§ 8 RVG Neuentstehen einer Gebühr nach Verjährung augrund Wiederaufnahme?

  • Folgender Fall:

    Klage beim Sozialgericht am 10.06.2010
    Beschluss zur Anordnung des Ruhens des Verfahrens am 10.10.2011
    Wiederaufnahmeerklärung der Partei am 06.07.2016

    Die entstandenen Gebühren eines RA sind spätestens mit Ablauf des 31.12.2015 (sofern angenommen, dass Fälligkeit bereits mit Bekanntgabe des Beschlusses zum Ruhen eintritt - schon am 31.12.2014) verjährt, vgl. § 8 Abs. 1 RVG, §§ 196, 199 BGB. Was wird nun aus den bereits entstandenen verjährten Gebühren bei Wiederaufnahme des Verfahrens? Entstehen die Gebühren neu im Sinne des § 14 RVG ab Beginn der Wiederaufnahme, erneut ab Beginn der Auftragserteilung der Partei oder gar nicht aufgrund Eintritt der Verjährung? :gruebel:

    Mir nicht so ganz schlüssig, auch nicht nach näherem Lesen von z.B. VGH Baden-Württemberg, (Beschluss vom 11.10.2016 - 11 S 1124/16 - zitiert nach juris m.w.N. u.a. auf Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl., § 8 Rn. 35)

    Edit:
    Auf Userwunsch verschoben, da im Bereich Kosten besser passend.
    Ulf, Admin

  • Was wird nun aus den bereits entstandenen verjährten Gebühren bei Wiederaufnahme des Verfahrens? Entstehen die Gebühren neu im Sinne des § 14 RVG ab Beginn der Wiederaufnahme, erneut ab Beginn der Auftragserteilung der Partei oder gar nicht aufgrund Eintritt der Verjährung? :gruebel:

    "Die Verfahrensgebühr entsteht für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information", Vorb. 3 Abs. 2 VV RVG. Das bedeutet, daß sie mit dem Auftrag des Mandanten (Vorb. 3 Abs. 1 VV) in dem Zeitpunkt neu entstanden ist, in dem der RA seine erste (oder hier: erneute) Tätigkeit aufnahm. Das passiert(e) bereits mit der Entgegennahme der Information nach Erteilung des Auftrags (vgl. Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl., Vorb. 3 VV Rn. 68), also in dem Moment, in dem der Mandant dem RA beauftragte, das Verfahren weiterzubetreiben.

    Nur als Ergänzung: Man könnte ja u. U. darauf kommen, daß hier evtl. § 15 Abs. 5 S. 2 RVG eine Rolle spielen könnte, also dem RA jetzt doppelte Gebühren zustünden. Das Ruhen des Verfahrens auch von mehr als zwei Kalenderjahren reicht aber nicht aus, damit die weitere Tätigkeit des RA als neue gebührenrechtliche Angelegenheit gilt (vgl. Gerold/Schmidt, aaO., § 15 Rn. 136; OLG Köln, AGS 2011, 321).

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  • Danke Bolleff für die Bestätigung meines Gedankenganges, auch hinsichtlich § 15 Abs. 5 S.2 RVG, sodass die Fragestellungen (1,2 oder 3?) ein wenig rhetorischer Natur waren. Für die streitwertgebundenen Gebühren sehe ich daher auch keine Probleme zur Abrechnung dieser Gebühren, was bei Betragsrahmengebühren im Sinne des § 14 RVG etwas anders aussieht hinsichtlich der Beurteilung des Zeitraumes der entstandenen Gebühr, also ab Zeitpunkt des Erstauftrages oder ab Zeitpunkt der Entgegennahme der Information zur Wiederaufnahme des Verfahrens. Oder könnte man salopp sagen, dass die Beurteilungskriterien im Sinne des § 14 RVG keiner "Verjährung" unterliegen, sondern ausschließlich der Zeitpunkt seines Entstehens der Gebühr?

  • Seltsamerweise habe ich bislang keinerlei Lit. o. Rspr. dazu gefunden :lupe: (vielleicht bin ich auch blind :nixweiss:) . Die gefundene beschäftigt sich offenbar wirklich ausschließlich mit Wertgebühren. Allerdings frage ich mich, ob es evtl. auch daran liegt, daß - wie Du schon hast anklingen lassen hast - die Kriterien des § 14 I RVG selbst keiner Verjährung unterliegen können. Denn mit der Neuentstehung der Betragsrahmengebühr wird ja nicht zwingend auch ein neuer Tatbestand des § 14 I RVG ausgelöst. Vielmehr kann die "billige" Gebühr des § 14 I RVG immer nur in der Rückschau der gesamten Angelegenheit bemessen werden.

    Man müßte ja eine solche Gebühr bzw. ihre Höhe quasi nach Zeitabschnitten splitten und dann für den jeweiligen Abschnitt die Kriterien des § 14 I RVG bemessen. Das widerspräche aber m. E. dem § 14 I RVG selbst, weil mit ihm immer nur der gesamte abzugeltenden Zeitraum der anwaltlichen Tätigkeit abgegolten wird. Im Rahmen einer Verjährungseinrede müßte bei Neuentstehung der Gebühr ja plötzlich ein Teil der eigentlich umfassenden Bemessung außer acht gelassen werden und lediglich der Zeitraum zwischen Neuentstehung bis Verjährungseinrede Berücksichtigung finden. Ein solches Vorgehen würde ich als systemfremd bezeichnen, weil dann auch so etwas wie die Kompensationstheorie nicht mehr funktionieren würde, indem eben z. B. ein überdurchschnittliches Merkmal die ansonsten unterdurchschnittlichen Merkmal verdrängt (oder andersherum). Dann käme man letztlich zu willkürlichen Ergebnissen, je nachdem, in welchem Zeitabschnitt sich dieses Merkmal evtl. verwirklicht.

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  • Selten so nah einer Auffassung zu einer Problematik Bolleff :einermein.

    Aber nein Du bist nicht blind, Literatur und Rechtsprechung schweigen zu Betragsrahmengebühren gänzlich.

    Dass ein willkürliches Ergebnis in der Sozialgerichtsbarkeit in Annahme der Beurteilung der Kriterien nach § 14 RVG der einzelnen Gebühren nicht unüblich ist, zeigt sich bereits bei der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der Bewilligung von PKH ab einen bestimmten Zeitpunkt, als dieser maßgeblich für die Beurteilung des Zeitraumes der entfachten Tätigkeiten eines Rechtsanwalts sein soll (vgl. LSG Hessen, Beschluss vom 10.07.2015 - L 2 SF 11/15 E - zitiert nach juris).

    Im hiesigen Fall steht nun die Verjährungseinrede im Raum, bin gespannt wie sich das Verfahren weiter entwickeln wird.

  • Dass ein willkürliches Ergebnis in der Sozialgerichtsbarkeit in Annahme der Beurteilung der Kriterien nach § 14 RVG der einzelnen Gebühren nicht unüblich ist, zeigt sich bereits bei der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der Bewilligung von PKH ab einen bestimmten Zeitpunkt, als dieser maßgeblich für die Beurteilung des Zeitraumes der entfachten Tätigkeiten eines Rechtsanwalts sein soll (vgl. LSG Hessen, Beschluss vom 10.07.2015 - L 2 SF 11/15 E - zitiert nach juris).


    Interessant - dank Dir! :)

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