Erhöhung der Pfändungsfreigrenze wegen Unterhalt für nicht leibliches Kind.

  • Hallo an alle,

    ich mal wieder. Habe einen - für mich - schwierigen Fall und bräuchte mal die Hilfe von Vollstreckungsprofis unter euch. Der Fall stellt sich wie folgt da:

    Schuldner lebt seit mehreren Jahren mit Lebensgefährtin und deren Kind zusammen. Darüber hinaus haben beide noch ein leibliches Kind. Nun hat sich sein Lohn erhöht. Da sein Einkommen bei den Ämtern als Einkommen der Bedarfsgemeinschaft mit berücksichtigt wird (obwohl hinsichtlich des einen Kindes keine gesetzliche Unterhaltspflicht besteht), wurden nunmehr alles Leistungen vom Amt eingestellt. Jetzt beantragt er Erhöhung der Pfändungsfreigrenze aufgrund der Tatsache, dass er für sämtliche Ausgaben auch des nicht leiblichen Kindes aufkommen muss.

    Hat einer von euch so einen Fall schon einmal gehabt? Die Ansichten in der Literatur bzw. Rechtsprechung sind wohl unterschiedlich. Die einen sagen "zurückweisen", weil keine gesetzliche Unterhaltspflicht, das LG Essen z. B. meint aber nach § 850 f Abs. 1 ZPO sei der sozialrechtliche Regelbedarf pfandfrei zu stellen. Wie soll ich mir das vorstellen?

    Es wäre schön, wenn ein erfahrener Vollstrecker mir hierbei weiterhelfen könnte. Danke.

  • M.E. sind die Unterhaltspflichten im BGB geregelt.
    Hartz I kann weder Bordellbesuche als Unterhalt ansehen lasssen, genausowenig kann Harzt IV Unterhaltsansprüche generieren. Die Unzuträglichkeiten einer Sozialgesetzgebung sind vollstreckungsrechtlich irrelevant. Die moralische Unterhaltspflicht ist mir nur aus dem schweizerischen Vollstreckungsrecht bekannt. Diese wurde jedoch nicht in das deutsche Vollstreckungsrecht übernommen.

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
    legalize erdbeereis
    :daumenrau

  • Und was ist mit der Unterhaltspflicht und Leistungen des leiblichen Vaters des Stiefkindes und evtl. Unterhaltsvorschuss? Dieses Problem wird sich ab 2017 ohnehin erledigen, weil es dann keine zeitliche Beschränkung auf das Alter des Kindes nach dem Unterhaltsvorschussgesetz mehr gibt.

  • Und was ist mit der Unterhaltspflicht und Leistungen des leiblichen Vaters des Stiefkindes und evtl. Unterhaltsvorschuss? Dieses Problem wird sich ab 2017 ohnehin erledigen, weil es dann keine zeitliche Beschränkung auf das Alter des Kindes nach dem Unterhaltsvorschussgesetz mehr gibt.

    Meines Wissens bleibt es dabei, dass nur nicht verheiratete Mütter UVG bekommen. Es wäre viel zu teuer, wenn alle Kinder, deren Väter nicht zahlen, ihren Unterhalt vom Staat bekämen. Die Stiefkinderproblematik bleibt uns also erhalten.

    Es macht mir nichts aus, ein Vorurteil aufzugeben. Ich habe noch genügend andere.
    Fraue machet au Fähler, abber firs richtige Kaos braucha mer scho no d'Menner..

  • Das hatten wir doch grad an anderer Stelle schon mal diskutiert? :gruebel:

    Ich bin ja für Berücksichtigung der faktischen Unterhaltspflicht. Um das Sozialrecht kommt man ja leider auch als Schuldner nicht drumrum. Und wenn die Pfändungsgläubiger etwas einziehen, stehen die nicht leiblichen Kinder bzw. die ganze Familie ziemlich doof da. Da sträubt sich dann bei mir alles. Ich hab das in meinen früheren Insolvenzverfahren jedenfalls immer vertreten, dass der Stiefvater sozialrechtlich verpflichtet ist, Unterhalt zu leisten, ob er will oder nicht. Weil das JobCenter sein Einkommen eben heranzieht, wenn Lebensgefährtin und deren Kind(er) ALG II beantragen.

    https://openjur.de/u/210287.html

    Es gab irgendwo noch eine OLG-Entscheidung... finde ich aber irgendwie nicht wieder.... :cool:

  • Meines Wissens bleibt es dabei, dass nur nicht verheiratete Mütter UVG bekommen. Es wäre viel zu teuer, wenn alle Kinder, deren Väter nicht zahlen, ihren Unterhalt vom Staat bekämen..

    Aber darum geht es ja gegenständlich:

    Schuldner lebt seit mehreren Jahren mit Lebensgefährtin und deren Kind zusammen...

    Wenn im Unterhaltsvorschussgesetz vom „Lebenspartner“ die Rede ist, dann ist damit die eingetragene Lebenspartnerschaft nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz gemeint.Wenn dagegen der Elternteil mit einem Lebenspartner in so genannter"wilder Ehe" zusammenlebt und der Partner kein Elternteil des Kindes ist, so ist dies kein Grund, die öffentliche Unterhaltsleistung zu versagen.

  • Und was ist mit der Unterhaltspflicht und Leistungen des leiblichen Vaters des Stiefkindes und evtl. Unterhaltsvorschuss? Dieses Problem wird sich ab 2017 ohnehin erledigen, weil es dann keine zeitliche Beschränkung auf das Alter des Kindes nach dem Unterhaltsvorschussgesetz mehr gibt.

    es mag mir eine Norm aus dem Unterhaltsrecht genannt werden, nach welcher eine materielle Unterhaltspflicht besteht !

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    :daumenrau

  • Meines Wissens bleibt es dabei, dass nur nicht verheiratete Mütter UVG bekommen. Es wäre viel zu teuer, wenn alle Kinder, deren Väter nicht zahlen, ihren Unterhalt vom Staat bekämen..

    Aber darum geht es ja gegenständlich:

    Schuldner lebt seit mehreren Jahren mit Lebensgefährtin und deren Kind zusammen...

    Wenn im Unterhaltsvorschussgesetz vom „Lebenspartner“ die Rede ist, dann ist damit die eingetragene Lebenspartnerschaft nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz gemeint.Wenn dagegen der Elternteil mit einem Lebenspartner in so genannter"wilder Ehe" zusammenlebt und der Partner kein Elternteil des Kindes ist, so ist dies kein Grund, die öffentliche Unterhaltsleistung zu versagen.


    :gruebel: Dass hier UVG versagt werden könnte, war eigentlich nicht das Problem.


    (Eine Rolle spielt es aber wohl auch bei der Entscheidung des Falls, ob UVG im Hinblick auf Bezugsdauer bzw. Altersgrenze für das Stiefkind noch gezahlt wird.)

  • Und was ist mit der Unterhaltspflicht und Leistungen des leiblichen Vaters des Stiefkindes und evtl. Unterhaltsvorschuss? Dieses Problem wird sich ab 2017 ohnehin erledigen, weil es dann keine zeitliche Beschränkung auf das Alter des Kindes nach dem Unterhaltsvorschussgesetz mehr gibt.

    Meines Wissens bleibt es dabei, dass nur nicht verheiratete Mütter UVG bekommen. Es wäre viel zu teuer, wenn alle Kinder, deren Väter nicht zahlen, ihren Unterhalt vom Staat bekämen. Die Stiefkinderproblematik bleibt uns also erhalten.


    Schlechterstellung (ehemals) verheirateter Elternteile? :eek: Das ist doch sonst nicht der Fall. :gruebel:

  • Eure Unterhaltung ist ja ganz schön, hilft mir grundsätzlich erstmal nicht weiter. Leider.

    Ich hatte genau den Fall mal vor ein paar Jahren. Ich habe hin und her überlegt und schließlich abgelehnt, weil es eben keine gesetzliche Unterhaltspflicht ist. Der Gesetzgeber kennt das Problem und ändert nichts daran. Dann fühle ich als Gericht mich tatsächlich auch nicht dazu berufen.

    "Es ist nicht möglich, den Tod eines Steuerpflichtigen als dauernde Berufsunfähigkeit im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 3 EStG zu werten und demgemäß den erhöhten Freibetrag abzuziehen." (Bundessteuerblatt) :D

  • :gruebel: Aber wenn das Kind Unterhaltsvorschuss zu erhalten hat und auch erhält, warum sollte es dann auch noch vollstreckungsrechtlich zusätzlich beim nicht unterhaltsverpflichteten Lebensgefährten der Kindesmutter berücksichtigt werden, weil dieser, wie es hieß, "für sämtliche Ausgaben auch des nicht leiblichen Kindes aufkommen muss." :confused: Da beißt sich die Katze ja in den Schwanz. :wechlach:

    Einmal editiert, zuletzt von ZVR (12. Dezember 2016 um 17:57)

  • Eure Unterhaltung ist ja ganz schön, hilft mir grundsätzlich erstmal nicht weiter. Leider.

    Ich hatte genau den Fall mal vor ein paar Jahren. Ich habe hin und her überlegt und schließlich abgelehnt, weil es eben keine gesetzliche Unterhaltspflicht ist. Der Gesetzgeber kennt das Problem und ändert nichts daran. Dann fühle ich als Gericht mich tatsächlich auch nicht dazu berufen.

    Da wird Dir auch nix helfen. Denn das ist ein Fall, den Franz Beckenbauer so beschreiben würde: Das nicht leibliche Kind ist zu berücksichtigen. Es könnte aber auch sein, dass es nicht zu berücksichtigen ist ;).

    Im Ernst: Du kannst es nur "falsch" machen. Ich persönlich finde es ein Unding des Gesetzgebers, dass er den "neuen" Lebenspartner mit diesen Problemen alleine lässt. Seine neue Familie kriegt keine Sozialleistungen, weil er ein ausreichendes Einkommen hat. Aber im Vollstreckungsrecht werden ihm dann diese aufgedrückten Unterhaltspflichten nicht berücksichtigt. Insofern kann man ja schon fragen, ob die "gesetzlichen Unterhaltspflichten" nicht auch diese Personen sind.

    Ich hatte lange nicht mehr solche Fälle. Ich hatte es beim letzten mal wie Maus entschieden, aber ich glaube, das würde ich jetzt nicht mehr so machen, denn man wälzt das gesetzliche Problem einfach auf den Schuldner ab.

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    " Die Titanic wurde von Profis erbaut... Die Arche Noah aber von 'nem Amateur. Verstehen Sie, was ich meine?" (Bernd Stromberg)

  • @ Mosser: Da gebe ich dir grundsätzlich recht, aber dann sollte man halt den Weg des Rechtsmittels gehen. Der Gesetzgeber wälzt schließlich in erster Linie auf die Gerichte ab. Möge das LG im Sinne des Schuldners entscheiden.

    "Es ist nicht möglich, den Tod eines Steuerpflichtigen als dauernde Berufsunfähigkeit im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 3 EStG zu werten und demgemäß den erhöhten Freibetrag abzuziehen." (Bundessteuerblatt) :D

  • @ Mosser: Da gebe ich dir grundsätzlich recht, aber dann sollte man halt den Weg des Rechtsmittels gehen. Der Gesetzgeber wälzt schließlich in erster Linie auf die Gerichte ab. Möge das LG im Sinne des Schuldners entscheiden.

    Das stimmt. Das habe ich in den letzten beiden Entscheidungen denen ausdrücklich gesagt. Leider kam nix. War denen wohl nicht so wichtig :eek:. Oder sie hatten Angst, ein Rechtsmittel einzulegen.
    Ich hatte jetzt überlegt, einfach anders herum zu entscheiden und den InsoVerwalter um Rechtsmittel zu bitten. Dann muss ja was vom LG kommen...

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    " Die Titanic wurde von Profis erbaut... Die Arche Noah aber von 'nem Amateur. Verstehen Sie, was ich meine?" (Bernd Stromberg)

  • Eure Unterhaltung ist ja ganz schön, hilft mir grundsätzlich erstmal nicht weiter. Leider.

    Dann solltest Du mal La Flor de Cano`s # 2 lesen oder auch mal in Zwangsvollstreckung nachsehen, wo Du das Thema auch eingestellt hast.

  • Das stimmt. Das habe ich in den letzten beiden Entscheidungen denen ausdrücklich gesagt. Leider kam nix. War denen wohl nicht so wichtig :eek:. Oder sie hatten Angst, ein Rechtsmittel einzulegen.
    Ich hatte jetzt überlegt, einfach anders herum zu entscheiden und den InsoVerwalter um Rechtsmittel zu bitten. Dann muss ja was vom LG kommen...

    ...oder der Schuldner ist überfordert, weil er von der Materie keine Ahnung hat.
    Ein Schuldner hat bei mir einen entsprechenden Antrag gestellt. Als Anlage zu dem Antrag wurde ein Bewilligungsbescheid eines Jobcenters vorgelegt, aus welchem hervorgeht, dass der Schuldner ausdrücklich zur Antragstellung (§ 850 f ZPO) beim Vollstreckungsgericht aufgefordert wird und er die Antragstellung nachzuweisen hat. Der daraufhin vom Schuldner beim Gericht eingereichte Schriftsatz (§ 850 f ZPO) ist offensichtlich nicht von ihm geschrieben sondern lediglich unterschrieben worden.

    MfG

  • Das stimmt. Das habe ich in den letzten beiden Entscheidungen denen ausdrücklich gesagt. Leider kam nix. War denen wohl nicht so wichtig :eek:. Oder sie hatten Angst, ein Rechtsmittel einzulegen.
    Ich hatte jetzt überlegt, einfach anders herum zu entscheiden und den InsoVerwalter um Rechtsmittel zu bitten. Dann muss ja was vom LG kommen...

    ...oder der Schuldner ist überfordert, weil er von der Materie keine Ahnung hat.
    Ein Schuldner hat bei mir einen entsprechenden Antrag gestellt. Als Anlage zu dem Antrag wurde ein Bewilligungsbescheid eines Jobcenters vorgelegt, aus welchem hervorgeht, dass der Schuldner ausdrücklich zur Antragstellung (§ 850 f ZPO) beim Vollstreckungsgericht aufgefordert wird und er die Antragstellung nachzuweisen hat. Der daraufhin vom Schuldner beim Gericht eingereichte Schriftsatz (§ 850 f ZPO) ist offensichtlich nicht von ihm geschrieben sondern lediglich unterschrieben worden.

    MfG

    Das ist ja interessant. Ich weise diese Anträge trotzdem zurück. Bis mein LG oder der BGH was anderes sagt.

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