursprüngliche Antragsbegründung. Auf die "Hauptgründe" (Vordruck vom RA im Auftrag unterschrieben und Antrag erst knappe 3 Monate nach Bestandskraft des Bescheides) der Zurückweisung wird mit keinem Wort eingegangen.

    ...aber dann Dinge monieren, die das BVerfG bereits schon vor x-Jahren in seinen Nichtannahmebeschlüssen als nicht verfassungswidrig ansah.

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