Stiefkinder berücksichtigen?

  • Hallo,

    sind Stiefkinder genauso wie leibliche Kinder zu berücksichtigen (leibl. Vater der Kinder ist verstorben)?
    Sind die Kosten
    - Wohnkosten Stiefkind im Internat
    - Schulgeld
    - Verpflegung/Kosten für Unterkunft des Sohnes, der einen freiwilligen Dienst macht und dafür 310 EUR bekommt
    - Zahnspangenrechnungen
    zu berücksichtigen?

    Liebe Grüße

  • Wenn sie alle eine Bedarfsgemeinschaft bilden, muss der Stiefvater sozialrechtlich für den Unterhalt aufkommen. Sein Einkommen wird bei der Berechnung für alle mit herangezogen. Läuft unter "faktischer Unterhaltspflicht" und für die Zwangsvollstreckung wurde das schon mehrfach entschieden, dass diese Unterhaltspflicht nach dem Sozialrecht zu berücksichtigen ist, auch wenn der Stiefvater eigentlich nicht unterhaltspflichtig ist im Sinne der ZPO.

    Das JobCenter hält einen Stiefvater jedenfalls für unterhaltspflichtig und einige OLG im Rahmen der ZV mittlerweile auch.

  • OLG Köln, Beschluss vom 20.3.2009, 16 W 2/09

    Gewährt der Schuldner in seinem Haushalt lebenden Stiefkindern Unterhalt, ohne dass eine gesetzliche Unterhaltspflicht besteht, so hat dies nach der derzeitigen Gesetzeslage keinen Einfluss auf die Höhe des pfändungsfreien Grundbetrags nach § 850c Abs. 1 ZPO. Auch § 850f ZPO ändert daran nichts, da auch diese Vorschrift eine Unterhaltsleistung aufgrund gesetzlicher Unterhaltspflicht verlangt.

    Es entspricht dem Gesetzeswortlaut und ist einhellige Meinung, dass sich der pfändungsfreie Grundbetrag des Arbeitseinkommens gemäß §850 c Abs. 1 S. 1 ZPO nach Satz 2 der genannten Vorschrift nur bei gesetzlicher Unterhaltspflicht erhöht (Zöller-Stöber ZPO, 27.Aufl., § 850 c Rz. 5;Schuschke.Walker Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 4. Aufl., § 850 cRz. 4; Thomas-Putzo, ZPO, 29. Aufl., § 850 c Rz.3) . Die im Haushalt des Klägers lebenden Stiefkinder haben aber nach der derzeitigen Gesetzeslage weder unmittelbar (§ 1601 BGB) noch mittelbar (§ 1360 a BGB) einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch gegen den Kläger (BGH NJW 1969, 2007 f.; Staudinger-VoppelBGB, Buch 4, Neubearbeitung 2007, § 1360 a Rz. m.w.N.).


    OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 4. Juli 2008 - 24 U 146/07-

    Zur analogen Anwendung des § 850 f ZPO zur Begrenzung der Zwangsvollstreckung bei nichtehelicher Lebensgemeinschaft

    3 Mal editiert, zuletzt von ZVR (28. November 2016 um 09:21) aus folgendem Grund: um Urteil OLG FFM ergänzt

  • Gegenmeinung:

    OLG Frankfurt (Main), 24 U 146/07 z. B.


    Es gibt noch eine weitere Entscheidung, die ich grad nicht finden kann.

    PS:
    In den Insolvenzverfahren habe ich das immer berücksichtigt und mein Insolvenzgericht ging in diesem Punkt immer mit. Gläubiger haben sich nicht dagegen gesträubt. Das Geld ist nun mal auf alle im Haushalt des Schuldners lebenden Personen zu "verteilen". Entweder ist der Schuldner zum Unterhalt verpflichtet oder er ist es nicht. Es kann irgendwie nicht angehen, dass das Zwangsvollstreckungsrecht erlaubt, die Kohle einzuziehen, das Sozialrecht den Schuldner aber heranzieht. In dem Falle hätten mir immer die Kinder leid getan, die noch weniger Geld zur Verfügung gehabt hätten, wenn ich (vermeintlich) pfändbares Einkommen eingezogen hätte. Ich hatte z. B. einen Schuldner mit 4 Stiefkindern. Es gab nachweislich keine Sozialleistungen - weder für die Lebensgefährtin, noch für die Kinder - weil der Schuldner "zu viel" verdient hat. Ich hätte mich da ganz mies gefühlt, das Geld einzuziehen.


  •  Dieses "Problem" dürfte nun wohl durch die Einigung zwischen Bund und Ländern ab 2017 erledigt sein.Der Unterhaltsvorschuss wird dann auf Kinder bis 18 Jahre und ohne die bisherige sechsjährige Begrenzung ausgeweitet. Abgesehen davon kann der UHV auch ein Zuschuss sein, wenn ein zahlungspflichtiges Elternteil z.B. nur 30 € monatlichen Unterhalt zahlen kann, dann springt der Staat für die Differenz ein.

    Deshalb gibt es dann auch, soweit man eine solche überhaupt annimmt, keine "moralische Unterhaltspflicht" des Stiefvaters/der Stiefmutter mehr, weil das Kind ja Unterhalt erhält.

    Die Rechtsprechung, die eine derartige Berücksichtigung von Stiefkindern annimmt, verkennt, dass es nicht Aufgabe des Gläubigers ist, durch einen Verzicht auf den pfändbaren Betrag die Pflichten der Sozialbehörden zu übernehmen und diese zu entlasten.

    Das Ziel einer Entlastung der Sozialkassen kann ein solches Privileg nicht tragen.

    Wird beim Stiefvater/der Stiefmutter der Lohn gepfändet, hat das Sozialamt eben bei der Berechnung für die Bedarfsgemeinschaft nur das um den Pfändungsabzug reduzierte Nettoeinkommen zu berücksichtigen.

  • Die Beiträge sind interessant, befassen sich jedoch nicht mit der nachgefragten Berücksichtigung von Stiefkindern im Rahmen von VKH/PKH.

    Für die Beurteilung wären die Einkommen der Mutter und des Stiefvaters von Interesse. Da wegen des Todes des Vaters hier keine Unterhaltszahlungen fließen, würde ich tendenziell die Stiefkinder schon berücksichtigen.


    @ ZVR:

    Den Fall des Unterhalts bei einem verstorbenen Elternteil wird wohl auch die Neuregelung zum UVG nicht ändern.

  •  Deshalb gibt es dann auch, soweit man eine solche überhaupt annimmt, keine "moralische Unterhaltspflicht" des Stiefvaters/der Stiefmutter mehr, weil das Kind ja Unterhalt erhält.

    Soll § 1 I Nr. 2 UhVorschG aufgehoben werden? Davon habe ich noch nichts gehört.

    Es macht mir nichts aus, ein Vorurteil aufzugeben. Ich habe noch genügend andere.
    Fraue machet au Fähler, abber firs richtige Kaos braucha mer scho no d'Menner..

  • Den Tod des Vaters habe ich überlesen, aber trotzdem:

    Wenn der leibliche Vater der Kinder verstorben ist, erhält das Kind ja Halbwaisenrente, die, wenn sie die Sätze nach dem UhVorschG nicht erreicht, entsprechend durch das Unterhaltsvorschussgesetz aufgefüllt werden.

    Das Kind hat Anspruch auf Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz, · wenn es im Bundesgebiet bei einem seiner Elternteile lebt, der - ledig, verwitwet oder geschieden ist, - von seinem Ehegatten dauernd getrennt lebt oder - dessen Ehegatte für voraussichtlich mindestens sechs Monate in einer Anstalt untergebracht ist, und
    · nicht oder nicht regelmäßig Unterhalt vom anderen Elternteil oder - wenn der Elternteil verstorben ist - nicht Waisenbezüge in der in § 2 UhVorschG genannten Höhe erhält (mindestens in der Höhe, in der sich die Leistung nach dem Unterhaltsvorschussgesetz bemessen würde) erhält.

    Um genaueres sagen zu können, braucht man tatsächlich mehr Informationen und Zahlenmaterial.

    Einmal editiert, zuletzt von ZVR (2. Dezember 2016 um 07:55)

  • Wie #2 und #8 - Berücksichtigung nicht wie bei gesetzlich unterhaltsberechtigten Kindern gem. § 115 I 3 Nr. 2 ZPO mit den dortigen Freibeträgen, sondern nur im Rahmen der sozialrechtlichen Einstandspflicht mit den entsprechenden sozialhilferechtlichen Beträgen als besondere Belastung iSd. § 115 I 3 Nr. 5 ZPO (so OLG Köln, Beschl. v. 30.06.2016, 10 WF 34/16; OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.04.2015, 5 WF 107/15).

    Was die konkret aufgeführten Positionen angeht, wird man sicher streiten können, ob man bei den unabdingbar notwendigen Aufwendungen, zu denen ich allein die Zahnspangenrechnung zählen würde, die viel bemühte "sittliche Pflicht" anzieht und sie ebenfalls als besondere Belastung iSd. Nr. 5 durchgehen lässt.

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