Entspricht Wechsel des Ergänzungspflegers dem Kindeswohl?

  • Guten Morgen,

    ich möchte gern folgenden Fall zur gemeinsamen Diskussion stellen:

    Der alleinsorgeberechtigten Kindesmutter wurde das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Gesundheitsfürsorge, die Entscheidung über schulische Angelegenheiten und das Recht auf Antragstellung nach SBG VIII entzogen und einem engagierten Rechtsanwalt als Ergänzungspfleger übertragen. Das betreffende Kind ist zur Zeit 13 Jahre alt und lebt auf Initiative des Ergänzungspflegers und mit Zustimmung des Jugendamtes seit 10 Monaten bei einer Pflegefamilie in Polen. Dort fühlt es sich offenbar sehr wohl, auch wenn es natürlich den persönlichen Kontakt zur Mutter vermisst. Zur Kindesmutter und zu den Großeltern mütterlicherseits gibt es regelmäßig schriftlichen bzw. telefonischen Kontakt.

    Die Großeltern beantragen nun einen Wechsel des Ergänzungspflegers und Übertragung auf sich. Sie begründen Ihren Antrag damit, dass es dem Kindeswohl eher entsprechen würde, wenn das betreffende Kind im großelterlichen Haushalt leben und der Umgang zwischen ihnen und ihrem Enkelkind so wieder intensiviert würde. Eine konstruktive und vom Ergänzungspfleger angestrebte Kontaktaufnahme zwischen ihm und den Großeltern gestaltet sich eher schwierig. Die Kindesmutter (vertr. durch ihren Verfahrensbevollmächtigten) und das involvierte Jugendamt haben sich negativ zu dem Antrag der Großeltern geäußert. Insbesondere das Jugendamt befürchtet einen Loyalitätskonflikt des betreffenden Kindes, da offenbar die Beziehung der Kindesmutter zu ihren Eltern auch nicht spannungsfrei ist.

    Insgesamt betrachtet scheint es mit eher so, dass die Großeltern in erster Hinsicht ihre eigenen Interessen verfolgen, auch wenn das betreffende Kind natürlich Heimweh zu seiner Familie und dem gewohnten Umfeld hier in Deutschland hat. Ich tendiere also dazu, den Antrag der Großeltern zurückzuweisen, da ich in der beantragten Übertragung der Ergänzungspflegschaft keinen Vorteil zum Wohle des Kindes sehe. Allerdings würde ich meine Haltung gern noch etwas 'unterfüttern' und bin für Anregungen dankbar.

    Wäre eventuell noch eine schriftliche Anhörung des betreffenden Kindes sinnvoll, auch wenn dieses erst 13 ist?

    Vielen Dank für's Mitdenken!

  • Kleine Ergänzung zum Sachverhalt:

    der teilweise Entzugs des Sorgerechts erfolgte in erster Linie, weil die Kindesmutter die Versorgung des Kindes mit notwendigen Medikamenten und die Einhaltung von ärztlichen Kontrollen abgelehnt hat oder diesbezüglich zumindest sehr unzuverlässig war. Zudem kam es in der Vergangenheit zu wochenlangen Fehlzeiten in der Schule, ohne dass sich die Kindesmutter dafür verantwortlich gesehen hat.

  • Ich denke auch bei einem Kind mit 13 Jahren ist eine schriftliche Anhörung durchaus sinnvoll. Über allem steht meines Erachtens das Wohl des Kindes, dieses ist derzeit soweit ersichtlich gegeben. Es erscheint wohl auch fraglich, ob überhaupt eine Verbesserung eintreten würde. Auf der anderen Seite steht natürlich die familiäre Bindung. die stets zu beachten ist. Im Moment würde ich wohl eher zurückweisen, aber gleichzeitig anraten, verstärkt den Konsens mit Jugendamt zu suchen, eine Annäherung in kleinen Schritten zu erreichen. Im Moment erscheint da eher so eine entweder alles oder gar nichts auf Seiten der Großeltern vorzuherrschen und das würde mich nicht überzeugen.

  • Mir sind jetzt bei der Bearbeitung meines oben geschilderten Falles noch zwei Stichworte in den Sinn gekommen:

    - Ist dem Minderjährigen Kind in diesem Verfahren evtl. ein Verfahrensbeistand zu bestellen?

    und

    - Wie sieht es eigentlich mit der örtlichen Zuständigkeit aus, wo doch der ständige Aufenthalt des Kindes seit fast einem Jahr in Polen ist??

    :gruebel:

  • Der Antrag der Großeltern zielt m.E. darauf ab, eine Entscheidung der Jugendhilfe zu korrigieren. Der Pfleger hat Hilfe zur Erziehung beantragt und erhalten. Sicherlich mit dem Ziel, das Wohl des Kindes (wieder) herzustellen. Nach Aktenlage würde ein Abbruch der Intensivhilfe eine Gefährdung des KW absehbar machen. Meiner Meinung nach sollte der Antrag von Amts wegen abgewiesen werden.

    Auch in der Anhörung sehe ich Risiken: Stell Dir einmal vor, Pubi will nicht mehr so intensiv erzogen sondern lieber verwöhnt werden! Wenn er dir das schreibt, stellt er seine Zusammenarbeit vor Ort ein und wartet auf Deinen Bescheid. Meine wortgewandten Mündel schreiben mitunter einmal Briefe, in denen Sie ihre Pflegeeltern und den Vormund heftig ablehnen. Dann hat der Rechtspfleger ein Problem.

    Allein schon einen Umgang mit dem Enkelkind zu erstreiten, dürfte wegen der gesetzlichen Vorgaben eine hohe Hürde darstellen.

    VOn einer ANhörung vor Ort kann ich nur abraten: Bis die gesamte Akte in die Amtssprache übersetzt ist, ist das Kind schon wieder hier. Abgesehen davon wird ein polnischer Richter ungern ds Ersuchen eines deutschen Rechtspflegers bearbeiten. Der Instanzenweg wird dort sehr genau beachtet

  • Bis die gesamte Akte in die Amtssprache übersetzt ist, ist das Kind schon wieder hier. Abgesehen davon wird ein polnischer Richter ungern ds Ersuchen eines deutschen Rechtspflegers bearbeiten. Der Instanzenweg wird dort sehr genau beachtet

    Warum sollte dafür die GANZE Akte übersetzt werden müssen und was hat das mit dem INSTANZENweg zu tun? :gruebel:

    Abgesehen davon kann ich keinen Entlassungsgrund für den (Berufs-)Ergänzungspfleger erkennen.

    Die örtliche Zuständigkeit des Vormundschaftsgerichts bleibt allerdings bestehen, auch wenn das Mündel (dauerhaft) verzieht. Ein Wechsel kann m. E. nur unter den Voraussetzungen des § 4 bzw. § 99 FamFG erfolgen.

    "Es ist nicht wahr, dass die kürzeste Linie immer die gerade ist."
    (Gotthold Ephraim Lessing)

  • Erst einmal vielen Dank für die vorangegangenen Beiträge!

    Den Antrag der Großeltern auf Übertragung der Ergänzungspflegschaft habe ich zwischenzeitlich zurückgewiesen (ohne Anhörung des betroffenen Kindes) und erwarte nun gespannt das Ende der Rechtmittelfrist...

    Entschieden werden müsste nun allerdings noch ein Antrag der Kindesmutter - vertreten durch ihren Verfahrensbevollmächtigten - auf Bewilligung von VKH und Beiordnung. Diese hatte ich zwar zum Antrag der Großeltern angehört, aber Partei im eigentlichen Sinne ist sie ja nicht. Von daher würde ich mal behaupten, dass ihr keine Verfahrenskostenhilfe bewilligt werden kann.

    Sehe ich das so richtig oder befinde ich mich da im Irrtum?

  • .....angehört, aber Partei im eigentlichen Sinne ist sie ja nicht. Von daher würde ich mal behaupten, dass ihr keine Verfahrenskostenhilfe bewilligt werden kann.

    ....?

    "Partei im eigentlichen Sinne" kennt das FamFG bei Sorgerechtsfragen nicht. Beteiligt oder nicht - das ist die Frage.

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