Wirksamer Nachtrag zu gemeinschaftlichen, handschriftlichen Ehegattentestament?

  • Hallo liebe Kollegen.

    Mir liegt ein von der Verstorbenen eigenhändig geschriebenes und unterschriebenes gemeinschaftliches Testament vor. Der Ehegatte hat eigenhändig unterschrieben. Soweit gut.

    Sodan folgen zwei Nachträge.
    Der erste Nachtrag wurde von der Verstorbenen eigenhändig ge- und unterschrieben, jedoch nicht von dem Ehegatten mit unterschrieben.

    Der zweite Nachtrag wurde von der Verstorbenen eigenhändig ge- und unterschrieben und von dem Ehegatten mit unterschrieben.
    Auf Nachfrage erklärte der Ehegatte, dass der erste Nachtrag in seinem Einvernehmen erfolgte und er dies mit seiner Unterschrift zum zweiten Nachtrag zusätzlich zum Ausdruck bringen wollte.

    Das Testament samt Nachträgen erstreckt sich auf einem DinA4 Blatt; auf der Vorderseite ist zunächst das Testament mit Unterschriften enthalten. Danach folgt der erste Nachtrag der Verstorbenen. Die Unterschrift und das Datum wurden aus Platzgründen auf der Rückseite angebracht. Sodann folgt der zweite Nachtrag mit den Unterschriften der Verstorbenen und des Ehegatten.

    Meines Erachtens müsste der erste Zusatz aufgrund der Erklärung des Ehemannes einen wirksamen gemeinschaftlichen Zusatz darstellen.
    Andere Meinung?

  • Vielleicht hilft dir LG Düsseldorf, Urteil vom 20. April 2006 – 10 O 332/04 –, juris: "Eine Unterschrift muss als Abschluss der Urkunde am Schluss des Textes stehen, um diesen auch räumlich abzudecken. Eine Unterschrift auf der Rückseite eines Textes genügt mithin nicht, da die räumliche Abdeckung nicht gewährleistet ist." (Rn. 30)

    Das Problem dürfte darin zu sehen sein, dass die Erklärung/Verfügung (der erste Nachtrag) selbst auf der Vorderseite abgeschlossen ist und eine Fortsetzung derselben auf der Rückseite nicht erfolgt.

    Ansonsten OLG Köln, Beschluss vom 14. Februar 2014 – I-2 Wx 299/13 –, juris: Es genügt, wenn die Unterschrift sich in einem solchen räumlichen Verhältnis und Zusammenhang mit dem Text befindet, dass sie die Erklärung nach der Verkehrsauffassung als abgeschlossen deckt. Das kann auch der Fall sein, wenn sie neben dem Text angebracht ist, etwa aus Platzmangel, oder auf der Rückseite, die durch einen Hinweis auf der Vorderseite mit dem Text verbunden ist." - stellt insofern auch auf die Abgeschlossenheit ab, falls keine Bezugnahme auf die Vorderseite getätigt wird.

    So auch LG Konstanz, Beschluss vom 19. März 2001 – 6 T 192/00 B –, juris; Staudinger/Wolfgang Baumann, BGB, § 2247 Rn. 96 ff.; Erman, BGB, § 2247 Rn. 7 ff.

    Ob der erste Nachtrag schon in Ermangelung einer Unterschrift der Verstorbenen wirksam sein kann, dürfte aus oben genannten Gründen damit auch zur Diskussion stehen.

  • ... Das Problem dürfte darin zu sehen sein, dass die Erklärung/Verfügung (der erste Nachtrag) selbst auf der Vorderseite abgeschlossen ist und eine Fortsetzung derselben auf der Rückseite nicht erfolgt. ...



    Wenn ich den Sachverhalt richtig verstehe, war die Vorderseite schlicht voll. Deswegen wurde auf der Rückseite unterschrieben. Und da das dann auch die einzige Möglichkeitchkeit ist, würde ich auf das LG Düsseldorf pfeifen und es mit der Gegenauffassung halten. Wo soll die Unterschrift denn auch hin, wenn vorne kein Platz mehr ist? Einen Zwang zur "Querulantenunterschrift" seitlich gedreht oder das antackern eines extra Stücks Papier zur Unterschrift auf der Vorderseite kann es jedenfalls nur in den Köpfen sehr lebensfremder Richter geben.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Wie Andreas H halte ich den Standort der Unterschrift für nicht erheblich, soweit es um die Frage geht, dass die eine Seite voll ist und es auf der nächsten Seite weitergeht.

    Aber:

    Unterstellt (fiktive Daten), der Sachverhalt ist sinngemäß der folgende ...

    - ehegemeinschaftliches Testament von einem geschrieben, Unterschrift beider Eheleute 1. Januar 1990
    - Nachtrag von einem geschrieben, Unterschrift nur von ihm 1. Januar 2000
    - Nachtrag von einem geschrieben, Unterschrift von beiden 1. Januar 2010

    ... so fragt sich m. E., ob ohne Unterschrift des einen Ehegatten der Nachtrag vom 1. Januar 2000 wirksam ist.

    Die postmortale Erklärung des Überlebenden, seine Unterschrift vom 1. Januar 2010 habe auch dem Nachtrag vom 1. Januar 2000 gegolten, würde mir nicht genügen. Denkfiguren wie die Andeutungstheorie gelten ja nicht für die Frage, ob die Form als solche gewahrt ist, sondern ob Erklärungen, die der gewahrten Form bedürfen, in der formgerechten Erklärung mitenthalten sind.

    Die Frage ist also eine Frage des Standorts der Unterschrift. Der Standort der Unterschrift des Überlebenden unter den Nachtrag vom 1. Januar 2010 ist eindeutig als eine solche zu verstehen, die unter nur diese Erklärung placiert wurde. So wie die erste Unterschrift beider Eheleute unter das ursprüngliche Testament vom 1. Januar 1990 nur unter dieses Testament placiert wurde. Daraus erhellt: Beim erste Nachtrag vom 1. Januar 2000 fehlt die Unterschrift eines Ehegatten.

    DESIRE IS THE HURDLE TO SALVATION AND TIES ONE TO SAMSARA

    Einmal editiert, zuletzt von Uldis (19. Februar 2017 um 22:42) aus folgendem Grund: Präzisiert, wie weit ich mit User Andreas H übereinstimme.

  • Haben der erste und der zweite Nachtrag inhaltlich irgendeinen Bezug zueinander?

    Wurde der zweite Nachtrag auch überschriftlich oder anderweitig so bezeichnet (z. B. 2. Nachtrag/Ergänzung oder Weiterer Nachtrag/Ergänzung), dass man aus dem zweiten Nachtrag alleine ableiten kann, dass es auch einen ersten Nachtrag gibt?

  • Zitat Dags:

    Der zweite Nachtrag wurde von der Verstorbenen eigenhändig ge- und unterschrieben und von dem Ehegatten mit unterschrieben.
    Auf Nachfrage erklärte der Ehegatte, dass der erste Nachtrag in seinem Einvernehmen erfolgte und er dies mit seiner Unterschrift zum zweiten Nachtrag zusätzlich zum Ausdruck bringen wollte.
    Meines Erachtens müsste der erste Zusatz aufgrund der Erklärung des Ehemannes einen wirksamen gemeinschaftlichen Zusatz darstellen.
    [/QUOTE]

    :meinung: Wer soll es denn besser wissen, als der am Ende mitunterzeichnende Ehegatte???

  • Deswegen fragte Cromwell ja zutreffend*, ob der Bezug zwischen ersten unf zweiten Nachtrag erkennbar ist, dann könnte man daraus auf einen entsprechenden Willen schließen.


    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

    Leider bleibt die Frage von Cromwell unbeantwortet. Allein nach der Schilderung im Sachverhalt ist m. E. die Form nicht gewahrt.

    ____________
    *) P.S: Interessanter gedanklicher Ansatz, wonach schon die Frage zutrifft und nicht erst die Antwort.

    DESIRE IS THE HURDLE TO SALVATION AND TIES ONE TO SAMSARA

  • Offtopic

    ...

    ____________
    *) P.S: Interessanter gedanklicher Ansatz, wonach schon die Frage zutrifft und nicht erst die Antwort.


    Es gibt Fragen und Fragen. Manche Fragen tragen die Antwort oder zumindest den weiterführenden Ansatz bereits in sich, das sind dann "zutreffende Fragen" :D:cool:

    Berühmtes Beispiel:
    Im Film "Jagd auf roter Oktober" steht der Hauptheld, der Agent Jack Ryan, vor dem Spiegel und überlegt beim Rasieren, laut vor sich hinsprechend, wie man die Mannschaftsmitglieder des russischen Atom-U-Boots, deren Offiziere samt Boot überlaufen wollen, freiwillig von Bord bekommt. Er sinniert und stellt dann die Frage "wie bekomme ich die Leute von einem Atom-U-Boot", und dann wird ihm klar, dass die Lösung in "Atom" lieg, d.h. ein simulierter Störfall. Wer bleibt da schon freiwillig an Bord.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Also alles auf einem Blatt Papier und die zeitlich letzten Unterschriften sind beide? - Würde ich anerkennen.


    Das sehe ich genauso.
    Angenommen unter dem ersten Nachtrag wäre keine Unterschrift, dann würden mE die letzten Unterschriften unter dem zweiten Nachtrag auch den ersten abdecken.
    Das würde ich zugunsten der Wirksamkeit des gemeinschaftlichen Testaments so auslegen, § 2084 BGB
    => die letzte Unterschrift des überlebenden Ehegatten gilt sämtlichen voranstehenden Erklärungen (zumal er dies auf Nachfrage auch noch bestätigt hat).

    2 Mal editiert, zuletzt von glitzer (28. Februar 2017 um 16:45) aus folgendem Grund: Unterstreichung

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