Digitaler Nachlass

  • Habe als Nachlasspfleger einen Erblasser, der jung und internet-affin war.

    Als Erben kommen die Eltern in Frage, dann ein Bruder. Leben alle im Ausland, woher auch der Erblasser stammte. Vielleicht wird die Familie ausschlagen (müssen), der Nachlass ist wohl überschuldet, die 6-monatige Ausschlagungsfrist läuft noch.

    Die Familie bittet darum, dass ich ihr Erinnerungsstücke überlasse, darunter auch Laptop und Handy. Der materielle Wert der Geräte ist gering, aber es sind halt Fotos, Videos, Mails, Chat-Verläufe drauf.

    Noch spannender ist der Zugang zu Facebook-Account und Youtube-Channel des Erblassers (von denen ich jetzt die Zugangsdaten kenne). Der Erbe hat Anspruch auf den Zugang, so jedenfalls das LG Berlin 20 O 172/15 vom 17.12.2015, aber was ist mit Familienangehörigen, von denen noch nicht feststeht, ob sie schlussendlich erben?

    Der Fiskus als Erbe wird sicher nichts von dem digitalen Nachlass haben wollen, von daher sehe ich kein Problem

    Es könnten aber Dritte ihre Rechte beeinträchtigt sehen, und etwas gelöscht haben wollen (z.B. ein Video auf dem sie zu sehen sind) und ich kann dem nicht mehr nachkommen, sobald die Passwörter geändert sind.

    Ich könnte natürlich eine Löschaktion starten, ehe ich Zugangsdaten an die Familie herausgebe. Aber damit zerstöre ich Nachlasswerte und vielleicht nehmen sie ja doch noch die Erbschaft an, und sei es nur, weil sie die Daten haben wollen.

    Je länger ich drüber nachdenke, desto mehr komme ich zu dem Schluss, dass ich die Daten unter Verschluss halten muss, bis feststeht, wer erbt. Oder mache ich mir viel zu viel Gedanken um ein paar belanglose Filmchen?

  • Oder mache ich mir viel zu viel Gedanken um ein paar belanglose Filmchen?

    Ja.

    Und es ist noch nicht sicher, ob wirklich die Erben oder die (nicht erbberechtigten) Angehörigen die Rechte an diesen "digitalen Inhalten" haben.

    Beim Thema "digitaler Nachlass" ist noch alles im Fluss.

    In dem von dir geschilderten Fall würde ich mir wohl von den Eltern den materiellen Wert des PC´s auszahlen lassen und den PC dann an die Eltern geben.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

  • Es kommt immer auf den Fall an. Aber bei dem genannten SV hätte ich keine (großen) Bedenken sondern versetze mich ganz menschlich in die Lage der Eltern...

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  • Mal aus der Sicht eines möglichen Betroffenen...
    Ich möchte vielleicht gar nicht, dass nach meinem Ableben irgendwelche Personen, egal ob Eltern oder Kinder, egal ob sie enterbt oder das Erbe ausgeschlagen haben, auf meinem PC oder in meinen Internet-Accounts bei youporn und paypal aktiv werden - genausowenig wie sie vielleicht in meine analogen Geheimdaten keinen Einblick haben sollen, z.B. meine Krankenakten oder meine Strafakten.

    Zum geschilderten Sachvberhalt würden mir folgende Fragen einfallen:

    Warum sollte ein PC ein Erinnerungsstück sein, mal vorausgesetzt, dass das Verhältnis Erblasser ./. Eltern wirklich harmonisch war?
    Gilt §203 Stgb Absatz 4 eigentlich auch für Nachlasspfleger?:gruebel:

    Es gibt wichtigen und unwichtigen Aktenstaub.

    Einmal editiert, zuletzt von lupo (18. Januar 2017 um 10:46) aus folgendem Grund: ergänzt

  • Ich sehe das anders. Du musst den PC sichten, insbesondere die letzten E-Mails. Oder klebst Du den Briefkasten auch zu und schickst ihn dann mit Inhalt an die Eltern? Den Laptop kannst du gern verkaufen, die Festplatte eher nicht.

  • Du glaubst nicht, wieviele Eltern und Witwen ich schon glücklich gemacht habe, weil ich denen (wertlose) "Erinnerungsstücke" und Fotos aus dem Nachlass freigegeben habe.

    Man kommt nicht immer mit §§ und Vorschriften weiter. Manchmal muss man einfach auf seinen Bauch hören - und die Kirche im Dorf lassen.

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  • Danke für die vielen Antworten

    Ich möchte vielleicht gar nicht, dass nach meinem Ableben irgendwelche Personen, egal ob Eltern oder Kinder, egal ob sie enterbt oder das Erbe ausgeschlagen haben, auf meinem PC oder in meinen Internet-Accounts bei youporn herumschnüffeln - genausowenig wie sie vielleicht in meine analogen Geheimdaten keinen Einblick haben sollen, z.B. meine Krankenakten oder meine Strafakten.


    Ich bin ja nicht Testamentsvollstrecker (der als langer Arm des Erblassers aus dem Jenseits agiert) sondern Nachlasspfleger (der nur die Erben zu vertreten hat). Die Interessen des Erblassers (Geheimhaltung) und die der Erben (Neugier) können ja durchaus konträr sein.

    Warum sollte ein PC ein Erinnerungsstück sein, mal vorausgesetzt, dass das Verhältnis Erblasser ./. Eltern wirklich harmonisch war?


    Nun ja, er ist Erinnerungsstück, eben wegen der Fotos, Videos, Mails. Spielt es dabei eine Rolle, wie das Verhältnis des (erwachsenen) Erblassers zu seinen Eltern war?

    Gilt §203 Stgb Absatz 4 eigentlich auch für Nachlasspfleger?


    Gute Frage. Amtsträger ist man als NP wohl nicht.

    Du musst den PC sichten, insbesondere die letzten E-Mails. ... Den Laptop kannst du gern verkaufen, die Festplatte eher nicht.


    Dass ich den PC sichten muss, ist schon klar. Dass ich die Festplatte gründlich lösche, ehe ich den PC auf dem Trödel verkaufe, ist auch klar. Aber was darf/muss/soll ich löschen, ehe ich ihn an die Verwandtschaft herausgebe.

    Du glaubst nicht, wieviele Eltern und Witwen ich schon glücklich gemacht habe, weil ich denen (wertlose) "Erinnerungsstücke" und Fotos aus dem Nachlass freigegeben habe.


    Es gibt halt Fotos, Briefe usw. bei denen man Zweifel hat, ob die Verwandten damit glücklich oder unglücklich werden.

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