Keine Treuhänderbestellung in der Wohlverhaltensphase

  • Hallo,

    wie handhabt es ihr in folgenden Fällen:


    Im Insolvenzverfahren liegen keine Forderungsanmeldungen vor.

    Früher wurde in solchen Fällen nach Durchführung des Schlusstermins vorzeitig Restschuldbefreiung erteilt, da man bei vorliegender Stundung von einer Verfahrenskostendeckung ausging und keine Gläubiger vorhanden waren, die am Verfahren partizipierten und evtl. hätten an einer Quotenausschüttung teilnehmen können, etc.

    Mit der neuen Rechtsprechung des BGH vom 22.09.2016, BGH IX ZB 29/16, wurde festgestellt, dass Restschuldbefreiung vorzeitig nur erteilt werden kann, wenn der Schuldner die Verfahrenskosten tatsächlich zahlt.

    Dies ist den Schuldnern in den meisten Fällen jedoch tatsächlich nicht möglich, da sie nicht über die entsprechenden wirtschaftlichen Verhältnisse verfügen.

    Im relevanten Fall hier bezieht die Schuldnerin eine Rente i. H. v. knapp 500,00 EUR.

    Nach Anmerkung Dr. Peter Laroche, ZInsO 48/2016, 2359, wäre es nun denkbar, keinen Treuhänder für die Wohlverhaltensperiode zu bestellen, da ein Sinn und Zweck dafür nicht erkennbar ist - es gibt keine Gläubiger und der Forderungseinzug zugunsten der Staatskasse ist nicht Aufgabe des Treuhänders.

    Es soll einige Gerichte geben, die das so praktizieren.


    Um Anmerkungen und Stellungnahmen wird gebeten :)

  • .... und der Forderungseinzug zugunsten der Staatskasse ist nicht Aufgabe des Treuhänders.


    Das sehe ich wegen § 292 I S. 3 InsO anders. Dabei dürfte es auch nicht auf die vorliegende Konstellation ankommen. Der Schuldner könnte erben oder einen Traumjob bekommen. Ohne Treuhänder kann er dann aber seinen Verpflichtungen nicht nachkommen.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Das sehe ich wegen § 292 I S. 3 InsO anders.

    Erstens das. Zweitens stellt Laroche hinsichtlich der Verfahrenskosten auch auf § 4b InsO ab, offenbar getragen von der Annahme, dass dann wegen anderer Berechnungsweise Geld fließt. Leider übersieht er dabei, dass das in der Regel nicht zutrifft. Ebenfalls geht er auch nicht darauf ein, dass dann im Grunde allen Schuldnern nach fünf Jahren vorzeitige RSB zu erteilen wäre. Das kann an dieser Stelle nicht ausgeblendet werden, weil die entsprechende Betrachtung für Verfahren ohne Forderungsanmeldung auch auf andere Verfahren durchschlägt.

    Konsequent zu lösen ist das meiner Meinung nach durch eine Änderung der InsO. Neben Verfahren ohne Forderungsanmeldung sollten dabei auch solche Verfahren geregelt werden, in denen nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Schuldners offensichtlich keine Aussicht auf eine Quotenzahlung für die Gläubiger besteht. Für die Antwort auf die Sinnfrage macht es nun einmal in etlichen Verfahren letztlich keinen Unterschied, ob es Forderungsanmeldungen gibt oder nicht. Wenn etwa in dem in #1 genannten Beispiel auch nur ein einziger Gläubiger eine Forderung womöglich nur über einen geringeren Betrag angemeldet hätte, würde das die vollen sechs Jahre durchlaufen, obwohl es genauso absurd wie sechs Jahre in einem Verfahren ohne Forderungsanmeldung ist.

    Fraglch ist dabei, wie sich das auflösen lässt, wenn der Schuldner doch irgendwann zu unerwarteten Einkünften oder Vermögenswerten kommt. Dazu wird irgendwann demnächst ein Aufsatz erscheinen. ;)

  • .... und der Forderungseinzug zugunsten der Staatskasse ist nicht Aufgabe des Treuhänders.


    Das sehe ich wegen § 292 I S. 3 InsO anders. Dabei dürfte es auch nicht auf die vorliegende Konstellation ankommen. Der Schuldner könnte erben oder einen Traumjob bekommen. Ohne Treuhänder kann er dann aber seinen Verpflichtungen nicht nachkommen.

    Wir erteilen ja vorzeitig nicht RSB.

    Plan ist, keinen TH zu bestellen.

    Wir erteilen dann nach 6 Jahren RSB.

    Was genau soll in § 292 I S. 3 InsO stehen, wofür ich einen TH brauche?!

  • Traut sich keiner zu sagen, wir machen das?

    Oder macht es tatsächlich niemand?


    Ich kann auch meinen alten Stiefel fahren und nen TH bestellen, und nach 6 Jahren - nach Anhörung des TH -, die RSB erteilen :roll:

  • Wir haben das in letzter Zeit bei den Verfahren, wo keine Forderungsanmeldung vorliegt, so gemacht. Natürlich könnte der Schuldner erben oder einen Traumjob bekommen, aber dann ändert sich ja die Situation in diesem Punkt nicht. Mit Zahlung der Verfahrenskosten könnte der Schuldner RSB erhalten. Und das so etwas passiert, dürfte gerade in diesen Fällen sehr unwahrscheinlich sein. Diese Verfahren sind eben insgesamt misslich. Der einzige Vorteil: wie man auch verfährt, es gibt letztlich kein Rechtsmittel ;)...

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    " Die Titanic wurde von Profis erbaut... Die Arche Noah aber von 'nem Amateur. Verstehen Sie, was ich meine?" (Bernd Stromberg)

  • Ich hatte das bis jetzt zweimal. In beiden Fällen haben die Schuldner (auch beide Rentner) von irgendwoher das Geld aufgetrieben, nachdem ich ihnen geschrieben habe das ich ihnen sofort RSB erteilen kann wenn sie die Verfahrenskosten bezahlen.
    Falls es wider Erwarten mal nicht klappen sollte - kann ich mir im übrigen überhaupt nicht vorstellen - gut dann kämen eben noch die 700 Euro dazu.
    Treuhänder würde ich auf jeden Fall bestellen.

    Alles Gute im Leben ist entweder illegal, unmoralisch oder macht dick. (Murphys Gesetz)

  • Was genau soll in § 292 I S. 3 InsO stehen, wofür ich einen TH brauche?!

    Gemeint war vermutlich § 292 Abs. 1 S. 1, 2 InsO. Dort wird ausdrücklich auf den Treuhänder Bezug genommen.

    Die Aufsichtspflicht würde dann doch mir unterliegen.

    Welche Aufsichtspflicht? Ohne ausnahmsweise Beauftragung nach § 292 Abs. 2 S. 1 InsO gibt es nicht einmal eine Aufsichtspflicht des Treuhänders.

  • Alles sehr interessant, aber

    ich werde gleichwohl weiterhin einen TH bestellen.
    Steht da so in § 288 InsO, mach ich, find ich nicht schlimm.
    Ist das mein Geld ?
    Ist das sinnvoll ?
    Ist mir vorliegend echt egal.

  • Alles sehr interessant, aber

    ich werde gleichwohl weiterhin einen TH bestellen.
    Steht da so in § 288 InsO, mach ich, find ich nicht schlimm.
    Ist das mein Geld ?
    Ist das sinnvoll ?
    Ist mir vorliegend echt egal.

    kann mensch so fahren. Dem Gesetzgeber war diese Lage aufgrund von Entscheidungen und Aufsätzen hierzu hinlänglich bekannt. Es ist nicht Sache des Rechtsanwenders, wirtschaftlich unsinngige Gesetze unangewendet zu lassen, sofern deren Anwendung verfassungsrechltich bedenklich sind. In letzterem Falle wären sie einer konkreten Normenkontrolle zuzuführen, die aber nicht Sache der Rechtspflegerschaft wäre. Wenn die Länder es sich gefallen lassen, das wirtschaftlich unsinnige Gesetze erlassen werden, bin ich im Bundesrat ? nein. Ergo: alles offen, da es keine Rechtsgehelfe gibt.
    Hihi, in diesem Falle gilt ja wirklich: "hier darf jeder machen was er will, im Rahmen der FDGO, versteht sich" :D

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    :daumenrau

  • Alles sehr interessant, aber

    ich werde gleichwohl weiterhin einen TH bestellen.
    Steht da so in § 288 InsO, mach ich, find ich nicht schlimm.
    Ist das mein Geld ?
    Ist das sinnvoll ?
    Ist mir vorliegend echt egal.

    kann mensch so fahren. Dem Gesetzgeber war diese Lage aufgrund von Entscheidungen und Aufsätzen hierzu hinlänglich bekannt. Es ist nicht Sache des Rechtsanwenders, wirtschaftlich unsinngige Gesetze unangewendet zu lassen, sofern deren Anwendung verfassungsrechltich bedenklich sind. In letzterem Falle wären sie einer konkreten Normenkontrolle zuzuführen, die aber nicht Sache der Rechtspflegerschaft wäre. Wenn die Länder es sich gefallen lassen, das wirtschaftlich unsinnige Gesetze erlassen werden, bin ich im Bundesrat ? nein. Ergo: alles offen, da es keine Rechtsgehelfe gibt.
    Hihi, in diesem Falle gilt ja wirklich: "hier darf jeder machen was er will, im Rahmen der FDGO, versteht sich" :D

    Ich finde es garnicht soooooo unsinnig. Man wollte ja die Schuldner animieren, die Verfahrenskosten zu zahlen. Deshalb wurde ja auch die vorzeitige RSB nach 5 Jahren bei Kostendeckung erfunden, damit der Schuldner "überobligatorische" Anstrengungen unternimmt, die Kosten zu zahlen. Angenommen nun mal, der Gesetzgeber hätte eine vorzeitige RSB bei keiner (festgestellten) Forderung im Schlussverzeichnis auch ohne Kostendeckung eingeführt. Dann hätte es doch viele Folgeprobleme gegeben. Warum z.B. hätte dann noch irgendjemand die Kosten zahlen sollen? Da würde doch jeder Schuldner, wenn er vernünftig ist, die 1.500 EURO für die Kostendeckung in die Hand nehmen und die angemeldeten Forderungen bezahlen bzw. mit den Vergleiche schließen. Wie oft haben wir Schlussverzeichnisse kleiner als 1.500 ? oder ungefähr so? Und jeder Gläubiger würde doch einen Vergleich annehmen, denn sonst hätte er gar nix. Ich bin z.B. auch ganz gespannt, wie all diese Gerichte, die vorzeitig auch ohne Kostendeckung die RSB erteilen, mit den Fällen umgehen, wo Schuldner in der WVP sich mit den Gläubigern vergleichen und diese ihre Anmeldungen zurücknehmen etc., jedoch die Kosten offen sind? Konsequenterweise werden sie auch da die vorzeitige RSB erteilen müssen.

    Im Grunde aber hat Zsesar Recht: es ist gesetzlich geregelt, der Gesetzgeber hat sich für diesen Weg entschieden.

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  • Ich bin z.B. auch ganz gespannt, wie all diese Gerichte, die vorzeitig auch ohne Kostendeckung die RSB erteilen, mit den Fällen umgehen, wo Schuldner in der WVP sich mit den Gläubigern vergleichen und diese ihre Anmeldungen zurücknehmen etc., jedoch die Kosten offen sind? Konsequenterweise werden sie auch da die vorzeitige RSB erteilen müssen.

    :daumenrau Schöne Fallkonstellation, zumal eine Vergleichung in der WVP ja zulässigerweise zur Bereinigung der Tabelle führt, BGH vom 29.10.2011, IX ZB 219/10. Wobei man von Verfahrenskosten von mind. 1.199,80 EUR ausgehen darf. Wirtschaflich sinnvoll wäre es natürlich für die Gläubiger sich auf eine Schutzgebühr zu vergleichen, wenn der Betrag aber gegen Null geht, wird es aber unattraktiv.

    Ich gehe aber mal davon aus, dass die Ideenschmiede Lösungen findet, die Entscheidung des BGH erfolgreich zu umschiffen. Da wird dann man wieder der Richter die Sache ansich ziehen...:wechlach:

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • ...Ich gehe aber mal davon aus, dass die Ideenschmiede Lösungen findet, die Entscheidung des BGH erfolgreich zu umschiffen. Da wird dann man wieder der Richter die Sache ansich ziehen...:wechlach:

    :wechlach:. Irgendwie liest man doch schon gedanklich den Tenor in der ZinsO ;)...

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  • ...Ich gehe aber mal davon aus, dass die Ideenschmiede Lösungen findet, die Entscheidung des BGH erfolgreich zu umschiffen. Da wird dann man wieder der Richter die Sache ansich ziehen...:wechlach:

    :wechlach:. Irgendwie liest man doch schon gedanklich den Tenor in der ZinsO ;)...

    Es kommt besser, wenn dann noch die zweite Entscheidung in einem gleichgearteten Sachverhalt gefällt wird, welche dann im Leitsatz aufgeführt, die erste Entscheidung audrücklich bestätigt (wäre ja auch blöde, wenn man da schreiben müsste: Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung).

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  • Ich bin auch der Meinung, dass ein Treuhänder zu bestellen ist. Anderenfalls darf man das Insolvenzverfahren nicht aufheben. Das finde ich aber nicht richtig, zumal hier auch Nachteile für den Schuldner entstehen könnten.


    Die vorzeitige RSB-Erteilung habe ich auch nach altem Recht nie ausgesprochen. Konnte ich damals schon nicht nachvollziehen.

  • (...)
    Man wollte ja die Schuldner animieren, die Verfahrenskosten zu zahlen. Deshalb wurde ja auch die vorzeitige RSB nach 5 Jahren bei Kostendeckung erfunden, damit der Schuldner "überobligatorische" Anstrengungen unternimmt, die Kosten zu zahlen. (...)

    Ja, wegen des § 300 Abs. 1 Nr. 3 InsO geht mE ohne Kostendeckung nichts mehr vorzeitig, egal ob
    a) "regulärer" Fall oder
    b) keine anmeldenden Gl. oder
    c) Vergleich mit den anmeldenden Gläubigern,
    bzw. zu b), c) abgestellt auf das SV.

    Sonst liefe der Nr. 3 komplett leer und er ist nun mal da und der Gesetzgeber hat sich dabei auch was gedacht, wie Mosser ja schon erläutert hat.

    Andere, alternative Überlegungen im Sinne von # 3 von Breamter und dazu eine entsprechend "klare" gesetzliche Regelung klingen zwar auf den ersten Blick ganz sinnvoll, stelle ich mir aber "wirklich klar" schwer zu definieren vor und würde wahrscheinlich einen unsäglichen Rattenschwanz von Einzelentscheidungen zur Frage der "offensichtlichen Aussichtslosigkeit" nach sich ziehen; würde mir daher wünschen, dass der Gesetzgeber davon auch weiterhin die Finger lässt.

    Das ist ja aber auch nicht die Frage des TE gewesen, bei der es letztlich um die Missachtung des § 288 InsO in "entsprechend begründbaren Einzelfällen nach Sinn und Zweck" (tia ?) ging, um die TH-WP-Kosten zu sparen.

    Und dann kommt - warum und woher auch immer - der Fall, wo noch was für die Staatskasse zu holen gewesen wäre, aber nicht geholt wurde, weil eben kein TH bestellt war, und der BezRev. - woher und warum auch immer er davon Kenntnis erlangen mag - macht ein Riesenfass auf und draus.

    Klar, praktisch alles sehr unwahrscheinlich, aber muss man das sich im blöd laufenden Einzelfall
    (Brot-Butterseite) - gegen den Gesetzeswortlaut; wird dann in der nachträglichen Argumentation eher schwierig - geben ?

    Ich weiß es auch nicht ;)

    2 Mal editiert, zuletzt von zsesar (22. Februar 2017 um 21:05)

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