Praxisgemeinschaft und die Kosten, die keiner bezahlen will

  • Hallo,

    in einer Beratung einer Kollegin eines insolventen Arztes bin ich gerade mit folgendem Problem konfrontiert:

    Der Arzt befand sich bis zur Verfahrenseröffnung in einer Praxisgemeinschaft. Er erzielte in den letzten drei Jahren im monatlichen Durchschnitt Einnahmen in Höhe von rund 18.000 Euro durch die Behandlung von Privatpatienten und rund 5.000 Euro durch die Behandlung von Kassenpatienten. Während des vorläufigen Insolvenzverfahrens (6 Monate) und im eröffneten Insolvenzverfahren arbeitet der Schuldner weiter, obwohl er hierfür vom Verwalter keine Zahlung erhielt. Auch nach Festsetzung eines unpfändbaren Betrages durch das Insolvenzgericht wird im vorläufigen Verfahren der unpfändbare Betrag nur einmalig vom vIV bezahlt. Der Schuldner stellt daraufhin die Behandlung von Privatpatienten vollständig ein, behandelt aber weiterhin seine Kassenpatienten. Die unpfändbaren Beträge aus dem vorläufigen Verfahren bekommt der Schuldner nach entsprechendem Urteil vom IV nach fast 9 Monaten "nachgezahlt" :eek:. Im eröffneten Verfahren behandelt der Schuldner weiterhin nur seine Kassenpatienten und der IV zieht weiterhin die Vergütung vollständig ein, die pfändungsfreien Beträge erhält der Schuldner erst nach entsprechendem Antrag und Festsetzung durch das Gericht :gruebel:.

    Der IV bezahlt allerdings im eröffneten Verfahren weder die anteiligen Kosten der Praxis (denn die Praxisgemeinschaft ist als Gesellschaft durch die Verfahrenseröffnung beendet und er ist in das Mietverhältnis und die Arbeitsverhältnisse nicht eingetreten), die berufsständische Altersversorgung des Schuldners noch andere betriebliche Kosten. Die mehrfache Aufforderung zur Freigabe wurde abgelehnt, mit der Begründung, es liefen ja schließlich keine Masseverbindlichkeiten auf, so dass eine Freigabe nicht in Frage käme. Vielmehr wird dem Schuldner vorgeworfen, dass er die Behandlung der Privatpatienten eingestellt habe und damit dem Insolvenzverfahren die wirtschaftliche Grundlage entzogen habe.

    Der Antrag des Schuldners, ihm auch die Kosten für die Berufsausübung (Praxismiete, Personalkosten und Labor-/Materialkosten) und die Beiträge zur Altersversorgung unpfändbar zu belassen, wurde vom Gericht abgelehnt. Das Gericht vertritt zum Einen die Auffassung, die Beiträge zur Altersversorgung seien dem Schuldner nicht pfändungsfrei zu belassen, da er sie vor Verfahrenseröffnung zuletzt auch nicht mehr bezahlt hat und zum Anderen, dass ihm die betrieblichen Kosten nicht pfändungsfrei zu belassen wären, weil der Insolvenzverwalter mitgeteilt habe, dass die erzielten Einnahmen zur Deckung der betrieblichen Kosten nicht ausreiche, somit also nichts zur Verfügung stünde, was freigegeben werden könnte, denn schließlich habe der IV nur rund 30.000 Euro auf dem Konto und die aufgelaufenen Praxiskosten und Altersversorgungsbeiträge beliefen sich auf mehr als 100.000 euro.

    Meine Mandantin, die Kollegin aus der Praxisgemeinschaft, die bislang die Kosten der Praxis aus persönlichen Gründen allein getragen/vorgestreckt hat, hat sich an mich wegen einer zweiten Meinung gewandt, weil sie im Prozess gegen den Verwalter (wegen der anteiligen Praxiskosten) vom Landgericht gefragt wurde, ob sie nicht lieber die Klage zurücknehmen wolle, da es einen Anspruch gegen den Insolvenzverwalter nicht gäbe.

    Gab es denn nicht einmal eine Entscheidung, wonach der IV die anfallenden betrieblichen Kosten als Masseverbindlichkeiten zu tragen hat, weil er die selbständige Tätigkeit des Schuldners geduldet und nicht freigegeben hat? Für kurze Anregungen eurerseits wäre ich sehr dankbar! Sehe wahrscheinlich gerade den Wald vor lauter Bäumen nicht.

  • Das hört sich total vergurkt an. Wenn der IV die Praxis unter Mitwirkung des Arztes fortführt, fallen auch Mauseverbindlichkeiten an. Schließlich werden die Einnahmen aus der Fortführung auch der Masse zugeführt. Hierzu: OVG NRW, Beschl. v. 28.09.2011, 17 A 1258/10.
    Hat Deine Mandantin womöglich den IV persönlich und nicht als Vertreter der Masse verklagt?

  • Hm, also Golfball ist Insolvenzverwalter (?),
    oki, mag sein, ich habe auch nichts gegen Insolvenzverwalter, die keine Volljuristen sind; dann wäre die Kollegin des insolvenzbehafteten Arztes jedoch keine "Mandantin". Für die Lösung irgendwelcher Hausarbeiten von irgendwem im Studium hab ich keinen Bock !
    Aber nun gut:
    - wann kam denn die Kollegin des Arztes erstmals in die Beratung
    . welche Fragen hat sie dem vorläufigen Insolvenzverwalter bei Anordnung der vorläuigen Verwaltung gestellt
    .- ungewöhnlich ist, dass die Abrechnungen des Konkursiten - bereits im vorläufigen Verfahren nicht auf ein Gemeinschaftskonto geleistet werden - zumindest solange, bis die Drittschuldner über die vorläufige Verwaltung informiert wurden
    - warum wurden keine Rechtsmittel gegen die Entscheidung nach § 850i eingelegt
    - aus welchem Rechtsgrund wurde die Klage der Arztkollegin erhoben ?
    hey, da muss erstmal mehr Sachverhalt her !

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
    legalize erdbeereis
    :daumenrau

  • Man muss wohl eine Gemeinschaftspraxis von einer Praxisgemeinschaft (ähnlich einer Bürogemeinschaft von Anwälten) unterscheiden.

    Im Übrigen habe ich solche Sachen auch schon erlebt; ein derart verdorbenes Verhältnis zwischen Schuldner und Insolvenzverwalter ist meist nicht mehr zu retten.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Der Antrag des Schuldners, ihm auch die Kosten für die Berufsausübung (Praxismiete, Personalkosten und Labor-/Materialkosten) und die Beiträge zur Altersversorgung unpfändbar zu belassen, wurde vom Gericht abgelehnt. Das Gericht vertritt zum Einen die Auffassung, die Beiträge zur Altersversorgung seien dem Schuldner nicht pfändungsfrei zu belassen, da er sie vor Verfahrenseröffnung zuletzt auch nicht mehr bezahlt hat und zum Anderen, dass ihm die betrieblichen Kosten nicht pfändungsfrei zu belassen wären, weil der Insolvenzverwalter mitgeteilt habe, dass die erzielten Einnahmen zur Deckung der betrieblichen Kosten nicht ausreiche, somit also nichts zur Verfügung stünde, was freigegeben werden könnte, denn schließlich habe der IV nur rund 30.000 Euro auf dem Konto und die aufgelaufenen Praxiskosten und Altersversorgungsbeiträge beliefen sich auf mehr als 100.000 euro.

    :wechlach::wechlach:eigentlich hat der Schuldner vor IE ja überhaupt keine Gläubiger mehr bedient, warum im also jetzt Mittel zur Verfügung stellen?

    Und Duldung? Die gibt es wohl seit dem 01.07.2006 nicht mehr. Entweder Negativerklärung oder Vereinnahmung mit der Gefahr der Haftung von Masseverbindlichkeiten. Vergl. BT-Drucks 16/3227, Seite 17.


    http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/032/1603227.pdf

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Mit Verlaub, aber ich empfinde es als höchst unfreundlich, wenn man meinen Thread sofort in die Ecke einer Hausarbeit eines Studenten steckt :mad: Ich bin Volljurist und seit 15 Jahren Insolvenzverwalter. So einfach scheint der Sachverhalt auch nicht zu sein, denn schließlich haben sich an diesem Fall vor mir schon zwei Kammern des zuständigen Landgerichts, ein Insolvenzrichter, ein Rechtspfleger am Insolvenzgericht und drei Fachanwälte für Insolvenzrecht die Zähne ausgebissen bzw. hat deren Handeln offenbar zu dem angerichteten Chaos geführt, mit dem ich gestern anlässlich einer Mandantenbesprechung - ja, auch Insolvenzverwalter machen zuweilen Beratungssachen für Verfahrensbeteiligte - erstmalig befasst war. Und zur Absurdität dieses Falles habe ich bislang noch nicht beigetragen, möchte meiner Mandantin allerdings gerne dazu verhelfen, dass die von ihr verauslagten Kosten möglichst vollständig zurückfließen, ggf. auch durch eine Haftungsinanspruchnahme des IV.

    Dennoch zu Ihren Fragen noch ein paar Informationen:

    Welche Fragen die Mandantin dem vorläufigen Insolvenzverwalter seinerzeit gestellt hat, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass sie damals anwaltlich vertreten war und dieser Kollege den Insolvenzverwalter mehrfach erfolglos zur Zahlung der Infrastrukturkosten aufgefordert hat. Nach Mitteilung der Mandantin soll auch mindestens eine Besprechung stattgefunden haben, in der der Insolvenzverwalter eine Anstellung des Schuldners als einzig mögliche Vorgehensweise angeregt hat, die jedoch weder von der Mandantin noch vom Schuldner akzeptiert wurde, weshalb der vorl. Insolvenzverwalter in der Folge die Kommunikation erstmal eingestellt hat.

    Die Abrechnung in einer Praxisgemeinschaft erfolgt (im Gegensatz zur Gemeinschaftspraxis) immer durch den jeweiligen Arzt selbst. Es handelt sich schließlich nur um eine Sonderform der Bürogemeinschaft.

    Es wurden - so meine Mandantin - gegen die Entscheidung nach § 850i ZPO bislang kein Rechtsmittel eingelegt, weil bereits die Grundentscheidungen mehrere Wochen bzw. teilweise sogar Monate gedauert haben sollen und der Schuldner - natürlich - auf seine unpfändbaren Einkünfte angewiesen war (denn schließlich hat er auch Unterhaltspflichten). Der Schuldner hatte wohl Angst, dass bei einem Rechtsmittel sich die Zahlungen durch den Verwalter noch länger verzögerten. Der hat mit der Auszahlung wahrscheinlich immer bis zur Rechtskraft des jeweiligen Beschlusses gewartet. Übrigens verlangt das Insolvenzgericht jeden Monat einen neuen Antrag des Schuldners und erlässt auch jeden Monat einen neuen Beschluss :eek:.

    Den Rechtsgrund für die Klage sieht der bisherige Anwalt (ich wurde nur um eine zweite Meinung gebeten!) darin, dass die Infrastruktur der Praxis durch den Schuldner mit Wissen und - da er die Einnahmen einzieht - wohl auch Wollen des Verwalters genutzt hat, ohne die dadurch entstanden Kosten zu bezahlen. In der Klageschrift wurde zudem von einer Fortwirkung des ursprünglichen Gesellschaftsvertrags der Praxisgemeinschaft ausgegangen, da diese noch nicht auseinandergesetzt ist. Die Klage richtet sich auch zutreffend gegen den Verwalter als Partei kraft Amtes. Persönlich wird's erst bei 60, 61 ;)

    Aus der mir übergebenen Korrespondenz geht hervor, dass der Berater des Schuldners bereits mehrfach gegenüber dem Insolvenzgericht auf die Freigabepflicht des Insolvenzverwalters nach § 35 II InsO hingewiesen und in Bezug auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (insbes. BVerwG 8 B 14.10) und die Nichtzahlung der Rentenbeiträge aufsichtliche Maßnahmen ggü. dem Insolvenzverwalter angeregt. Es ist jedoch nichts passiert, wohl auch weil es sich bei dem Verwalter um einen der größten und bekanntesten Verwalter in diesem Lande handelt.

    Im Klageverfahren hat der Vorsitzende - nach Angabe der Mandantin wörtlich - die Auffassung vertreten, dass sie ihren Zahlungsanspruch schon deshalb verloren hätte, weil sie den Schuldner nicht an der weiteren Nutzung der Praxisräume gehindert und ihn rausgeworfen habe :gruebel:.

    Es ist mir sehr wohl klar, dass dieser Sachverhalt ein totales Chaos darstellt. Ich sehe hier von allen Seiten nur Fehler, insbesondere aber seitens des Verwalters und seitens des Gerichts. Der Schuldnerberater kämpft offenbar gegen Windmühlen, hat aber immerhin für seinen Mandanten den notwendigen Lebensunterhalt erkämpft. Und bei meiner Mandantin sehe ich eigentlich kein Versäumnis, außer dass sie sich viel zu spät Rechtsrat eingeholt und Klage eingereicht hat.

    Für die bisherigen Antworten bedanke ich mich sehr.

    2 Mal editiert, zuletzt von Golfball (15. November 2016 um 18:32)

  • Na so chaotisch finde ich das gar nicht, weil sich für die Ärztin doch überschaubare Fragen stellen: Wo bekommt sie die von ihr verauslagten Kosten für den Praxisbetrieb her. Die Frage, welche sich dabei stellt, ist die Rechtsgrundlage. Nicht die gegenüber dem Insolvenzverwalter (wer die Musik bestellt, bezahlt. notfalls über §§ 60,61 InsO), sondern generell. Soviel ich weiß, sind Praxisgemeinschaften in der Regel Gesellschaften bürgerlichen Rechts. Diese dürfte aufgrund § 728 BGB aufgelöst worden sein. Damit müsste eine Auseinandersetzung erfolgen. Ob diese auch nach Auflösung eingegangene Geschäfte umfasst - keine Ahnung. Alles Weitere ist doch Sache des Schuldners. Oder wird der auch von Dir vertreten? Aber auch dort finde ich die Situation weniger chaotisch - als vielmehr eine Schweinerei. [Wahrscheinlich traut sich der Kollege nicht, einen Praxisbetrieb in der Insolvenz des Arztes fortzuführen.]

    Seh' es Defaitist ein bisschen nach; er kann sich vielleicht gar nicht vorstellen, dass Insolvenzverwalter solchen Bockmist veranstalten.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Der Antrag des Schuldners, ihm auch die Kosten für die Berufsausübung (Praxismiete, Personalkosten und Labor-/Materialkosten) und die Beiträge zur Altersversorgung unpfändbar zu belassen, wurde vom Gericht abgelehnt. Das Gericht vertritt zum Einen die Auffassung, die Beiträge zur Altersversorgung seien dem Schuldner nicht pfändungsfrei zu belassen, da er sie vor Verfahrenseröffnung zuletzt auch nicht mehr bezahlt hat und zum Anderen, dass ihm die betrieblichen Kosten nicht pfändungsfrei zu belassen wären, weil der Insolvenzverwalter mitgeteilt habe, dass die erzielten Einnahmen zur Deckung der betrieblichen Kosten nicht ausreiche, somit also nichts zur Verfügung stünde, was freigegeben werden könnte, denn schließlich habe der IV nur rund 30.000 Euro auf dem Konto und die aufgelaufenen Praxiskosten und Altersversorgungsbeiträge beliefen sich auf mehr als 100.000 euro.

    :wechlach::wechlach:eigentlich hat der Schuldner vor IE ja überhaupt keine Gläubiger mehr bedient, warum im also jetzt Mittel zur Verfügung stellen?

    Und Duldung? Die gibt es wohl seit dem 01.07.2006 nicht mehr. Entweder Negativerklärung oder Vereinnahmung mit der Gefahr der Haftung von Masseverbindlichkeiten. Vergl. BT-Drucks 16/3227, Seite 17.


    http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/032/1603227.pdf


    Vielen Dank! Das hilft mir schon mal ein ganzes Stück weiter, denn das werde ich dem Prozessvertreter der Mandantin in die Hand geben, damit er das im Prozess vorlegt. Der Richter muss sich doch irgendwie überzeugen lassen.

    PS: Ich verfolge das Forum schon seit Jahren und ich wundere mich immer wieder, wo Sie die Entscheidungen, Aufsätze o.ä herziehen ;) Hut ab, ganz große Klasse!

  • Na so chaotisch finde ich das gar nicht, weil sich für die Ärztin doch überschaubare Fragen stellen: Wo bekommt sie die von ihr verauslagten Kosten für den Praxisbetrieb her. Die Frage, welche sich dabei stellt, ist die Rechtsgrundlage. Nicht die gegenüber dem Insolvenzverwalter (wer die Musik bestellt, bezahlt. notfalls über §§ 60,61 InsO), sondern generell. Soviel ich weiß, sind Praxisgemeinschaften in der Regel Gesellschaften bürgerlichen Rechts. Diese dürfte aufgrund § 728 BGB aufgelöst worden sein. Damit müsste eine Auseinandersetzung erfolgen. Ob diese auch nach Auflösung eingegangene Geschäfte umfasst - keine Ahnung. Alles Weitere ist doch Sache des Schuldners. Oder wird der auch von Dir vertreten? Aber auch dort finde ich die Situation weniger chaotisch - als vielmehr eine Schweinerei. [Wahrscheinlich traut sich der Kollege nicht, einen Praxisbetrieb in der Insolvenz des Arztes fortzuführen.]

    Seh' es Defaitist ein bisschen nach; er kann sich vielleicht gar nicht vorstellen, dass Insolvenzverwalter solchen Bockmist veranstalten.

    Das ist richtig, die Fragen für meine Mandantin (ich berate den Schuldner nicht) sind tatsächlich überschaubar, aber aufgrund der Höhe der aufgelaufenen Rückstände (anteilig mehr als 6.000 Euro monatlich) ziemlich existenziell. Ich fürchte für den IV, dass er sich demnächst eingehend mit den §§ 60, 61 InsO befassen muss. Ich werde ihn jedenfalls nicht vom Haken lassen. Derartiges Verwalterhandeln ruft bei mir zwangsläufig einen Beissreflex hervor :D.

    Die Praxisgemeinschaft wurde tatsächlich durch die IE beendet. Hinsichtlich der Auseinandersetzung der Gesellschaft sehe ich es so, dass wegen der Praxisgemeinschaft die "Geschäfte" der jeweilig behandelnden Ärzte nicht Gegenstand der Gesellschaft sind. Diese beschränkt sich wohl allein auf die zur Verfügungstellung der dafür notwendigen Infrastruktur. Und genau hier setzt der Verwalter an, denn er sagt, ohne Gesellschaft gibt es auch keinen Anspruch auf die anteiligen Kosten. Und hinsichtlich der tatsächlichen Nutzung vertritt er offenbar die Auffassung, dass ihn das nicht zu interessieren braucht, denn schließlich hat er ja nichts "bestellt", sondern nur kassiert.

    Ich finde es schade, dass Def so komisch reagiert hat. So eine Reaktion habe ich von ihm einfach nicht erwartet. Aber vielleicht lag es ja tatsächlich daran, dass er sich eine solche Häufung von Inkompetenz nicht vorstellen konnte. Ich sehe da auch erhebliche Versäumnisse beim Gericht, sowohl beim Insolvenzgericht als auch bei den beiden befassten Streitgerichten.

    Jedenfalls werde ich zunächst den prozessführenden Kollegen mit der BT-Drucksache von LFdC versorgen und im Prozess unterstützen. Wenn das Gericht den Klageanspruch zuspricht, erledigt sich eh Vieles, denn der Insolvenzverwalter hat keine ausreichenden Geldmittel, diesen auch nur annähernd zu befriedigen. Und dann wird es auch der Schuldnerberater leichter haben, denn spätestens din diesem Moment wird er auch einige Gläubiger auf seine Seite ziehen können.

    Danke für die Unterstützung:daumenrau

  • Derartiges Verwalterhandeln ruft bei mir zwangsläufig einen Beissreflex hervor :D.

    :daumenrau - geht mir genauso.

    Hinsichtlich der Auseinandersetzung der Gesellschaft sehe ich es so, dass wegen der Praxisgemeinschaft die "Geschäfte" der jeweilig behandelnden Ärzte nicht Gegenstand der Gesellschaft sind. Diese beschränkt sich wohl allein auf die zur Verfügungstellung der dafür notwendigen Infrastruktur

    Wenn ich es richtig sehe, dann muss die Gesellschaft außerhalb des Insolvenzverfahrens auseinander gesetzt werden und verschwindet mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht einfach so im Nirvana. Ich meine, dass die Beteiligten wohl sogar konkludent die Fortsetzung der Gesellschaft beschließen können (wobei der Gesellschaftsanteil des Insolvenzschuldners bzw. ein mögliches Auseinandersetzungsguthaben dann insolvenzbefangen ist). Aber ich bin im Personengesellschaftsrecht regelmäßig nicht die Hellste - frag da mal lieber AndreasH oder Silberkotelett.

    Ich habe es schon erlebt, dass ein derartiges Verhalten des Insolvenzverwalters auf Betreiben einer speziellen Gläubigerin, die hier eventuell auch beteiligt sein könnte, erfolgt ist. Wenn Bedarf dazu ist, näheres per Privatnachricht.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • :daumenrau Das ist m.E. der zielführende Ansatz.

    Der Verwalter hat nicht freigegeben, also wird der Betrieb unter seiner Verantwortung fortgeführt. Damit sind die Kosten des Praxisbetriebs, die dem Schuldner zuzurechnen sind, aus der Insolvenzmasse zu bezahlen. Also Klage gegen den Verwalter (Masse) auf Zahlung, taktisch wohl am besten gekoppelt als Erstattung vergangener Kosten (faktische Nutzungsvereinbarung betreffend die anteiligen Flächen; Verbrauchsmaterial nach Kosten über konkludent geschlossenen Realvertrag; GoA, wenn man sonst nichts findet) und Feststellung, dass von den zukünftigen Kosten ein (vorsichtg gerechneter) Anteil von mindestens x Prozent zu bezahlen ist. Ferner, damit der Verwalter in Schwung komnt, Streitverkündung an ihn persönlich, für den Fall, dass die Masse nicht ausreicht. Er wird dann schon auf den Trichter mit der Freigabe kommen. Und dann besteht ja Potential für Verhandlungen mit dem Schuldner über reale Kostenbeteiligungen.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Ich entschuldige mich hiermit ausdrücklich bei Dir, Golfball.

    Die Beweggründe meiner nicht nur unfreundlichen sondern im nachhinnein auch mir unakeptabel erscheinenden Reaktion lege ich nicht dar, da dies wie eine Einschränkung meiner Entschuldigung gesehen werden könnte.

    Zur Sache:

    "Das Teil" ist bereits im Eröffnungsverfahren völlig versaut worden.
    Meine Frage zum Gemeinschaftskonto ist erledigt (hatte in der Tat überlesen, dass es eine Praxengemeinschaft und keine Gemeinschaftspraxis (die auch in unterschiedlichen Varianten in Erscheinung tritt) handelt. Aufgrund der weiteren Angaben findet der Fall so langsam auch für mich Konturen.

    Im folgenden möchte ich zunächst einmal aus insolvenzgerichtlicher Sicht skizzieren, wie es m.E. hätte "richtig" laufen müssen:
    1. Anordnung - zunächst der sog. Zustimmungsverwaltung
    2. vorl. V. hat grds. die Fortführung zu gewährleisten
    3. dies hätte Vereinbarungen mit der Arztkollegin erfordert
    4. der vorl. Verwalter hätte sich die Genehmigung zum
    Begründen von Masseverbindlichkeiten beim Insolvenzgericht
    holen können

    So erwarte ich das als Gericht; Grund dafür ist bereits darin zu sehen, dass nach Eröffnung der IV grds. verpflichtet ist, den Geschäftsbetrieb bis zur Entschließung der GLV fortzuführen.Von der "Feigling-regelung" in § 35 Abs. 2 InsO hat der Verwalter imho "vorsichtigen Gebrauch" zu machen.
    Lässt der vorl. Verwalter wie vorliegend die Situ im Eröffnungsverfahren im off, muss er befürchten, dass nach Eröffnung die Fortführung nicht mehr möglich ist, da dem Schuldner bereits im Eröffnungsverfahren der Stuhl vor die Türe gestellt wird.

    All dies ist hier nicht geschehen; der vorläufige Verwalter zieht die Einnahmen und verweist die vorinsolvenzlichen laufenden Betriebskosten in den Bereich der Insolvenzforderungen.
    Für das Verfahren ab Eröffnung dürfte es sich um Masseverbindlichkeiten handeln, auch wenn der Verwalter vom Erlöschen der vertraglichen Verhältnisse ausgeht. Hilfsweise ist von einem bereicherungsrechtlichen Anspruch auszugehen; notfalls von einem Haftungsanspruch.

    Blöderweise ist im vorläufigen Verfahren seitens der Arztkollegin nicht genug an der Reißleine gezogen worden (hierzu hätte der Anwalt ihr eigentlich raten müssen !).


    Fazit:

    hinsichtlich der anteiligen Gemeinschaftskosten ist m.E. dahingehend zu differenzieren, ob sie dem vorinsolvenzlichen Zeitraum und dem Zeitraum nach Eröffnung zuzurechnen sind.

    Zu den Gemeinschaftskosten, die nach Eröffnung anfallen, ist bereits qualifiziert geantwortet worden (bin derselben Auffassung: Massekosten).Hierbei handelt es sich nicht um eine gesellschaftsrechtliche Frage, sondern um die Inanspruchnahme von Leistungen zugunsten der Insolvenzmasse.
    Problematisch bleiben die Kosten während des Eröffnungsverfahrens, da es sich offenbar "nur"um eine Zustimmungsverwaltung gehandelt hat. Ob der als vorl. Verwalter Eingesetze da eine schützende Verantwortung hat, vermag ich jetzt nicht so ad hoc beurteilen.
    Der im Vorfeld die Arztkollegin beratende Anwalt hätte m.E. sofort die Mauer hochziehen müssen !

    Zum Umgang des Insolvenzgerichts mit diesem Fall mag ich mich im mom nicht äußern; nach einem langen und harten Arbeistag und der Vergewärtigung dieses Falles mangeld es mir an der angebrachten contenance.....(die in diesem völlig vergurkten Teil jedenfalls für so jemandem wie mich nötig scheint).

    greez
    Def

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
    legalize erdbeereis
    :daumenrau

  • Was mich einfach mal interessieren würde - wie weit sind wir denn im eröffneten Verfahren? Gab es schon einen Berichtstermin? Da müsste doch ein Beschluss nach § 100 InsO gefasst worden sein oder sehe ich das falsch? Wenn der IV nicht freigegeben hat, ist dem Schuldner doch Unterhalt aus der Masse zu gewähren. Das scheint hier nur mit erheblicher Verzögerung zu geschehen.

    "Es ist nicht möglich, den Tod eines Steuerpflichtigen als dauernde Berufsunfähigkeit im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 3 EStG zu werten und demgemäß den erhöhten Freibetrag abzuziehen." (Bundessteuerblatt) :D

  • Wenn der IV nicht freigegeben hat, ist dem Schuldner doch Unterhalt aus der Masse zu gewähren.

    Wieso, weshalb, warum?


    Wieso nicht? Wenn der IV nicht freigibt, sind alle Einnahmen zunächst Masse. Hier ist doch Unterhalt nach § 100 InsO zu zahlen. Du verwirrst mich jetzt :oops: Wovon soll der Schuldner denn sonst leben?

    "Es ist nicht möglich, den Tod eines Steuerpflichtigen als dauernde Berufsunfähigkeit im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 3 EStG zu werten und demgemäß den erhöhten Freibetrag abzuziehen." (Bundessteuerblatt) :D

  • Wieso nicht? Wenn der IV nicht freigibt, sind alle Einnahmen zunächst Masse. Hier ist doch Unterhalt nach § 100 InsO zu zahlen.

    Unterhalt aus der Masse wird gewährt und nicht gezahlt. Und wenn der IV vor der GV nicht will, bekommt der Schuldner nix [Das der Schuldner dann nicht mehr für die Masse tätig sein wird, steht auf einem anderen Blatt].


    Wovon soll der Schuldner denn sonst leben?

    So böse wie sich das anhört, ist dies Gegenstand des Verfahrens?

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Ich entschuldige mich hiermit ausdrücklich bei Dir, Golfball.

    [...]

    greez
    Def

    Danke Def, Entschuldigung natürlich angenommen :)

    Da das vorläufige Verfahren schon lange rum ist (die IE war irgendwann im Sommer 2015) ist das Kind natürlich im Brunnen schon lange ersoffen. Es geht es der Mandantin jetzt nur noch um die seither aufgelaufenen Kostenanteile. Der prozessführende Kollege hat von mir deshalb verschiedene Entscheidungen präsentiert bekommen und ich werde ihn auch bei der nächsten mündlichen Verhandlung entsprechend unterstützen. Mal sehen, ob wir das LG auf Kurs kriegen.

    Ich habe übrigens am Freitag auch das Insolvenzgutachten bekommen. Das war ja mal richtig lesenswert. Obwohl es sich um einen Eigenantrag des Schuldners gehandelt hat und sich aus der vorl. IV ein Barmassebestand (ohne sonstige Verwertung) von fast 20.000 Euro ergeben hat, hat der jetzige IV dem Gericht doch ernsthaft empfohlen, das Verfahren mangels Masse nicht zu eröffnen. Grund: Die Verfahrenskosten und insbesondere die Verwaltervergütung mit zu erwartenden Zuschlägen von mindestens 200 % (!) sind von der zu erwartenden Masse nicht gedeckt. :wechlach: Er hat dann auch schön ausführlich erläutert, dass eine Fortführung der Praxis nicht möglich sein wird, da die Kassenvergütung zur Deckung der Kosten nicht ausreichen wird und sich dann darüber ausgelassen, dass sich der Schuldner im Verfahren obstruktiv verhält, weil er die Behandlung der Privatpatienten eingestellt hat.

    Vor diesem Hintergrund hätte er wohl auch bei vorsichtiger Anwendung des § 35 Abs. 2 mit IE schnellstens die Praxis freigeben müssen.

    Das Verfahren wurde übrigens dann mit Kostenstundung (!) eröffnet :gruebel:.

    Was hätte denn meine Mandantin aus Deiner Sicht tun sollen? Den Schuldner vor die Tür setzen? Der hat doch nichts verkehrt gemacht, sondern wollte einfach nur seiner Berufstätigkeit nachgehen. Schließlich muss er ja auch seine Kinder füttern. Hmmmm - damit hätte ich mich auch schwer getan. Ich hätte allerdings den Verwalter schon im Berichtstermin richtig in die Mangel genommen und ihm vor versammelter Mannschaft erklärt, was ich von ihm erwarte, wenn er weiterhin die Einnahmen realisieren will.

    Ich fürchte, jetzt hilft nur noch die 60/61er-Keule. Deshalb habe ich den Hinweis von Andreas H. - an dieser Stelle herzlichen Dank dafür - aufgegriffen und dem Prozessanwalt die Streitverkündung ans Herz gelegt.

    Einmal editiert, zuletzt von Golfball (21. November 2016 um 13:12)

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!