Hartz4 Kanzlei mit dünner Begründung...

  • Hallo,
    hat jemand schon mal mit XXX (edit by Kai: keine Klarnamen, siehe Forenregeln) zu tun gehabt? Der zugrundeliegende konkrete Antrag für die Angelegenheit lautet:
    "Da ich glaube, zu wenig Hartz Geld zu bekommen, benötige ich eine Überprüfung".
    Konkret erfolgte eine Erweiterung einer Bedarfsgemeinschaft. Was folgte war eine Neuberechnung vom Jobcenter. Hier wurde aber nur als Grund mit einem Satz der Zuzug der Person X angegeben und die Aufhebung der zurückliegenden Bescheide angekündigt. Der Anwalt sieht darin keine oder eine unzureichende Begründung, die auch inhaltlich nicht bestimmt genug ist (Verstoß gegen § 33 SGB X und § 35 SGB X) und weiterhin auch keine Begründung bzgl. der Aufhebung der vorangegangenen Bescheide, §§ 44 ff. SGB X. Er vermutet weiterhin aus den damit festgestellten Fehlern ein Risiko für weitere Fehler im Bescheid und in der neuen Berechnung.
    Der bezieht sich andauernd auf diese oft bemühte Entscheidung vom BVerfG vom 11.05.2009 (1 BvR 1517/08).
    Die Antragstellerin hat scheinbar sofort (es lag kein Tag mit einer Sprechstunde beim JOB Center dazwischen) diesen Anwalt kontaktiert. Hierin sehe ich Mutwilligkeit. Leider weigert sich der Landkreis unter Hinweis auf Datenschutzbestimmungen Auskunft zu erteilen, ob die Antragstellerin gesichert Kontakt oder keinen Kontakt zur Fallmanagerin aufgenommen hat.
    Ich neige dazu, diese Beratungshilfe zurückzuweisen. Zum einen erscheint mir die Begründung sehr dünn und ohne wirklich rechtliche Substanz und zum anderen würde ich doch schon zumindest eine Nachfrage beim Sachbearbeiter gerne sehen, um Mutwilligkeit (hier durch sofortige Inanspruchnahme eines Anwalts/Selbstzahlervergleich) auszuschließen. Leider kann ich den zweiten Punkt, aus den angegebenen Datenschutzgründen, nicht verifizieren.
    Danke für eine praktisch hilfreiche Anwort.

  • ich würde mir vom Antragsteller ein schriftliche Bestätigung des Fallbearbeiters vorlegen lassen, aus der hervorgeht, dass er sich an diesen gewandt hat.

  • Die wirst du mangels Grundlage nicht erhalten, oje7.


    Meines Erachtens muss in solchen Konstellationen vorliegen:

    - Bescheid, um den es geht (Überprüfungsantrag 44 SGB X oder Widerspruch? Weist der Bescheid überhaupt potentielle Fehlerquellen auf? => Vollständigen Bescheid zeigen lassen)
    - Glaubhaftmachung der Eigenbemühungen (dürfte vorliegend nur über eine e.V. gehen, vermute ich)

    Insbesondere beim ersten Punkt können viele Probleme auftauchen. Liegt überhaupt ein Bescheid vor? Ist der noch mittels Widerspruch anfechtbar? Hat der Antragsteller denn konkrete Anhaltspunkte (Erwerbseinkommen falsch angerechnet, auf einmal weniger Geld,...)? Liegen vorherige Bescheide vor, aus denen der Unterschied ersichtlich ist?


    Ferner ist zu prüfen, ob und in welchem Umfang Eigenbemühungen des Antragstellers zu fordern sein könnten. Die Erfahrungswerte aus meinem "Beritt" zeigen, dass es immer sinnvoller ist, sich schriftlich ans Jobcenter zu wenden, als im Rahmen einer persönlichen Vorsprache etwas "klären" zu wollen...

    Wer "A" sagt, muss nicht auch "B" sagen. Er kann auch feststellen, dass "A" falsch war oder es auch noch "C" gibt.

    Wir Zauberer wissen über sowas Bescheid!

  • Beratungshilfe dient aber auch nicht der Überprüfung von Bescheiden, wenn der Ast. einfach nur meint, dass der Bescheid falsch sein müsste. So BVerfG mit Beschluss vom 19.08.2010, 1 BvR 465/10: "Jedoch ist es einem Rechtssuchenden zumutbar, sich zunächst an die Behörde zu wenden, wenn er nachträglich konkrete, für die Leistungsgewährung relevante Anhaltspunkte erfährt. Zudem ist es zumutbar, die Tatsachen innerhalb der Widerspruchsfrist zu klären."

  • Beratungshilfe dient aber auch nicht der Überprüfung von Bescheiden, wenn der Ast. einfach nur meint, dass der Bescheid falsch sein müsste. So BVerfG mit Beschluss vom 19.08.2010, 1 BvR 465/10: "Jedoch ist es einem Rechtssuchenden zumutbar, sich zunächst an die Behörde zu wenden, wenn er nachträglich konkrete, für die Leistungsgewährung relevante Anhaltspunkte erfährt. Zudem ist es zumutbar, die Tatsachen innerhalb der Widerspruchsfrist zu klären."

    1.) Diese Entscheidung bezieht sich lediglich auf die Überprüfung bereits bestandskräftiger Bescheide gemäß § 44 SGB X, nicht auf das Widerspruchsverfahren. Welche Konstellation vorliegt, geht aus dem SV m.E. nicht eindeutig vor.

    2.) Das Bundesverfassungsgericht überprüft Rechtsakte lediglich hinsichtlich etwaiger Verstöße gegen das Grundgesetz. Ob eine Entscheidung einfachrechtlich richtig ist, kann einer Nichtannahmeentscheidung des Bundesverfassungsgerichts deshalb nicht entnommen werden.

    Gruß
    DD

    -Vanitas vanitatum et omnia vanitas -



  • Na, der 2.2. ist aber doch schon ein bisschen her ;)

    Ich warte noch geduldig auf die Ergänzung des Sachverhalts.

  • hier wurde Beratungshilfe beantragt, weil das SGB II-Gesetz angeblich verfassungswidrig sei,

    Beratungshilfe ist aber Hilfe zur Wahrnehmung von Rechten ( wie sie sich aus dem bestehenden Gesetz ergeben ) und nicht zur Normenkontrolle gedacht.

    Der auswärtige Anwalt r--Rechtsanwalts GmbH schreibt anscheinend bundesweit verschiedene Amtsgerichte an.

  • hier wurde Beratungshilfe beantragt, weil das SGB II-Gesetz angeblich verfassungswidrig sei,

    Beratungshilfe ist aber Hilfe zur Wahrnehmung von Rechten ( wie sie sich aus dem bestehenden Gesetz ergeben ) und nicht zur Normenkontrolle gedacht.

    Der auswärtige Anwalt r--Rechtsanwalts GmbH schreibt anscheinend bundesweit verschiedene Amtsgerichte an.

    Ich habe hier jetzt auch vermehrt Anträge einer RA GmbH, die einige hundert km weit weg ist...
    Ist deine evtl. auch aus einer Hansestadt?

    Esra 7, Vers 25
    Du aber, Esra, setze nach der Weisheit deines Gottes, die in deiner Hand ist, Richter und Rechtspfleger ein, die allem Volk jenseits des Euphrat Recht sprechen, nämlich allen, die das Gesetz deines Gottes kennen; und wer es nicht kennt, den sollt ihr es lehren.

  • Jawohl, Rechtsanwalt aus einer Hansestadt, die mit B. beginnt.

    Und die Kanzlei mit r nehme ich an?!

    Gut, dann weiß ich Bescheid. Danke!

    Esra 7, Vers 25
    Du aber, Esra, setze nach der Weisheit deines Gottes, die in deiner Hand ist, Richter und Rechtspfleger ein, die allem Volk jenseits des Euphrat Recht sprechen, nämlich allen, die das Gesetz deines Gottes kennen; und wer es nicht kennt, den sollt ihr es lehren.

  • Die Beratungshilfeanträge über diese Kanzlei dürften künftig wahrscheinlich massiv zunehmen, da diese plant, mittels Software eine automatisierte Online-Überprüfung von Hartz4-Bescheiden anzubieten.
    Angeboten wird übrigens auch kostenfreie Überprüfung von Betriebskostenabrechnungen. Geplant ist auch die Überprüfung von Abmahnungen, Reiserecht und Bußgeldbescheide.

  • hier wurde Beratungshilfe beantragt, weil das SGB II-Gesetz angeblich verfassungswidrig sei,

    Beratungshilfe ist aber Hilfe zur Wahrnehmung von Rechten ( wie sie sich aus dem bestehenden Gesetz ergeben ) und nicht zur Normenkontrolle gedacht.

    Wenn ein Gesetz verfassungswidrig ist darf die Behörde es nicht anwenden. Ein dennoch darauf gestützter Bescheid ist rechtswidrig. Der Widerspruch gegen einen rechtswidrigen Bescheid ist "Wahrnehmung von Rechten" i.S.d. BerHG.

    Mit "Normenkontrolle" (die ja nur von der Bundesregierung/Landesregierung (abstrakte Normenkontrolle) bzw. von den Gerichten (konkrete Normenkontrolle) angestrengt werden kann hat das wenig zu tun.

    Gruß
    DD

    -Vanitas vanitatum et omnia vanitas -



  • hier wurde Beratungshilfe beantragt, weil das SGB II-Gesetz angeblich verfassungswidrig sei,

    Beratungshilfe ist aber Hilfe zur Wahrnehmung von Rechten ( wie sie sich aus dem bestehenden Gesetz ergeben ) und nicht zur Normenkontrolle gedacht.

    Wenn ein Gesetz verfassungswidrig ist darf die Behörde es nicht anwenden. Ein dennoch darauf gestützter Bescheid ist rechtswidrig. Der Widerspruch gegen einen rechtswidrigen Bescheid ist "Wahrnehmung von Rechten" i.S.d. BerHG.

    Mit "Normenkontrolle" (die ja nur von der Bundesregierung/Landesregierung (abstrakte Normenkontrolle) bzw. von den Gerichten (konkrete Normenkontrolle) angestrengt werden kann hat das wenig zu tun.

    Mit konkreter Wahrnehmung von Rechten hat es aber auch wenig zu tun, wenn man seinen "Hartz-IV"-Bescheid (und demnächst offenbar auch noch mehr :eek:) "einfach mal so" überprüfen lässt und als Einziges, was "unten" rauskommt, die angebliche Verfassungswidrigkeit übrigbleibt, auf die dann der Widerspruch gestützt wird.

    Das Geschäftsgebaren dieser Kanzlei erscheint mir doch höchst unseriös. Ein Blick auf deren Facebook-Seite (nebst dazugehörigen Selfie-Videos!) hat mich in dieser Meinung auch nur bestärkt. Was ein Richter hier dazu gesagt hat, der sich das mit anschaute, gebe ich an dieser Stelle lieber nicht wieder. :teufel:

    "Es ist nicht wahr, dass die kürzeste Linie immer die gerade ist."
    (Gotthold Ephraim Lessing)

  • hier wurde Beratungshilfe beantragt, weil das SGB II-Gesetz angeblich verfassungswidrig sei,

    Beratungshilfe ist aber Hilfe zur Wahrnehmung von Rechten ( wie sie sich aus dem bestehenden Gesetz ergeben ) und nicht zur Normenkontrolle gedacht.

    Wenn ein Gesetz verfassungswidrig ist darf die Behörde es nicht anwenden. Ein dennoch darauf gestützter Bescheid ist rechtswidrig. Der Widerspruch gegen einen rechtswidrigen Bescheid ist "Wahrnehmung von Rechten" i.S.d. BerHG.


    DD

    Solange das Gesetz aber nicht vom BVerfG als verfassungswidrig kassiert wurde, ist es durch die Behörde als geltendes Recht anzuwenden. Oder sollen die Behördenleiter künftig selbst darüber entscheiden, welche Normen Verfassungskonform sind und Anwendung finden sollen? In der Folge ist ein Bescheid nicht deshalb rechtswidrig, weil man die gesetzliche Grundlage für verfassungswidrig hält.

    Im Übrigen:
    Wie soll mit der Begründung "weil das SGB II-Gesetz angeblich verfassungswidrig sei" außergerichtlich mit BerH vorgegangen werden. Teilt man die Auffassung, ist doch nicht der (angeblich) falsche Bescheid anzugehen, sondern die SGB II Gesetzte an sich. Daran traut sich die Kanzlei aus der Hansestadt vielleicht aber gar nicht erst ran - oder (unterstelle ich jetzt mal) hat gar kein Interesse daran. Es könnte ihnen ja eine Einnahmequelle wegfallen:)

  • Die Behörde hat eine Prüfpflicht hinsichtlich der Verfassungsgemäßheit der angwendeten Normen und bei Annahme von Verfassungswidrigkeit eine Aussetzungs- und Vorlagepflicht an die nächsthöhere Stelle, vgl. auch § 63 II BBG (bzw. die entsprechenden länderspezifischen Normen).

    Die Ansicht, dass die Behörde verfassungswidriges Recht als "geltendes Recht" anzuwenden hat verstößt evident gegen Art. 20 III GG.

    Zitat

    In der Folge ist ein Bescheid nicht deshalb rechtswidrig, weil man die gesetzliche Grundlage für verfassungswidrig hält.

    Doch. Wie soll Verwaltungsakt rechtmäßig sein, wenn es schon die zu Grunde liegende Norm nicht ist?

    Zitat

    Im Übrigen:
    Wie soll mit der Begründung "weil das SGB II-Gesetz angeblich verfassungswidrig sei" außergerichtlich mit BerH vorgegangen werden.

    Indem du Widerspruch gegen den Bescheid einlegst. Hält die Behörde selbst den Bescheid (aufgrund einer rechtswidrigen Norm) für rechtswidrig, hat sie die Sache der übergeordneten Stelle vorzulegen, s.o. Ansonsten muss vor dem Sozialgericht geklagt werden (wobei dieses die Sache wiederum ggfs. nach Art. 100 GG dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen hat). Legt weder das Sozialgericht noch die Berufungs-/Revisionsinstanz die Sache vor bleibt die Möglichkeit, selbst gegen den Bescheid Verfassungsbeschwerde einzureichen.

    Zitat

    Teilt man die Auffassung, ist doch nicht der (angeblich) falsche Bescheid anzugehen, sondern die SGB II Gesetzte an sich.

    Hier dürfte es aber an der Beschwerdebefugnis i.S.V. § 90 I BVerfGG fehlen: Der Beschwerdeführer muss durch den angegriffenen Rechtsakt unmittelbar betroffen sein. Dies ist er aber nur durch den Bescheid, nicht durch das Gesetz (dieses bedarf vielmehr des Bescheides als "Vollzugsakt").

    Gruß
    DD

    -Vanitas vanitatum et omnia vanitas -



  • Mag alles richtig sein, was Du schreibst, aber Du argumentierst aus der falschen Perspektive. Es ist nicht die Behörde, die die SGB Gesetzte für Verfassungswidrig hält (Hält die Behörde selbst den Bescheid (aufgrund einer rechtswidrigen Norm) für rechtswidrig, hat sie die Sache der übergeordneten Stelle vorzulegen)- es ist der RA, der so gegen den Bescheid argumentiert!

    hier wurde Beratungshilfe beantragt, weil das SGB II-Gesetz angeblich verfassungswidrig sei,

    Beratungshilfe ist aber Hilfe zur Wahrnehmung von Rechten ( wie sie sich aus dem bestehenden Gesetz ergeben ) und nicht zur Normenkontrolle gedacht.

    Wenn ein Gesetz verfassungswidrig ist darf die Behörde es nicht anwenden. Ein dennoch darauf gestützter Bescheid ist rechtswidrig. Der Widerspruch gegen einen rechtswidrigen Bescheid ist "Wahrnehmung von Rechten" i.S.d. BerHG.

    [...]

    Gruß
    DD

    Mit diesem Argument kann man m.E. im Rahmen der Beratungshilfe nicht gegen einen Bescheid vorgehen! Wie soll denn die Behörde, sieht sie denn die SGB Gesetze eben NICHT für Verfassungswidrig an, einem Widerspruch abhelfen? Hierzu wäre erst einmal festzustellen, dass die SGB Gesetzt Verfassungswidrig sind. Dies ist bislang nicht geschehen, so dass deine Argumentation m.E. fehl läuft. Hier wird das Pferd von hinten aufgezäumt.

  • Mag alles richtig sein, was Du schreibst, aber Du argumentierst aus der falschen Perspektive. Es ist nicht die Behörde, die die SGB Gesetzte für Verfassungswidrig hält (Hält die Behörde selbst den Bescheid (aufgrund einer rechtswidrigen Norm) für rechtswidrig, hat sie die Sache der übergeordneten Stelle vorzulegen)- es ist der RA, der so gegen den Bescheid argumentiert!

    Richtig. Und die Verfassungswidrigkeit kann er im Rahmen des Widerspruchsverfahrens vorbringen, woraufhin sich die Behörde mit den Argumenten auseinanderzusetzen hat. Das ist "Wahrnehmung von Rechten", wobei wir bei der ursprünglichen Frage angekommen wären.

    Warum soll die Behörde abhelfen, wenn sie die jeweiligen Gesetze nicht für verfassungswidrig hält? Dann wird sie nicht abhelfen bzw. der Widerspruch wird zurückgewiesen. Dem Antragsteller steht die Klage vor dem Sozialgericht offen, in dem er die behauptete Verfassungswidrigkeit weiter verfolgen kann, s.o.

    Das ist doch genau das gleiche, wie wenn der ASt den Bescheid aus tatsächlichen/rechtlichen Gründen für falsch hält, die Behörde dagegen nicht.

    Hierzu wäre erst einmal festzustellen, dass die SGB Gesetzt Verfassungswidrig sind. Dies ist bislang nicht geschehen, so dass deine Argumentation m.E. fehl läuft. Hier wird das Pferd von hinten aufgezäumt.

    Wie gesagt, du kannst im Rahmen des Widerspruchsverfahrens inzident mittels der oben geschilderten Vorgehensweise die Verfassungsmäßigkeit prüfen lassen. Eine Verfassungsbeschwerde ist mangels Beschwerdebefugnis unzulässig.

    Wie soll denn deiner Meinung nach die Verfassungsmäßigkeit geltend gemacht werden? Oder muss der Antragsteller verfassungswidrige Rechtsakte einfach hinnehmen?

    Gruß
    DD

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